Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Aktuelle Infos zur Kinder-Seite
  

Home >Kultur >Kinder >Kinder4                                                                     Ihr Eintrag? Ihre Idee?

 Blick nach Norden auf halbem Weg zwischen Birkendorf und dem Steinatal am 21.9.2006 um 18 Uhr
Blick nach Norden auf halbem Weg zwischen Birkendorf und dem Steinatal am 21.9.2006 um 18 Uhr

  Ich mache mich über niemanden lustig: Regel und Kinderwitz

"Witz der Woche" auf der Seite "Kinder! Kinder!", (BZ-Magazin, 26. November):
Ein Schwarzer schlägt die Trommel. Der Tourist fragt: "Warum machen Sie das?"
Antwortet der Schwarze: "Wir haben kein Wasser."
"Aha, und jetzt beschwören Sie die Götter?"
"Nein, ich rufe den Installateur.
"


Ein mit Vorurteilen gespickter Text
Sehr geehrte Redaktion der Kinderseite, als Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Lehrerin lese ich jede Woche Ihre Kinderseite. In der Regel sind auch ganz nette Witzchen dabei, die ich mir sogar manchmal aufbewahre. Nun las ich diesen von Ihnen ausgewählten Witz (?) mit Erschrecken und Empörung. Wie kann es sein, dass Kindern ein derart mit Vorurteilen gespickter Text präsentiert wird? Ich möchte beschreiben, was dieser "Witz" alles vermitteln kann: Schwarze schlagen Trommeln. Wo Schwarze leben, gibt es kein Telefon. Es gibt dort auch kein Wasser. Sie leben primitiv. Schwarze begegnen Touristen, die sich über ihre Lebensweise wundern. Schwarze beschwören Götter, um sich zu helfen. Installateure kommen (nicht) mit Trommelsignalen. Grundsätzlich sollen Kinder doch Respekt und Achtung vor sich selbst, vor allen Menschen und jedem Individuum lernen. Witze über Unterschiede in Hautfarbe, Religion, Behinderung, Nationalitäten, Lebensformen übermitteln aus meiner Sicht vorrangig nicht das Sprachspiel sondern vorgefertigte Aussagen über Menschengruppen. Welche Bilder bekommen unsere Kinder damit geliefert, worüber sollen sie eigentlich lachen? Eine der wichtigsten Regeln in Schulklassen heißt: Ich mache mich über niemand lustig! Erwachsene, die Kinder auf ihrem Weg in ein friedfertiges und selbstwertgestärktes Leben begleiten, sollten gut überlegen, was sie ihnen zu lesen anbieten. In diesem Sinn bittet unsere große, vielfältige Familie, solche "Witze" nicht mehr zu drucken. Sie sind diskriminierend.
7.12.2011, Andrea Deibert und Familie, Freiburg

Gehört nicht das Überschreiten dieser Regel zum Wesen des Witzes?
Sehr geehrte Familie Deibert, vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie uns auffordern, bei den Witzen auf der Kinderseite doch der Regel in Schulklassen zu folgen, die heißt: "Ich mache mich über niemanden lustig". Aber gehört nicht gerade das Überschreiten dieser Regel zum Wesen des Witzes? Macht sich nicht jeder Witz immer über irgendwen lustig?
Würden wir die Regel zum Leitsatz bei der Auswahl der Witze machen, es blieben allenfalls noch ein paar Tierwitze übrig. Lehrer, Ostfriesen, Chinesen, Berner, Großmütter, Väter, Fußballspieler – alle werden in den Witzen auf der Kinderseite auf die Schippe genommen, und wir lachen herzlich über alle, die Fritz und Klein-Anna heißen. Ich kenne blonde Mädchen, die über Blondinenwitze gackern. Entweder, weil sie sich nicht als Blondine sehen oder weil sie über die Gabe verfügen, über sich selbst lachen zu können. Ich habe den Witz auch ganz anders gelesen als Sie. Ich finde, dass er nicht den Afrikaner im Fokus hat. Dieser kann den Installateur rufen, selbst wenn das Handy versagt und er kann sicher sein, dass der Handwerker den Ruf versteht. Nein, es ist der Tourist, der, vorurteilsgeladen und kolonialgeschichtlich vorbelastet, in alle Fettnäpfchen tritt und von der Antwort des Afrikaners ins 21. Jahrhunderts katapultiert wird: Bei Wassermangel geht es nicht um Dürre und Götter, sondern um Handwerk und Technik. In Afrika und überall auf der Welt! Vielleicht können Sie mit diesem zweiten Blick dem Witz doch etwas abgewinnen. Ich erkenne, warum Sie ihn der Kategorie diskriminierend zuordnen. Ich meine aber, dass der Einsender dem Afrikaner damit auf Augenhöhe begegnet.
Helga Lorenz, Redaktion Kinderseite, 7.12.2011

Hier mal eine Anekdote
Eine Freundin von meiner Oma feierte Ihren 80sten Geburtstag! In der Wirtschaft war der Saal in U-Form eingedeckt. Die Jubilarin saß in der Mitte der Querleiste. Ihr gegenüber drei Ihrer bereits aufgeklärten Enkel. Die Jubilarin kam aus Herbolzheim (Herbolze) und hörte nicht mehr gut. Im Laufe der Geburtstagsfeier kamen die Enkel auf das "Thema Nr.1" zu sprechen. Ihre Oma (genannte Jubilarin) verstand nur ein Wort, nämlich "Orgasmus". Ihre Äusserung zu den drei Enkeln: "Wie heißt der? Orgasmus? Des isch aber au kei Herbolzer!" Ist diese Anekdote jetzt diskriminierend??
8.12.2011, Roman Weingardt

Einfach mal nach der Autorin per Google suchen ... das erste Suchergebnis hilft weiter. ;)
8.12.2011, Frank


 

Kinderschutzbund Freiburg sucht neue ehrenamtliche Mitarbeiter

Der Kinderschutzbund Freiburg kann mittlerweile auf eine lange Geschichte zurück blicken. Seit nunmehr 37 Jahren existiert der Verein, in dem sich zur Zeit sieben Haupt- und rund 70 Ehrenamtliche Kinderschützerinnen und Kinderschützer engagieren. Die Arbeit des Kinderschutzbundes Freiburg ist vielfältig: Neben der Nummer gegen Kummer und dem Elterntelefon sind der Begleitete Umgang und die Schulsozialarbeit an den Vigeliusschulen die größten Bereiche. Doch auch die kleineren Projekte wie die Sprachförderung, die Frühstückstafel und die Unterrichtsbegleiter sind wichtige Tätigkeitsbereiche, die gezielt bedürftige Freiburger Kinder und Jugendliche ansprechen. Die Arbeit des Kinderschutzbundes Freiburg wäre ohne die vielen engagierten Ehrenamtlichen nicht möglich. Das Projekt der Unterrichtsbegleiter entstand nach einem Hilferuf der Lehrer an der Vigelius-Grundschule in Freiburg-Haslach, die sich dafür aussprachen, weitere Kräfte gezielt zur Unterstützung einzusetzen. Um benachteiligte Kinder beim Erfassen und Umsetzen des Gelernten zu unterstützen und das Klassenziel zu erreichen, schickt der Deutsche Kinderschutzbund Freiburg ehrenamtlich arbeitende Unterrichtsbegleiter in die Klassen. Zusammen mit den Schülern erarbeiten die „Lernpaten“ den Lehrstoff, und helfen gezielt die vom Lehrer gestellten Aufgaben zu erledigen. „Viele der Schülerinnen und Schüler sind nicht in der Lage, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder einfache Arbeiten wie Ausschneiden oder das Nachzeichnen von Linien auszuführen,“ so Gabi Ehret, die als Unterrichtsbegleiterin seit nunmehr drei Jahren ihr Engagement zeigt. „Ein wichtiges Ziel ist es, das Selbstbewusstsein der Kinder zu fördern. Sicher fühlte ich mich im Bereich „Kunst“, weshalb ich mich auf diesem Sektor einbringen wollte. Mittlerweile sind die Erfolge offensichtlich. Ich bin stolz auf die guten, überraschenden Ergebnisse, zu denen die Kinder durch Einzelbetreuung und die Unterstützung in den Klassen kommen. Am Ende des nächsten Schuljahres machen wir eine richtige Kunstausstellung. Wir sind schon dabei, die Passepartouts zu fertigen.“ Der Kinderschutzbund Freiburg sucht weitere Menschen, die sich ehrenamtlich betätigen und gemeinsam mit Anderen für das Projekt „Unterrichtsbegleiter“ einsetzen möchten. Unter www.kinderschutzbund-freiburg.de können sich alle Interessierten einen Ein- und Überblick über den Kinderschutzbund Freiburg verschaffen. Interessierte melden sich bitte unter info@kinderschutzbund-freiburg.de.
12.5.2011, www.dreisamtaeler.de


 

Beichte im Kindesalter - Freiburger Psychiater Christoph Student

Der Freiburger Kinderpsychiater Christoph Student über die Beichte im Kindesalter

Rund 20000 Kinder in der Erzdiözese Freiburg gehen kommenden Sonntag zur Erstkommunion. Davor steht die Beichte, in der sie schuldhafte Verfehlungen und getanes Unrecht eingestehen müssen. Kann ein Kind sündigen? Christoph Student, Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut in Freiburg, über Wiederholungszwang, Zweifel und Intimsphäre.

Herr Professor Student, gibt es in jedes Menschen Leben diesen besonderen Moment, in dem er erkennt, dass jeder, der lebt, zwangsläufig schuldig wird? Das ist eine ganz späte, eigentlich schon philosophische oder tief religiöse Einsicht, die frühestens in der Pubertät kommt. Ein Gefühl für Schuld hingegen entsteht schon im Vorschulalter.

Ab diesem Zeitpunkt ist das Kind zur Schuld fähig und zur Reue?
Mit vier bis fünf Jahren, wenn das Kind beginnt, sich als Ich zu entdecken und gegenüber den Eltern abzugrenzen, hat es zum ersten Mal ein Schuldgefühl. Es weiß um die von den Eltern gesetzten Regeln, verstößt dagegen und lädt so Schuld auf sich. Erst nach und nach entdeckt es, dass Regeln nicht absolut sind, sondern verhandelbar. Diese Entwicklung ist Teil des Reifungsprozesses. Zu dem gehört die Erkenntnis, dass die Motivation, die zur Tat geführt hat, für ihre Bewertung entscheidend ist.

Ist dazu nicht eine Urteilsfähigkeit nötig, die unabhängig ist von der der Eltern oder einer anderen Instanz?
Doch, und diese Urteilsfähigkeit entwickelt sich ganz allmählich, aus ihr entsteht dann die Selbstbeurteilung, die Selbsterkenntnis. Hier tragen Eltern große Verantwortung. Genau wie Lehrer fragen sie oft nicht nach der Motivation – warum hat das Kind geschwätzt, seinen Bruder geschlagen, eine Tasse runter geworfen – sondern bestrafen nur die Tat. Dabei kann es so unterschiedliche Gründe geben, eine Tasse runter zu werfen: Wut auf die Mutter, ein Versehen, das ihm leid tut, die Bitte um Aufmerksamkeit. Die Motivation ist es, die eine Tat böse oder gut macht.

Was bedeutet das für den Priester, der Drittklässlern vor ihrer Erstkommunion die Beichte abnimmt?
Acht oder neun Jahre ist schon ein sehr früher Zeitpunkt, um eine kirchliche Beichte abzulegen. Grundsätzlich ist es aber gut, wenn ein Kind früh lernt, wie heilsames ist, sich von etwas Belastendem zu befreien. Doch dazu braucht es Vertrauen. Ohne das gibt es keine wahre Beichte. Vom Priester verlangt es viel psychologisches Feingefühl, Hinhören und Wohlwollen, diesen Weg mit dem Kind zu gehen.

Was genau passiert psychisch gesehen bei der Beichte?
Die Beichte ist ein uraltes Ritual, mit dem ein gestörtes Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Eine Schuld wird erkannt, ausgesprochen, in ihrer Motivation verstanden, und es wird ein Ausgleich geschaffen, indem der Täter eine Strafe erhält und annimmt oder verspricht, eine Wiedergutmachung zu versuchen. Das kann enorm entlastend wirken,  ein Neuanfang wird möglich. Wenn der Täter nicht neu anfangen kann, gibt es oft einen Wiederholungszwang. Das lässt sich auch bei Kindern beobachten: Sie tun etwas, das sie selbst nicht für richtig halten, und müssen es so lange wiederholen, bis Mutter oder Vater es entdecken. Die Schelte wirkt dann wie eine Entlastung, es ist wieder gut. Wenn das Kommunionkind diese Erfahrung macht und erleichtert aus dem Beichtgespräch rausgeht, ist es geglückt.

Die Beichte kann auch ganz anders wirken. Ein Mann hat mir erzählt, wie ihm als Junge in der Nacht nach seiner Beichte und vor seiner Erstkommunion gegen seinen Willen alle nur denkbaren Flüche im Kopf herumschwirrten. Zur Kommunion ging er dann mit einer tiefen Furcht und dem Gefühl der Schuld, weil er sich im Zustand der Sünde befand.
Das ist ein sehr schönes Beispiel, das leider gar nicht so selten ist und zeigt, wie die Beichte schief gehen kann. Dem Priester ist es nicht gelungen, dass der Junge  seine Schuld abgeben konnte. Er hat zwar pflichtgemäß einige Verfehlungen bekannt, aber seine Schuld behalten, die deshalb immer größer geworden ist. Vielleicht war das göttliche Gebot, rein von Sünde zur Kommunion zu gehen, zu gewaltig, zu drohend. Entscheidend ist, wie das Kind Gott erlebt, ob er gütig ist oder strafend. Und dies wiederum hängt davon ab, welche Erfahrungen es bisher mit Autorität – etwa den Eltern – gemacht hat. Gott ist ja zunächst nichts anderes als die Fortsetzung dieser Autoritäten. Jeder Mensch, auch wenn areligiös lebt, hat eine Vorstellung von einer Macht, die größer ist als er. Und dieses Bild entscheidet ein Stück weit, wie er mit Schuld umgeht.

Handelt es sich dann sogar um ein gesundes Autonomiestreben, wenn ein Kind die Beichte nicht ganz ernst nimmt? 
Ja. Viele Kinder fragen sich, was sie denn nur beichten sollen. Aber es wird verlangt, alle machen  es, also überlegen sie sich einige Süden, die sie dann nennen. Das kann eine viel gesündere Einstellung sein, als wenn sich ein Kind duckt. Und es hat nichts damit zu tun, ob einer später ein guter Christ wird, oft aber damit, ob er eine freiere Entwicklung nimmt oder eine eingeengte.

In der katholischen Kirche gilt – anders als in der evangelischen – die Pflicht, alle seine Sünden zu beichten. Wie wichtig ist es, ein Geheimnis haben zu dürfen? Hier geht es um die Frage der  Intimsphäre. Die darf durch das Beichtgebot nicht verletzt werden, das wäre ein Übergriff. Das tritt vor allem zutage, wenn es um Sex geht. Wenn das Kind sich gezwungen sieht, über die eigene tastende, erwachende Sexualität zu sprechen, und zwar unter dem Aspekt der Verfehlung, des Unrechts gar, ist es etwas ganz Furchtbares. Dabei kann ein guter Seelsorger hier viel Positives bewirken, indem er sagt: Das ist ganz normal, das machen alle, das ist keine Sünde. Der Druck der Beichte ist zweischneidig. Er kann viel Schaden anrichten, er kann aber auch der erste Schritt zu Entlastung sein.

Wie bewerten Sie den Ritualcharakter der Beichte?
Ich kann mir vorstellen, dass die Beichte dadurch stärker wirkt als etwa das Gespräch mit dem Psychotherapeuten. Vorausgesetzt, dass der Beichtende fest an die Macht im Hintergrund des Priesters – also Gott – glaubt.

Und wenn der Priester sagt: „Deine Süden sind dir vergeben", ist die Schuldweg?
Die ist dann weg, zumindest zunächst und ein Stück weit. Über diese rituelle Macht verfügt übrigens nur die Religion. Der reife Mensch wird aber immer zweifeln. Er wird nie sicher sein, dass nach der Beichte alles gut ist, sondern wissen: Es besteht die Chance, dass alles gut ist. Aber ich glaube, das macht unser Menschsein aus, dass wir lieben und hassen, schuldig werden, bereuen und Erfahrungen machen. Wenn wir völlige Gewissheit hätten, was richtig ist, bräuchten wir unser Leben nicht zu leben.

Was raten Sie, damit die erste Beichte des Lebens, die übrigens oft die letzte ist, zu einem guten Erlebnis wird?
Tatsächlich ist sie ja nicht die erste Beichte des Lebens, das Sich-Aussprechen gegenüber den Eltern ist dem Kind schon bekannt. Und wenn es dabei erlebt hat, dass sein Vertrauen nicht missbraucht wird, dass es trotz seiner Schuld Anerkennung findet, wird es auch einen ungeschickt agierenden Priester überstehen. Ein guter Pfarrer aber wird dankbar sein, wenn die Eltern mit ihm in den Dialog treten. Wenn die erste kirchliche Beichte des Kindes auch seine letzte ist, hat sie ihr Ziel verfehlt, dann wäre es besser gewesen, sie wäre nie geschehen. Eltern sollten mit ihrem Kind vorher in Ruhe über die Beichte sprechen, über seine Gefühle und Gedanken, und vielleicht erzählen, wie es ihnen selbst einmal geholfen hat, sich etwas von der Seele zu reden. Die entscheidende Frage ist: Geht es dem Kind nach der Beichte besser als vorher? Wenn es ihm schlechter geht, hat sie ihre psychologische Funktion nicht erfüllt, wenn es ihm aber besser geht, kann sie eine heilsame Erfahrung für seinganzes Leben sein.

Christoph Student (67) ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie einer der Pioniere der Palliativmedizin mit Praxis in Freiburg. Er lehrte von 1980 bis 1997 als Professor für Psychiatrie und Sozialmedizin in Hannover und Freiburg und leitete 1997 bis 2007 das Hospiz Stuttgart. Er ist Vater dreier Kinder, von denen das erste 1980 starb. Student hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter zusammen mit Thomas Klie „Sterben in Würde – Auswege aus dem Dilemma Sterbehilfe" (2007), „Sterben, Tod und Trauer – Handbuch für Begleitende" (2006) und „Im Himmelwelken keine Blumen – Kinder begegnen dem Tod" (2005), alle im Freiburger Herder-Verlag.

Das Gespräch führte Sigrun Rehm, 7.4.2010, www.der-sonntag.de

 

Kaiserstühler Kindermund: Buch mit frechen Sprüchen

Zwei Jahre lang gesammelte Sprüche von Kindern erscheinen jetzt als Buch mit Bildern

Kurz vor Ostern ist ein Buch randvoll mit Sprachpirouetten, Witz und Wahrheiten unserer Kleinsten erschienen. „Der Kaiserstuhl ist nicht zum Draufsitzen!” aus dem neu gegründeten Kindermund Verlag von Christine und Heike Kern enthält 360 lustige Sprüche von Kaiserstühler Kindergartenkindern. Erzieherinnen, Eltern und Familien aus knapp 20 Kaiserstuhlgemeinden haben zwei Jahre lang die schönsten Sprüche der Kleinen gesammelt. Die ehemalige Eichstetter Kindergartenleiterin Heike Kern hat mit ihrer Tochter Christine daraus ein liebevoll gestaltetes Buch gemacht. Illustriert ist das 160 Seiten starke Buch mit vielen phantasievollen Bildern, die die Kaiserstühler Künstlerinnen gemeinsam mit den Kindern gemalt haben. „Der Kaiserstuhl ist nicht zum Draufsitzen” ist zum Preis von zehn Euro (zzgl. Versand) auf der Internetseite www.kindermund-verlag.de  zu bestellen oder telefonisch bei Heike Kern 07663/1308. Erhältlich ist er auch in den einzelnen Kindergärten. 360 Sprüche stehen in dem Buch: lustige, nachdenkliche, neunmalkluge, freche und auch ein paar alemannische. Denn natürlich wird in Kaiserstühler Kindergärten auch Dialekt gesprochen. Heike Kern, die ursprünglich aus Norddeutschland kommt, hatte ein bisschen damit zu kämpfen: „Was ich den Kindern nie klar machen konnte, war, dass der Herbst am 21. September beginnt”, sagt sie. „He nei, mir herbschte schon e Woch!” kam dann zum Beispiel die Antwort. Weil ein Buch ohne Bilder nur halb so lustig ist, gibt es 18 Illustrationen, die Kaiserstühler Künstlerinnen zusammen mit den Kindern gemacht haben. Große und kleine Maler haben sich Umsetzungen der Sprüche einfallen lassen. Eine der „Großen” ist Angelique Eckstein aus Burkheim: „Mir hat die Idee sofort gefallen. Und weil die Burkheimer Kinder gerne zum Malen in meiner Galerie vorbeikommen, haben wir gleich am nächsten Tag angefangen.” Die vielseitigen Ergebnisse zeigen, dass nicht nur jede Menge Sprachkünstler im Buch zu finden sind. Der einzigartige Blick, mit dem Kinder die Welt sehen, zeigt sich genauso in den Bildideen. Im Sommer wird es eine Ausstellung mit den Originalen der Illustrationen geben. Zum einen in der Galerie Eckstein in Burkheim, aber auch in Endingen, denn Lucienne Gürtner von der Produzentinnengalerie „3malArt” ist ebenfalls beim Projekt dabei. Als kleinen Vorgeschmack darauf kann man jetzt schon das Titelbild „Der Kaiserstuhl ist nicht zum Draufsitzen!”, das sie zusammen mit der kleinen Luise gemalt hat, im Schaufenster der Buchhandlung „Vollherbst&Koch” in Endingen betrachten.
Nils Kickert, 26.3.2010, www.stadtkurier.de

 

Alm statt Ritalin: ADHS-Kinder auf Südtirol Berghütte

Kinder mit Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) benötigen keine Medikamente, sagt der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther. In einem Interview in der November-Ausgabe des Magazins GEO erläutert er seinen alternativen Therapieansatz: zwei Monate harte Arbeit in einer Berghütte auf 2400 Meter Höhe.
In einem Testprojekt in Südtirol haben zwölf Jungen das Käsemachen gelernt und sich selbst und eine Kuh versorgt. Schon nach den ersten Tagen auf der Alm brauchten die Kinder kein Ritalin mehr. Die Ursache für ADHS, so Hüther, sei eine verzögerte Reifung des Frontalhirns; betroffen seien vor allem Kinder, die viel fernsehen, wenig ausprobieren dürfen oder denen Schwierigkeiten stets aus dem Weg geräumt werden. Durch Arbeiten, die ein hohes Maß an Eigenverantwortung erfordern, lasse sich eine massive Nachreifung der Hirnareale und der Nervenverbindungen erzielen. Medikamente führten zwar zur Impulskontrolle, blockierten aber auch die neuronale Nachreifung. Für den Nachweis der erfolgreichen Therapie hofft Hüther, dass die Kinder aus der Teststudie auch nach einem Jahr auf der Alm noch auf Ritalin verzichten können.
23.11.2009, GEO 11/2009

Den Ansatz finde ich gut. Das Arbeiten in der Natur mit Verantwortung den jugendlichen Spass macht und etwas bewirkt, davon bin ich restlos überzeugt. Aber nicht alle können das tun. Ich habe eher das Gefühl, dass den Eltern und Lehrern mal der Kopf gewaschen gehört. Ich denke sie sollten mehr Verantwortung für Ihre Kinder übernehmen indem Sie Ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken mit Liebe und Geduld. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass unsere Kinder die nächste Generation bilden. Wer möchte schon eine Gesellschaft die unter Drogen steht und dadurch zur sozialen Belastung für die Familie und der Gesellschaft wird? Das Problem wird mit Drogen nicht kleiner sondern noch größer! Nützen tut das nur der Pharmalobby. Kinder durch nachweislich bewusstseinsverändernde Drogen ruhig zu stellen, ist für mich eine absolute Verantwortungslosigkeit und zeugt von Unmenschlichkeit und der Unfähigkeit sich alltäglichen, normalen Problemen zu stellen. Anstatt die Ernährung zu ändern, der Griff zur Pille. Das ist heute schon eine Geisel für die Gesellschaft, das erkennen zwar immer mehr Menschen. Jedoch die Mehrzahl lässt sich von der Pharma und Ihren Handlangern überzeugen, ohne selbst zu denken und vor allem ohne mal die Beipackzettel zu lesen. Es wird den Kindern aufgezwungen, ob sie es wollen oder nicht. Ein vernünftiger Mensch weiss, dass das nicht gut sein kann. Resultat: Immer mehr Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen die unter Ritalin stehen!
L.Kunz im Blog auf Hwelt.de

Zurück zum kindgerechten, ja eigentlich menschgerechten Leben! Selbst wenn ein Kind rein körperliche Auffälligkeiten oder Abweichungen aufweist,durch die Aktivierung der Selbstheilungskräfte heilbar! Unser Organismus ist derart leicht beeinflussbar und reagiert auf Bewegung, vor allem solche mit unterschiedlichen Reizen, die alle Organ-Reizmechanismen ansprechen und mit schadschoffarmer natürlicher Versorgung der Zellen (Ernährung) direkt in positivster, selbstheilender Weise. Arbeit oder Bewegung in der Natur schenkt dem Gehirn eine "Pause". Diese Erholung nutzt der Körper, um sich zu
regenieren bzw. in Ordnung zu bringen. Jedwede Medikamente können nicht die Selbstheilungkräfte ersetzen, die es gilt, in Gang zu bringen. Pharma beeinflusst immer die Empfindungen und schürt depressives, nicht überlebensfreundliches Verhalten. In der Verwandtschaft konnte ich sehr negative Veränderungen durch Psychopharmaka beobachten, bis hin zum Selbstmord. Dramatische Bilder
(Fernsehen) können verheerenden Einfluss auf eine sich entwickelnde Persönlichkeit - wie auch körperliche Organbefindlichkeiten - zur Folge haben. Alles Geniale ist einfach !
Gisela Fürst im Blog auf Hwelt.de

 

Benefizkonzert in Ebnet für Therapie-Zentrum Caritas am Feldberg

Freiburg/Feldberg (glü.) Zunehmende Bewegungsverarmung bei Kindern haben schwerwiegende Konsequenzen für die körperliche, geistige und seelische Entwicklung der Heranwachsenden. Zur gezielten Förderung des Projektes „schöner spielen" veranstaltet das Interdisziplinäre Therapiezentrum Caritas-Haus Feldberg am 29. November 2009 um 16 Uhr im Theodor-Egel-Saal in Freiburg-Ebnet im Hirschenhofweg 14 unter der Schirmherrschaft von Kultusminister Helmut Rau ein unter der künstlerischen Leitung der Freiburger Theaterregisseurin Ingeborg Waldherr stehendes Benefizkonzert. Zu den durch Bewegungsverarmung verursachten Einschränkungen im Entwicklungsprozess von Kindern und Jugendlichen gehören, neben den somatischen Folgen des Übergewichtes, psychosomatische und psychische Fehlentwicklungen. Mit dem neun Stationen in der Entwicklung eines Kindes erzählenden Benefizkonzert „Kinder“ möchte das Caritas-Haus Feldberg für die Situation von Kindern und Jugendlichen sensibilisieren. Die Erlöse sollen dem Bau eines Abenteuer-Spielplatzes zugute kommen. „Der überproportional gute Therapieerfolg unseres Hauses hängt unmittelbar mit der ständigen Weiterentwicklung des verfügbaren Angebotes für Kinder zusammen“, stellt der für die größte Mutter-Kind-Einrichtung innerhalb der katholischen Arbeitsgemeinschaft in Deutschland verantwortliche Geschäftsführer Udo Wankelmuth fest. In verschiedenen Sprachen und mit Musik, Gesang, Text und Bildern verbindet der als Conférencier in Erscheinung tretende Schauspieler Eduard Mertens spielerisch die verschiedenen „Kindheitsstationen“ von der Geburt bis zu seinem Abschied als Jugendlicher von seinen Eltern. Das aus Klaviersoli, klassischen Arien sowie Liedern und Texten aus der ganzen Welt bestehende Programm unter Mitwirkung der Musikhochschule Freiburg begeistert vor allem durch seine Vielseitigkeit.
Das interdisziplinäre Therapie-Zentrum Caritas-Haus Feldberg ist eine Klinik für Kinder- und Jugendliche sowie für Mutter-Kind-Vorsorge und Rehabilitation. Das Haus liegt im Zentrum des Naturparks Südschwarzwald auf 1.250 Meter in milbenfreier und allergiearmer Umgebung mit hochalpinem Klima. Die Indikationsschwerpunkte im Bereich der Kinder- und Jugendrehabilitation sind AD(H)S, Adipositas und Zustand nach Leber- oder Nierentransplantation. Zu der Klinik gehört eine Klinikschule mit besonderem pädagogischem Angebot. Die Klinik wurde 2008 von „proCum-Cert“ zertifiziert.
Gerhard Lück, 6.11.2009, www.dreisamtaeler.de

 

Roman Polanski: Kindesmissbrauch bleibt Kindesmissbrauch

Beim Lesen der verschiedenen Berichte über die Festnahme von Roman Polanski in der Schweiz, schwankt meine Gefühlswelt zwischen Verwunderung und in höchstem Grade verärgert und empört. Es werden Wörter wie "Respekt", "Verzeihen" und "Schuld abgesessen" benutzt. Dies mögen mir doch recht zweifelhafte Bezeichnungen für den vorliegenden Fall sein. Es handelt sich hier um einen Fall von Kindesmissbrauch. Ein 13-jähriges Mädchen wurde von einem Mann Mitte vierzig in dem Haus eines Freundes gefügig gemacht und zum Sex genötigt. Der Täter gestand und floh dann, aus Angst vor einer hohen Haftstrafe, ins Ausland. Nun ging er den Fahndern ins Netz, da er in ein Land (angekündigt) einreiste.
Unerheblich für diesen Fall sollte meiner Meinung nach sein, wer der Täter ist, welche politischen Hintergründe bei der Ergreifung eventuell außerdem eine Rolle spielten oder wie lange die Tat her ist. Auch unerheblich für den juristischen Fall ist, ob das Opfer seinem Peiniger verzeiht, oder ob Geld an das Opfer bezahlt wurde. Dies fällt erst bei der Höhe des Strafmaßes ins Gewicht. Wobei die Flucht vor dem Gefängnis den Reuegedanken schmälert. Außerdem sollte eine Entschädigung an das Opfer, wie auch immer geartet, eine Selbstverständlichkeit sein. Die Tat an sich kann jedoch damit nicht ungeschehen gemacht werden, mag Polanski sich selbst auch noch so sehr in seinem "Exil" kasteit haben.
In einer Zeit, in der die Menschen endlich sensibel für Kindesmissbrauch sind und anfangen, sich nicht mehr zu verschließen und zu reagieren, fände ich es verwerflich, einen Täter nur aufgrund seiner Leistungen im beruflichen Leben davonkommen zu lassen. Außerdem halte ich es für äußert fraglich, wie Herr Hupka zu behaupten, dass ein Fall von Kindesmissbrauch durch einen weniger berühmten Täter schon lange vergessen sei. Das macht sicherlich vielen Menschen, wie auch immer geartete, Hoffnung. Das einzige Fazit kann und muss nur sein: Kindesmissbrauch bleibt Kindesmissbrauch, egal von wem verübt.
Sollte unsere vermeintliche Filmkultur jedoch durch die Festnahme Polanskis unermesslichen Schaden erlitten haben, wäre vielleicht jetzt der richtige Zeitpunkt aus dem Sessel aufzustehen, die Fernbedienung wegzulegen und sich einem guten Buch zuzuwenden.  
BZ-Leserbrief vom 8.10.2009 von Christine Rutschmann, Rheinfelden

Das öffentliche Ansehen darf keine Rolle spielen
"Aber, so what?" in einem Artikel, in dem es um einen Mann geht, dem ein sehr ernstes Verbrechen zur Last gelegt wird, ist weder originell noch passend. Wäre er der Mann, für den er gehalten wird, würde er sich dieser Verantwortung stellen, und wäre nicht davor davongelaufen. Das Verfahren wird dann über Schuld oder Unschuld entscheiden und gegebenfalls über die gerechte Strafe. Sollte nicht der Schutz unserer Kinder vor allen anderen abzuwägenden Fragen in diesem Fall stehen? Ein Zeitlimit gibt es hier nicht. Und bestimmte Meinungen sollten aber manchmal aus Respekt vor den Opfern lieber nicht zu Papier gebracht werden. Das öffentliche Ansehen der Person, darf und kann keine Rolle spielen bei der Bewertung eines sehr ernsten Vorwurfs. Auch wenn die zur Last gelegte Tat Jahre zurückliegt. Es gibt und darf "kein je nachdem wer der Verantwortliche ist" Recht geben.  
BZ-Leserbrief vom 8.10.2009 von Franz Zorn, Breisach

 

ADHS, Zappelphilippsyndrom und Verschreibungspraxis

Übermäßiger Bewegungsdrang, mangelnde Impulskontrolle und Konzentrationsfähigkeit sind im Wesentlichen die Symptome, die zur Diagnose ADHS bzw. HKS führen. Verhaltensweisen, die bis zu einem gewissen Grad typisch für Kinder sind. Das macht die Diagnose so schwierig. Ab wann ist ein Verhalten schon pathologisch und wann noch normal?
Von medizinischer Seite werden als Ursachen vor allem erbliche Veranlagung und psychosoziale Faktoren angeführt. Der gigantische Anstieg an diagnostizierten ADHS-Kindern und die damit verbundene explosionsartige Verschreibung von methylphenidathaltigen Präparaten, vor allem Ritalin, muss jedoch kritisch betrachtet werden, ist doch der Verbrauch in den Jahren von 1995 bis 2000 um das 40-Fache gestiegen. Zwischen 1999 und 2007 erhöhten sich die jährlich verschriebenen Tagesdosen von vier auf 46 Millionen – Tendenz steigend. Für die Pharmakonzerne sicherlich erfreulich, für die betroffenen Kinder nicht. Der Einsatz von Medikamenten wie Ritalin, ein Amphetamin, das in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, war ursprünglich nicht für Kinder, sondern für depressive Erwachsene vorgesehen.
Allein in der EU werden 100000 verschiedene Stoffe vermarktet, davon etwa 30 000 in Alltagsprodukten. Durch Auswaschen, Ausgasen und Abrieb können sie freigesetzt werden und auch in den kindlichen Organismus gelangen. Dabei sind 96 Prozent dieser Stoffe niemals ausreichend auf ihre Folgen für Umwelt und Gesundheit getestet worden. Und die wenigen vorhandenen Daten beziehen sich fast alle auf Erwachsene oder ausgewachsene Tiere. Ganz zu schweigen von Wechselwirkungen chemischer Stoffe untereinander...
ADHS ist nicht allein ein Problem von Individuen und kann nicht auf die betroffenen Kinder bzw. ihre Eltern abgewälzt werden. Es handelt sich auch um ein gesellschaftliches Problem. Es wird Zeit, ökologische Kinderrechte festzuschreiben, Produkte vor ihrer Vermarktung auf ihre Gesundheitsverträglichkeit und auf Wechselwirkungen mit anderen Produkten zu überprüfen. Es wird auch Zeit, dass bei der Diagnosestellung ADHS und vor Verabreichung von Ritalin umweltbedingte Gesundheitsrisiken bei der Anamnese berücksichtigt werden.  
BZ-Leserbrief vom 1.5.2009 von Christa Gronbach, Freiburg, Kind und Umwelt e.V.

 

KiWi - Kinder willkommen im Landkreis

Kinder und Jugendliche stellen die Zukunft unserer Gesellschaft dar. Dabei müssen sich Eltern und Familien heutzutage in der Erziehung ihrer Kinder und Jugendlichen weit stärkeren Herausforderungen stellen und sind im höchsten Maß gefordert. Welche Eltern kennen nicht das Gefühl, in der Betreuung und Erziehung ihrer Kleinkinder und Kinder an ihre Grenzen zu stoßen, wo Entlastung gewünscht und erforderliche wäre. Viele Eltern neigen jedoch dazu, Schwierigkeiten in der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder als persönliches Versagen zu bewerten und scheuen sich davor, rechtzeitig Hilfe zu beanspruchen. Hier ist es erforderlich, Schwellenängste abzubauen, Eltern frühzeitig über die Hilfemöglichkeiten zu informieren und sie im Bedarfsfall zur Inanspruchnahme von Hilfen zu motivieren.

Das Jugendamt des Landratsamtes bereitet derzeit mit Hochdruck das Projekt "KiWi - Kinder willkommen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald" vor. Voraussichtlich im Sommer 2009 fällt für das Baby-Begrüßungspaket im Landkreis der Startschuss. „Wir möchten den Eltern neugeborener Kinder in
unserem Landkreis einen zusätzlichen familienfreundlichen Service bieten“, betont Landrätin Dorothea Störr-Ritter. Darüber hinaus möchte der Landkreis mit der Umsetzung des KiWi-Konzeptes in offensiver Weise Verantwortung für das Wohlergehen seiner jüngsten Kreisbewohnerinnen und Kreisbewohner und deren Eltern übernehmen. Zum Thema Familienfreundlichkeit im Landkreis gehört auch die Unterstützung von Familien und der präventive Kinderschutz. Ziel ist es, die Lebensumstände von Kindern und Eltern in allen relevanten Bereichen positiv zu beeinflussen. Die Überbringung eies Baby-Begrüßungspaketes ermöglicht einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen neuen Eltern im Landkreis.
Im Mittelpunkt der Vorbereitungen steht derzeit der Inhalt des Baby-Begrüßungspakets. Es soll nützliche Geschenke wie zum Beispiel einen Rauchmelder, aber auch Informationen und Adressen „rund ums Kind“ enthalten. Außerdem ist vorgesehen, den Bildungsgutschein des Landesprogramms „STÄRKE“ mit einzupacken. Wenn die Vorbereitungsphase wie geplant läuft, erhalten ab Mitte 2009 alle
Eltern neugeborener Kinder zunächst ein Glückwunschschreiben der Landrätin zur Geburt ihres Kindes mit der Ankündigung des Besuchs eines Jugendamtsmitarbeiters. Die Eltern können dann darüber entscheiden, ob sie diesen Service nutzen wollen. Jede Familie, die den Besuch nicht ablehnt, wird im Rahmen eines Hausbesuchs ein Baby-Begrüßungspaket erhalten. Nicht jede besuchte Familie wird alle Informationen, Formulare oder Gutscheine benötigen, doch jede hat durch die Informationen den offenen
Zugang zu Eltern unterstützenden Angeboten und kann sie bei Bedarf abrufen. Vorreiter für das Projekt KiWi im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald war die Stadt Dormagen mit ihrem Projekt „Willkommen im Leben“, das als „Dormagener-Modell“ bundesweit auf Zustimmung stieß. Auch der Landkreis fand die Idee überzeugend und begann im Jahr 2008 mit den vorbereitenden Arbeiten zur Umsetzbarkeit des Projekts. Ende 2008 entschied der Kreistag, dass insgesamt 4,4 neue Stellen beim Jugendamt geschaffen werden, um das Projekt zu etablieren.
5,3,2009,
 Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

 


Landkreis stärkt Verantwortliche in der Kinder- und Jugendarbeit

Fortbildungsangebot des Jugendamtes zum Thema Kindeswohlgefährdung

In den letzten Jahren hat es bundesweit einige besonders tragische Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gegeben. Dies veranlasste den Gesetzgeber, mit einigen Änderungen den gesetzlichen Kinderschutz zu verbessern. Unabhängig von
diesen ergänzenden Vorschriften wird dem Thema Kinderschutz im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald höchste Priorität eingeräumt. Das Landratsamt entwickelt hierfür eigene Konzepte zur Verbesserung der Sicherstellung des Kinderschutzes. Das Jugendamt des Landratsamtes und die freien Träger der Jugendhilfe hatten schon in der Vergangenheit die Aufgabe, den wirksamen Schutz von
Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Dieses sogenannte staatliche  Wächteramt der Jugendhilfe ist sogar im Grundgesetz verankert. Danach ist "die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und  die ihnen zuförderst obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Die neuen gesetzlichen Regelungen präzisieren nun den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung. Hiervon betroffen sind zum einen die Verfahrensabläufe beim Jugendamt und bei den freien Trägern der Jugendhilfe und zum anderen die persönliche Eignung der Personen, die mit Kindern und Jugendlichen beruflich im Kontakt sind.
Im Rahmen der landeseinheitlichen Umsetzung dieser neuen Bestimmungen bildet die Verpflichtung zum Abschluss von Vereinbarungen zwischen dem Jugendamt und den freien Trägern der Jugendhilfe einen wesentlichen Kernpunkt. Diese sollen die Verfahrensschritte und Zusammenarbeit im Fall einer Gefährdung des Kindeswohls regeln. Mit 148 Trägern der Jugendhilfe schloss der Landkreis zwischenzeitlich Vereinbarungen über die Wahrnehmung des Schutzauftrages. Noch 22 fehlende Vereinbarungen sollen im Laufe des Jahres getroffen werden. Inhalt dieser Vereinbarungen ist unter anderem, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kindertageseinrichtungen die Kinder und Jugendlichen, die eventuell gefährdet sind, erkennen, und deren Eltern geeignete Hilfeangebote unterbreiten. Dabei ist eine erfahrene Fachkraft hinzuzuziehen. Gegebenenfalls muss der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) informiert werden. Wesentliches Ziel der Vereinbarung ist, eine gute Kooperation zwischen den Einrichtungen und dem ASD in Fällen möglicher Kindeswohlgefährdung sicher zu stellen.

Das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald hat jetzt ein Fortbildungskonzept für das gesamte Spektrum der Kinder- und Jugendarbeit entwickelt. Es richtet sich an die Leiter und Leiterinnen der Kindertageseinrichtungen und an die Fachkräfte in der Jugendarbeit und der ambulanten  Erziehungshilfe. Ziel dieses Angebotes ist es, die teilnehmenden Fachkräfte zu befähigen, Kindeswohlgefährdungen zu erkennen, Risiken abzuschätzen, geeignete Handlungsschritte einzuleiten und die Grenzen ihres Auftrages kennen zu lernen. Insgesamt sind 2009 dreizehn Fortbildungstage geplant. Bei Bedarf können weiter vertiefende Seminarthemen entwickelt werden. Die ersten Veranstaltungen für Leiterinnen der Kindertagesstätten fanden bereits mit sehr guter Resonanz statt.
Das Spektrum der Kinder- und Jugendarbeit umfasst unterschiedliche Arbeitsfelder mit jeweils eigenen Bedingungen. So nehmen Kindertageseinrichtungen bei der Früherkennung von Kindeswohlgefährdung
eine besondere Rolle ein. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben in der Regel einen intensiven Kontakt zu den Familien und können Gefährdungen frühzeitig erkennen. Dafür benötigen sie Kompetenzen, die sie befähigen und qualifizieren, Kindeswohlgefährdungen zu erkennen, Risiken abzuschätzen und geeignete Handlungsschritte einzuleiten. Im Arbeitsfeld der Jugendarbeit richten sich die Angebote an alle junge Menschen, ob diese die Angebote nutzen, ist ihre freiwillige Entscheidung. Sie haben alle das Ziel, die Entwicklung und Erziehung junger Menschen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern.
Im dritten Bereich vereinbart man erzieherische Hilfen verbindlich mit den Erziehungsberechtigten. Hierdurch soll eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleistet werden. Um diesen unterschiedlichen Bedingungen in Kindertagesstätten, in der Jugendarbeit und in den ambulanten erzieherischen Hilfen in der Fortbildung zu entsprechen, wird nach Arbeitsfeldern getrennt gearbeitet.
Die inhaltlichen Schwerpunkte sind jeweils die Wahrnehmung des Kinderschutzes im Rahmen der Auftragslage in den Arbeitsfeldern.
Die Kreisverwaltung verfolgt das Ziel, dass jeder Träger und jede Einrichtung im Rahmen des eigenen Auftrages und der jeweiligen Rechtslage den Schutz von Kindern wahrnimmt, auf Gefährdungen achtet und angemessen reagiert . Die öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ist ein Kernauftrag der Kinder- und Jugendhilfe und wird ergänzend zur Verantwortung der Eltern wahrgenommen.
25.2.2009, Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald


 

Kim Carson und Band spendet 4500 Euro für Kinderherzen retten

Nicolai Bischler (links, Bonanza-Mode) und Sawas Vafiadis (Mercure-Hotel, Mitte) übergaben die 4500-Euro-Spende an Sven von Ungern-Sternberg (rechts), Josephine Fuchs (2. von links) und Claudia Lackermaier vom Freiburger Verein „Kinderherzen retten“.
Bild: Heike Häberle

Über eine Spende von 4500 Euro durfte sich der Verein "Kinderherzen retten" freuen. Das Geld stammt aus einem Benefizkonzert der Countrysängerin Kim Carson und Band im Freiburger Karlsbau, das Nicolai Bischler (Bonanza-Mode) zusammen mit anderen im Karlsbau ansässigen Firmen organisiert hatte.
Außer der Bonanza-Mode GmbH waren es das Mercure-Hotel am Münster, die "Mash Inwear-Company", das Parkhaus Karlsbau, das Restaurant Enchilada, die Sprachschule Inlingua, die Bäckerei K & U, das Möbelhaus "Saumer-ungewohnt" sowie der Frisörsalon "Sissy Scholl".

Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern mit angeborenen Herzfehlern aus Drittweltländern eine lebensrettende Operation in Freiburg zu ermöglichen. Der gespendete Betrag ist für die erst wenige Monate alte Erica M. Menjivar aus El Salvador bestimmt, die Anfang März zusammen mit ihrer Mutter zur Operation nach Freiburg kommen wird.
21.2.2009


Sozialstandards in der öffentlichen Beschaffung - Kinderarbeit

Workshop: Sozialstandards in der öffentlichen Beschaffung am 23. Januar 2009 von 13:00 -- 17:30 Uhr in Freiburg In Zusammenarbeit mit: Agenda-Büro der LUBW, Karlsruhe
Ökostation Freiburg, Falkenbergstraße 21B, 79110 Freiburg

Öffentliche Beschaffung: Bund, Länder und Kommunen erteilen jährlich im Umfang von ca. 360 Mrd.
EUR Aufträge. Das entspricht 17 % des Bruttoinlandsproduktes. Etwa die Hälfte davon entfallen auf die Kommunen, was diese damit zum wichtigsten öffentlichen Auftraggeber macht. Die öffentliche Hand kann ihre Marktstellung nutzen, und soziale wie auch ökologische Aspekte
mit in ihre Beschaffungskriterien aufnehmen. Als Vorbild und als verantwortungsbewusster Großverbraucher können somit wichtige Impulse zur Armutsbekämpfung und für mehr Gerechtigkeit weltweit gegeben werden.

Sozialstandards: Bundesweit haben seit 2003 mehr als 120 Kommunen einen Beschluss
gefasst, nur noch Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit einzukaufen, davon sind etwa 20 in Baden-Württemberg gelegen. Die Beachtung der ILO-Konvention 182 gegen ausbeuterische Kinderarbeit
ist ein erster Schritt zur nachhaltigen Beschaffung. Ziel ist es, dass alle acht ILO-Kernarbeitsnormen eingehalten werden, die z.B. auch Zwangsarbeit verbieten, das Recht auf Kollektivverhandlungen, Vereinigungsfreiheit und gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit verlangen. Der Faire Handel schließt ausbeuterische Kinderarbeit aus und berücksichtigt die weltweiten Sozialstandards.
Wie können Kommunen ihre Beschaffung neu orientieren?
13:00 Uhr            Ankommen und Begrüßungskaffee
13:30 Uhr            Begrüßung, DEAB e.V. - *Claudia Duppel,
Geschäftsführerin
13:40 Uhr            Faire Beschaffung in den Kommunen von Baden-Württemberg
Grundlagen und Praxisbeispiele
Gerd Oelsner, Agenda-Büro der LUBW, Karlsruhe
14:00 Uhr            Wie werden Sozialstandards in der Beschaffung berücksichtigt?
Podiumsgespräch mit Impulsreferaten
Welche Produktgruppen werden sozial beschafft?
Wie werden Ausschreibungen gestaltet?
Wo sind die Knackpunkte bei der Umsetzung von
Beschlüssen/Dienstanweisungen?
Heinz Schulze, Agenda21 - Eine Welt- Koordination, München
Gerd Oelsner, Agenda-Büro der LUBW, Beispiel Karlsruhe
Hanna Lehmann, Umweltbeauftragte der Katholischen Akademie Freiburg
16:00 Uhr            Kaffeepause
16:30 Uhr            *Soziallabel, eine Entscheidungshilfe für Beschaffer?*
Die Siegelinitiative XertifiX: Kriterien, Kontrollen und Partnerschaften
Benjamin Pütter*, XertifiX e.V.
17:30 Uhr            Ende der Veranstaltung
Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes "Nachhaltige Beschaffung in Baden-Württemberg am Beispiel von Steinen und Textilien" statt. (DEAB e.V. und finep e.V.). Das Projekt wird gefördert von: InWEnt gGmbH aus Mitteln des BMZ, Evangelischer Entwicklungsdienst (EED), Katholische Fonds und LUBW.
Bitte unbedingt bis zum 19. Januar 2009 beim DEAB e.V. anmelden!
DEAB e.V., Weißenburgstr. 13, 70180 Stuttgart, www.deab.de
Uta Umpfenbach, Tel. 0711-66487360, Fax 0711-6453-136,
u.umpfenbach@deab.de

16.1.2009

 

Schülerproteste in Griechenland: Wir sind Eure Kinder

Wie unverstanden sich große Teile der griechischen Jugend inzwischen fühlen, äußerte sich nicht nur bei den Schülerprotesten am Donnerstag in Sprechchören wie "Geld für die Banken, Kugeln für die Kinder" – eine Anspielung auf die Hilfen der Regierung für die von der Finanzkrise betroffenen Kreditinstitute und das Schicksal des 15-jährigen Alexandros, dessen Tod durch eine Polizeikugel die schwersten Unruhen seit Jahrzehnten auslösten. Die Athener Zeitung Eleftherotypia veröffentlichte gestern auch einen bewegenden offenen Brief von Freunden des getöteten Schülers. Darin heißt es unter anderem:

"Wir sind Eure Kinder!
Wir haben Träume, wir sind übermütig – tötet unsere Träume nicht, tötet nicht unseren Übermut.
Auch Ihr wart mal jung.
Aber das habt Ihr vergessen.
Jetzt jagt Ihr nur noch dem Geld nach.
Wir hatten erwartet, dass Ihr uns unterstützt, dass Ihr euch für uns interessiert, dass Ihr uns stolz macht – vergeblich.
Ihr lebt ein verlogenes Leben, Ihr lasst die Köpfe hängen, Ihr habt die Hosen voll und wartet auf den Tag, an dem Ihr sterben werdet.
Ihr habt keine Phantasie, Ihr verliebt euch nicht, ihr seid nicht kreativ.
Ihr kauft nur und verkauft.
Überall Waren.
Nirgendwo Liebe – nirgendwo."

Der Brief schließt mit dem Nachsatz:
"P.S.: Werft nicht noch mehr Tränengas.
Wir weinen sowieso." 

11.12.2008, www.rnz.de

Ich befürchte, dass es solche "offenen Briefe" demnächst auch bei uns in Deutschland geben wird.
Ekke, 11.12.2008

 

Off Road Kids: Nur weg von der Straße

In Donaueschingen gegründet, berät "Off Road Kids" Straßenkindern bei der Suche nach einer neuen Perspektive - deutschlandweit

Mit 14 Jahren hatte Florian es bei seiner psychisch kranken Mutter nicht mehr ausgehalten. Er begann zu trinken. Das kostete ihn seine Schülerkarriere auf dem Gymnasium, und bald fand er sich auf den Straßen Berlins wieder. Florian staunte nicht schlecht, als ihn am Alexanderplatz — mitten unter gescheiterten Alkoholsüchtigen — zwei Männer ansprachen, und sagten, dass sie ihm helfen wollten. Erst nach deren wiederholten Besuchen glaubte er an die ernsthafte Absicht der Streetworker von "Off Road Kids" und ging mit ihnen. Das Staunen hörte nicht auf, denn entgegen seinen Erwartungen bekam er im Stützpunkt von "Off Road Kids" nichts zu essen, und auch keine neuen Klamotten. Dafür wurde ihm zugehört, und die Leute halfen ihm, zu erkennen, dass sein jetziger Weg in eine Sackgasse führen wird. "Bei uns gibt es Perspektiven, aber nichts zu essen" bringt der Gründer und Vorstand von "Off Road Kids", der Journalist Markus Seidel, sein Konzept auf den Punkt. "Wir halten nichts von Punker-Fütterungen" , erklärt er. Lebensmittelversorgung mache das Straßenleben für Ausreißer viel zu bequem. "Die Straße ist aber keine gute Kinderstube, sondern in jeder Hinsicht lebensgefährlich" , so Seidel. Deshalb gebe es bei "Off Road Kids" einzig intensive Unterstützung bei der Suche nach neuen Perspektiven. Weder bei "Off Road Kids" in Berlin noch in den Streetwork-Büros in Dortmund, Hamburg und Köln sei eine bequeme Couch zu finden, auf der die Straßenkinder ausruhen könnten. Das Konzept: Beratung pur. Wie erfolgreich es ist, belegen die Zahlen. Seit 1994 hat die Stiftung 1276 jungen Menschen von der Straße geholfen. Die Straßensozialarbeiter von "Off Road Kids" konnten 2007 insgesamt 215 jungen Menschen erfolgreich von der Straße in eine neue Perspektive helfen (zum Vergleich: 2006 waren es 177 und 2005 waren es 110). In diesem Jahr half "Off Road Kids" schon 162 jungen Ausreißern (Stand 31. Juli 2008).
"Off Road Kids" ist das einzige bundesweit agierende Hilfswerk für Straßenkinder, überparteilich und konfessionslos. Jährlich hielten sich zwischen 1500 und 2500 jugendliche Ausreißer für längere Zeiträume im Obdachlosenmilieu auf, geht aus Schätzungen anhand der polizeilichen Vermisstenstatistik und aus Beobachtungen von "Off Road Kids" hervor. Bis zu 20 Prozent davon würden zu Straßenkindern, sagt Seidel. Er weiß, dass die jungen Ausreißer meist gute Gründe haben, von zu Hause wegzulaufen: Vernachlässigung, Beziehungsabbrüche, Misshandlungen oder Missbrauch. Auf der Straße wollen sie ihre Situation verbessern, was aber ohne fremde Hilfe nicht gelingt. Meist fehlt den Jugendlichen genau diese Einsicht. So entstehen Straßenkinderkarrieren, die durch Überlebenskampf und Verzweiflung gekennzeichnet sind. Das ist die Erfahrung der über 20 Sozialpädagogen von "Off Road Kids" . Die jungen Menschen reisen von Großstadt zu Großstadt, immer auf der Suche nach dem Glück. Häufig stammen sie aus dem ländlichen Raum, die Mehrzahl komme sogar aus gut situierten Kreisen mit eigenem Haus, sagt Seidel. Die Streetworker von "Off Road Kids" sind in den vier Städten an sieben Tagen in der Woche unterwegs. Die Routen der jungen Ausreißer führten vom Süden der Republik gen Norden. "Irgendwann landen alle Straßenkinder in Berlin, wenn es uns nicht gelingt, sie vorher abzufangen" , sagt Seidel. Die Mitarbeiter nehmen für die Jugendlichen oft weite Wege in umgekehrter Richtung in Kauf, um deren Situation und mögliche Perspektiven zu recherchieren. Sie wieder in die Familie zurückzuvermitteln und auf eine Lösung der Konflikte hinzuarbeiten hat Piorität. Über eine Eltern-Hotline bietet "Off Road Kids" einen professionellen Beratungsservice an, auch präventiv, wenn Eltern fürchten, dass ihre Kinder abhauen, oder wenn sie sie suchen. Wenn eine Rückkehr in die Familie nicht möglich ist, wird Kontakt zum Jugendamt am Wohnort der Mutter aufgenommen. Den Mitarbeitern von "Off Road Kids" ist kein Weg zu weit, um mit den Jugendlichen und der Behörde vor Ort die weitere Perspektive zu erörtern. "Alleine schicken wir die Jugendlichen nicht zurück, damit sie nicht unterwegs noch kneifen" , berichtet Seidel. Letzter Ausweg ist ein Platz im vereinseigenen Kinderheim in Bad Dürrheim, für das im Oktober 2007 ein Erweiterungsbau eingeweiht werden konnte. Hier stehen jetzt 18 Plätze zur Verfügung. Für die Aufnahme müssten sich die Jugendlichen schriftlich bewerben. Das Heim wird "mit herzlicher Strenge" geführt, und es wird Leistung verlangt. Stolz ist der Vorsitzende von "Off Road Kids" darauf, dass zwei Drittel aller bisher erreichten Schulabschlüsse auf Realschulniveau und höher lägen. Florian wurde 2002 im Heim aufgenommen. 2005 machte er sein Fachabitur. "Off Road Kids" versteht sich als leistungsorientierte Einrichtung im Sozialwesen. Das 1993 von Seidel und 50 engagierten Bürgern aus Donaueschingen gegründete Hilfswerk habe noch nie staatliche Fördergelder erhalten. Es kann aber auf potente Unterstützer und Sponsoren wie die Vodafone Stiftung und die Deutsche Bahn AG, sowie weitere kleinere Stiftungen und zahlreiche Lions-Clubs bauen. In Zukunft solle die Effizienz der Arbeit eindeutig nachgewiesen werden. "Zahlen alleine reichen uns hier nicht mehr" , sagt Seidel. "Off Road Kids" lasse sein gesamtes überregionales Streetwork-System wissenschaftlich auf Herz und Nieren prüfen und die Wirksamkeit beurteilen.
Ingrid Jennert , 29.9.2008, www.suedkurier.de
 

 

 

 

Bettnässer - Einnässende Kinder - Enuresis

Wenn Schulkinder ins Bett machen / Kein Grund für Schuldgefühle: Einnässen hat mit den Erziehungsmethoden der Eltern und der Psyche des Kindes meist ursächlich nichts zu tun  

Wenn Kinder immer wieder nachts ins Bett machen, obwohl sie eigentlich längst trocken sein sollten, beginnen sich Eltern früher oder später zu fragen, was sie falsch gemacht haben. Völlig zu Unrecht, wie Experten beteuern. Die Gründe für das nächtliche Einnässen bei Kindern, die älter sind als fünf Jahre, sind zwar vielschichtig, haben aber mit den Erziehungsmethoden der Eltern und der Psyche des Kindes meist ursächlich nichts zu tun. Einnässende Kinder sind auch keine Ausnahme: In Deutschland haben sie mehr als 600 000 Leidensgenossen. Aber wie bei allen Tabus gilt auch beim Bettnässen: Wer das Thema totschweigt, kann keine Hilfe erwarten. "Oft haben Familien einen langen Leidensweg hinter sich, wenn sie mit einem Kind in unsere Sprechstunde kommen, das noch ins Bett macht", berichtet Privatdozentin Dr. Karin Riebe, Chefärztin des Kinderurologie-Zentrums der DRK-Klinik in Berlin-Westend. Nicht selten haben sie dem Kind Strafen angedroht oder ihm deutlich gezeigt, wie enttäuscht sie sind. Spätestens jetzt entwickelt das Kind Schuldgefühle. Es spürt, wie sehr es den Eltern zur Last fällt und kann nichts dagegen tun. Wenn eine solche Situation die Familie über einen längeren Zeitraum belastet, kann das Selbstwertgefühl des Kindes extrem leiden. "Diese Kinder erleiden häufig erst dadurch psychische Schädigungen, dass die Familie hilflos ist und unsachgemäß mit dem Thema umgeht" , erläutert die Urologieprofessorin Daniela Schultz-Lampel, Leiterin des Kontinenzzentrums der Schwarzwald-Baar-Kliniken in Villingen-Schwenningen. Denn entgegen der landläufigen Überzeugung, Kinder würden aufgrund psychischer Probleme ins Bett machen, hat das Bettnässen in den allermeisten Fällen körperliche Ursachen, die therapier- bzw. heilbar sind.

"Spätestens bei Fünfjährigen, die noch ins Bett machen, sollte man nach organischen Ursachen suchen", so Dr. Karin Riebe, "denn normalerweise bildet sich die Fähigkeit zum kontrollierten Wasserlassen im Alter von zweieinhalb bis drei Jahren aus." Doch immerhin 15 Prozent aller Sechsjährigen nässten noch ein. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Ursachen. In den allermeisten Fällen handelt es sich um eine Reifungsverzögerung, die mit dem Zusammenspiel von Gehirn und Blase zusammenhängt. Während die meisten Bettnässer tagsüber überhaupt kein Problem damit haben, ihren Harnfluss zu kontrollieren, gelingt ihnen das nachts nicht. Das kann zum einen daran liegen, dass die Blasenkapazität noch nicht altersgemäß entwickelt, die Blasenkontrolle noch unzureichend ist oder der körpereigene Wirkstoff ADH (Antidiuretisches Hormon) noch nicht in ausreichender Menge gebildet wird. Dann produziert das Kind nachts unter Umständen genauso viel Urin wie tagsüber und die kleine Blase läuft über. Im Tiefschlaf aber nehmen die Kinder den Reiz der vollen Blase gar nicht wahr, sondern erwachen erst morgens in einem Bett, das vor Nässe "schwimmt". Es gibt aber auch Kinder, deren nächtliches Einnässen ernsthafte organische Ursachen hat. Dazu gehören Fehlbindungen des Harntraktes oder die sogenannte Wasserdiabetes (diabetes insipidus). Auch Harnwegsinfekte, die über eine längere Zeit nicht ausgeheilt wurden, können die Ursache sein. Und: Bettnässen kann auch genetische Ursachen haben. Psychische Gründe halten Enuresis-Experten heute einhellig für die Ausnahme. Um festzustellen, ob es um organische Ursachen geht, empfehlen erfahrene Kinderurologen vor Beginn jeder Therapie entsprechende Untersuchungen. Denn eine Therapie für Bettnässer mit Reifeverzögerung ist bei Kindern mit organischen Fehlbildungen oder anderen Diagnosen vollkommen untauglich. Kann der Arzt nach der entsprechenden Untersuchung eine organische Ursache ausschließen, sollten sich die Eltern freuen. Wie bei 75 Prozent aller bettnässenden Kinder kann es sich jetzt nur noch um eine aus medizinischer Sicht harmlose Reifeverzögerung handeln, nicht mehr um eine ernsthafte Krankheit. Trotzdem bleibt die nasse Bettwäsche für die Familien eine Belastung, früher oder später wird sie es auch für das heranwachsende Kind. Einem 6- oder 7-jährigen Bettnässer noch dauerhaft Windeln anzuziehen, hält Dr. Karin Riebe vom Kinderurologie-Zentrum in Berlin allerdings für keine sinnvolle Lösung. "Sie geben dem Kind das Gefühl, noch ein Baby zu sein und nehmen ihm die Chance mit der Zeit zu spüren, ob sich die volle Blase zu gegebener Zeit nicht doch meldet."

Dr. Daniela Marschall-Kehrel, Fachärztin für Kinderurologie in Frankfurt und Initiatorin der "Enuresis-Akademie" , Fachforum für Experten und Anlaufstelle für Betroffene zugleich, ist dagegen der Meinung, dass die Windel als Hilfsmittel erlaubt ist. Denn zum einen zehre das nächtliche Bettwäschewechseln und tägliche Wäschebergewaschen extrem an den Nerven der Eltern und zum anderen "fördert das Windeltragen nicht die Enuresis, da die Kinder sowieso eine Aufwachstörung haben und daher den Nässereiz nicht wahrnehmen und davon erwachen." Sie rät sie nicht von ihrem Einsatz ab, sondern empfiehlt, "jede trocken gebliebene Windel als Instrument positiver Verstärkung zu nutzen. Jede trockene Windel ist ein kleines Fest wert!" Da sich eine Reifeverzögerung nicht von heute auf morgen kurieren lässt, sollten Kinder und Eltern von Therapiebeginn an vor allem Geduld haben. Vielen Eltern hilft es, sich jetzt klarzumachen, dass ihr Kind eines von vielen ist, das eben etwas länger braucht, bis das Bett oder die Windel auch nachts trocken bleibt. Eine positive Motivation durch die Eltern ist dabei in jedem Fall entscheidend. Das kann von Familie zu Familie sehr unterschiedlich aussehen. Die einen starten die Therapie mit dem Führen eines sogenannten Miktionskalenders, wo genau eingetragen wird, wann das Kind wie viel Flüssigkeit zu sich nimmt und wie oft es zur Toilette geht. Manchmal stellt der Arzt dann fest, dass das Kind vor dem zubettgehen viel zu viel trinkt. Nicht selten bleiben die ehemaligen Bettnässer spontan trocken, wenn sie nach 18 Uhr keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen.
Bei Kindern allerdings, die mehrmals nachts einnässen, wird häufig eine Alarmtherapie angewandt. Dabei trägt das Kind nachts eine sogenannte Klingelhose oder schläft auf einer "Klingelmatte", die mit einem Sensor versehen ist. Der erste Tropfen Urin, der den Sensor trifft, löst ein lautes Geräusch aus, das das Kind wecken soll, damit es den entstandenen Blasendruck bewusst spürt - eine anstrengende, aber meist erfolgreiche Therapie. Auch Medikamente in Form von Tabletten oder Nasensprays werden zur Behandlung eingesetzt. Sie sollen den körpereigenen ADH-Mangel kompensieren, dafür sorgen, dass das Kind nachts weniger Urin produziert. Diese aber haben Nebenwirkungen, die für manche Patienten gefährlich sein können. "Außerdem" , so die Erfahrung von Dr. Karin Riebe, "beträgt die Rückfallquote über 80 Prozent, sobald das Medikament wieder abgesetzt wird."
Die jüngst gegründete "Enuresis-Akademie" um Dr. Marschall-Kehrel will alles daran setzen, dass auch die politische Ebene endlich erkennt, dass bettnässende Kinder Unterstützung durch Aufklärung und ein entsprechendes Kostenerstattungssystem durch die Krankenkassen brauchen. Dazu würde zum Beispiel die Kostenübernahme von Urotherapien gehören.

Elisabeth Oeler, 19.5.2008, www.suedkurier.de

Die Psyche spielt doch nicht selten eine Rolle
Die Autorin wollte wohl den Eltern Mut machen, indem Sie die psychische Komponente herunterspielte. Es ist richtig, dass in der Regel keiner etwas dafür kann — die Eltern nicht und das betroffene Kind auch nicht, wenn es mit drei, vier oder acht und neun Jahren nachts noch nicht trocken ist. Auch stimmt es, dass eine organische Ursache beachtet werden sollte, die jedoch in vielen Fällen ausgeschlossen werden kann. Eine medikamentöse Therapie erscheint den Eltern nach dem "Psychostress" der Klingelhose als letzte Rettung. Spätestens jetzt sollte man sich jedoch fragen, ob nach Jahren des Auf und Ab — nachts trocken, dann wieder nicht, unterschiedlichen Erziehungsmaßnahmen wie abends nichts mehr trinken, nachts mehrmals wecken, unzähliges Betten frisch beziehen, Müdigkeit, unausgeschlafen sein am Morgen, schimpfen, drohen, verzweifelt sein, Schuldzuweisungen und aufgeben (und das sind sicherlich noch nicht alle Gefühlsregungen und Verhaltensmuster, welche die Eltern und das Kind im Laufe der Zeit durchlaufen) — ob nicht doch eine psychische Komponente mit ins Spiel gekommen ist. In meiner Praxis für Kinder- und Jugendproblematik erlebe ich, wie es den Kindern und ihren Müttern und auch Vätern gut tut, in einigen lösungsorientierten Stunden sich den Kummer und die Sorgen von der Seele zu reden, um dann wieder gestärkt nochmals mit einem neuen Versuch zu starten. Das Kind arbeitet seinerseits ganz individuell an seinem Thema. Es lernt sich selbst kennen, seinen Organismus und dessen Funktionen (je nach Kindesalter sehr spielerisch) und sucht nach eigene Lösungen, sowie Strategien, um dem Pipi-Thema ein Ende zu machen. Und wenn dann das Kind schon nach kurzer Arbeit endlich morgens nicht mehr nass ist, ja, dann ist da wohl doch eine psychische Komponente mit im Spiel gewesen, bei der es wichtig war, sie aufzulösen, damit das Kind endlich befreit und ohne Druck am Abend einschlafen kann.
Leserbrief vom 30.5.2008 von Gabriele Bühler, Psychologische Beraterin, Efringen-Kirchen


 



Ein Netz für Kinder: Landkreis unterstützt Kindergarten-Projekt

Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald ist besonders familienfreundlich. Dies zeigt eindrucksvoll das erfolgreich gestartete Modellprojekt  "Ein Netz für Kinder", ein Kooperations- und Unterstützungsangebot für Kindergärten im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.

Über einen Zeitraum von drei Jahren können sich Kindergärten in verschiedenen Bereichen kostenlos beraten lassen und Hilfen in Anspruch nehmen. Die wissenschaftliche Begleitung hat die Evangelische Fachhochschule Freiburg, Zentrum für Kinder- und Jugendforschung, übernommen.
Bei der Umsetzung des Projekts sollen bereits vorhandene Hilfsangebote in den Gemeinden weiter ausgebaut und insbesondere auch die Kindergärten untereinander stärker vernetzt werden. Über die Anbindung an das Landratsamt und die Erziehungsberatungsstellen sollen Wege verkürzt werden, damit Kindergärten gezielt und schnell Hilfestellungen bei Problemen gegeben werden können. Die Kindergärten werden ganz individuell beraten und unterstützt. Die Möglichkeiten sind vielfältig und bedarfsorientiert. Ein Schwerpunkt liegt im Aufbau von Erziehungspartnerschaften zwischen Kindergarten, Eltern und Kind(ern). Dabei steht der kontinuierliche Austausch zwischen Kindergarten
und Eltern im Mittelpunkt. Dies soll nicht als "zusätzliche Belastung" im Arbeitsalltag, sondern als Bereicherung für beide Seiten erlebt und gelebt werden. Erziehungspartnerschaften setzen auf ein konstruktives Miteinander aller an der Erziehung beteiligten Personen, um den persönlichen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden.

Großer Handlungsbedarf zeichnet sich im Bereich der Resilienzförderung ab. Hier geht es um die Verbesserung der Schutz- und Widerstandsfaktoren von Kindern. Dazu gehört unter anderem die Stärkung des Selbstbewusstseins und die Vermittlung einer positiven Lebenseinstellung. Von den vorhandenen Ressourcen der Kinder ausgehend erfolgt eine individuelle Förderung, so dass Vertrauen in eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt werden kann. Denn nur wer seine Stärken kennt und nutzt, kann auch in schwierigen Situationen bestehen. Aber auch bei der Einführung des bis zum Jahr 2010 verbindlich vorgeschriebenen Orientierungsplanes, einer Art "Lehrplan für Kindergärten", bietet das Landratsamt seine Unterstützung an. Das Projekt setzt bewußt in den Kindergärten an. Denn die Institution Kindergarten erreicht Eltern und Kinder frühzeitig. Unterstützung der Eltern in der Erziehungsarbeit sowie die gezielte Förderung von Kindern ist dort am besten möglich.

Uschi Kiesgen - Landkreis BH

Weitere Informationen zum Projekt "Ein Netz für Kinder" sind beim
Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Fachbereich Soziale Dienste, Stadtstraße 2 in 79104 Freiburg erhältlich.

Projektverantwortliche ist Uschi Kiesgen, die unter Tel. 0761/2187-2281 oder EMail ursula.kiesgen@lkbh.de zu erreichen ist.

Bild: LK BH

20.12.2007, Landkreis BH



 

 

Darry und Plauen: Heime für Kinder/Jugendliche mehr unterstützen

Wir müssen lernen uns einzumischen, fordert Thomas Hauser am Ende seines Leitartikels mit der Überschrift „Nicht schauen, einmischen“. Ich leite eines dieser beschriebenen teuren Heime und bin entsetzt, dass in der heutigen Zeit in einem Leitartikel noch davon die Rede ist, dass eine schlechte Familie für ein Kind noch immer besser sei als ein gutes Heim.

Wir nehmen Kinder und Jugendliche dann auf, wenn die Eltern derart verzweifelt und/oder alleingelassen sind, und gar nicht mehr anders können, als Hilfe von außen anzunehmen. Zigfach kann ich von Schicksalen erzählen, wo sich Eltern wieder stabilisieren, allein erziehende Mütter wieder eine eigene Lebensperspektive gefunden haben, psychisch kranke Mütter und Väter sich besser ins Leben stellen können. Und das vor allem deshalb, weil sie erleben dürfen, dass es ihren Kindern gut geht, dass sie sich wohl fühlen bei uns im Kinderhaus und dass wir ihnen vor allem helfen eine tragfähige Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen. Auch wenn die Jugendlichen und jungen Erwachsenen uns verlassen, zur Familie zurückkehren oder in die Selbständigkeit wechseln, halten wir Kontakt, haben eigens einen Förderverein gegründet, der die jungen Familien unterstützt, wenn sie in Not geraten und sparen dem Staat dadurch sehr viel Geld.

Es ist dringend an der Zeit, dass die Kommunen den überforderten Jugendämtern genügend personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung stellen gerade für Kinder und Jugendliche, die aus den vielen vorgeschalteten ambulanten und teilstationären Maßnahmen herausfallen und dann letztendlich in den geschlossenen Einrichtungen landen, die derzeit leider Gottes wie Pilze aus dem Boden schießen. Auch diese Kinder und Jugendlichen haben ein Recht rechtzeitig Hilfe zu bekommen.

Michael Neumann, 16.12.2007, Leiter Kinderhaus St.Raphael Freiburg-Littenweiler


 

Darry und Plauen: Nicht schauen, einmischen 

Es gib kein Verbrechen, das derart betroffen macht. Wenn Eltern ihre Kinder töten, macht uns das fassungslos, hilflos, wütend. Und aktuell kommt unsere Gefühlswelt nicht mehr zur Ruhe. Jeden Tag ein totes Kind, jeden Tag eine neue Horrorgeschichte. Es ist zum Verzweifeln. Um diesem Verzweifeln zu entgehen, hat der Mensch das Verdrängen und Rationalisieren erfunden. Das heißt, die einen schotten sich ab, wollen am liebsten gar nichts hören und sehen, die anderen suchen nach Ursachen, Erklärungen, Sündenböcken. Gelingt noch eine konkrete politische Handlungsempfehlung — zum Beispiel verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen — kann man sich erleichtert zurücklehnen. Das Mögliche ist dann bedacht. Und wenn dennoch wieder etwas passiert, dann gibt es eben keinen absoluten Schutz oder aber andere haben versagt. Trost spendet — so betrachtet — auch die Statistik. Danach gibt es etwa 100 Fälle von Kindstötung pro Jahr in Deutschland. Und diese Zahl ist seit Jahren stabil. Auch wenn die aktuelle Häufung der Fälle anderes vermuten lässt. In den guten alten Zeiten lagen die Zahlen deutlich höher. Ein Blick in die Sozialgeschichte, aber auch in die Literatur, bringt da Schauderliches zutage. Aber all das sind Ausflüchte, Ersatzhandlungen. Jeder Fall ist einer zuviel. Wer sich auf das Unbegreifliche einzulassen versucht, wird feststellen, dass jede Tragödie eine eigene, komplexe Geschichte erzählt. Plauen ist nicht Darry. Wer da nicht präzise unterscheidet, vergibt die Chance, kleine Schnittmengen aufzuspüren, Fragen zu formulieren, die tiefer schürfen als die eilfertige Forderung nach einer Kultur des Hinsehens. Wobei die durchaus eine richtige Spur legt. Wahntaten wie mutmaßlich die in Darry lassen sich zwar nirgendwo hundertprozentig verhindern. Doch dort, wo sozialer Zusammenhalt in der Familie und zwischen Nachbarn gelebt wird, sind Fälle von Verwahrlosung oder Kindstötung höchst unwahrscheinlich. Doch dieser soziale Zusammenhalt schwindet. Dies kann dort kritisch werden, wo sich die individuelle und soziale Situation zuspitzt. Wenn finanzielle Überlebensfragen, Beziehungsprobleme sowie individuelle Überforderung zusammenkommen und diese Sorgen und Ängste mit niemandem geteilt werden können, kann es zur Explosion kommen — häufiger aber zu Abnutzungskämpfen, bei denen Eltern und Kinder die Verlierer sind. Tötungen — direkt oder in Folge von Verwahrlosungen — sind nur die Spitze eines Eisberges. Weitaus häufiger sind seelische und geistige Verkrüppelungen, die Menschen ihr Leben lang mit sich herumschleppen und oft auch vererben. Dass Fälle von Kindstötung uns derart treffen, hat damit zu tun, dass die Familie der innerste geschützte Raum, die Keimzelle des Urvertraues ist. Ohne dieses aber gibt es kein gesundes Leben. Weil diese Geborgenheit jedoch nicht gottgegeben ist, sieht das Grundgesetz zwar ein vorrangiges Recht der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder vor. Aber Kindeswohl geht vor Elternrecht. Dort, wo Kinder gefährdet sind, kann und muss der Staat eingreifen. Das sagt sich leicht. In der Praxis freilich wird zwar oft hingesehen, aber selten gehandelt. Bei den meisten Katastrophen waren Väter und/oder Mütter längst aktenkundig. Das behördliche Abwarten ist dabei eher selten eine Folge von Schlamperei in Jugendämtern, Familiengerichten und Gesundheitsämtern. Häufiger begründen ökonomische und ideologische Argumente die Untätigkeit. Heimerziehung ist teuer, die kommunalen Kassen sind leer. Da versteckt man sich gerne hinter dem Grundsatz, nach dem eine schlechte Familie für ein Kind noch immer besser sei als ein gutes Heim. Zumal der nicht aus der Luft gegriffen ist. Und abzuwägen, was im Einzelfall dem Kind hilft, ist extrem schwer. Kinder gehören aber weder dem Staat noch den Eltern, sondern ihrer zukünftigen Freiheit. Ihre Erziehung ist nicht nur Privatsache. Mehr soziale Kontrolle täte deshalb gut. Pflichtuntersuchungen, Beratungen zählen ebenso dazu wie ein wachsameres Auge von Nachbarn und Jugendamt. Wichtig ist zudem das Signal an alle Eltern, dass sie mit ihren Zweifeln, Aggressionen und Ängsten nicht alleine stehen. Hinschauen reicht also nicht. Staat und Gesellschaft dürfen nicht über Zuständigkeiten streiten, sondern müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, das heißt, wir müssen lernen, uns einzumischen.

Badische Zeitung Freiburg
Thomas Hauser, 8.12.2007 auf www.badische-zeitung.de

 

Altbundeskanzler Helmut Schmidt zur Kinderarmut

Es geht auch mit Hartz IV
Auf zwei Leserbriefe, die auf einen Artikel zum Mittagessen für Schulkinder kamen, reagiert eine Leserin ("Nur noch ein Euro fürs Mittagessen" , BZ vom 26. Oktober).
Das Wohl der Kinder unseres Landes liegt vielen Menschen sehr am Herzen. Das ist auch mein Anliegen! Nicht übereinstimmen kann ich jedoch mit der Ansicht, dass es nicht möglich sei, Kinder und Jugendliche auf finanziellem "Hartz-IV-Niveau" ausreichend und gesund zu ernähren. Ich selbst habe als Teilzeitbeschäftigte seit Jahren auch nicht mehr Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Empfänger und muss damit meine drei Söhne (die einen sehr guten Appetit haben!) und mich durchbringen — ich spreche also nicht ignorant "von oben herunter" , sondern als selbst Betroffene. Aber es geht! Meine Kinder müssen absolut keinen Hunger leiden, noch sind sie unterernährt oder krankheitsanfälliger als Kinder aus "bessergestellten" Familien — im Gegenteil. 12,50 Euro pro Tag und Kind? Mit diesem Betrag kann ich ein Kind eine ganze Woche lang (gesund!) ernähren...
Ich will hier wirklich nichts beschönigen oder idealisieren. Ja, das Geld ist sehr knapp, und jede Ausgabe will wohlüberlegt sein... Was mich aufregt, ist nicht die angebliche Armut in Deutschland (denn ich würde mich und meine Kinder trotz aller Einschränkungen niemals als "arm" bezeichnen), sondern die Einteilung der Welt in Erste, Zweite, Dritte Welt, und die Unterscheidung zwischen "absoluter" und "relativer" Armut. Ich empfinde dies als große Respektlosigkeit, um nicht zu sagen als Schlag ins Gesicht gegenüber den Millionen wirklich Hunger leidenden Menschen in der so genannten "Dritten Welt" , für die ein Leben, wie es hier in unserem Land unter Einsatz des gesunden Menschenverstandes mit ein wenig Verzicht (was noch keinem geschadet hat) und mit der "richtigen " Einstellung sogar auf Hartz-IV-Niveau möglich ist, ein lebenslanger Traum bleiben wird. Das ist meiner Auffassung und Erfahrung nach der eigentliche Skandal zum Thema "Armut" .
BZ-Leserbrief vom 17.12.2007 von Silvia Sierra, Eichstetten.

Arm, da ohne Handy, MP3-Player und Diskobesuch?
Auch ich habe die Meinung unseres Altkanzlers gelesen, bin aber, wie es nun einmal bei Interpretationen zum Glück immer wieder vorkommt, zu einem anderen Ergebnis gekommen, als Herr Ehret.
Mitnichten hat der weise Mann gesagt, dass "die armen Kinder von heute nicht bedrückt sein sollten, weil es früher nämlich noch schlimmer war", wie Herr Ehret des Altkanzlers Äußerung deuten will. Vielmehr ist Herr Schmidt der Meinung, dass heute als arm bezeichnet wird, wer nicht wenigstens ein Handy besitzt — MP3-Player sowieso — und nicht in der Lage ist, sich einen Kino- oder Diskothekbesuch pro Woche zu leisten. Der Altkanzler glaubt vielmehr, dass die Grenzziehung nicht richtig ist. Denn mit diesen falschen Definitionen hilft man den wirklich Armen nicht. Und wenn ich wiederholt diese Berichte lese oder höre, dann denke ich an des Altkanzlers Worte und bin froh, dass er nicht geschwiegen hat. Doch auf das Vernünftige hören nur die Vernünftigen.
BZ-Leserbrief vom 8.12.2007 von Klaus Rösner, Löffingen


Früher hatten die Eltern nie Kindergeld

Warum sollte Altbundeskanzler Helmut Schmidt schweigen? War das, was er über Kinderarmut von sich gab, falsch? Ich sage Nein! Ich bin Jahrgang 1943, sozusagen ein "Nachkriegskind" . Schmidt könnte mein Vater sein, und recht hat er! Den Kindern geht es doch gut. Ihre Eltern bekommen Kindergeld und nicht zu knapp. Nur müssen diese auch damit haushalten. Früher hatten die Eltern nie Kindergeld und haben zum Teil mehr als zwei Kinder durchgebracht — und die sind auch was geworden. Es gab eben selbst zubereitetes Essen, kein teures "Fast Food" und Geschenke gab es zum Geburtstag und an Weihnachten, keine Markenartikel und nicht jeden Tag viel Süßigkeiten und immer kleine Mitbringsel und Geschenke. Die Kinder waren zufrieden, weil es noch Gemeinsamkeiten und Elternliebe gab.
Somit hat Altkanzler Helmut Schmidt doch recht. "Richtige Kinderarmut gibt es nicht" nur, und das sage ich Eltern, die ihren Kindern nicht mehr ehrliche Werte vermitteln können.
BZ-Leserbrief vom 8.12.2007 von Klas Rösner, Löffingen

© by freiburg-schwarzwald.de, Update 05.02.12