Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Literatur und Literaten
im Breisgau und Hochschwarzwald
 

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Blick nach Nordosten auf Ballrechten mit Fohrenberg (links) und Castelberg (rechts) am 28.1.2007
Blick nach Nordosten auf Ballrechten mit Fohrenberg (links) und Castelberg (rechts) am 28.1.2007.

 
   
Moneglia 1.4.2011: Lesen    

 

Portal "Lesen Weltweit - Reading Worldwide"

Pünktlich zum Start der Buchmesse ist das neue Portal des Deutschen Bildungsservers und der Stiftung Lesen e.V. "Lesen Weltweit´´ online gegangen. Neben der deutschen Fassung steht das Portal auch vollständig in englischer Sprache zur Verfügung. Auf der Buchmesse wird das Portal am Stand der Stiftung Lesen e.V. Halle 3.1, Stand Nr. L 129 präsentiert.
Der Erfahrungsaustausch in der Leseförderung über Landesgrenzen hinweg ist von essenzieller Bedeutung und eröffnet in einer globalisierten Mediengesellschaft neuartige Chancen, indem sich Projektideen und Synergien weltweit nutzen lassen. "Lesen weltweit" möchte als erstes Informations- und Serviceportal den internationalen Wissenstransfer anregen und Multiplikatoren der Leseförderung bei ihrer Arbeit unterstützen.
Deutsche Fassung des Portals
http://www.lesen-weltweit.de
Englische Fassung des Portals
http://www.reading-worldwide.de

17.10.2008, www.bildungsserver.de


Schneiders Eintreten für die Wahrung der Menscherechte heute noch aktuell

Ein Vorbild fürs Leben
Sehr geehrter Herr Albus,
wir, die Klasse 9 der Reinhold-Schneider-Schule haben den Zeitungsartikel über Reinhold Schneider gelesen und uns sehr darüber gefreut. Uns fiel die Verbindung zwischen den Werken Reinhold Schneiders und unserem Thema „Verfolgte aus der Nazizeit „ auf. Unsere Klasse hat sich an dem Projekt  Spurensuche beteiligt, die Ausstellung war bis vor kurzem in der Katholischen Akademie zu sehen. Wir führten Interviews mit Zeitzeugen, besuchten ein Konzentrationslager und waren in einem Dokumentationszentrum für verfolgte Sinti und Roma. Wir sind sehr stolz darauf, dass unsere Schule nach Reinhold Schneider benannt wurde. Wir freuen uns darüber, dass Reinhold Schneider wieder in Erinnerung gerufen wird.
Brief der Klasse 9 der Reinhold-Schneider-Schule in FR-Littenweiler, 3.4.2008

Zum 50. Todestag von Reinhold Schneider am 06. 04. 2008
Insbesondere seit wir im Jahr 2003 den 100. Geburtstag Reinhold Schneiders feierten, ist es uns ein Anliegen, uns dieser Namensgebung würdig zu erweisen. Ihre Aussage „Schneiders Eintreten für die Wahrung der Menscherechte ist heute noch aktuell“ leitet in der Schule  und ihrem Umfeld unser Handeln. Sein Bemühen um ein friedfertiges und humanes Miteinander, seine Vorbildfunktion, wie „ein Leben unter widrigen Umständen und beschwert von Ängsten gelingen kann“ versuchen wir für unsere Schüler erlebbar zu machen und dies gelingt immer wieder, so z.B.

  • in der Beschulung, Förderung und Betreuung vieler Romakinder an unserer Schule
  • in einer Aktion „Bleiberecht für Familie Denaj“ , einer von Abschiebung betroffenen Romafamilie, die zu einem unglaublichen Engagement des Stadtteils, der Kirchengemeinden, der Stadt Freiburg, des Gemeinderats, der Bürgermeister u.v.a.m.  bis hin zum Kirchenasyl über viele Monate führte
  • in der bemerkenswerten Leistung unserer 9. Klasse, die in beeindruckendem Engagement die Geschichte der Verfolgung von Roma und Sinti erarbeiteten und mit großer Betroffenheit anschließend die Ausstellung in der Katholischen Akademie gestalteten,
  • in den weniger spektakulären täglichen Bemühungen um die Wahrung der Würde jedes einzelnen Kindes an der Schule, um eine friedliche und demokratische Schulgemeinschaft.
Zum 100. Geburtstag Reinhold Schneiders stellten wir uns die Frage, wie er diese nach ihm benannte Schule wohl erleben würde. Inzwischen meinen wir, er wäre mit uns zufrieden!

Gerda Liebner, Leiterin der Reinhold-Schneider-Schule in FR-Littenweiler, 3.4.2008

 

 

Michael Albus leitet Tagung über Reinhold Schneider

Am 6. April 2008 jährt sich der Todestag des Schriftstellers Reinhold Schneider zum 50. Mal. Den wenigsten Freiburgern dürfte das bekannt sein, auch dürfte sein Werk nur noch Älteren präsent sein. Um die Erinnerung daran aufzufrischen, hat die Reinhold-Schneider-Gesellschaft mit Sitz in Baden-Baden ein Lesebuch mit Texten Schneiders herausgegeben. Ausgesucht hat sie deren Vorsitzender Michael Albus, katholischer Theologe und Honorarprofessor für Religionsdidaktik der Medien, früherer ZDF-Journalist, Autor, Fotograf.

"Schneiders Eintreten für die Wahrung der Menschenrechte ist heute noch aktuell", erklärt er. Abgesehen von den inhaltlichen Aussagen könne der Schriftsteller als Vorbild dienen wie Leben unter widrigen Umständen und beschwert von Ängsten gelingen kann. Michael Albus hat sich schon in seiner Jugend intensiv mit Reinhold Schneider auseinandergesetzt. "Als Fürsprecher des Menschlichen und der Friedfertigkeit hat er mich geprägt" , erzählt der 66-Jährige. Trotz Berufsverbot hatte Schneider unerschütterlich gegen den Nationalsozialismus und den Krieg angeschrieben. Als Protestschrift gegen den unverblümt propagierten Genozid an den Juden veröffentlichte er beispielsweise 1938 eine Erzählung, worin er den Dominikanermönch Pater Bartolomé de Las Casas die Vernichtung der Indios in Mexiko durch die spanischen Konquisatoren anprangern lässt. Der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1956 und Zeitzeuge beider Weltkriege hatte sich auch entschieden gegen die Wiederbewaffnung und gegen die atomare Aufrüstung gewandt. Michael Albus hat erst vor einigen Jahren wieder angefangen, Reinhold Schneider zu lesen, zunächst aus Neugier auf die Beschreibungen der Orte, die ihm selbst vertraut sind. Albus stammt aus Bühl, das nicht weit von Schneiders Geburtsort Baden-Baden liegt, hat in Freiburg Germanistik und Theologie studiert und lehrt hier selbst seit 13 Jahren an der theologischen Fakultät. Von seiner Wohnung in der Lorettostraße aus fällt der Blick auf das Haus in der Mercystraße, wo Schneider von 1938 bis zu seinem Tod gelebt hat. Und wie es Schneider selbst oft getan hat, spaziert Albus gern am Hölderlebach entlang oder steigt den Bergleweg hinauf zur Josefskapelle. In Freiburg wohnt er an zwei Tagen in der Woche. Angehenden Religionslehrern vermittelt er hier den Umgang mit Medien im Unterricht.

Sein Hauptwohnsitz ist Heidesheim nahe Mainz. Albus hat dort mit seiner Frau vier Kinder erzogen. 29 Jahre lang war Mainz auch sein Wirkungsort. Von 1976 bis 1985 leitete er die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben (kath.)" , von 1985 bis 1998 die Hauptredaktion "Kinder, Jugend und Familie" . Danach hat er bis zu seiner Pensionierung 2005 zahlreiche spektakuläre Kulturreportagen erstellt, die auch in Buchform erschienen sind. Sendungen wie "Logo" und "Löwenzahn" fielen in seine Zeit, er moderierte die "Sonntagsgespräche" , kommentierte vielfach in "heute" und im "heute-journal" , berichtete von den Reisen Papst Johannes Paul II. Und er setzt sich bis heute unablässig kritisch mit der Kirche auseinander, zuletzt in dem 2007 erschienenen Buch "Kirche nach dem Infarkt" . Diese Aufzählung beschreibt allerdings nur einen kleinen Ausschnitt seines publizistischen Schaffens.

Was nur wenige wissen: Michael Albus spielt auch Orgel, während seiner Aufenthalte in Freiburg übt er in der Kirche St. Peter und Paul in St. Georgen. Wie bei Reinhold Schneider ist der christliche Glaube untrennbar mit seinem Leben verbunden. Er plädiert für einen unverstellten Blick auf die Botschaft Jesu Christi und es interessiert ihn, wie sehr unterschiedlich Menschen den Glauben daran ausdrücken.
Silvia Faller , 3.4.2008, BZ

 

 

Hellmuth Karasek: Wilhelm Busch als prägender Autor für Kinder

Am Samstag, 16. Februar, macht Hellmuth Karasek auf seiner Lesereise mit dem Programm "Wilhelm Busch und seine Folgen" im Kultur- und Bürgerhaus Station. Mit dem Journalisten und Literaturkritiker sprach BZ-Mitarbeiter Markus Zimmermann-Dürkop.

BZ: Herr Karasek, studiert haben Sie in Tübingen. Verbindet Sie auch etwas mit dem Breisgau?
Karasek: Für die Studenten in Tübingen war Freiburg immer die sonnige Konkurrenz. Viele sind für ein Sommersemester dorthin gegangen. Ich habe nie in Freiburg studiert, dort jedoch oft Freunde und Verwandte besucht. Außerdem steht in Freiburg eines der schönsten Hotels Deutschlands, das ich kenne.
BZ: Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Wilhelm Busch?
Karasek: Ich denke schon, dass ich mich erinnere. Es muss 1941 oder 1942 gewesen sein. Wir besuchten einen Onkel und seine Frau. Und weil sich die Erwachsenen viel zu erzählen hatten, gab man mir ein Album, das ich auf dem Boden liegend angeschaut habe. Fast wie eine Fotografie sind mir die Geschichte vom Pusterohr und das Bild der ausgeschlagenen Zähne fest im Gedächtnis. Es waren aber auch nette Geschichten, wie die vom Bad am Samstagabend und Hans Huckebein.
BZ: Teils arbeitet Busch mit sehr drastischen, gewaltsamen Bildern. Schwarze Pädagogik lautet die Kritik. Wie sehen Sie das?
Karasek: Busch selbst ist mit dem Struwwelpeter aufgewachsen und es ist bekannt, dass er von seinem Vater für Streiche drakonisch bestraft wurde. Das schlägt sich in seinen Geschichten nieder. In seinem Geschichten schillert aber auch Humor mit. So machen sich Max und Moritz lustig über die selbstgerechte bürgerliche Moral und die ordentliche Welt. Busch hat aber auch grausame, brutale Bilder, wie das zuerst genannte. Ich bin aber überzeugt, dass Kinder, die kleinen Anarchen, dies besser verarbeiten als Erwachsene. Hänsel und Gretel, der deutschen Lieblingsmärchen, ist viel brutaler. Zweimal werden die Kinder ausgesetzt.
BZ: Busch verwendet in seinen Werken durchaus gewaltsame Bilder. Gewalt im Fernsehen oder Internet wird vielfach als Grund für Jugendgewalt genannt. Wo sehen Sie den entscheidenden Unterschied?
Karasek: Der Gewalt nimmt Wilhelm Busch das Grausame, indem sie bei ihm künstlich wird. Busch, der für mich der Vater des Comic, des Stummfilms und des Slapstick ist, nimmt der Gewalt so das Reale. Wenn Max und Moritz zum Schluss geschrotet werden, ist dies nicht realistisch dargestellt. "Hier kann man sie noch erblicken, fein geschroten und in Stücken" , erscheinen die beiden mit den Körnern skizziert als Silhouetten.
BZ: Ist Wilhelm Busch eine spezielle Literatur für Kinder?
Karasek: Ich habe in meinem Leben gelernt, dass gute Kinderbücher zwangsläufig auch wichtige Literatur für Erwachsene sind. Das gilt für Pippi Langstrumpf und Karlsson vom Dach ebenso wie für Tom Sawyer und Gullivers Reisen. Aber sicher auch für Wilhelm Busch.
BZ: Sie thematisieren auch die Folgen von Busch. Wo sehen Sie die wichtigsten Prägungen?
Karasek: Wilhelm Busch hat als Schöpfer und Vollender des Comic viele beeinflusst. Mit Max und Moritz schuf er Silhouetten, die sicher bekannter als Micky Maus sind. Er hat dabei auch Bewegungen gezeichnet, Großaufnahmen und Dinge wie die subjektive Kamera vorweggenommen. Daneben war er ein Künstler, ein Genie der Reime und des Wortspiels, der dabei auch noch Moral durchschimmern ließ.
BZ: Welchen Stellenwert hat Literatur im Rahmen der zunehmenden medialen Konkurrenz?
Karasek: Das Medium, das der Literatur am meisten zusetzt, ist nicht das Fernsehen, sondern das Internet. Zumindest handelt es sich dabei aber um ein alphabetisiertes Medium, denn ohne Lesen geht dabei nichts. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass der Mensch nicht in der Lage ist, am Bildschirm lange zu lesen. Gut, das kann ich bei einem dicken Schmöker im Bett auch nicht mehr stundenlang, aber ein Buch zu lesen fällt wohl immer noch leichter.
BZ: Das "Literarische Quartett" im ZDF hat viel für die Popularität des Lesens bewirkt, heißt es. Trauern Sie der Sendung nach?
Karasek: Ja, ich trauere der Sendung nach, so wie vielen Abschnitten in meinem Leben, die vorbei sind. Mein Freund Marcel Reich-Ranicki ist mittlerweile 87 Jahre alt und es gehört zum Leben, dass manche Dinge ein Ende finden. Als wir mit der Sendung damals begannen, wurde es im Übrigen sehr kritisiert und als unerhört empfunden, dass Literatur im Fernsehen einen Platz hat.
13.2.2008, BZ

Hellmuth Karasek: "Wilhelm Busch und seine Folgen" , musikalisch begleitet von Arno Schneider, Samstag, 16. Februar, 20 Uhr, Kultur- und Bürgerhaus Denzlingen


 

 

Francois Loeb - Mein Luxus ist Zeit

Francois Loeb - Bild: Pascal Cames

Ein Freiburger schreibt sehr kurze Kurzgeschichten

Wie viele François Loebs gibt es? Viele. Der Wahlfreiburger, der vor Kurzem seinen 67. Geburtstag feierte, kam 1940 in der Schweiz zur Welt. Die neutrale Schweiz war noch unbesetzt (aber man rechnete mit dem Schlimmsten), Frankreich schon von deutschen Truppen überrannt. Loebs Mutter, eine gebürtige Französin, schmuggelte 1942/43 jüdische Babys über die schweizerisch-französische Grenze und gab die Säuglinge jedes Mal als eigenen Sohn aus. Die passenden Papiere hatte sie ja und so fielen diese Rettungsaktionen nicht auf. So kamen viele François Loeb in Schweizer Pflegefamilien . . . Aber es gibt noch mehr Menschen mit dem Namen François Loeb. Es gibt den ehemaligen Leiter des Berner Traditionskaufhauses Loeb, den Ex-Bundesrat, den Schriftsteller. Natürlich steckt dahinter immer ein und dieselbe Person. Die vielen verschiedenen Interessen waren der Grund, warum François Loeb jahrelang unter Pseudonymschrieb, denn das hätte bestimmt zu Unstimmigkeiten geführt, gerade in seinem politischen Leben als Bundesrat, mit den Spezialgebieten Kultur und Außenpolitik. So schrieb er als Bruno A. Nauser  „Wegwerfwelten" (Fast-Read-Romane) sowie Kürzestgeschichten in der Neuen Zürcher Zeitung; und nicht einmal seine Redakteurin wusste, wer sich hinter dem Namen B. A. Nauser versteckte. Zum Schreiben geht Loeb ins Café. „Ich brauche Menschen um mich herum, das regt mich an", erzählt er bei einem Espresso im Freiburger Café Kagan und zeigt seinen Kleinstlaptop. Schier zum Greifen nah liegen Münster, Altstadt und Schwarzwald. „Ich wandere gerne, mit den Bauern rede ich immer Bernerdütsch, die verstehen mich", plaudert er. Zur Schweizer Mundart steht er, denn er ist ja gerne Schweizer. Aber einer mit Freiburger Vorfahren. Sein Ururgroßvater Moses Loeb gehört zu den Begründern der jüdischen Gemeinde Freiburgs, und dessen Sohn gründete 1881 das Kaufhaus Loeb in Bern. Der andere Blick geht auf Bahnhof und Gleise – und auch dieser Ausblick hat etwas mit François Loeb zu tun. Sein aktuelles Buch handelt ja von „Geschichten, die der Bahnhof schrieb". Als er dafür recherchierte, fuhr er mit einer Bahncard 100 kreuz und quer durch Deutschland und befragte Bahnmitarbeiter nach ihren spannendsten Erlebnissen. Diese Gespräche nahm er wiederum zum Ausgangspunkt für seine Bahnhofsgeschichten. Die Miniaturen schimmern mit einem zauberischen Charakter – wie auch sein Vorgängerbuch „Geschichten, die der Zirkus schrieb" – und verlassen gerne mal die so genannte Realität. Für Loeb sind dieses Kürzestgeschichten eine abgeschlossene Welt, aber auch ein Spiegel der äußeren Welt.  Der Privatier Loeb („mein Luxus ist Zeit") plant schon die nächsten Bücher. Eines wird passend zur EM 2008 Fußballgeschichten erzählen, wie gewohnt in aller Kürze. Dieses Format sieht er in deutschsprachigen Ländern unterbewertet, in den angelsächsischen Ländern sei das anders. Und verlangt nicht die heutige Zeit nach kurzen Erzählungen? Um diese Form des Erzählens auf knappstem Raum etwas zu fördern, hat er einen Schreibwettbewerb für Erwachsene und Kinder initiiert. Die Jury ist prominent besetzt. Unter anderem wird der ihm persönlich bekannte Pascal Mercier („Nachtzug nach Lissabon") als Juro behilflich sein, die schönsten Geschichten auszuwählen. Mit einem anderen Schweizer Schriftsteller fing übrigens François Loebs Schreiberei an. Bei einem gesellschaftlichen Abend saßen sich Loeb und Friedrich Dürrenmatt gegenüber und beide wechselten den ganzen Abend über kein Wort miteinander. Nach Mitternacht sagte der Dürrenmatt endlich: „Sie können aber schweigen!" Die beiden freundeten sich an und Dürrenmatt ermunterte den Jüngeren zum Schreiben. Jetzt kommt der nicht mehr davon los.  Wenn er mit zwei Fingern tippt dann erlebt François Loeb etwas Besonderes, dass er als „wie ein Pegasus abheben" beschreibt. Da nun Zahlenkolonnen im Kaufhaus und Debatten im Parlament Geschichte sind, hat er jetzt viel Zeit für Flüge mit Pegasus.

François Loeb: „Geschichten, die der Bahnhof schrieb". Benteli Verlag, 169 Seiten, 16,80 Euro. Schreibwettbewerb: Informationen per Mail anfordern unter info@treffmagazin.de.

Pascal Cames, 30.12.2007, www.der-sonntag.de

 

Schreibwettbewerb ab 5. Klasse: Bahngeschichten
 
Gesucht werden die schönsten, lustigsten, spannendsten und traurigsten Kurzgeschichten rund um den Bahnhof, die Reise und die Bahn.
Kennt ihr eine Geschichte rund um die Bahn? Dann macht mit beim Bahn Augen Blick-Schreibwettbewerb. Ab der 5. Klasse. Alleine oder mit der Schulklasse! Eisendeschluß 15.1.2008
www.treffmagazin.de
Mit in der Jury: Francois Loeb, Autor des Buches "Geschichten, die der Bahnhof schrieb"

 

Die heiße, rote Wut - Gewinner-Kurzgeschichte

Gewinner-Kurzgeschichte von Margarete Frick

Frau Petersen war Lehrerin. Sie war eine, deren Feinde die Schüler waren. Und sie war eine von denen, deren Begleiter die Wut war. In verschiedenen Gestalten zwar, doch sie war immer dabei. Die Wut auf alles und jeden. Die Wut auf einen selbst. Die große, rote, heiße Wut. Manchmal war sie handzahm und passte in Frau Petersens alberne Handtasche. Das war meist dann, wenn sie die Wut auf ihre Schüler losgelassen hatte. Mit unangekündigten Tests. Sie ließ die Wut los und diese wütete bis sie satt und klein war. Keiner mochte Frau Petersen, weder die Schüler noch die Lehrer. Sie war klein. Das war seit jeher einer der Gründe gewesen, warum sie immer eine Außenseiterin war. Sie marschierte durch das Schulgebäude und warf jedem wütende Blicke zu. Keiner machte sich lustig über sie, jeder hasste sie. Doch ihre Wut schützte sie vor dem Hass, der sonst über ihr zusammengeschlagen wäre, sie erstickt hätte. Ja, Frau Petersen war allein, sehr allein mit ihrer Wut. An diesem Morgen, einem wolkenverhangenen, grauen Vormittag, war sie guter Laune. Die Wut war noch klein, ganz klein. Jeder, der ihr Grinsen sah, wusste, eine Klasse würde heute ihren Test zurückbekommen und das Ergebnis würde schlecht sein, sehr schlecht. Sie riss die Tür zum Lehrerzimmer auf und schmetterte sie hinter sich zu. Die anwesenden Kollegen sahen nur kurz auf. Sie kannten diese jähzornige Person und wussten, dass es besser war, ihr aus dem Weg zu gehen. Frau Petersen drängte sich rüde zu ihrem Platz durch. Nebenbei fauchte sie ein junges neu dazugekommenes Lehrerehepaar an: "Hört auf, euch in die Köpfe zu beißen, das ist ja widerlich!" Betreten sah die junge Frau zu Boden. Ihr Mann musterte Frau Petersen erstaunt. Nach einer Weile blickte auch er zu Boden. Seine Frau nahm tröstend seine Hand. Und Frau Petersen ging zufrieden weiter zu ihrem Platz. Sie dachte an ihre Jugend. An Bert. Falscher Gedanke. Ihre Eingeweide zogen sich zusammen. Wut, Wut, Wut auf diese Gedanken, auf Bert. Doch Gedanken lassen sich nicht abstellen. Sie zeigen Bilder, Bilder aus der längst verdrängten Vergangenheit. Mühsam zwang sie sich dazu in die Gegenwart zurückzukehren. Unwirsch knallte sie ihre Tasche auf den Tisch. Und spürte Blicke. Sie sah auf und blickte in die erstaunten Augen einer Kollegin. Frau Petersen merkte wie ihre Fassade bröckelte. Doch sie fing sich rasch. Wo war die Wut, ihr treuer Begleiter? Sie hüllte sich in einen Mantel, einen Schutzmantel aus Wut. Es klingelte. Sie verließ das Lehrerzimmer. Freudige Erwartung erfüllte sie. Die Klasse, die sie jetzt hatte, würde ihren Test zurückbekommen. "Setzen" , fauchte sie und schmiss die Tasche auf den Tisch, "ihr bekommt die Tests zurück." Sie machte eine Pause, voller dunkler Vorfreude auf die entsetzten Gesichter. Sie ließ ihren Blick die Reihen entlang wandern. Innerlich rieb sie sich die Hände. In den Blicken der Schüler stand Angst, Wut und Hass. Ach, wie sehr sie diese Mischung liebte! In der dritten Reihe hielten zwei Mädchen Händchen. Das hatte sie früher auch gemacht, mit ihrer Freundin Maria. Naja, es war lange her. Wütend verdrängte sie den Gedanken. "Lasst euch los!" Erschrocken senkten die beiden den Blick. "Die Tests sind wie erwartet schlecht ausgefallen." Dramatische Pause, "sehr schlecht!" Theaterspielen, das hatte sie schon immer gut gekonnt. Nur der Direktor der Schauspielschule war anderer Meinung. Dieser aufgeblasene Giftzwerg. Obwohl es schon Jahre her war, sah sie sein Gesicht deutlich vor sich. "Ich bedauere Frau Petersen, Sie schauspielern ganz gut, aber da wir viele Anfragen haben, können wir nicht die komplette Mittelklasse aufnehmen! Verstehen Sie?!"
Was war heute nur los mit ihr? Die ganze Zeit schweifte sie ab, "Frau Petersen, die Tests." Eine der Schülerinnen hatte gesprochen. Dumme Göre. Ihre Wut ballte sich zusammen. Wut auf diesen Giftzwerg von Schauspieldirektor, Wut auf die Schülerin, Wut auf die Welt. In ihrem Innern war ein Knoten. Er war groß, zu groß. Er drückte ihr die Luft ab. Sie rang nach Atem. Die Wut steigerte sich, macht sie rasend. Und dann entlud sie sich, mit einem Aufschrei begann Frau Petersen zu schimpfen. Sie beschimpfte die Schüler, die ganze Welt, die Gedanken, die sich seit dem Vormittag immer wieder in ihren Kopf schlichen. Sie klatschte den Kindern die Blätter auf den Tisch. Der Anblick der enttäuschten Gesichter munterte sie auf. Doch als sie die Schule verließ, wusste sie, dass sie nicht mehr zurückkommen würde, denn sie wollte reisen. Weg von der Schule, wo alles sie reizte und wo alles schief lief. Sie las gerade ein ganz tolles Buch, sie hatte nicht lange überlegt, sie wollte nach Lissabon fahren. Mit dem Zug. Im Bahnhof war es übervoll und lärmig. In der Hand hielt Frau Petersen einen kleinen Reisekoffer, auf dem Kopf saß ein lächerlicher Reisehut. Und ihre Wut, ihre Wut nahm sie mit. In der kleinen Handtasche, in der auch das Zugticket war. Eine Lautsprecherstimme verkündete etwas und Frau Petersen lauschte angestrengt, denn vielleicht betraf es ihren Zug: "Meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bitte zu entschuldigen, dass heute kein Zug mehr fahren wird. Die Lokführer haben ihre Arbeit niedergelegt!"
Margarete Frick, Gewinnergeschichte des Jugendschreibwettbewerbs, Literaturbüro Freiburg
 

Kurzgeschichtenwettbewerbs des Literaturbüros - Interview mit Siegerin

Mehr als 200 Kurzgeschichten flatterten dieses Jahr ins Haus, als das Literaturbüro Freiburg Jugendliche aus Südbaden aufforderte, an einem Kurzgeschichtenwettbewerb teilzunehmen. Fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Vielleicht lag es am tollen Thema: Die Jugendlichen sollten über Wut schreiben. BZ-Redakteurin Bianca Fritz sprach mit der 15-jährigen Siegerin aus Freiburg.

BZ: Margarete, was machst du, wenn du richtig wütend bist?
Margarete: Wenn es geht, rede ich mit Freunden darüber, das hilft. Aber wenn nicht, dann zerreisse ich einfach Papier oder schlage in mein Kopfkissen.
BZ: Und was macht dich so wütend?
Margarete: Manchmal bin ich wütend auf mich selbst, wenn ich zum Beispiel eine Arbeit verhauen habe, obwohl ich die Antworten besser hätte beantworten können. Oder ich bin sauer, wenn Lehrer so richtig unfair sind.
BZ: So wie die Lehrerin in deiner Geschichte? Kennst du eine so furchtbare Person?
Margarete: Nein. Aber ich habe schon das Gefühl, dass Lehrer ziemlich oft sauer sind und man weiß nicht genau, warum. Das hab ich dann wohl verarbeitet und zugespitzt.
BZ: Ist das deine erste Kurzgeschichte?
Margarete: Nein, ich schreibe zwar nicht sehr oft, aber bei diesem Wettbewerb habe ich mich vor zwei Jahren schon einmal beworben und den fünften Platz gemacht.
BZ: Und dieses Jahr gewonnen — herzlichen Glückwunsch!
Margarete: Vielen Dank. Als bei der Preisverleihung meine Geschichte zunächst nicht vorgelesen wurde, dachte ich "o.k., dann hab ich wohl nichts gewonnen" . Nachher war die Freude umso größer.
BZ: Möchtest du deine schreiberischen Fähigkeiten jetzt weiter ausbauen?
Margarete: Ja, ich würde sehr gerne einen Schreibworkshop besuchen oder so etwas Ähnliches. Aber mit der Schule ist es eben immer so stressig. Autorin zu werden, wäre toll.
BZ: Hast du auch Vorbilder? Wessen Bücher liest du besonders gerne?
Margarete: Die Romane von Cornelia Funke, weil sie so wunderschön beschreiben kann. Und die Bücher von Ken Follet. Auch, weil er gut schreibt, aber auch, weil mich die Themen interessieren. Zweiter Weltkrieg und so. Ich finde geschichtliche Bücher spannend, weil sie einem zeigen können, wie es früher einmal war.
BZ: Was ist dir bei einer Geschichte sonst noch wichtig?
Margarete: Ich finde es gut, wenn die Personen am Anfang nicht so genau beschrieben werden. Wenn man erst nach und nach etwas über sie herausfindet.
BZ: Deine Geschichte hat ja sogar einen ganz aktuellen Schluss. Wie bist du darauf gekommen?
Margarete: Ich hatte zuerst einen anderen Schluss und der hat mir nicht so recht gefallen. Irgendwie wollte ich etwas Überraschendes und vielleicht auch ein wenig Lustiges. Und die Idee kam mir dann beim Zeitunglesen.
28.11.2007, www.badische-zeitung.de

 

Publizist Ludger Lütkehaus erhält Preis für kritische Aufklärung

Ein kleiner Schreibtisch, ein altes Bakelittelefon, notdürftig zusammengehalten von Klebeband. Der Blick schweift aus drei Gaubenfenstern über die Wiehre: Ungehinderte Sicht auf den Sternwald. Freiheit. Und Stille. Ludger Lütkehaus war begeisterter Bergsteiger früher, zu zwei Sechstausendern hat er es gebracht. Mit 63 erlauben ihm heute die Augen keine Touren mehr, aber zweimal die Woche auf den Kybfelsen laufen, das muss sein. Und die Dachwohnung, der freie Blick.

Hier hat der Freiburger Publizist und Philosoph den Großteil seiner 46 Bücher verfasst, über Hebbel und Schopenhauer, über Marx und Freud: was man so schreibt als Geisteswissenschaftler. Aber auch Werke über Onanie und Las Vegas; Glossen, Erzählungen, Radiofeatures. Eine Mischung, für die ihm an diesem Sonntag die Schweizer Robert-Mächler-Stiftung ihren Preis für kritische Aufklärung verleiht, dotiert mit 20 000 Euro. Lütkehaus’ Hauptwerk heißt "Nichts" und feiert auf 750 Seiten eben das: nichts. Beziehungsweise die Abwesenheit von Etwas. Ungehinderte Sicht. Freiheit. Stille. Muss man Asket sein, um denken zu können? Lütkehaus schmunzelt hinter einer großen Schale leuchtender Äpfel, geht sich um den Bart. Eine Geste, die ihn selten verlässt im Gespräch, irgendwo zwischen Behagen und dem Versuch, die Worte zu fassen, bevor sie ihren Weg machen. Nein, Genuss ist schon wichtig für ihn. Hätte er wählen können, er wäre ins antike Griechenland geboren worden, in eine Welt geistiger Freiheit, die souverän genug war, unterworfenen Ländern ihre Kultur zu lassen. In der eine Mischung aus Buddhismus und europäischem Denken entstand, deren Gelassenheit Lütkehaus bewundert. "Das Christentum ist doch über weite Strecken eine angstgetriebene Kultur gewesen."

Ach, das Christentum, überhaupt die Religion. "Religion ist so laut. Die Leute wissen zu viel, wenn sie ihren Glauben ausformulieren können" , findet Lütkehaus. "Die ganzen Sandkastenbegriffe von Gott und Schöpfung — mir reicht es zu sagen, bestimmte Dinge kann man nicht erklären." Religiöse Verheißungen sind auch für Lütkehaus etwas Wichtiges: Hinweise auf menschliche Ängste und Sehnsüchte. "Aber das muss auf die Füße gestellt werden, wenn Religion nicht Ideologie sein soll. Wenn man sich klar macht, dass heute kaum eine Bombe in der Welt hochgeht ohne dass ein fundamentalistisch-religiöser Geist beteiligt wäre, dann sieht man, dass es was zu tun gibt für die Aufklärung." Aufklärung als Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit, nach Kant. Und aus fremdverschuldeter, nach Lütkehaus: "Dogmatische Beeinflussung von Kindern etwa ist mir ein Gräuel."
Bis heute hat Lütkehaus, der seit 31 Jahren auch für die Badische Zeitung schreibt, nicht einen Text auf Computern verfasst. "Mir geht das zu schnell. Ich vertippe mich, ich brauche den Widerstand einer mechanischen Schreibmaschine. Auch wenn sie laut ist." Für "Nichts" hat Lütkehaus 25 Jahre gesammelt. Das Buch ist nicht nur der Versuch, vorschnellen Antworten Sand ins Getriebe zu streuen. Indem das Werk die abendländische Gleichsetzung des Seins mit dem Guten aufhebt, befreit es das Leben von Schuldverpflichtungen. Und es versucht, ihm auch die Angst vor dem Tod, dem Nichtsein, zu nehmen. Stille kehrt in Lütkehaus’ Denken trotzdem nicht ein. "In dem Maß, wie ich älter werde und auch mit meiner Partnerin über den Tod nachdenke, in dem Maße kommt der Tod des anderen in den Blick, der uns mit der schrecklichen Möglichkeit konfrontiert, überleben zu müssen, nicht zu können. Das ist ein erstaunlicher Defekt der abendländischen Philosophie: Von Epikur bis Heidegger denkt sie über den Tod des Einzelnen nach, der Tod des anderen spielt überhaupt keine Rolle." In den vergangenen Jahren hat der Anteil des Literarischen in Lütkehaus’ Werk zugenommen. Gerade ist "Das nie erreichte Ende der Welt" erschienen, vier mythisch-philosophische Erzählungen, in denen der Autor mehr noch als bisher seinem Talent zu Parodie und milder Ironie die Zügel schießen lässt. Ironie ist eine Form spielerischer Kritik, eine Einladung zum Nachdenken ohne Zeigefinger. Hilft sie auch, den Kopf oben zu halten? "Sie ist eine Form, sich zu wappnen. Betroffen ist man sowieso."
Jens Schmitz, 27.10.2007, BZ

Ludger Lütkehaus: Das nie erreichte Ende der Welt. Zweitausendeins Verlag, Frankfurt 2007.
144 Seiten, 11,90 Euro.

Literarische Radwege

"Die literarischen Radwege sollen – zumeist orientiert an bereits erschlossenen Routen – die Landkarte Baden-Württembergs auf neue Weise erfahrbar machen. Entworfen als Tagestouren, jedoch ebenso integrierbar in längere Wanderungen, führen sie entlang der unzähligen Literaturmuseen und –gedenkstätten des Landes, berühren aber auch Handlungsorte von literarischen Texten und wichtige Schauplätze der südwestdeutschen Literaturgeschichte"
Für das Projekt »Per Pedal zur Poesie« wurde die Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg als »Ausgewählter Ort 2010« im Wettbewerb »365 Orte im Land der Ideen« ausgezeichnet.

http://www.literaturland-bw.de/radwege/

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