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Infos zur Psyche-Seite ab März 2008
 

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Roturach - Seitental vom Uracher Tal zwischen Linachtal und langenordnachtal im Februar 2008
Roturach - Seitental vom Uracher Tal zwischen Linachtal und langenordnachtal im Februar 2008

 

Drei Viertel und ein Viertel: In welchem Maß ist Intelligenz ererbt

Ohne Thilo Sarrazins politische Polemik "Deutschland schafft sich ab" gäbe es dieses Buch von Dieter E. Zimmer nicht. Es fragt im Titel "Ist Intelligenz erblich?" und hat den Untertitel "Eine Klarstellung". Der langjährige Feuilletonchef der Zeit und vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist springt dem provozierenden Bestseller-Autor in einer zentralen These bei, die dessen Kritiker verwarfen: Intelligenz werde – nach der seit langem von der Forschung anerkannten Auffassung – maßgeblich von den Genen bestimmt.
Alles von Harald Loch vom 18.1.2012 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/literatur-rezensionen/drei-viertel-und-ein-viertel--54857275.html

Dieter E. Zimmer: Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung. Sachbuch
Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 321 Seiten, 16,95 Euro.

Erbliche Intelligenz: Verdorrten Pflanzen nützt auch Regen nichts
Bereits 1983 hat Anne Anastasi, der "Test-Guru" in den USA, konstatiert, dass die Frage nach der Vererbung der Intelligenz eine falsch gestellte Frage ist. Man könnte aus heutiger Sicht sagen, es ist eine Frage, die nur falsche Antworten ermöglicht. Die Faustregel "¾ + ¼" ist vergleichbar der Konstatierung, dass das Blühen meiner Blumen zu drei Vierteln von der Sorte und zu einem Viertel vom Wetter abhängt. In beiden Fällen sind beide Faktoren(-gruppen) zu 100 Prozent bedeutsam, denn ohne Regen gibt es nur verdorrte Pflanzen, und verdorrten Pflanzen nützt der beste Regen nichts. Ein einziger Hagelsturm vernichtet die gesamte Ernte.
Migration ist oft ein solcher Hagelsturm. Eine gute Ernte setzt die Passung aller Faktoren voraus, und wenn wir mit unserem, auf die deutsche Mittelschicht ausgerichteten Schulsystem nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen, so können wir daraus schließen, dass die Migrantenkinder "dumm" sind oder dass unsere Fördermethoden ihrer Situation nicht angemessen sind – so, wie sie übrigens auch den deutschen Jungen nicht in der Weise angemessen sind wie den deutschen Mädchen, denn die schneiden durchweg besser ab, ohne dass jemand auf die Idee käme, den Mädchen eine höhere Intelligenz zuzuerkennen!
6.2.2012, Prof Dr. Wolfgang Roth, Freiburg

 

Michael Steil koordiniert psychosoziale Notfallversorgung und -seelsorge

Es klingelt, die Polizei steht vor der Tür und überbringt eine schlimme Nachricht: In solchen Ausnahmesituationen stehen den Betroffenen Notfallseelsorger zur Seite. Michael Steil aus Kirchzarten ist einer von ihnen. Im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes koordiniert er bundesweit die psychosoziale Notfallversorgung in den Landkreisen und Kommunen.

Nach Bränden und anderen Unglücksfällen sind die Rettungskräfte in der Regel sehr schnell vor Ort. Damit Angehörige von Unfallopfern in den ersten schweren Stunden nicht allein mit ihrem Schicksal fertig werden müssen, kümmern sich ehrenamtliche Helfer um den seelischen Beistand der Betroffenen. "Wir sind dabei, wenn die Nachricht vom Tod eines engen Angehörigen überbracht werden muss", sagt Michael Steil. Während seines Zivildienstes als DRK-Rettungssanitäter erfuhr der heute 40-Jährige, dass die Betreuung von Hinterbliebenen durch Rettungskräfte kaum wahrgenommen wurde. Weil für ihn die persönliche Hilfsbereitschaft schon immer eine Herzensangelegenheit ist, machte es sich der Diplom-Theologe und Familienvater zur Aufgabe, für die Region Freiburg einen möglichst effektiven Notfallnachsorgedienst auf die Beine zu stellen. Angehörige von Unfallopfern, Hinterbliebene, Überlebende, Augenzeugen und Menschen, die plötzlich einen engen Angehörigen vermissen – ihnen allen stehen Steil und seine Mitarbeiter zur Seite. Aber auch Feuerwehrmänner, Polizisten und Sanitäter nutzen die Gelegenheit, um über ihre nicht selten belastenden Erlebnisse zu reden. Wenn Eltern nach dem plötzlichen Tod ihres Kindes wie gelähmt sind, ein Mensch die Liebe seines Lebens verliert oder als Augenzeuge nach einem Unfall unter Schock steht, dann springen bundesweit organisierte Kriseninterventionsdienste und Notfallseelsorge-Teams mit psychosozialer Soforthilfe ein. "Einfach Dasein, Hilfe anbieten, auch Schweigen, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen", nennt er als Fähigkeiten, die Notfall-Betreuer mitbringen sollten. "Weinen gehört zur normalen und positiven Reaktion. Trauer ist nicht regulierbar. Jeder Mensch reagiert anders", so Steil.
Seine Unterstützung bietet er nur dann an, wenn diese auch erwünscht wird. Neben der Leitung vom "Netzwerk Psychosoziale Notfallversorgung Freiburg" koordiniert Steil im Auftrag des DRK den Aufbau der psychosozialen Notfallversorgung in den einzelnen Bundesländern. In seinem in Freiburg ansässigen "Institut für Human Resources" betreut er unter anderem Ärzte und Rettungskräfte, die aufgrund der immer wiederkehrender Konfrontation mit Leid, Schmerz und Tod von Patienten Belastungen ausgesetzt sind. Steil macht keinen Hehl daraus, dass ihm der Umgang mit extremen Ausnahmesituationen an manchen Tagen zu schaffen macht. Steil: "Als zu einem Jahresende innerhalb weniger Tage gleich drei Säuglinge trotz sofortiger Reanimation gestorben sind, war ich fix und fertig und musste eine Auszeit nehmen". Trotzdem möchte er keinen anderen Beruf ausüben. "Wo andere wegrennen, da beginnt unsere sehr sinnstiftende und zufriedenstellende Tätigkeit".
28.12.2011, Andreas Peikert

 

FHG für psychisch kranke und behinderte Menschen

Bei der öffentlichen Mitgliederversammlung der "Freiburger Hilfsgemeinschaft für psychisch kranke und behinderte Menschen" (FHG) in der Wohnanlage Kreuzsteinäcker ist Frauke Taurinus als Nachfolgerin von Gretl Klabunde zur neuen Vorsitzenden gewählt worden. Die Mitglieder erhielten einen Bericht über die vielfältigen Öffentlichkeitsaktionen des vergangenen Jahres wie Ausstellung, Theateraufführung, Lesung und Tag der Offenen Tür und einen Ausblick auf die Vorhaben für 2012 – darunter die Weiterentwicklung des ambulant betreuten Wohnens, die weitere Konsolidierung des sogenannten Zuverdienstbereiches der Tagesstätte und die Weiterentwicklung der Clubangebote, etwa durch den Aufbau eines Kunstangebotes. Als neuer Arbeitskreis innerhalb der FHG wurde der offene "AK Euthanasie und Ausgrenzung heute" vorgestellt. In ihm setzen sich Psychiatrieerfahrene, Ehrenamtliche, Hauptamtliche und interessierte Bürger mit der Vernichtung insbesondere psychisch kranker Menschen während des NS-Regimes auseinander. Der AK hat sich zum Ziel gesetzt, den Opfern durch entsprechende Gedenksymbole ihren Namen und ihre Biographie zurück zu geben. Darüber hinaus wurde den Mitgliedern die Dringlichkeit deutlich gemacht, neue ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Begegnungsstätte "Club 55" zu gewinnen. Interessenten können sich bei der zuständigen Sozialarbeiterin Alice Stiehl (Tel. 0761/70481-13, a.stiehl@fhgev.de) informieren.
20.12.2011

 

Drewermann setzt auf Psychoanalyse und Hirnforschung

Bestätigt sieht sich Drewermann durch Psychoanalyse und nicht zuletzt durch die moderne Hirnforschung. Es sei mittlerweile unbestreitbar, dass Erfahrungen den Menschen beeinflussen, ja sich materiell manifestieren. So könne sich selbst Angst und Stress der Mutter auf das noch Ungeborene übertragen, betont er. Die Angst der werdenden Mutter während dem Feuersturm einer Bombennacht hafte dem später geborenen Kind an. Auch eine schwierige Geburt oder Erfahrungen in den ersten Lebensjahren würden sich im jungen Menschen festsetzen. Ist ein derart vorgeprägter Mensch voll verantwortlich, wenn daraus beispielsweise aggressives Verhalten erwachse? Drewermann bewegt als Seelsorger aber vor allem auch die Frage, wie diesem zu begegnen, zu helfen ist. Strafe und Ausgrenzung, Isolation sei bestimmt nicht der richtige Weg. Den sieht er vielmehr in der Psychotherapie, die versuche, den Menschen sich selbst begreiflich zu machen und so zurückzuholen. Oder um es mit Sigmund Freud zu sagen: "Ohne Reifung des Ich keine Heilung".
Alles von Markus Zimmermann vom 11.3.2011 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/emmendingen/eugen-drewermann-plaedoyer-fuer-therapie-statt-strafe--42470764.html
 

Sozialpsychiatrischer Dienst SpDi seit 20 Jahren in Freiburg

Der Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi) unter gemeinsamer Trägerschaft des Caritasverbandes Freiburg-Stadt sowie des Diakonischen Werkes Freiburg feiert 20-jähriges Jubiläum. Im Rahmen des Welttages für seelische Gesundheit fand aus diesem Grund heute im großen Saal des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg ein Informationsabend statt. Jochen Pfisterer, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Freiburg, sowie Rainer Kern, Abteilungsleiter des Caritasverbandes Freiburg-Stadt, begrüßten die Teilnehmer und stellten die aktuelle Situation des Dienstes dar. Den anschließenden Fachvortrag mit dem Thema „Zur Gesundheitssituation wohnungsloser Menschen im Spannungsfeld zwischen sozialen, körperlichen und psychischen Problemen“ hielt der leitende Oberarzt des Klinikums der Universität Freiburg, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Dr. L. Tebartz van Elst. Grußworte überbrachten Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach, Albrecht Schwink, der stellvertretende ärztliche Direktor des ZfP Emmendingen, Prof. Dr. Dr. W. Effelsberg, der Vorsitzende des Beirates des SpDi, Andreas Riesterer vom Caritasverband der Erzdiözese Freiburg sowie Bernadette Siebler von der Initiative Selbsthilfe mit Köpfchen. Für die musikalische Umrahmung sorgte Bernhard Hensel. Begleitend zur Veranstaltung war noch die Ausstellung „Stadtleben“ der Projektgruppe Fotowerkstatt zu sehen.
Der Sozialpsychiatrische Dienst ist da für Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu Fragen von Hilfen im Alltag, bei der Krankheitsbewältigung, zur Existenzsicherung und auch zur Beratung von Familienangehörigen. Weiter bietet der Dienst auch die ambulante Soziotherapie in Zusammenarbeit mit den Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie und das Ambulant Betreute Wohnen in Freiburg an.
14.10.2010, Caritas Freiburg

Sozialpsychiatrischer Dienst Freiburg
Holzmarkt 8, 79098 Freiburg, Tel 0761/368940, E-Mail: spdi@spdi-freiburg.de
www.spdi-freiburg.de 

 

SPDI Bad Krozingen: Beratung für Angehörige psychisch Kranker

Angehörige von psychisch Kranken leiden oft genau so wie die Betroffenen selbst – in der Gruppe finden sie Verständnis und Hilfe. ... Die Sozialpsychiatrischen Dienste von Caritas und Diakonie bieten in mehreren Beratungsstellen kostenfreie Unterstützung, Gespräche und Vermittlung sozialer Hilfen an. Daraus hat sich 1991 in Bad Krozingen zusätzlich ein begleiteter Kreis von Angehörigen etabliert. Der einzige im Landkreis. Aber nur acht bis zehn Personen nutzen ihn. Vielleicht ist er zu wenig bekannt. Möglicherweise hemmt die Schwellenangst. Die Leitung hatten jeweils über längere Zeiträume verschiedene Sozialpädagogen inne. Seit Oktober 2007 ist die Sozialarbeiterin und Supervisorin Ilona Köhler Ansprechpartnerin. ....
Alles von Sabine Model vom 1..2010 lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/kreis-breisgau-hochschwarzwald/das-macht-stark-und-das-macht-mut--32822968.html

Sozialpsychiatrische Dienste von Caritas und Diakonie (SPDI)
SPDI Bad Krozingen
Beratung für Angehörige von psychisch Kranken
c/o Ilona Köhler, Tel 07633-958070.

Gemeindepsychiatrische Dienste von Diakonie und Caritas

Für Bettina Rehmann (Name geändert) ist das morgendliche Aufstehen eine Qual. Seit 2006 leidet sie an den Auswirkungen einer schweren depressiven Störung, die sich ständig mit euphorischen, manisch genannten, Phasen abwechselt. Ein Leben wie auf der Achterbahn. Dass sie dennoch ein fast normales Leben führen kann, verdankt sie auch den gemeindepsychiatrischen Diensten von Diakonie und Caritas. Denn seit einiger Zeit lebt sie nun in einer von ihnen betreutet Wohngemeinschaft und fährt täglich in eine Tagesstätte nach Hinterzarten. "Ich hab mich da anfangs schon sehr gesträubt, aber hab dann auch gemerkt, dass es mir hilft", erklärt sie. Denn dort sei sie unter Menschen und habe eine feste Tagesstruktur. Sechs Stunden am Tag verbringt sie mit gemeinsamen Spielen, Kochen oder Singen. Und da es auch ein Sofa gibt, könne man auch einfach einmal ausspannen.
Alles von Michael Saurer vom 13.10.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/kreis-breisgau-hochschwarzwald/ein-leben-wie-auf-der-achterbahn

 

Immer mehr Menschen sind psychisch erkrankt

"Volkskrankheiten der Zukunft" nennen Experten psychische Leiden und Erkrankungen. Sie stützen sich dabei auf weltweite Beobachtungen, wonach 30 Prozent aller Menschen einmal im Leben von einer psychischen Erkrankung betroffen sind − Tendenz steigend. Allein in Deutschland nehmen sich mehr als 11000 Menschen pro Jahr das Leben, die Dunkelziffer wird als wesentlich höher geschätzt. Zudem verursachen psychische Störungen die längsten krankheitsbedingten Fehlzeiten. Für Frühverrentungen wegen Erwerbsunfähigkeit sind psychische Erkrankungen inzwischen der Hauptgrund; sie haben sich seit 1985 verdreifacht.

Sich auf diese Entwicklung einzustellen, bemüht sich die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Landkreis nach Kräften. Die Einrichtung besteht aus den sechs Verbänden Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Deutsches Roten Kreuz und verfügt über mehrere Geschäfts- und Anlaufstellen, eine davon in Bad Krozingen. Hier trafen sich Bernhard Scherer, Kreisgeschäftsführer des Caritasverbandes, Roland Weißenberger, Berater beim sozial-psychiatrischen Dienst, Mechthild Fetzner, zuständig für "Betreutes Wohnen", und Ulrich Rapp, Fachbereichsleiter des psychiatrischen Dienstes der Gemeinde, um zusammen mit ihrem 56-jährigen Klienten F. A. Auskunft zu geben über die derzeitige Situation. Einig waren sich alle darin, dass die Leistungskürzungen durch die Gesundheitsstrukturreform vor sechs Jahren Einbußen mit sich gebracht haben, die für die Betroffenen die Teilhabe am sozialen Leben schwierig bis unmöglich machen. "Ich habe diese Einschnitte deutlich gemerkt", berichtete F. A. Heute müsse er mit rund 150 Euro weniger auskommen, könne nicht mehr mit Zuzahlungen rechnen, etwa für Kleider oder defekte Haushaltsgeräte, und müsse auch die Renovierung seiner Einzimmer-Wohnung selbst finanzieren, und das bei ganzen 365 Euro im Monat, zusammengesetzt aus Rente und Grundsicherung. Ganz undenkbar seien inzwischen Urlaub oder auch nur Tagesausflüge, Restaurant-, Konzert- oder Theaterbesuche geworden − "Das schränkt die Bewegungsfreiheit ganz entscheidend ein", stellt er resigniert fest. Der studierte Germanist F. A. erkrankte schon während seines Studiums in Berlin und kam aus familiären Gründen nach Südbaden. Nicht nur als Therapeut stellt sich Roland Weißenberger seinem Klienten zur Verfügung, sondern auch bei der ganz konkreten Bewältigung der alltäglichen Schwierigkeiten. Er geht mit ihm einkaufen − stets unter dem Aspekt der größtmöglichen Sparsamkeit − und hilft ihm bei der schon lange fälligen Renovierung seiner Einzimmerwohnung (mitfinanziert durch die Zuwendung aus der Weihnachtsaktion der Badischen Zeitung).
Hilfe im Alltag leistet auch Mechthild Fetzner mit ihren beiden Mitarbeiterinnen, die sich um die Wohnsituation psychisch Kranker kümmern. So bieten sie Betreuung in der eigenen Wohnung an oder mieten Wohnungen für Wohngemeinschaften, in denen je nach Größe bis zu fünf Personen zusammen leben können. Zu den Angeboten gehören darüber hinaus Hilfestellung bei Fragen und Problemen des Alltags und Gespräche in Krisensituationen, um einen Klinikaufenthalt zu vermeiden.
Die Situation gerade psychisch Kranker, darin sind sich alle Liga-Vertreter einig, hat sich dramatisch verschlechtert, was zu kaum noch tragbaren Belastungen und Teilhabeeinschränkungen führe. Allein die geforderte Eigenleistung bei Medikamenten − ein Prozent vom Jahreseinkommen bei chronisch Kranken − berge die Gefahr des Absetzens. Von den zahlreichen Mehrbelastungen nannten sie vor allem, dass die Mieten im Landkreis häufig über den nach dem Sozialgesetz festgelegten Grenzen liegen und es keinerlei Zuzahlung zu fixen Kosten, etwa GEZ-Gebühren oder Regiokarte, mehr gibt. Seit Inkrafttreten der Gesundheitsstrukturreform seien aus diesen und vielen anderen Ursachen eindeutig Verwahrlosungstendenzen und die Zunahme des "Messie-Syndroms" zu beobachten. Deshalb sei dringend die Rückkehr zu den Leistungen vor diesen Veränderungen vor sechs Jahren zu fordern.
Anne Freyer, 5.9.2009

 

Versorgung psychisch kranker Kinder nicht gewährleistet

Vielen Dank, dass Sie mit dem Artikel Patienten mit einer psychischen Erkrankung eine Stimme verliehen haben. Ergänzend möchte ich darauf hinweisen, dass auch die ärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen, von denen etwa 15 bis 20 Prozent an psychischen Störungen erkranken, mit der neuen Honorarregelung nicht gewährleistet ist. Nach dem aktuellen Honorarsatz kann ein Kind mit einer Aufmerksamkeitsstörung oder einer Magersucht 70 Minuten im Quartal diagnostiziert und/oder behandelt werden. Die gleichzeitige Gefährdung der der Sozialpsychiatrievereinbarung SPV (Primärkassen wollen keine Therapien zahlen, Ersatzkassen haben den Vertrag gekündigt und nur bis Ende 2009 befristet verlängert) wird auch den Diagnostik- und Behandlungsleistungen durch Psychologen/-innen, Sozial- und Heilpädagogen/-innen und Motopädagogen/-innen im Rahmen einer kinder- und jugendpsychiatrischen Facharztpraxis ein Ende setzen. Wir haben bisher schon zu Dumping-Preisen gearbeitet. Selbst für die wird in dem jetzt verordneten Budgetrahmen kein Platz mehr sein. Kinder und Jugendliche und ihre Familien werden sich auf Wartezeiten bis zu einem Jahr oder länger einstellen, um dann vielleicht eine Diagnose, aber keine Behandlung zu erhalten. Wieder einmal trifft es die Schwächsten unserer Gesellschaft. Im "Kinderland Baden-Württemberg" wünschen wir uns, dass die Politik endlich auch einmal die Prioritäten für Kinder setzt.
BZ-Leserbrief vom 24.3.2009 von Dipl.-Psych. Ulrike Teichert, Wittnau

 

Die Angst geht um

Jeder zehnte Deutsche leidet unter krankhafter Angst.
Mehr als 500 Angstformen und Phobien listet der Münchner Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in seinem "Buch der Ängste" auf – das Spektrum reicht von der weit verbreiteten Höhenangst bis zur ungewöhnlichen Furcht, Luft zu verschlucken.

Alles von Petra Kistler vom 27.1.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/die-angst-geht-um-x1x


 

Trauma und Sucht: Drogen halten seelische Wunden offen

Abhängigkeit und Trauma sind oft miteinander verbunden. Und müssen dann auch zusammen behandelt werden

Seit es sie gibt, versuchen Menschen immer wieder aufs neue seelische Wunden und verletzende Erfahrungen zu bewältigen. Hat die Übung sie schon zu professionellen "Traumaüberwindern" gemacht, ausgestattet mit der Fähigkeit, Schlimmes innerlich hinter sich zu lassen und Gutes in den Vordergrund zu stellen? Dass es so einfach oft nicht ist, führte im Rahmen des diesjährigen Welttags der seelischen Gesundheit jetzt der Psychiater und Psychotherapeut Michael Hase im Zentrum für Psychiatrie Emmendingen aus. Ein Psychotrauma ist eine seelische Wunde. Sie entsteht, wenn ein Mensch sich einer bedrohlichen Situation schutzlos ausgeliefert fühlt. Reichen seine eigenen Kräfte zur Bewältigung dieser Krise nicht aus, werden Selbst- und Weltverständnis oft dauerhaft erschüttert. Eine solche Wunde heilt nicht von allein. Denn das überwältigende Lebensereignis ist im sogenannten Mandelkern des Gehirns nur bruchstückhaft gespeichert. So ist eine zusammenhängende Erinnerung und Erzählung des Schrecklichen nicht möglich. Stattdessen überfluten Erinnerungssplitter sowie große Angst und Anspannung die Betroffenen. So erleben sie das Gefühl ohnmächtigen Ausgeliefertseins immer wieder neu. Hase zufolge hängen auch Suchterkrankungen oft eng mit solchen Psychotraumata zusammen. Beinahe jeder zweite Patient in spezialisierten Suchtkliniken weise eine sogenannte Traumafolgestörung auf. Das überrascht nicht, denn Suchtmittel wie Alkohol und Opiate lindern quälende Anspannung und Angst seelisch Traumatisierter deutlich. Die Gefahr dieser Art von Selbstbehandlung: Da die Bruchstücke der Erinnerung an das traumatisierende Ereignis unvermindert bestehen bleiben, entwickelt sich rasch eine Abhängigkeit. Umgekehrt erhöht eine Suchterkrankung die Wahrscheinlichkeit seelischer Traumatisierung beträchtlich, etwa durch Prostitution. Hase ist pragmatisch: "Wenn man beides hat, muss man auch beides behandeln." Dabei gilt: Eine Heilung des Traumas ist nur möglich, wenn zuvor die Abhängigkeit erfolgreich behandelt wurde. Zu groß ist sonst die Gefahr, dass unangenehme Gefühle erneut betäubt werden. Dabei stellt bereits der körperliche Entzug für seelisch Traumatisierte eine Herausforderung dar. Denn neben Entzugssymptomen leiden die Patienten weiter unter ihren seelischen Wunden, die häufig nur durch ein Mehr an Medikamenten gelindert werden können. Bei der Verarbeitung des verletzenden Ereignisses helfen zwei Methoden: Verhaltenstherapie und das EMDR, das Eye Movement Desensitization and Reprocessing, bei dem gezielte Augenbewegungen quälende Empfindungen vermindern und in das Gefühlsleben einfügen sollen. Hase zufolge scheint das EMDR geeignet, "Suchtdruck" und Rückfallhäufigkeit zu vermindern.
Christof Goddemeier, 27.10.2008, BZ

 

Stephan Marks: Scham und Schamabwehr

Der Weg zu einer Kultur gegenseitiger Achtung und Anerkennung / Ein Bewusstwerden der Schamabwehr, ein Bekenntnis zur eigenen Schwäche, kann fruchtbar sein auch als Prophylaxe gegen den Rechtsextremismus

Ein deutscher Junge weint nicht. Schwäche zu zeigen, war in der Nazizeit nicht klug. Das Gefühl des Unwert- und Verweichlicht-Seins galt als beschämend. Die Nazis redeten den Deutschen ein, sich nicht schämen zu müssen, ja einer Herrenrasse anzugehören. Daraus gewannen sie einen großen Teil ihrer Anziehungskraft — allerdings um den Preis der Erniedrigung, Entrechtung und Vernichtung von angeblich rassisch Minderwertigen, Andersdenkenden und Minderheiten, der Juden zumal.
Scham bleibt zurück, wenn körperliche oder seelische Grenzen verletzt werden, wenn Menschen ausgegrenzt werden, wenn wir gegen unser Gewissen verstoßen. Scham peinigt. Dass abgewehrte Scham zwischenmenschliche Beziehungen vergiftet, während mit anderen Menschen geteilte Scham Nähe emotionale Verbundenheit und Vertrauen schafft, darauf verwies am Montag im evangelischen Gemeindehaus Müllheim der Freiburger Soziologe Stephan Marks. Er sprach über "Vergessene Schuld und Scham — die Scham und Schuld des Vergessens". Der Leiter des Forschungsprojektes "Geschichte und Erinnerung" machte deutlich, dass Menschen, die beschämt wurden, ohne sich dieser Scham bewusst werden und sie verarbeiten zu können, danach trachten, auch andere zu beschämen — weil es ihnen hilft, die eigene Pein abzuwehren und Macht über andere auszuüben. Schamabwehr in Familie, Schule, Beruf und Gesellschaft sei möglich durch emotionale Erstarrung, Erniedrigung anderer, Protzigkeit, Rücksichtslosigkeit, Gewalt, Perfektionismus, Größenfantasien, Idealisierung oder einen nahezu chronischen Hunger nach Essen, Besitz, Macht oder anderen Suchtmitteln. Der Weg zu einer Kultur gegenseitiger Achtung und Anerkennung, so Stephan Marks, führe "durch" die Scham. Ein Bewusstwerden der eigenen Schamabwehr, so seine These, könne fruchtbar sein für bessere zwischenmenschliche Beziehungen, für gelingende Schule und Ausbildung und als Prophylaxe gegen den Rechtsextremismus.
Wehret den Anfängen: Das vorwiegend ältere Publikum suchte — das ergab eine kleine Umfrage zuvor — klare Antworten auf die Frage, wie das zu leisten sei, wie aus der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart gezogen werden können. Und der Redner, der mit seinem Buch "Warum folgten sie Hitler?" ein einschlägiges Werk verfasst hat, gab diese klare Antwort. Die Lösung, so seine Überzeugung, liegt in jedem Menschen selbst. Johanna Harrer riet in ihrem lange Zeit gültigen Erziehungsbuch von 1934 "unbedingt" dazu, Säuglinge außerhalb der Stillzeit von der Mutter getrennt unterzubringen und sie "an einen stillen Ort abzuschieben" , wenn sie schreien. Dass diese Zurückweisung im tiefsten Innern auch später noch als eine Erniedrigung und existenzielle Bedrohung empfunden wird, die das Selbstwertgefühl beeinträchtigt, darauf wies Stephan Marks hin. Dieses Gefühl sei so schmerzhaft, dass es abgewehrt werden muss. Die Nazis hätten sich aus den unbewussten Scham-Gefühlen ihrer Anhänger quasi "ernährt" , es verstanden, das tiefe Verlangen eines jeden Menschen, gesehen und fasziniert zu werden, zu instrumentalisieren, sagte der Redner. Kriegsniederlage, Schulden, Armut, Arbeitslosigkeit, Geldentwertung und politische Zerrissenheit der Weimarer Republik — all das als zutiefst schändlich erlebt — hätten dieses Verlangen befördert. Ein Kind, so Stephan Marks, das von seinen Eltern in seiner Person geachtet und in seinen Grenzen respektiert wird, könne eine gesunde Scham entwickeln: die Fähigkeit mit den eigenen Schwächen umzugehen, ohne andere niederzumachen. Ein älterer Lehrer, erzählte der Referent, sei einmal auf ihn zugekommen und habe ihm gesagt: "Eben ist mir klar geworden, dass ich als Schüler unter der Beschämung durch meine Lehrer sehr gelitten habe und dass ich dasselbe die ganzen Jahrzehnte als Lehrer mit meinen Schülern wiederholt habe." Stephan Marks sprach jetzt im Rahmen einer Vortragsreihe, die die evangelische und die katholische Kirche in Müllheim zusammen mit dem Friedensrat aus Anlass der "Reichspogromnacht" vor 70 Jahren veranstalten.
bm, 16.10.2008, www.badische-zeitung.de

 

Integriertes Zuverdienstprojekt der FHG gewöhnt ans Arbeiten

Nora Walter hat ein klares Ziel vor Augen: "Ich möchte mich wieder stark machen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen." Vor fünf Jahren machte eine schwere Depression es ihr unmöglich, weiter als Krankenschwester zu arbeiten. Eine Psychose kam hinzu, Magersucht, Vereinsamung, Verzweiflung. Doch nun probiert die 45-Jährige einen neuen Anlauf aus, um ihr Ziel zu erreichen. In einem für Freiburg einmaligen integrierten Zuverdienstprojekt, das die Freiburger Hilfsgemeinschaft für psychisch kranke und behinderte Menschen (FHG) anbietet.

Möglich macht das ein Projektvertrag der Stadt Freiburg mit der FHG für zunächst einmal zwei Jahre. Darin verpflichtet sich die Stadtverwaltung, aus Mitteln der Eingliederungshilfe zehn Plätze mit jeweils 300 Euro pro Monat zu finanzieren. Auf der anderen Seite stellt die FHG diese Plätze zur Verfügung, um Menschen, die vor dem Gesetz als behindert gelten (weil sie zum Beispiel mindestens ein halbes Jahr lang krank sind), wieder "fit zu machen für den Arbeitsmarkt" . So beschreibt FHG-Geschäftsführerin Friedhilde Rißmann-Schleip, was dieses Projekt bewirken soll: "Es geht um Förderung und Teilhabe — und darum, die Leistungs- und Belastungsfähigkeit zu steigern." Nora Walter (Name geändert) ist seit dem Beginn des Projekts im Juli dabei und überzeugt, damit schon einige Klinikaufenthalte (Kosten pro Tag: rund 500 Euro) vermieden zu haben. "Ich trainiere hier, mich selbst ernst zu nehmen, mich wieder was zu trauen, aber auch Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Belastbarkeit, um draußen wieder Fuß zu fassen." Ähnlich erlebt es Maria Konrad (Name geändert): "Für mich ist das wie eine Reha, damit ich fit bleibe, um im nächsten Jahr meine Ausbildung zur Bürokauffrau beginnen zu können." Die 28-Jährige musste vor einem Jahr aufgrund einer Psychose ihre Ausbildung abbrechen und schätzt an ihrem neuen Arbeitsplatz vor allem dies: "Hier kann man sich zeigen, wie man ist — das entlastet." Kleinteile montieren, Verpackungs-, Versand-, Stanz-, Falz- und Klebearbeiten, Etikettieren, Boten- und Kurierdienst, Büroarbeiten, aber auch kreatives Arbeiten mit Leder — all das ist im Arbeitsbereich der FHG-Tagesstätte möglich. "Wir leben von der Handarbeit" , sagt Christian Haller. Der Arbeitstherapeut ist hier der "Chef" und freut sich über etliche Erfolge: "Wenn jemand ein Praktikum auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommt — oder wenn es jemand schafft, seine Arbeitszeit von einer auf drei Stunden zu erhöhen." "Die Arbeit ist für uns etwas Lebensrettendes und Wichtiges" , fasst Nora Walter ihre Erfahrungen nach den ersten Monaten zusammen. Allerdings weiß sie auch, dass ein Jahr (so lange ist die Teilnahme an diesem integrierten Zuverdienstprojekt vorgesehen) "ruckzuck rum" ist. Und sie macht klar: "Wir brauchen dringend Aufträge und Arbeit." Denn es braucht Trainingsmöglichkeiten, um das Ziel zu erreichen, das für Friedhilde Rißmann-Schleip in Zahlen ausgedrückt so aussieht: Wer am Projekt teilnimmt, soll am Ende in der Lage sein, fünfmal in der Woche mindestens drei Stunden lang hier zu arbeiten und sich obendrein ein bis zwei Stunden lang am Alltagsleben bei der FHG beteiligen. "Es ist ein Einstieg."
Gerhard M. Kirk

 

BZ-Telefonaktion am 10.10. zum Welttag für seelische Gesundheit

Der Welttag für seelische Gesundheit am 10. Oktober will Verständnis wecken für Menschen, die psychisch krank sind. Die Badische Zeitung bietet aus diesem Anlass Betroffenen, Angehörigen, Nachbarn oder Freunden am kommenden Mittwoch, den 8. Oktober, von 17 bis 19 Uhr bei einer Telefonaktion die Gelegenheit, acht Fachleuten Fragen zu stellen zum Verlauf und zur Therapie psychischer Erkrankungen sowie den passenden Unterstützungsangeboten.

Da ist etwa jene junge Mutter, die unter religiösen Wahnvorstellungen leidet und all ihr Vermögen für mildtätige Zwecke vergeudet. Oder ein junger Mann, dessen ganze Familie Ärger mit der Nachbarschaft bekommt, als er bei einem psychotischen Schub sämtliche Blumentöpfe aus dem Fenster wirft. Angehörige und Freunde verzweifeln, wenn an ihre Tochter, ihren Ehepartner, die Freundin oder den Vater überhaupt nicht mehr ranzukommen ist. Und die Kranken darüber hinaus nicht einsehen wollen, dass sie selbst — und nicht ihr Umfeld - es sind, die krank sind und dringend eine Behandlung brauchen.
Pro Jahr erleiden 27 Prozent der 83 Millionen Menschen in Europa eine psychische Störung wie Depression, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, Demenz oder eine Zwangsstörung. Ein Siebtel aller stationären Behandlungstage sowie zehn Prozent aller Krankschreibungen in Deutschland gehen inzwischen auf das Konto der psychischen Störungen. Es kann also jeden treffen. Bei manchen handelt es sich um eine vorübergehende Krise. Ein wachsender Schuldenberg, der Tod eines nahen Angehörigen und dazu noch die Trennung vom Ehepartner — manchmal sind die Zumutungen des Lebens zu groß, als dass ein Mensch sie seelisch noch aus eigener Kraft bewältigen könnte. Nach einiger Zeit in einer psychiatrischen Klinik kann er oft den Weg zurück in den Alltag finden. Sehr viele Erkrankungen aber nehmen einen chronischen Verlauf und sind so schwerwiegend, dass an ein normales Leben mit Wohnung, Arbeit und einem intakten sozialen Umfeld nicht mehr zu denken ist. Dass die biochemischen Regelkreise im Gehirn bei einer psychischen Erkrankung aus der Balance geraten, ist nicht einer einzigen Ursache zuzuordnen: die Gene, Stress, Drogen, Gewalt- und Missbrauchserfahrungen oder ein schwaches Selbstwertgefühl können beteiligt sein. Bei hochwahnhaften oder aggressiven Episoden einer Psychose oder nach Suizidversuchen bei einer Depression ist ein Klinikaufenthalt meist unumgänglich. Psychopharmaka verhelfen zunächst zu einem Mindestmaß an Stabilität oder drängen die "Stimmen" , die ein an Schizophrenie Erkrankter hört, in den Hintergrund. Zusätzlich kann eine Psychotherapie angezeigt sein. Ergotherapie und eine intensive Sozialberatung (Sozialpsychiatrie) ergänzen das Behandlungsspektrum. Die psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) am Zentrum für Psychiatrie Emmendingen (ZPE) oder an der Freiburger Uniklinik sorgen für einen gleitenden Übergang in das ambulante Hilfesystem, in dem niedergelassene Ärzte für die medizinische Weiterbehandlung sorgen.
Erste Anlaufstelle für Hilfe suchende psychisch erkrankte Menschen oder deren Angehörige, Freunde oder Nachbarn sind die sozialpsychiatrischen Dienste, die flächendeckend in allen Stadt- und Landkreisen angesiedelt sind. Sie verstehen sich als niederschwelliges Angebot, das kostenlos und anonym ist. Die Mitarbeiter helfen, Lebensperspektiven zu entwickeln, wissen, wie man zu Eingliederungshilfe und Grundsicherung kommt, beraten über Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten, begleiten bei der sozialen Integration und vermitteln an andere Fachdienste. Außerdem leisten sie die von den Ärzten verordnete und den Krankenkassen im Einzelfall genehmigte und finanzierte Soziotherapie. Die sozialpsychiatrischen Dienste sollen helfen, stationäre Krankenhausaufenthalte zu vermeiden oder zu verkürzen. Die Betroffenen sollen soweit wie möglich in ihrem gewohnten Lebensumfeld bleiben können. Manche schaffen das nur mit fachlicher Betreuung. Andere kommen in der eigenen Wohnung gar nicht mehr alleine klar und brauchen ein therapeutisches Wohnheim oder eine betreute Außenwohngruppe, die auch Arbeitsgelegenheiten bieten. Auf dem ersten Arbeitsmarkt haben es psychisch kranke Menschen immer schwerer. So bestreiten nur knapp acht Prozent der Klienten der sozialpsychiatrischen Dienste (zwei Drittel mit der Diagnose schizophrene Psychose oder affektive Störungen) ihren Lebensunterhalt mit eigenem Arbeitseinkommen (ein Jahr zuvor: 11,2 Prozent). Es gibt Reha-Angebote mit Belastungstests und der Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen. Viele aber schaffen allenfalls die Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte. Anderen ist mit einer sozialpsychiatrischen Tagesstätte besser gedient, die ihnen hilft, ihren Tag zu strukturieren. Hier können sie am Mittagessen oder an unterschiedlichen Freizeitangeboten teilnehmen, je nach Durchhaltevermögen auch mal stundenweise arbeiten oder einfach nur still dasitzen und unter Menschen sein.
Anita Rüffer, 4.10.2008, BZ

BZ-Telefon "Seelische Gesundheit" am Mittwoch, 8. Oktober, 17 bis 19 Uhr. Namen und Telefonnummern der teilnehmenden Fachleute veröffentlichen wir am Mittwoch auf der Seite "Forum" .

 

Neue Selbsthilfegruppen zu Angst und Sammeldrang 

Zwei Selbsthilfegruppen, die sich in der Gründungsphase befinden, laden weitere Betroffene zum Mitmachen ein. Eine Gruppe spricht Menschen mit Angst- und Panikattacken oder Phobien an und will Erfahrungsaustausch und gegenseitige Unterstützung ermöglichen. Die zweite Gruppe beschäftigt sich mit dem Messie-Syndrom. Hier treffen sich Menschen, die unsystematisch Dinge sammeln und nicht wegwerfen können. Beide Gruppen treffen sich am Dienstag, 20 Mai; Anmeldung beim Freiburger Selbsthilfebüro, Tel 0761/2168 735, ist erforderlich.
17.5.2008, BZ

 

Wege aus dem Teufelskreis von Einsamkeit, Rückzug und Depression im Alter

Noch nie in der Geschichte wurden so viele Menschen so alt wie heute, und noch nie hatte ein so großer Anteil der Älteren so viele Jahre zur freien Gestaltung, nicht bestimmt von Arbeit, Familie oder anderen Verpflichtungen. Diesen großartigen Lebens- und Gestaltungsmöglichkeiten steht entgegen, dass nicht alle Menschen ein gesundes, sorgenfreies Alter genießen können. Körperliche Leiden können einschränken, von anderen abhängig machen. Materielle Einschränkungen, wachsende Altersarmut können ein kümmerliches, unwürdiges Alter bedingen.

Einsamkeit: Sie ist das Hauptproblem und hat viele Ursachen. Anhaltende Sorge, Bedrückung oder Abhängigkeit werden durch Krankheit und materielle Not gefördert. Der im Alter häufige Verlust naher Menschen, des Partners oder lieber Freunde, das Fehlen familiären Rückhalts, also die Einsamkeit machen das Leben noch schwerer. Es kommt schon bald zu einem negativen Zirkel, einem Teufelskreis von wachsender Belastung, Rückzug oder Lähmung und so erneut wachsender körperlicher, seelischer und sozialer Not, bis es zum körperlichen, sozialen und vor allem auch seelischen Zusammenbruch kommt.

Depression: In solcher Lage sprechen wir von Depression, die biologische, psychologische und soziale Ursachen und Anzeichen (Symptome) hat: Körperlich steht die Störung im neurohormonalen System im Vordergrund, die meist mit Erschöpfung, Schlafstörung, Appetitmangel und Schmerzen einhergeht. Im Sozialen sind der Rückzug und die Vereinsamung Ursache und Folge der Depression. Entscheidend sind schließlich noch die psychischen Gründe: Anhaltende Bedrückung, negatives Denken, also Schwarzseherei, Gefühle der Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit. Zusammengenommen ist die Depression ein Zustand, den man sich grauenvoller kaum vorstellen kann. Deshalb wundert es nicht, dass viele Menschen in ihrer Not daran denken, sich das Leben zu nehmen, im vereinsamten Alter tatsächlich Selbstmord begehen.

Vorbeugung: Wirksame Hilfen und sogar Vorbeugung sind möglich. Die Vorbeugung beginnt, wie auch bei anderen körperlichen, wirtschaftlichen oder seelischen Problemen, früh im Leben. Im Alter treffen uns mit aller Härte die Folgen mangelnder finanzieller, gesundheitlicher oder psychischer Vorsorge. Wer einseitig und beschränkt gelebt hat, etwa sich nur dem Beruf oder dem kurzfristigen Konsum verschrieben hat, wer sich auf egoistische Weise wenig um Familie, Freunde oder die Gemeinschaft gekümmert und versäumt hat, seinem Leben Sinn und Richtung zu geben, dem wird es ebenso gehen wie dem chronischen Raucher, Trinker oder Fettleibigen: Das Alter bringt es an den Tag, was wir in jungen Jahren nicht bedacht haben.

Die Chance der Krise: Möglichkeiten zur Vorbeugung, zur Neuorientierung bieten vor allem die Lebensübergänge: Der Schritt zum Erwachsenwerden, die Familiengründung, die Verabschiedung von den Kindern und schließlich besonders der Abschied vom Beruf, der heute oft früh und abrupt durch Krankheit, Enttäuschung oder Entwertung belastet wird. In solchen Wendezeiten kommt es oft schon zur ersten Krise, die, wenn sie ernst genommen wird, Anlass zur Neuorientierung geben kann, die späteres Leiden verhindert. Hier kann durchaus die Inanspruchnahme psychologischer Hilfe ratsam sein.

Psychotherapie im Alter?
Wenn durch mangelnde Vorsorge oder noch häufiger durch schwierige Lebensumstände die depressive Krise im höheren Alter jenseits des 70. oder 80. Lebensjahres auftritt, ist längst nicht alles verloren. Die Hilfe liegt oft nahe, in der Nachbarschaft, in der Kirchengemeinde, beim Hausarzt. Leider können depressive ältere Menschen häufig das Gebotene nicht annehmen. Wenn das Gespräch, das Gemeinschaftserleben, aber auch körperliche Aktivitäten wie Gymnastik nicht mehr möglich sind, dann muss an weiterreichende psychiatrische, psychosomatische oder psychotherapeutische Hilfen gedacht werden.

In Freiburg bieten viele niedergelassene Ärzte und Psychologen ebenso wie die psychosomatischen und psychiatrischen Ambulanzen des Universitätsklinikums und des Psychologischen Instituts gut zugängliche Beratung oder Therapie für ältere Menschen. Es gibt heute eine große Zahl Älterer, die in jungen Jahren gute Erfahrungen mit psychotherapeutischen Hilfen gemacht haben. Anderen erscheint dies fremd. Sie brauchen Ermutigung und Unterstützung durch Familienangehörige, den Hausarzt oder Freunde. Die Hilfe wird nicht durch eine einzige Methode, sondern durch ein Bündel von Möglichkeiten wirksam, welche die körperliche Behandlung ebenso wie psychologische und soziale Hilfen einschließen. Oft bietet erst eine Alteneinrichtung den Rahmen, in dem die Hilfe wirken kann, um den Teufelskreis von Rückzug, Einsamkeit und Depression zu unterbrechen. In unserer Zeit, in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt sollte kein alter Mensch in Einsamkeit und Verzweiflung sein Leben beenden müssen.
Michael Wirsching , 29.4.2008, BZ

Professor Michael Wirsching, ist Ärztlicher Direktor der Psychosomatischen Universitätsklinik in Freiburg; Information und Beratung: Ambulanz der Psychosomatischen Klinik, Hauptstraße 8, 79104 Freiburg, telefonische Anmeldung: 0761/270 6841 (montags bis freitags 8 bis 12 Uhr).

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