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Finanzkrise - Finanzsystem
... auch im Hochschwarzwald und Breisgau
 
   

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Blick vom Feldberg nach Süden über Wiesental und Hochrhein am 23.1.2008
Blick vom Feldberg nach Süden über Wiesental und Hochrhein am 23.1.2008

 

 
März 2009: Weltweit sind 13 mal mehr Geld im Umlauf als Waren verfügbar
Also: Auf ein Gut von 100 Euro wartet ein Kapital von 1300 Euro - jederzeit und überall.

 "Man wusste, dass Banken too big to fail (zu groß, um sie untergehen zu lassen) sind, aber es war nicht klar, dass sie auch too big to save (zu groß, um sie retten zu können) sein könnten" -  Prof Hermann Wagner, Frankfurt School of Finance

In der Schweiz lag 2007 die Summe aller Aktiva (Mittelverwendung, z.B. für Kredite) des Bankensektors (Großbanken UBS und Credit Suisse) beim 9-fachen des Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland lag die Ziffer beim 2,8-Fachen.
  


Je wilder die Finanzkrise tobt, desto leichter gerät in Vergessenheit, wie sie entstanden ist. Darum hier nochmal in Kürze der Hintergrund.
Die Amerikaner, die noch keine Häuser hatten, wollten welche bauen. Da sie indessen nicht nur keine Häuser hatten, sondern auch kein Geld für deren Bau, gingen sie zu denen, die Geld hatten und liehen sich welches. Als die Häuser fertig waren und die Geldleute ihr Geld zurückhaben wollten, war dieses aber weg, weswegen die Geldleute zu wiederum anderen Geldleuten gingen und sie fragten, ob denn vielleicht nicht sie das verschwundene Geld haben wollten. Auf fein, sagten die, "Subprime Loans", und ob wir die wollen! Sie nahmen den Plunder, mischten alles neu, und so kam es wie es kommen musste. Und warum musste es so kommen? Weil die Leute ihre Bibel nicht mehr lesen, beispielsweise das Buch Jesus Sirach. Wer sein Haus mit fremdem Geld baut, sammelt Steine für sein Grab, heißt es da, ...
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Das Streiflicht, 8.10.2008

25% des weltweiten Konsums entfällt auf die USA - großenteils auf Pump. Dieser Konsum fällt seit Herbst 2008 plötzlich weg, ein riesiger Nachfrageausfall für den deutschen Export.
 

 

Politikverdrossenheit

Das fahren Banken mit ihren Bankern durch Spekulation und Gier das Finanzsystem weltweit an die Wand. Um es vor dem Zusammenbruch zu retten, beschließen die Politiker, Milliarden in das Banksystem zu überweisen - auf Pump wie auch geschenkt. Nach überstandener Krise ist die Politik nicht imstande bzw. nicht willens, die Banker für den angerichteten Schaden zur Kasse zu bitten.  Wiedergutmachung wird überhaupt nicht eingefordert. Im Gegenteil: Banker werden wieder mit milliardenschweren Bonizahlungen beglückt. Wenige überbezahlte Banker destabilisieren das Finanzsystem, für dessen Rettung dann die vielen Kleinverdiener bezahlen müssen. Dass die Politiker nichts dagegen tun bzw. diese Diskrepanz noch fördern, dies führt zunehmend zu Politikverdrossenheit. Das Vertrauen der Bürger in ihre Vertreter ist weg. Die Folgen zeigen sich in vielen Bereichen - so auch bei Stuttgart 21.
18.10.2010

 

Das Ganze im Blick: Kongress zur Krise an der PH Freiburg

„Das Ganze im Blick" heißt der Kongress, der von 24. bis 26. Juli in der PH Freiburg stattfindet. Hirnforscher, Ökonomen und Psychologen werden erwartet, es geht um nichts weniger als die spirituelle Neuorientierung in Erziehung und Gesellschaft. Wolfgang Roth, Psychologieprofessor und Initiator des Kongresses, erklärt, was das heißt..

Ist das der Kongress zur Überwindung der Krise, Herr Roth?
Er ist zumindest ein wichtiger Beitrag, denn hinter der ökonomischen und ökologischen Krise steht eine Wert- und Sinnkrise, und die gilt es zu bearbeiten. Denn im Grunde handelt es sich um die Krise unseres Selbstwertes: Solange wir mit uns selbst nicht zufrieden sind, vollführen wir im Konsum und in der Besitzanhäufung Ersatzhandlungen, um unser Ich aufzupeppen, und darin liegt das Zerstörungspotenzial, das wir jetzt spüren. Bei dem Kongress handelt es sich um keine abgehobene Esoteriker-Tagung, unser Ansatz ist ein bodenständiger. Es geht konkret um die Situation, in der wir stehen. Es sind alle Hochschulen der Region beteiligt, denn sie sind sich einig: Es muss sich etwas ändern, und diese Krise ist dafür die Gelegenheit.

Wenn Sie jetzt Schlagzeilen lesen wie „Ab 2010 geht es wieder bergauf" und „Ende der Rezession in Sicht", atmen Sie dann auf oder denken Sie: ’Mist!’?
Eher Letzteres. Weil ich fürchte, dass wir eine Chance verpassen. Es wird uns von der Politik die Hoffnung vermittelt, wir könnten weitermachen wie bisher.

Zurzeit machen wir Milliardenschulden, um den Kapitalismus zu retten. Viele finden das fragwürdig, doch den Riesen sterben lassen will dann doch keiner. Wollen Sie, dass er stirbt?
Im Prinzip ja. Allerdings führt ein solches Sterben zu großen Ungerechtigkeiten – noch größeren, als wir sie bereits haben. Darum bin ich dafür, dass der Riese langsam und dosiert schrumpft und wir Möglichkeiten entwickeln, Ungerechtigkeit abzufedern. Die Krise überwinden wir nur, wenn wir uns ganz behutsam vom Wachstumswahnverabschieden.

Der Abschied vom Wachstumsglauben und das Bekenntnis zu Verantwortung und Nachhaltigkeit ist bei Unternehmen derzeit ja sehr angesagt. Ist das mehr als Kosmetik?
Natürlich nutzen das viele Firmen als Etikett, mit dem sie ihr Angebot besser verkaufen. Aber es gibt auch Betriebe, die Ernst machen, und ich bin sehr gespannt, was die Ökonomen auf dem Kongress berichten. Dieses Umsteuern ist nicht leicht, sondern eine hohe Kunst.

Gibt es Beispiele, die zeigen, wie so ein Wandel funktioniert?
Diese Beispiele gibt es überall, und sie fangen klein an. Etwa damit, die Schönheit vor Ort zu entdecken, statt in den letzten Winkel der Erde zu reisen, bessere Lebensmittel zu kaufen, im Betrieb fair miteinander umzugehen, die Straßenbahn zu nehmen und sich zu überlegen, ob man sein Geld dort anlegt, wo es viel Rendite bringt oder in seine Weiterbildung, in Kunst, Kultur und soziales Engagement investiert. Viele Jugendliche entdecken das und setzen sich für eine bessere Welt ein.

Sie sagen, eine Neudefinition des Wertesystems sei notwendig. Wo wollen Sie beginnen?
Indem ich die Welt nicht ständig umgestalten und besitzen will, sondern mich als Teil von ihr begreife, dass ich mich zurücknehme in Demut und Dankbarkeit. Das Interessante ist, dass dabei nichts an Glücksmöglichkeiten verloren geht, im Gegenteil.

Dann müssen wir warten, bis auch der letzte Banker von diesem Umdenken erfasst wird?
Nein. Wenn nur fünf Prozent weniger Menschen zu diesem Banker gehen und darüber mit den anderen 95 Prozent reden, gehen vielleicht bald 20 Prozent  weniger hin, und dann entsteht eine Dynamik, die ein Umdenken insgesamt wahrscheinlicher macht. Solch evolutionäre Prozesse finden nie von einem zum anderen Tag statt, aber sie beginnen in solchen Krisen.


Beim Kongress bringen Sie Wissenschaft und Spiritualität zusammen. Gegenüber dem Kultur-Joker haben Sie gesagt, Sie selbst seien „von sehr diesseitiger Spiritualität". Was heißt das?
Eine diesseitige Spiritualität nimmt den Menschen in seinem Bedürfnis nach Sinn und tiefem Erleben ernst, will dies aber nicht in Religion ummünzen. Spiritualität braucht die Religion nicht, sie kann sogar eine Gefahr sein, weil sie ihren jeweiligen Ansatz für den einzig wahren hält. Und sie ist kein Gegensatz zur Ratio, im Gegenteil: Je konsequenter ich meine Ratio einsetze, desto schneller komme ich an deren Grenze. Da gilt es dann zu entscheiden, ob man aufhört zu forschen oder die Ratio überschreitet und das Emotionale und Kreative, Ahnungen und Intuitionen, eben die Spiritualität, in sich aktiviert und akzeptiert.

Sigrun Rehm interviewt den Psychologieprofessor Wolfgang Roth, 21.7.2009, www.der-sonntag.de

Der Kongress „Das Ganze im Blick" findet vom24. bis 26. Juli an der Pägagogischen Hochschule Freiburg statt. Am Freitag, 17Uhr, spricht Heiner Geißler, CDU-Politiker und Attac-Mitglied über Wirtschaft im Wandel. Teilnahmegebühr 200 Euro, Studierende 40 Euro; Tageskarten 70 Euro. Info und Anmeldung unter www.das-ganze-im-blick.de 

 

Gier ist nicht das Problem

Homann: Viele Menschen empfinden einen tiefen Widerspruch zwischen den christlichen Werten und den konkreten Bedingungen unseres Wirtschaftens. Während die grundlegenden Prinzipien gleich geblieben sind, haben sich die alltäglichen Umstände seit dem Mittelalter völlig verändert. Unser ökonomisches System fordert heute: Achte auf deinen Vorteil! Mache Gewinn, auch wenn dein Nachbar dadurch bankrott geht! Das widerspricht scheinbar dem alten Prinzip der Nächstenliebe. Der heilige Martin teilte seinen Mantel, der moderne Wettbewerber dagegen spaltet scheinbar die Gesellschaft.
BZ: Sie erwecken den Eindruck, dieser gefühlte Gegensatz sei nicht vorhanden.
Homann: Er beruht auf einem Missverständnis. Die vergangenen 250 Jahre der kapitalistischen Entwicklung haben bewiesen, dass Wettbewerb im Normalbetrieb solidarischer ist als Teilen. Das war in der vormodernen Welt undenkbar

Komplettes Interview vom 16.5.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/gier-ist-nicht-das-problem

Finanzschrott: Der Ausweg ist und bleibt nur die Insolvenz

Der Kaufmann ist nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet, seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen. Bilanzklarheit und Bilanzwahrheit sind also die wichtigsten Grundsätze für jeden Kaufmann, jede Kauffrau, jedes Wirtschaftsunternehmen. Vor über 50 Jahren hatten wir im Buchführungsunterricht nichts davon gehört, dass man zum Beispiel "giftigen Finanzschrott" einfach aus der Bilanz herausnehmen und diesen an eine "Bad Bank" übertragen könne. Damals hatte man das noch Bilanzfälschung genannt! Wo bleibt hier die Gegenbuchung? Wenn eine solche Ramschanleihe herausgebucht werden soll, dann ändert sich im Grunde genommen nur der Name; das Ganze ist und bleibt Fremdkapital! Der Ausweg ist und bleibt nur die Insolvenz!
BZ-Leserbrief vom 30.4.2009 von Werner Schäffner, Staufen

 

Bad-Bank-Huusmeischter

Endlig hab i jetzt ä krisefeschter Job: Huusmeischter inere Bad-Bank. Isch de Arbeitsvertrag unterschriebe, krieg ich als erschtes ä Antrittsprämie zum normale Gehalt. Wenn ich mich für ein Johr vertraglich bind’, solang müeßt ä gueti Bad-Bank eigentlich überlebe, bekumm ich ä Verdienschtanreiz überwiise. Dezu ein Monat vor Ablauf vu demm Vertragsjohr noch ä Halteprämie als finanzielli Abwerbungsverhinderungsbrems’. Kummt die Bank vorher ins Schleudere un kann mich ä Zit lang nit wittersch bschäftige, hab ich ä garantiertes Anrecht uff Ruhegehalt. Goht die Bank ganz de Bach nab, muss sie mir für d Reschtlaufzit vum Vertrag  s doppelte Gehalt wittersch zahle. Anschlließend bis zu de Erreichung vun de Altersgrenz s normale Gehalt un ä ghörigi Abfindung für entgangeni mögliche Gehaltserhöhunge. Mit ere dynamische Arbeitsverlustrisikoabmilderungszahlung bin ich gege n-ä Bad-Bank-Crash abgsichert. Schickt mich de Arbeitgeber an ä Filiale im ä andere Bundesland, muss r mir ä Übergangsprämie zukomme losse un Schmerzensgeld. An Wiihnachte un Oschtere krieg ich als Katholik ä Religionsförderungsbetrag uffs Konto. Berliner erhalte dodefür de Ethik-Pfennig. Bin ich länger als zwei Woche nit krank, steht mir ä Gesundheitsprämie zu; bei Freundlichkeit gegenüber Kunde n-ä Service-Sonderzuwendung und für zuverlässigi Wartung vun de Ramschpapiertresore n-ä Erfolgsprämie. Losst de Vorstand nooch ere Bad-Money Verluscht-Konferenz obends noch ä weng de Champagner fließe un ich muss länger bliebe, gewähre die Herre mir noch ä Schlafausgleichsvergütung. Fürs Champgnerflasche öffne gibt’s Gefahrezuschlag. Für s Telefoniere und Maile n-ä Kommunikationshonorar. Jeder Mitarbeiter het ä Anrecht uf Verluscht-Optione. Isch de Verluscht zu niedrig, bekummt mr ä Verluschterstattung un dezue noch, mr sotts nit glaube, ä Malus-Bonus. Ich könnt also, wenn i ehrlig bin, uffs normale Gehalt grad verzichte!

Stefan Pflaum, 30.4.2009, Wunderfitz, www.dreisamtaeler.de            

Heilsversprechen im Absturz

Ein Kommentar zu den immer düsteren Wirtschaftsprognosen und der verbissenen Heilserwartung an das wieder einsetzende Wirtschaftswachstum

... Anstatt Ideen zu entwickeln, wie sich Gesellschaft und Wirtschaft verändern ließen, um ein zukunftsfähiges Gemeinwesen zu entwickeln, das auf vernünftiger Produktion und sozialer Teilhabe von allen beruht, setzt man auf den Erhalt der Interessen und den Fetisch des puren Wachstums. Je stärker die Krise wird, so scheint es, desto verbissener das Klammern am angeblich Bewährten und an der Wiederherstellung des vielleicht ein wenig stärker regulierten Zustands vor der Krise. Kreativ ist das nicht und entspricht einem verordneten "No Future". Man kann eigentlich nur auf den Hegelschen Maulwurf hoffen, der gegen die Intentionen der Systembewahrer, aber aufgrund von deren Handlungen den Boden so aufwühlt, dass das System in sich zusammenstürzt oder implodiert, um Neues im Sinne einer kreativen Zerstörung entstehen zu lassen. Allerdings ist dies als Hoffnung auch nur die apokalyptische Kehrseite der liberalen Religion, dass die freien Kräfte schon alles richten werden....
Alles von
Florian Rötzer vom 27.4.2009 in Telepolis bitte lesen auf
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30188/1.html

 

Ordnungsökonomik oder mathematische Modelle?

Anstatt sich den wirklich wichtigen Fragen der Ökonomie zu widmen, habe man sich lieber immer ausgefeilteren mathematischen Modellen zugewandt, mit denen man glaubte, die Wirklichkeit besser erfassen zu können. Also statt im Sinne der Freiburger Ordnungsökonomik (siehe Text unten) nach Regeln zu forschen, die die Menschen im Sinne des Allgemeinwohls handeln lassen, lieber noch ein Häppchen höhere Mathematik mehr, das Exaktheit vorgaukelt – unter dem Vorwand, die Ökonomie könne in die Fußstapfen der Naturwissenschaften treten und mittels Formalisierung genaue Vorhersagen über die wirtschaftlichen Entwicklungen treffen. Oder sich zum Beispiel anzumaßen, man wisse, wie sehr eine Erhöhung der Staatsausgaben um x Prozent das Wachstum in einem Jahr stärke – auf die zweite Stelle hinter dem Komma genau. Wer heute als Ökonom über kein ausgefeiltes mathematisches Instrumentarium verfügt, hat es im globalen Wissenschaftsbetrieb in der Tat schwer, sich Gehör zu verschaffen....
Alles von Bernd Kramer vom 24.4.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/ratgeber/berufkarriere/alter-hut-oder-stein-der-weisen--14183270.html

 

Was haben die Kirchen zur Finanz- und Wirtschaftskrise zu sagen?

Sieg über die Angst

Wieder und wieder wird so gefragt. Doch mit kurzfristigen Rezepten ist diese Frage nicht zu beantworten. Der Beitrag der Kirchen entscheidet sich nicht daran, ob sie noch ein drittes Konjunkturprogramm empfehlen oder einen Vorschlag für die Obergrenze von Managergehältern machen. Der Beitrag des christlichen Glaubens bezieht sich auf die Lebenshaltung, in der wir mit solchen Krisen umgehen. Dass wir durch Angst gelähmt werden, ist derzeit die größte Gefahr; eine christliche Lebenshaltung ist indessen dadurch geprägt, dass die Hoffnung stärker ist als die Angst. Dass wir die Verführbarkeit des Menschen ignorieren, hat zu den Irrwegen auf den Finanzmärkten maßgeblich beigetragen; christliches Denken rechnet dagegen nüchtern mit dieser Verführbarkeit und tritt dafür ein, dem Machtmissbrauch mit klaren Regeln zu wehren. Dass wir dabei nicht andere zu Sündenböcken machen, sondern auch die eigenen Fehler einräumen, gehört jedoch ebenso zur christlichen Lebenshaltung. Vor allem aber ist sie dadurch bestimmt, dass sie nicht nur auf den eigenen Nutzen schaut, sondern sich an der Liebe zum Nächsten orientiert. Glaube, Hoffnung und Liebe sind die Summe der christlichen Existenz. Wer glaubt, lässt sich von Zuversicht bestimmen; wer hofft, überlässt der Sorge nicht das letzte Wort; wer liebt, gibt keinen Menschen auf. Das ist der Geist von Ostern. Von Anfang an ist Ostern deshalb das wichtigste Fest der Christenheit. Dieses Fest feiert die Auferweckung des Gekreuzigten, den Triumph des Lebens über den Tod, den Sieg der Hoffnung über die Angst.
Wer hofft, durchlebt Anfechtungen. Die Hoffnung wird auch dadurch angefochten, dass Erwartungen, an die wir uns gewöhnt hatten, an ein Ende kommen. Zu ihnen gehört die Erwartung, dass der materielle Wohlstand einer modernen Gesellschaft Jahr für Jahr wächst. Nun scheint eine lange Periode eines solchen Wachstums ans Ende zu kommen. Vielleicht gibt es dafür sogar gute Gründe. Wie sähe die Erde für unsere Enkel aus, wenn wir das "Immer mehr" weiterhin als einzigen Maßstab hätten? Auch wenn wir niemals über die Zukunft verfügen können, bleibt es dennoch unsere Pflicht, unser Handeln daran zu prüfen, ob wir die voraussehbaren Folgen dieses Handelns verantworten können. Deshalb ist Nachhaltigkeit zu einem vorrangigen Maßstab verantwortlichen Handelns geworden. Auch der Handlungsdruck der gegenwärtigen Krise darf nicht dazu führen, dass die vermuteten kurzfristigen Effekte die Frage verdrängen, welche Folgen sich für unsere Kinder und Enkel ergeben. Wie sollen sie mit den Schulden umgehen, die wir auftürmen? Wie sollen sie die Umweltbelastung bewältigen, die wir hinterlassen? Haben wir die Kraft, den globalen Temperaturanstieg zu drosseln oder muten wir ihnen zu, sich in einem ungebremsten Klimawandel einzurichten?
Die christliche Osterhoffnung kann die Kompetenz der Fachleute aus Wirtschaft und Politik nicht ersetzen. Aber Kompetenzen können für unterschiedliche Ziele eingesetzt werden. Sie können dem Eigennutz oder der Nachhaltigkeit, der Selbstliebe oder der Liebe zum Nächsten dienen. Der christliche Glaube bekennt sich zu Jesus, der sein Leben für andere hingab und dadurch Gott und Mensch versöhnte. Von Ostern geht deshalb ein Geist der Versöhnung und der Barmherzigkeit aus. Wo Christen sich an der Suche nach Wegen aus der Krise beteiligen, erhalten auch die Schwachen am Beratungstisch der Mächtigen eine Stimme. Das Ziel wirtschaftlicher Rettungsaktionen besteht dann nicht nur darin, Wohlstand zu sichern, sondern ebenso, Armut zu bekämpfen. Und das weltweit. Gegenwärtig erleben wir eine tiefgehende Krise der Globalisierung. Gerade jetzt ist daran zu erinnern, dass es nicht genügt, die Märkte zu globalisieren. Wir brauchen auch eine Globalisierung der Herzen. Dann kann sich aus der Krise tatsächlich eine Chance ergeben. Der Geist von Ostern kann uns dabei helfen, diese Chance zu ergreifen.

Wolfgang Huber, 11.4.2009
Vorsitzender des Rates der evangelischen Kirche Deutschlands  


Idiotisierung der Finanzmärkte: Banken nur noch Leichenschauhäuser
 

Das Bündeln von Konsumentenkrediten und Häuserhypotheken war der eigentliche Exportschlager der USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts, welcher verbunden mit einer geringen Sparquote und einem ausufernden Konsum gleichzeitig mit dem Niedergang der amerikanischen Produktionsindustrie verbunden war. Seit dem Amtsantritt der Bush-/Cheney-Regierung wurden 27 Billionen USD an toxischen Bündelungs-Produkten zur Finanzierung des maroden US-Imperiums verkauft, ein Betrag, der nahezu doppelt so groß ist wie das amerikanische Bruttosozialprodukt von etwa 14 Billionen USD. Der Erfolg der amerikanischen Banken im Bereich der Securitisierung spornte viele Banken weltweit an, dem Weg der amerikanischen Schuldendruckmaschine zu folgen und eine McDonaldisierung der Finanzmärkte einzuleiten. Bis zum Herbst 2008 waren die Ergebnisse der Securitisierung der Wall Street verheerend, da weltweit etwa 700 Milliarden USD (Stand Oktober 2008) an Bankverlusten (40 % davon außerhalb der USA) angefallen waren. Der Erfolg der Securitisierung der Finanzmärkte basierte, darauf wie es Joseph Stiglitz ausführte, dass jede Minute ein neuer Trottel als Käufer gefunden wurde. Mit dem Prozess der Globalisierung wurde die Idiotisierung der Finanzmärkte internationalisiert. Dabei stießen die amerikanischen Exportschlager auf einen ertragreichen Nährboden, da die Idioten weltweit wie Pilze aus diesem herausschossen. Vor allem europäische Banken wollten so sein wie ihre großen Brüder jenseits des großen Teiches. So stieg die Securitisierung neuer Finanzprodukte von 2000 bis 2007 gemäß dem European Securitization Forum nahezu um den Faktor 6 von 78 Milliarden Euro auf 454 Milliarden Euro an, ein Wachstum, das jedem Krebsgeschwür – so stellte sich das Finanzsystem später auch heraus - alle Ehre gemacht hätte. Dabei waren die Securitisierungs-Champions in Europa die Engländer mit einem Anteil von 36 %, die Spanier mit 14 %, die Niederländer mit 11 % und die Italiener mit fast 9 % am europäischen Securitisierungs-Bestandsvolumen. Deutsche Banken haben trotz aller Skandale hier wesentlich solider gewirtschaftet, da hier der Anteil nur bei knapp 6 % liegt. ....
Alles von Artur P. Schmidt) vom 9.3.2009 bitte lesen auf http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29838/1.html


 

Bäd Bänk

Bäd Bänk heiße si s, was si jetz wen grinde, die Bänker – un mr derf anemme, s sin die Bänker, wu in ere gud Bänk, also in ere guete schaffe. Die Idee isch jo souguet: Mr läbt in Suus un Bruus, wie Gott in Frankrich un denkt an hit nit, an morn nit, an gescht nit, an nix Beeses un an d Folige vun allem schu gar nit.
Awer wil jo in dere Welt, wu mir uns so schiin (drin) iigriicht hän, nix, awer au gar nix, nix koscht, mie-mr halt Schulde mache. Un Schulde – jo Schulde will jo keiner. Alla, was mache mr? Mir mache s wie d kleini Kinder s mache, wenn si ebs partout nit welle wohr ha: Si heewe sich d Aue zue un glauwe, nor giengt s eweg. Mir sin awer ke Kinder meh un hän unser Biwel im Kopf un mache s drum wie selli im alte Teschtament: Wenn selli als ebbis fexiert gha hän, wu nit ganz haserein gsi isch, nor hän si s im e arme Bock, wu gar nix defir het kinne, ufbunde un hän ne furtgjagt in d Wieschti, wu er verreckt isch. Un alls isch wider guet gsi.
Un grad eso kumme mr die Bankert, äh, Bänker vor. Si sueche e Sindebock, will si allewil meh welle, wie d kleini Kinder, lade dem Bock alls uf – un guet isch. Vegesse, was mr gmacht hän, ab in d Wieschti demit. Un we-mr e Wiili driwer sinniert, nor fallt eime s goldige Kälbli ii. Des hän si dertmols (im alte Teschtament) au schun in Himmel ghoowe, hän nix anders meh welle gelte losse, as wie des arme Kälbli. Awer mir, mir sin jo erwachse un e Kälbli langt uns schu lang nimm. Mir bruche schun e reechter Bulle.
Werum sote eigetlig numme d Banke e bäd Bänk derfe ufmache? Die brichte si doch gar nit. Die kriege ihr Geld vum Staat – un des sin jo mir! Do wär s doch vil eifacher, jeder vun uns tät selwer e bäd Bänk grinde un kinnt witertanze um de goldig Bulle. Ei Bock nooch em andre schieße un alls uf de Sindebänker schiewe un in d Wieschti jage – un mir mache grad witer wie voher. Eifach goldig.
14.2.2009, Wendelinus Wurth

 

Max Otte sah den Crash kommen

Volkswirtschaft - die letzte esotherische Disziplin
Wirtschaftsprofessor Max Otte
sah den Crash kommen und sieht jetzt nur Augenwischerei
Max Otte nimmt sein Geld lieber vom Mittelstand als aus der Staatskasse.

Unter dem Motto „Das Potential der Krise" vereinen die Thementage „Capitalism Now" vom Freitag, 13., bis Sonntag, 15. Februar, Vorträge, Diskussionen, Theater, Konzerte und Party im Theater Freibu rg.

Zu den Thementagen „Capitalism Now" vom Freitag, 13., bis Sonntag, 15. Februar, kommt auch der Wirtschaftsprofessor Max Otte, der bereits 2005 mit seinem Buch „Der Crash kommt" die Immobilienkrise ankündigte und einen Bestseller landete.

Ist das, was wir gerade erleben, „Ihr" Crash, Herr Otte? Der Finanzcrash läuft schon ziemlich genau so ab, wie im Buch beschrieben. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft beginnen jetzt erst. Man muss also abwarten, inwieweit aus dem Finanzcrash ein Wirtschaftscrash wird, was sich leider nicht so genau vorhersagen lässt. Wir bekommen sicherlich eine scharfe Rezession wie zuletzt 1981/82, vielleicht wird es auch schlimmer.

Wo unterscheiden sich die Prognosen Ihres Buches von dem, was eingetroffen ist? Die Ursachen und Auslöser habe ich genau so erwartet. Was mich überrascht, ist mit welchen unvorstellbaren Mengen an Geld die Regierungen jetzt das Feuer zu löschen versuchen. Anscheinend ist bei allen die Angst vor 1929 sehr lebendig. So wird extrem geklotzt.

Welche Gefühle haben Sie angesichts der Bewahrheitung Ihres Szenarios? Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?
Das mag jetzt ein bisschen arrogant klingen. Aber ich habe das einfach so gesehen. Und ich sehe gelegentlich auch andere Dinge. Ich bin deshalb gewohnt, dass man meinen Gedanken nur bis zu einem gewissen Grade folgt, das schreckt mich nicht ab. Deshalb ist es auch keine Bestätigung, wenn das eintrifft, was ich schreibe. Es war zu erwarten, dass weder die Politiker noch die Kollegen sich bei mir melden. Aber was mich freut, ist, dass von großen Medien und von vielen Menschen detailliert nachgefragt wird. Auch weil ich glaube, dass ich so zur Aufklärung beitragen und helfen kann.

Nun ist die Konjunktur stets Zyklen unterworfen. Wie wehren Sie sich gegen den Vorwurf, die Krise, die irgendwann immer kommt, einfach mal prophezeit zu haben? Ich rate ja jetzt schon wieder zum selektiven Kauf von Aktien. Und von meinen bislang 15 Büchern macht keines in Panik. Aber als „Der Crash kommt" vor vier Jahren entstand, war mir klar, dass uns ein „ganz dicker Hammer" bevorsteht. Daher sah ich mich genötigt, auch darauf hinzuweisen. Mein nächstes Buch trägt zwar auch den Crash im Titel. Es beschäftigt sich aber bereits wieder mit etwas ganz anderem, mit der Desinformationsgesellschaft.

Sie gehen in Ihrem Buch mit dem Großteil Ihrer Kollegen nicht zimperlich um. Gibt es da auch Anfeindungen? Viele meiner Kollegen sind einfach fachblind. Nein, Anfeindungen gibt es nicht. Man wird ignoriert. Ich bin ja nur ein kleiner Professor aus der Provinz. Ich mache in diesem Wissenschaftszirkus auch nicht mit. Die moderne Volkswirtschaft ist die letzte wirklich esoterische Disziplin in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs. Und abgehobene, für die Praxis irrelevante Esoterik mag ich nicht.

Wenn Sie mal eine Zukunftsprognose wagen würden: Worauf müssen wir uns noch gefasst machen? Im besten Fall auf eine scharfe Rezession bis 2010 mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl um eine Million Menschen. Im schlimmsten Fall auf eine Weltwirtschaftskrise, die fünf bis zehn Jahre andauert.

Viele hat überrascht, dass mit Island ein ganzes Land bankrott ging. Könnte dieses Schicksal auch noch andere treffen? Durchaus. England kann Probleme bekommen, die USA noch nicht. Aber auch das ist nicht komplett ausgeschlossen. Und neu ist das Phänomen auch nicht. Wer sich mehr mit Geschichte und politischer Wissenschaft beschäftigt, kennt solche Beispiele aus der Vergangenheit und liegt mit seinen Prognosen deshalb oft besser als der, der sich vorrangig auf die Mathematik stützt.

Es wird bereits fieberhaft daran gearbeitet, der Finanzkrise entgegenzuwirken. Konjunkturpakete oder die Errichtung einer Bad Bank,  was halten Sie davon? Das sind keine echten Lösungen, sondern ein bisschen Augenwischerei. Ich bin nicht dagegen. Aber es wird schon wieder die Illusion geweckt, dass die Politik die Wirtschaft steuern könnte. Was die Politikmachen kann, ist, vernünftige Regeln bereitzustellen. Welche Regeln könnten das denn sein? Zum Beispiel die Regulierung aller Hedgefonds und Finanzprodukte. Es müsste eine Art Weltwirtschaftsbehörde geben. Sobald man diese Entscheidungen auf die nationale Ebene schiebt, beginnt wieder ein Wettlauf um Deregulierung. Sie sind Professor und Buchautor, aber auch Anlageberater? Sie beschreiben den Finanzmarkt, aber Sie greifen auch in ihn ein, wenn Sie Menschen zu einer Anlage raten. Und damit wohl auch Geld verdienen . . . Der Deutsche gibt ja ungern Geld für Beratung aus, sondern hat die Kosten lieber im Produkt versteckt und lässt sich so ausnehmen, ohne dass er es merkt. Wir lassen uns nur für die Beratung bezahlen, beziehen keinerlei Provisionserträge. Da wir in der Regel große Standardtitel empfehlen, greifen wir auch nicht in dem Sinne in den Markt ein. Es macht mir einfach Spaß so ein Institut aufzubauen und vielen Menschen des Mittelstandes zu helfen. Das ist meine ökonomische Basis. Es ist mir lieber, mich von Menschen des Mittelstandes bezahlen zu lassen, als wie die sieben Wirtschaftsforschungsinstitute am Staatsgeld zu hängen. Man kann es auch so sehen: Ich verspeise auch das Essen, das ich gekocht habe, ich bin verantwortlich für meine Empfehlungen. Sie empfehlen, etwas vereinfacht gesagt, einen Anlagenmix aus Gold, Immobilien, diversen Aktien, Bargeld und Anleihen. Das hört sich nicht so besonders spektakulär an . . . Nein! Die guten Dinge sind nie spektakulär. Aber für einen kleinen Anleger extrem schwer durchzuhalten. Viele Börsenbriefe kommen mit vermeintlich geheimen Tipps. Bei mir ist alles sehr offensichtlich. Und in solchen Zeiten stur seine Strategie mit qualitativ hochwertigen Anlagen durchzuhalten ist nicht so einfach. Aber genau das unterstützen wir.
Otto Schneckenburger führte das Gespräch. 8.2.2009 , www.der-sonntag.de

Max Otte, Von Faulen Krediten zum Finanz-Tsunami, Vortrag, Samstag, 14. Februar, 18 Uhr, Theater Freiburg, Kleines Haus. Karteninfos unter 01805/ 556656 (0,14 Euro pro Minute aus dem Festnetz der Telekom)

„Der Crash kommt", Aktualisierte und erweiterte Ausgabe als Taschenbuch, Ullstein-Verlag, 9,95 Euro

 

 

Banken: Die Gier nach mehr, doch Geld ist nicht alles

Das Midas-Prinzip
Habgier oder Habsucht ist das übersteigerte, rücksichtslose Streben nach materiellem Besitz. Banken und ihre Manager haben diesbezüglich in den letzten Jahren wahre Meisterleistungen vollbracht. Abfindungen und Boni von hunderten Millionen Dollar wurden unabhängig von dem Nutzen, den die Manager erbracht hatten, bezahlt und dem Eigenkapital der Banken entzogen. Wie beim phrygischen König Midas wollten Banken alles, was sie berührten, zu Gold werden lassen. Doch vor lauter Ehrgeiz, die größte Investmentbank der Welt zu werden, vergaßen die Banken, dass, wenn man Eigenkapital vernichtet, man kein Wasser mehr hat, um eine Durststrecke zu überbrücken. Die internationale Banken AG arbeitet nach dem Prinzip: Je höher die Position, auf der man Unfug anrichten kann, desto mehr Belohnung. Nachdem viele Vorstände und Aufsichtsräte mittlerweile bewiesen haben, dass sie vom Bankengeschäft nicht wirklich etwas verstehen, lassen sie sich nachträglich mit ausufernden Boni belohnen. Was Kapitalvernichter vom Schlage eines Ron Sommer im Aufsichtsrat einer Münchner Rück suchen, liegt auf der Hand. Als ausgewiesener Rückversicherungsexperte in Sachen Gehältern hilft er sich selbst, seine Zukunft mit hohen Tantiemen rückzuversichern. Dass der ehemalige Vorzeigevorstand der New Economy ausgerechnet Aufsichtsrat eines Finanzunternehmens wird, ist vielleicht der größte Treppenwitz in der Finanzbranche.
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Abschied von der Gier
Deutsche Bankmanager vergleichen ihre Gehälter gerne mit amerikanischen Vorständen und wollen durch diesen Vergleich eher bescheiden erscheinen. Doch was soll ein Bankkunde von einem solchen Vergleich halten, wenn Diskrepanz hin oder her, es nicht um seine Beratung, sondern nur um die Boni der Bankmanager geht. Auch wenn es keinen Sinn macht, das Gehalt absolut zu begrenzen, so sollte das Gehalt der Banker an wirksame Resultate geknüpft sein. Bankmanager scheinen vergessen zu haben, dass etwas nur gedeihen kann, wenn man das richtige Maß findet. Finden Übertreibungen statt, führen die wechselseitigen Abhängigkeiten über kurz oder lang zu Korrekturen, die das wahre Gesicht der Akteure offen legen. Nur wenn Banker den Wert der Anlagen ihrer Kunden nachhaltig steigern, dürfen sie auch mehr verdienen. Dies ist bei einer Krise aber nicht der Fall, da hier Milliarden an Kundengeldern vernichtet werden. Es sollte der Spaß an der Werterhöhung im Vordergrund stehen und nicht die Gier nach möglichst vielen Nullen auf dem Gehaltsscheck. Überhöhte Gehaltszahlungen an Mitarbeiter sind oftmals nichts anderes als eine Form von Bestechung und Erpressung, mit der diese ihre Objektivität aufgeben sollen. Wenn Mitarbeiter langfristig an Unternehmen gebunden werden, dann sind sie viel eher bereit, auf kurzfristige Gewinnoptimierung zu verzichten. Anstatt Geld sollten deshalb Bankangestellte die Hälfte ihres Gehaltes in Form von Aktien der eigenen Bank bekommen, die sie jeweils mindestens fünf Jahre halten müssen. Das heutige, an Ziele gekoppelte Boni-System führt zu fehlendem Risikobewusstsein, einer Abnahme der Identifikation mit dem Unternehmen sowie zu einer mangelnden Teamorientierung.
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Geschüttelt und gerührt
Binnen weniger Tage im September wurde das internationale Bankensystem so kräftig durchgeschüttelt und gerührt, wie fast niemals zuvor. Pleiten, Notfusionen und Staatskredite in exorbitanter Höhe. Banken mussten erkennen, dass sie sämtliches Vertrauen verspielt hatten. Dabei ist Vertrauen für Banken kein Luxusgut, es ist vielmehr für deren tägliches Geschäft überlebenswichtig. Kein Sparer oder Investor deponiert sein Geld bei einem Kreditinstitut, das möglicherweise kurz vor dem Konkurs steht. Insbesondere Investmentbanken, die keine Privatkundenbasis haben, sind darauf angewiesen, dass ihnen andere Banken jeden Tag kurzfristig Millionen- oder gar Milliardenbeträge leihen. Besteht hier kein Vertrauen der Banken untereinander, bricht das Geschäftsmodell der Investmentbanken zusammen. Investmentbanker, die mit einem Mausklick Millionen an Dollar bewegen können und damit riesige Boni-Zahlungen verdienen, galten als leuchtende Aushängeschilder des Wallstreet-Kapitalismus. Doch mit der Vorbildfunktion ist es längst vorbei, nachdem die Gier und Charakterschwäche dieses Berufszweiges offen zu Tage trat. Wer in der Marktwirtschaft über seine Verhältnisse lebt, wird vom Markt abgestraft. Wer gierig ist und den Hals nicht voll kriegt, darf sich nicht beklagen, wenn er mal weniger gut verdient oder schlechte Ergebnisse erwirtschaftet. Doch es ist der Charakterzug der Gier, der auch nach einer Kompensation von Fehlentscheidungen und der Sozialisierung von Verlusten ruft, wenn selbst größte Managementfehler gemacht wurden. Anstatt für schlechte Zeiten zu sparen legt der gierige Bankmanager das Geld mit dem höchsten Zins an, ohne Rücksicht auf die Risiken und mögliche Verluste seiner Aktionäre. Dass jeder Milliardengewinn, der aus Gier resultiert, später als Verlust wieder in die Bücher zurückkommt, kam weder Ackermann noch dem anderen schweizerischen Geldvernichtungskünstler Ospel in den Sinn. Hunderte von Milliarden Dollar wurden von den Bankern scheinbar spurlos in amerikanischen Hypotheken versenkt. Schon Schopenhauer sagte: "Es gibt Menschen, die zahlen für Geld jeden Preis." Gierige Bankmanager sind die schlimmsten Opportunisten, die es heute in unserer Gesellschaft gibt. Für sie ist die Marktwirtschaft ein reines Spielcasino. Wenn sie sich verzockt haben, rufen sie nach dem Staat, und wenn sie genügend Liquidität von der Zentralbank bekommen haben, erklären sie kurzerhand das Ende einer Krise, die gerade erst begonnen hat. Das Problem der gierigen Banker ist, dass sie nicht therapierbar sind und deshalb ausgemustert werden müssen, wenn sie nicht von selbst zurücktreten. Wichtig ist, dass die Abgetretenen nicht durch neue Oldtimer substituiert werden, sondern durch Manager, für die die Begriffe Ethik und Moral keine Fremdwörter sind. Die Gesellschaft braucht wieder neue Leitbilder, wenn wir nicht schon auf der Personalschiene eine Bankrotterklärung abgeben wollen.

Riesenräder der Banken
Banken hatten einmal den Zweck, die Wirtschaft mit Kapital zu versorgen. Wenn sie ihn vergessen, verlieren sie ihre Existenzberechtigung. Banken stehen vor der Herausforderung, immer komplexere Zusammenhänge zu analysieren, wofür sie auch immer komplexere Analysetools benötigen. Da der Mensch horizontale Abstände wesentlich geringer bewertet als vertikale, ist das Ballon fahren ein großartiger Lehrmeister dafür, wie tief man fallen kann, wenn die Hüllenvolumen zu groß werden und die Blase in sehr großer Höhe platzt. Man fällt viel tiefer, als es sich die meisten Marktteilnehmer vorstellen können. Oftmals fallen Kurse nach Blasen unter das Niveau, von dem der große Kursanstieg seinen Ausgangspunkt nahm.
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Wie die Rating-Agenturen ihre Seele verkauften
Eines der eklatantesten Beispiele für die Gier in der Finanzbranche bieten Rating-Agenturen. Ihre falschen Bewertungen haben das gesamte Finanzsystem in eine bedrohliche Situation gebracht. Die AAA-Ratings, die von Moody's, Fitch Ratings oder S&P vergeben wurden, waren nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden. Die Rating-Agenturen unterlagen eindeutig Interessenkonflikten und haben interne Risikorichtlinien ignoriert. So schrieb ein S&P-Angestellter zu einem Kollegen im Jahr 2006 in einem E-Mail, dass er hoffentlich bereits in Rente sei, wenn das ganze Kartenhaus in sich zusammenfällt. Die Maximierung der Gewinne führte bei den Rating-Agenturen dazu, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, wenn es darum ging, neue Kunden zu gewinnen. Umgekehrt suchten die Herausgeber strukturierter Produkte die Rating-Agenturen mit den geringsten Standards, und wie wir heute wissen, wurden sie fündig. So besorgten sich fast 70 Prozent aller Emittenten von "Mortgage-backed Securities" (MBS) ein Kreditrating bei Moody's. Deshalb muss das Geschäftsmodell der Rating-Agenturen, die Bonitätsbewertungen immer im Auftrag des Emittenten erstellen und von diesen bezahlt werden, auf den Prüfstand gestellt werden. Solange Rating-Agenturen nicht von den Anlegern, sondern von den Geprüften bezahlt werden, kann es keine objektive Analyse geben. Mit der Folge: Die Rating-Agenturen degenerieren zwangsläufig zu Seelenverkäufern. Niemand würde dem Konsumentenschutz vertrauen, wenn dieser von Nestlé oder Procter&Gamble bezahlt würde. Wenn Analysten von den Unternehmen bezahlt werden, die sie zu bewerten haben, darf es niemanden wundern, wenn Unternehmensdaten bewusst geschönt werden. Es bleibt das Rätsel der Banken, warum sie trotz des Wissens um die Befangenheit der Rating-Agenturen, ihre Risiko-Modelle auf den Risiko-Bewertungen der Rating-Agenturen aufbauten. Damit sind sie selbst zu Erfüllungsgehilfen von Betrügern geworden, die riskante Kreditpakete mit Bestnoten versahen.

Gier muss durch den Markt bestraft werden
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ie Finanzkrise hat offenbart, dass es heute mehr denn je um eine größere Transparenz in den Finanzmärkten geht. Doch hierbei sollte man sich nicht alleine auf Rating-Agenturen verlassen, die vor dem Ausbruch der Krise völlig versagt haben. Niemand, der auf den Finanzmärkten mitspielt, sollte Unkenntnis als Vorwand für sein Versagen vorbringen. Wer Erfolg hat, darf zwar Gewinne einfahren, jedoch muss er im Falle des Scheiterns auch für die Verluste haften. Weder der Staat noch die Zentralbanken sollten diejenigen schützen, die durch ihre Gier mit riesigen Hebeln operieren. Eine öffentliche Sanierung der Banken belohnt diejenigen, die Misswirtschaft betrieben haben, und belastet die Steuerzahler mit versteckten Steuern.
Die Finanzkrise sollte andererseits auch nicht zu einer Überregulierung führen. Spekulationsblasen sind so alt wie die Menschheit und es wird sie auch künftig geben. Falsch ist es jedoch, die kreativen Zerstörungen, die eine Krise mit sich bringt, nicht zuzulassen. Dies hat schon der New Deal in den USA in den 1930er Jahren gezeigt. Weder schärfere Kontrollen noch strengere Gesetze sind in der Lage, menschliche Fehlentscheidungen zu verhindern. Gier und Innovation sind wie eineiige Zwillinge, die sich gegenseitig bedingen. Bei einer Innovation weiß niemand im Voraus, wer Erfolg haben und wer scheitern wird. Hohe Verluste oder sogar Konkurse bilden die Basis einer kreativen Zerstörung, die der Kapitalismus zu durchschreiten hat. Deshalb gilt es, die Gier zu kontrollieren und sie nicht zu groß werden zu lassen. Der Kapitalismus benötigt Freiheit und Verantwortung, nicht die totale Kontrolle und das Delegieren der Verantwortung auf andere. Bereits in der Ausbildung der Manager muss dafür gesorgt werden, dass sie sich moralisch für ihr Verhalten verantwortlich fühlen. Wenn es jeden Tag mehr Fälle von Missmanagement, Bestechung, Filz und schwarzen Kassen gibt, so zeigt dies nur die Tragweite des heutigen Moralverlustes bei Entscheidungsträgern. Das unverfrorene Verfolgen des eigenen Vorteils ohne Rücksicht auf die Gesellschaft korrumpiert den Staat. Wenn jeder, der Geld hat oder verwaltet, noch mehr möchte, und jeder, der viel Geld hat oder verwaltet, noch mehr von dem Vielen haben will, dann gerät jedes System über kurz oder lang in eine Systemkrise. Kapitalsammelstellen wie Banken bilden hier keine Ausnahme, wobei diese immer nach demselben Muster agieren: Den Anlegern werden hohe Gewinne bei maximaler Sicherheit versprochen. Die Vermittler bekommen für einschlägige Empfehlungen überdurchschnittliche Provisionen, und am Ende müssen die Anleger die Zeche bezahlen. Die Gier der Banken, so viele Kundengelder wie möglich einzusammeln, statt diese sinnvoll zu vermehren, ist das eigentliche Problem in der heutigen Bankenwelt.
Kompletten Beitrag vom 19.1.209 von Artur P. Schmidt bitte lesen auf
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29388/1.html

Dipl.-Ing. Artur P. Schmidt studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin. Für die Promotion entwickelte er ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bücher wie "Endo-Management" und "Der Wissensnavigator" sowie Wirtschaftsbücher wie "Wohlstand_fuer_alle.com" oder "Crashonomics" hervorgingen. Heute entwickelt der Wirtschaftskybernetiker Lenkungs-Cockpits und ist Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie von Finanzportalen wie www.bankingcockpit.com und www.wallstreetcockpit.com.

 

SAP-Gründer Hopp kritisiert Konzernführung, fordert Optimismus

Der SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp hat die derzeitige Führung des Softwareherstellers für ihre Reaktion auf die internationale Finanzkrise kritisiert. «Ich hätte nicht so hastig und spektakulär wie die SAP reagiert, die sofort Notmaßnahmen eingeleitet hat, als im September die Auftragslage einbrach», sagte Hopp der «Welt am Sonntag». Das habe zu schnell für eine negative Stimmung gesorgt, sagte der ehemalige Vorsitzende des Vorstands und des Aufsichtsrates der SAP.

«Ich würde versuchen, mehr Optimismus zu verbreiten. Es ist wie bei einem Kranken - nur 50 Prozent sind die eigentliche Krankheit, 50 Prozent stammen von der Psyche.»

Generell biete die Finanzkrise der Wirtschaft aber die Chance zum Wandel, sagte Hopp, dessen Vermögen auf rund 6,3 Milliarden Euro geschätzt wird. «Die Krise wird dafür sorgen, dass diese smarten Investmentbanker verschwinden. Sie haben das Ganze mit immer neuen Mogelpackungen ad absurdum getrieben.» Er wünsche sich außerdem, dass «dieses Kurzfristdenken, bei dem Firmenchefs gezwungen werden, pro Quartal immer noch herauszuquetschen, was noch geht», der Vernunft weiche. Die Unternehmen müssten wieder strategisch und längerfristig denken. «Das Traurige ist, dass am Ende auch noch der Steuerzahler dafür büßen muss», sagte Hopp.
31.12.2008, www.rnz.de

 

Schnell viel Geld ausgeben – auch für Umweltschutz!

Als ausgewiesener Fachmann und als leitender Wirtschaftsredakteur hat Herr Dr. Buteweg bestimmt die Kompetenz, die derzeitige wirtschaftliche (und gesellschaftliche) Lage zu analysieren. In einigen Punkten kann auch ich den Ausführungen zustimmen. Nur, die Anschauung zum Umweltschutz kann ich nicht teilen. Die hervorgehobene These "Umweltschutz ist erstrebenswert, hat aber mit Konjunkturpolitik nichts zu tun" stellt den erstrebenswerten Umwelt- und Naturschutz wie so oft gleich ins Abseits. Schlimmer noch, die These ist Öl ins Feuer all jener, die unter anderem bedenkenlos natürliche Lebensräume vernichten, unverantwortlichen Flächenverbrauch praktizieren, ungebremst Pestizide einsetzen, Artenvielfalt als überflüssig erachten und für die der Begriff Nachhaltigkeit ein Fremdwort ist. Weiter Öl ins Feuer gegossen wird mit der Aussage: "Die Erhaltung der Artenvielfalt oder der Naturschutz sind zweifellos erstrebenswerte Ziele. Aber sie haben nichts mit dem Ziel zu tun, die Wirtschaft in Schwung zu bringen. In der Konjunkturpolitik geht es darum, zu möglichst geringen Kosten schnell große zusätzliche Nachfrage zu entfalten." Das sind Kernsätze, die meines Erachtens so nicht stehen bleiben dürfen! Völlig fassungslos bin ich, wenn ich gegen Ende des Artikels lesen muss: "Umweltschutzpakete kann man berücksichtigen, wenn im nächsten Aufschwung der Haushalt saniert wird." Ich wage zu prophezeien, dass nach dem nächsten Aufschwung die so genannte Elite unserer Gesellschaft "business as usual" betreiben wird! Ich werde den Autor des Artikels dann daran erinnern. Al Gore hat in seinem Buch "Wege zum Gleichgewicht" geschrieben: "Die (derzeitigen) Gesetze (unserer Wirtschaft) durchdringen alle Lebenssphären, so dass wir sie weiterhin für so gegeben halten wie die Gesetze der Schwerkraft." Am 1. Juni 2006 habe ich ebenfalls in einem Leitartikel der Badischen Zeitung gelesen: "Pflichtaufgabe für alle: Der Staat darf den Naturschutz nicht nur nach Kassenlage betreiben." Wirtschaft und Umwelt/Naturschutz müssen sich nicht widersprechen, wie Ihr ehemaliger Kollege Gerhard Kiefer geschrieben hat. Und hierzu hätte ich auch von Ihnen kluge Weitsicht und mehr Kreativität erwartet!
Fazit: Schnell viel Geld ausgeben, nicht nur, aber auch für Umwelt- und Naturschutz. Das ist eine Herausforderung an die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft; und das nicht erst seit der Finanzkrise

Leserbrief vom 24.12.2008 von Rüdiger Weis, Herbolzheim-Tutschfelden zu
http://www.badische-zeitung.de/leitartikel-schnell-viel-geld-ausgeben

 

Panikmache verhilft Cleveren zu billigen Anteilen

Beide Beiträge geben die derzeitige Situation treffend wieder. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Man kann die Ernsthaftigkeit einer Krise durch entsprechende Verlautbarungen entscheidend mitbestimmen. Von offiziellen Stellen haben wir in der letzten Zeit einer Reihe schlechter Voraussagen erhalten. Dies hat politische Gründe: Welche Regierung würde es sich entgehen lassen, vor einer von ihr angeblich unverschuldeten Krise zu warnen? Nach dem Motto: Für jede Verschlechterung sind andere verantwortlich und alles, was besser wird, ist uns zu verdanken. Gut für die Wahlen und den Machterhalt. Andere, wie zum Beispiel eine Reihe von Banken, provozieren durch Schlechtreden die Rezession noch zusätzlich. Das hat Methode. Da die Bevölkerung bis dahin noch nicht verunsichert ist, muss die Hochfinanz dafür sorgen, dass die bevorstehende Katastrophe allen bewusst wird. Was kann sie bei den bestehenden Staatsgarantien schon verlieren? Zu gewinnen gibt es aber viel. Millionen Anleger sitzen aber immer noch auf ihren Papieren, und wenn die Panik so richtig um sich greift, müssen sie endlich nervös werden. Dann werden die Cleveren diese Papiere zu Spottpreisen erwerben. Nach ein paar Jahren, wenn die wirtschaftlichen Aussichten, auch mit deren Propagandahilfe wieder gestiegen sind, lassen sich die billig erworbenen Anteile oft zum mehrfachen Wert wieder veräußern.
20.12.2008, Jutta und Rüdiger Stockmeyer, Krozingen

http://www.badische-zeitung.de/leitartikel-reif-in-der-krise
http://www.badische-zeitung.de/tagesspiegel-falscher-trotz

Die Finanzkrise und ihre Opfer

Es gibt Jahreszahlen, die werden in den Geschichtsbüchern stehen. Das Jahr 2008 wird ein solches Jahr sein. Das liegt nicht nur an der weltweiten Finanzkrise, von der man derzeit noch nicht einmal weiß, ob ihr Höhepunkt schon überschritten ist. Wichtiger noch, und mit ihr untrennbar verbunden, ist eine geopolitische Wende, nämlich der Verfall von Macht und Prestige der Vereinigten Staaten. Die Krise wird ein Ende finden. Der Niedergang Amerikas beendet eine Epoche.

„Das Gleichgewicht der Kräfte verändert sich. Die Ära der amerikanischen Führung ist unwiderruflich vorbei", schrieb John Gray, emeritierter Professor an der Londoner „School of Economics", in der „Süddeutschen Zeitung". Und weiter: „Man erkennt das schon allein daran, wie die Macht der USA in ihrem eigenen Hinterhof untergraben wird. Venezuelas Präsident Hugo Chavez kann die Supermacht necken und verspotten, so viel er will, bestraft wird er dafür nicht. Auf globaler Ebene wird Amerikas Schwäche noch deutlicher. Mit der Verstaatlichung zentraler Teile des Finanzwesens haben die Vereinigten Staaten ihr Credo der freien Märkte selbst zerstört. Eine ganze Regierungsform mitsamt ihrer Ökonomie ist kollabiert. Die Folgen werden so weitreichend sein wie beim Untergang der Sowjetunion." Amerika und auch Großbritannien haben nach dem Untergang des Kommunismus und der gelenkten Wirtschaft den unbestritten nützlichen Markt dogmatisiert: Er kann alles, er ist allmächtig und allwissend. Und in Europa, gerade auch in Deutschland, ließ man sich von den meist höheren amerikanischen Wachstumsraten faszinieren. Politiker, aber auch Journalisten, insbesondere Wirtschaftsjournalisten, starrten fasziniert auf diese Politik, forderten sie als Maßstab allen ökonomischen Handelns.

Dabei wurde zweierlei übersehen, ja ignoriert. Erstens haben Privatleute und die Regierung in den USA jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt: Konsumieren, Schulden machen, Geld ist billig, die Zukunft ist rosig, das Wachstum geht ewig weiter! Die USA schleppen seit Jahren gigantische Defizite im Staatshaushalt und in der Zahlungsbilanz mit sich herum. Das notwendige Geld leihen sie sich in aller Welt. China, ideologisch und bald auch ökonomisch der wichtigste Konkurrent, ist weltweit der größte Dollargläubiger. Amerikas gigantische Rüstung und der Krieg im Irak wurden und werden in großem Umfang mit geborgtem Geld finanziert. Billiges Geld hat Millionen Hausbesitzer ruiniert und die Spekulation aufgeheizt. Der vormalige US-Notenbankchef Alan Greenspan, ehedem als Finanzgenie gepriesen, gilt heute vielen als Hauptverantwortlicher für die jetzige Krise.
Der zweite Denkfehler ist der Glaube, dass freie Märkte alles zum Besten regeln. Es wird davon ausgegangen, dass die Akteure auf dem Markt, also Menschen als Privatleute oder Unternehmer, stets absolut rational handeln. Der „Homo oeconomicus" ist eine theoretische Konstruktion. Tatsächlich wird menschliches Handeln von einem ganzen Bündel emotionaler Regungen bewegt: Freude an Besitz und Vermögen, Lust auf Neues, Habgier, Neid, Geiz, Nachahmungstrieb, Stolz, Angst. Die geplatzte Börsenblase ist letztlich darauf zurückzuführen, dass mit den ständig steigenden Kursen einer dem anderen nachlief - auch „kleine Leute", die einfach teilhaben wollten am Wohlstandszuwachs ohne Eigenleistung. Sicherheitsüberlegungen beim Investieren von Geld und Kapital traten immer mehr zurück, weil es eben etliche Jahre lang gut gegangen war. Die Banken trugen kräftig dazu bei, erfanden immer neue Anlagekonstruktionen, deren Funktionieren selbst viele Anleger nicht kapierten - und sie, die Banken, verdienten glänzend dabei. In guter Erinnerung ist die Vorgabe einer Kapitalrendite von 25 Prozent von Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank. Welcher Investor erreicht das? Und womit kann - konnte - diese Rendite verdient werden? Mit gewagten Anlagen und mit der Naivität von Millionen Kunden, die eigentlich hätten wissen müssen, dass die Banken nichts verschenken. Kaum jemand hat sich an den gesunden Grundsatz gehalten, nur solche Geschäfte zu machen, die man auch versteht. Und jetzt schon ist zu prophezeien - dabei wird es bleiben. Die Kirchen, bis hin zum Papst, haben immer wieder vor einer „Vergötzung des Marktes" gewarnt. Er müsse der Gesellschaft dienen und nicht nur einer Minderheit horrende Profite bescheren. Er müsse für Sicherheit und Gerechtigkeit sorgen. Der verstorbene Bundespräsident Johannes Rau war bis zuletzt ein leidenschaftlicher Kritiker hemmungsloser Marktgläubigkeit. Und selbst an Ludwig Erhard und seine Maßhalte-Appelle sollte man sich erinnern.
Jetzt kommt das Paradoxon: Seit Jahrzehnten mahnt die US-Regierung und mit ihr der Internationale Währungsfonds Entwicklungsländer, sich nur ja an die liberalen Marktregeln zu halten. Sonst gäbe es keine Hilfen. Jetzt, unter dem Zwang der Verhältnisse und im Bewusstsein, dass eine verheerende Weltwirtschaftskrise droht, hat sich Amerika abrupt vom Dogma der freien Märkte verabschiedet. US-Regierung und Notenbank entwarfen und der Kongress billigte, wenn auch mit erheblichen Bedenken, ein Notprogramm im Umfang von 700 Milliarden Dollar - das sind rund 200 Milliarden mehr, als der gewaltige Rüstungsetat umfasst. Nach diesem Gesetz darf die Regierung den Banken zweifelhafte Wertpapiere abkaufen. Das Risiko wird also auf die Gesamtheit der Steuerzahler verlagert. Ein alter Vorwurf der Sozialisten bestätigt sich: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Todsünden gegen die freie Marktwirtschaft werden derzeit begangen. Aber alles deutet darauf hin - es muss sein!
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Volker Wörl, 10.12.2008, Ganzen Beitrag bitte auf www.christ-in-der-gegenwart.de lesen

Volker Wörl, Diplom-Volkswirt, Journalist; geb. 1930, bis 1995 Mitglied der Wirtschaftsredaktion der „Süddeutschen Zeitung", dort fünfzehn Jahre in leitender Funktion; Autor von „Deutschland - ein neurotischer Standort?".

 

Mittelstand in der Finanzklemme - Banken verweigern Kredite

Der Mittelstand steckt in der Finanzklemme, obwohl er gerade erst beim CDU-Parteitag wieder als Stütze der deutschen Wirtschaft gelobt wurde. Geld ist nicht das Problem: 15 Milliarden Euro aus dem staatlichen Konjunkturpaket sind für kleine und mittlere Unternehmen bestimmt. Offenbar legen Banken diesen Schatz an Steuergeldern aber lieber selbst an, als Kredite zu vergeben. ....

Beispiel 3: ein Bioenergie-Unternehmen aus Süddeutschland - Dr. Ulrich Kaier
Die Firma stellt Brennstoffe aus Holzabfällen her und verkauft die damit erzeugte Energie in ganz Deutschland. Aus einem Zementwerk bei Göttingen möchte das Unternehmen eine Fabrik zur Herstellung von Holz-Pellets und Briketts machen. Aber mit der isländischen Kaupthing-Bank verschwand über Nacht ein wichtiger Geldgeber für das Projekt. Bis jetzt war keine deutsche Bank bereit, dafür einzuspringen. Die Tragik: das Unternehmen boomt, die Jahresproduktion 2009 ist schon komplett verkauft. Außerdem sind Bioenergie-Anlagen äußerst klimafreundlich, weil sie den CO2 -Ausstoß verringern und Öl als Energiequelle ersetzen. Beste Zukunftsaussichten also und es gibt sogar ausreichend Eigenkapital. Trotzdem könnte das Unternehmen Opfer der Bankenkrise werden, weil es im Moment keine angemessene Fremdfinanzierung findet. Das Zögern der Banken gefährdet nicht nur das Projekt bei Göttingen. Es könnte auch bereits florierende Standorte des Unternehmens in den Abgrund reißen – und zehn weitere geplante Anlagen, an denen rund 400 neue Arbeitsplätzen entstehen sollten.

Die Kritik des Experten - Prof Max Otte
Für den Wirtschaftwissenschaftler Max Otte ist das Verhalten der Banken geradezu grotesk. Er hat den Zusammenbruch der Finanzwirtschaft lange vorausgesagt. Das Krisenmanagement der Regierung hält er für unzureichend. Die Banken bekämen das sauer verdiente Geld der Steuerzahler viel zu billig hinterher geworfen. Damit helfe man vor allem verantwortungslosen Bankern, so Otte. Unternehmen, die unverschuldet in Not geraten seien, lasse man dagegen im Regen stehen – mit gravierenden Folgen: „Ich befürchte, dass (…) in den nächsten Jahren in der Tat die Arbeitslosigkeit deutlich steigen wird, dass wir auch erhebliche Insolvenzen bekommen werden im Mittelstand. Das wird ein richtig kleines Unternehmenssterben“, sagt er voraus. Es sei zwar korrekt gewesen, die Banken mit Kapitalspritzen und Bürgschaften zu retten. Aber momentan käme das Geld nicht beim Mittelstand an. Seine Empfehlung: Über die Sparkassen, Genossenschaftsbanken oder über die KfW sollten spezielle Kreditprogramme für den Mittelstand aufgelegt werden. "Dann wäre auch was für die Konjunktur getan. Aber so retten wir eben nur die Großen", so Ottes Resumée.
2.12.2008, Sendung um 21.50 Uhr im Ersten von
Ingo Blank, www.plusminus.de

Prof Dr. Max Otte, www.fh-worms.de/Prof-Dr-Otte.2389.0.html
Dr. Ulrich Kaier, www.bioenergie-heidelberg.de

Für alle, die gestern den Bericht über die Kreditklemme des Mittelstands verpasst haben, hier nochmals zum Anschauen (Kehl kommt nach 3 Minuten): 
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/1167236

 

Saublodere

D Weltordnung schwankt. In de Finanzwelt hen ä paar Supergscheitli de Geldmarkt zum Gäre broocht. Un ä paar anderi supergscheiti Horn-Öchsle hen des Geldgebräu dennoo hochprozentig were lehn. Millione Guetgläubigi aber au Spielertype un Desperados hen vun demm Gebräu trunke. Jetz schwanke si halt.

23 Billione(!) Dollar Werteverlust allein an de Börse, heißt s jetze. Mit em Zauberspruch „Simsalabim, Soll werde Haben, Luft werde Geld“, hen do ä paar Experte mit Rechentricks d ganz Welt uss de Angle ghobe. Un mit ä paar Ussdrück un Abkürzunge –Swap, Bistro, Rating, Leverage, gesunder Boom, CDO – hen si ihri Luftnummere durchzoge. Hit läse mr plötzli vun Ramsch-Hypotheke un Müll-Kredite, vun Briefkaschteableger in de Karibik. Vun Schatte-Banke in Dubai oder sunschtwo. D Kunde vun denne Schatte-Banke sin hit im Bankschatte verschwunde. Do schiint in de nächschte Johre kei Sunn meh.

In de USA hesch könne für 80 Dollar Eigekapital 10 000 Dollar Kredit kriege. Un d Banke hen mit nix in de Rückhand Milliarde uf Geischterzahle gsetzt. Wegge de niedrige Zinse un de Inflation wär s billiger Geld leihe als spare. S könnt nix passiere, s wär alles gut „besichert“, risikogschtreut, weltwitt vernetzt. Millione Finanzprodukte sin durchs Börseuniversum gjagt wore. Kei Mensch meh, au nit s raffinierteschte Computerprogramm, het do könne kontrolliere, wo was geparkt isch un verschleiert, wie viel Schulde hinter de Schulde vun de Schulde vun de Schulde verstecklet sin. D Kapitalverflechtung isch zuenere Schuldeverflechtung mutiert. „Der Emittent ist insolvent“, heißt s hit. Vieli Banke sin als Wettbüros, als Kredit-Spielbanke enttarnt. De Schuldevirus grassiert. De Konkursbär danzt. Alli Warnunge sin in de Geldrauschwind gschlage wore. Gege de Zitgeischt isch kei Krut gwachse. Alli schwätze un schriibe jetze vun Kreditblose, Immobilieblose, Aktieblose. D ganz Welt ä einzigi Bloseentzündung.

Nei, des sin nit numme Blose. Richtigi Saublodere sin des. Un mir kriege uff Wiihnäächte Konjunkturpäckli mit Beruhigungspille gschenkt.
Stefan Pflaum, 27.11.2008, www.dreisamtaeler.de

 

Wirtschaftskrise: Finanzmarktgetriebner Kapitalismus versus Realwirtschaft

Über eines können die Annäherungen an eine größere Transparenz und eine bessere Kontrolle der Finanzströme nicht hinwegtäuschen: Die tiefere Ursache der Wirtschaftskrise liegt im ungesunden Übergewicht des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus angelsächsischer Prägung gegenüber der sogenannten Realwirtschaft. Die USA und Großbritannien haben auf dieser Finanzmarktblase über Jahre hinweg ihren Wohlstand begründet und Schwächen ihrer Industrie kaschiert. ....
15.11.2008, Westdeutsche Zeitung


 

Bankenkrach - strenge Kontrollen wie in Spanien?

Am Dienstag, den 18. November 2008 um 19 Uhr referiert in der Ökostation Freiburg
Dr. Eduard Belotti, Fachmann für ethische Kapitalanlagen aus Augsburg,
zum Thema "Bankenkrach - was tun?"

Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise stellt der Referent verschiedene Arten von Risiken am Beispiel von Investmentfonds und Genussrechten sowie die ab dem nächsten Jahr gültige Abgeltungssteuer und deren Auswirkungen vor. Beispiele für ökologische und ethische Geldanlagen werden vorgestellt. Das Beispiel Spanien zeigt, wie strenge Regeln für Banken und deren wirksame Kontrolle ein Übergreifen der US-Krise auf den Finanzsektor europäischer Nationen verhindern konnten. Strenge Regeln und ihre Kontrolle sind deshalb auch für uns zu fordern. Soweit der Appell an die Politik.
Der Appell an uns alle lautet, nur in Dinge zu investieren, die wir durchschauen und verstehen. Dann können wir nicht nur das Risiko für unser Geld richtig einschätzen, sondern auch das Risiko für Umwelt und Gesellschaft, das in diesen Geldanlagen steckt - und können es akzeptieren oder vermeiden. Die BesucherInnen der Veranstaltung haben im Rahmen der Diskussion ausführlich Gelegenheit zu Wort zu kommen. Der Eintritt ist frei. Rückfragen an
Clemens Andris, www.waswirtun.de , Tel 0761 / 28 55 822
Eduard Belotti, www.zukunftsinvestitionen.com , Tel 0821 - 65 029 65

18.11.2008, Eine-Welt Forum Freiburg


Buddenbrooks-Effekt: Die Finanzmärkte und die Mittelschichten
 

Der Tübinger Soziologe Prof. Christoph Deutschmann begründet in seinem Ende Oktober 2008 erschienenen Arbeitspapier, dass ohne das Geld der wohlhabenden Gesellschaftsschichten die gegenwärtige Finanzkrise nicht entstanden wäre. In seinem Roman Buddenbrooks schildert Thomas Mann den Niedergang einer Unternehmerfamilie über vier Generationen hinweg. Danach interessiert sich niemand mehr für das eigentliche Unternehmensziel. Dies verwendet Deutschmann als Metapher: Den Finanzinvestoren ging nach und nach der Sinn für die eigentlichen Probleme der realen Wirtschaft verloren. Fernab der Realität trachten sie danach, eine möglichst große Rendite aus ihren Beteiligungen herauszuholen, mit immer neuen Produkten - die Erwartungen ihrer Kunden treiben sie zu immer höheren Renditeprozenten. 

"Der Beitrag analysiert die aktuelle Finanzmarktkrise vor dem Hintergrund längerfristiger sozioökonomischer Strukturveränderungen der fortgeschrittenen Industriegesellschaften. Die lange Phase wirtschaftlicher Prosperität nach dem Zweiten Weltkrieg hat dazu geführt, dass – bei anhaltender starker sozialer Ungleichheit der Vermögensverteilung – beträchtliche Finanzvermögen auch bei den Mittelschichten der Gesellschaften Westeuropas, der USA und Japans entstanden sind. Der Aufstieg der Investmentfonds als neuer Gruppe kollektiver Akteure auf den globalen Finanzmärkten ist vor diesem Hintergrund zu erklären. Gleichzeitig ist eine zunehmend instabile, durch Finanzkrisen und sinkende wirtschaftliche Wachstumsraten gekennzeichnete wirtschaftliche Entwicklung zu beobachten. In dem Beitrag werden die Zusammenhänge zwischen den genannten Phänomenen im Rahmen einer Mehrebenenanalyse untersucht, die in das Modell eines „kollektiven Buddenbrooks-Effekts" mündet: Mit der strukturellen Aufwärtsmobilität in der Gesellschaft kommt es zu einem wachsenden Ungleichgewicht an den Vermögensmärkten derart, dass einem überproportionalen Wachstum der Anlage suchenden Finanzvermögen eine sinkende Zahl potenziell solventer Schuldner gegenübersteht. Die Folgen sind eine Neigung zum Netto-Kapitalexport und eine tendenzielle Überliquidität an den Finanzmärkten, mit negativen Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum und die soziale Lage der gleichen Mittelschichten, die von der Nachkriegsprosperität zunächst profitiert hatten. Darüber hinaus entsteht die Gefahr von Spekulationsblasen an den Kapitalmärkten. Die These des Beitrages ist, dass das aktuelle Krisengeschehen nicht ohne Berücksichtigung dieser strukturellen Hintergründe verstanden werden kann."
8.11.2008, www.mpifg.de/pu/workpap/wp08-5.pdf

 

Die Bankrotterklärung der Global Player

Dem Autor Wolfgang Kessler gebührt Dank für seinen Beitrag, der nur wenige Tage später durch die brutale Wirklichkeit der Börsen und Banken erneut Bestätigung gefunden hat. Dass Steuermittel für das Versagen der hoch bezahlten Bankmanager herangezogen werden, ist die Bankrotterklärung der Global Player, denen ihr eigenes Wirtschaften aus der Hand geglitten ist. Viele mittelständische Unternehmen werden in den kommenden Wochen und Monaten, wenn nicht sogar Jahren, unter den Auswirkungen zu leiden haben. Als ich 1999 eine Fabrik für Wasserkraftturbinen weitgehend bankenunabhängig finanziert habe, wurde ich von vielen Kreditinstituten und professionellen Investoren mitleidig belächelt. Bodenständige Aktionäre haben den Bau und das erfolgreiche Wachstum bis heute ermöglicht. Auch im Zuge unserer derzeitigen Kapitalerhöhung sind wir außerbörslich und bankenunabhängig - und werden es auch bleiben. Trotzdem verfügen wir über ausreichende Finanzmittel. Ich bin überzeugt, dass die außerbörsliche AG für mittelständische Unternehmen das Modell der Zukunft sein wird. Denn nur hier können Aktionäre unmittelbaren Einfluss ausüben und nur hier haben sie die Sicherheit, dass ihr Geld verantwortungsbewusst eingesetzt wird. Denn im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen sind hier keine kurzfristigen Renditejäger mit Zeitverträgen beschäftigt, sondern überwiegend die Gründer und Inhaber, die auch noch in vielen Jahren auf den Fortbestand ihres Unternehmens bedacht sind. Auch sind die Aktienkurse kein Spiel von Zockern an der Börse. Jeder Aktionär ist Teilhaber an seiner Firma. Er trägt mit seinem Investment dazu bei, dass in seinem Sinne nachhaltig gewirtschaftet wird.
BZ-Leserbrief vom 29.10.08 von Manfred Volk,
Aufsichtsratsvorsitzender der Wasserkraft Volk AG, Gutach

 

Der Banker als Junkie

Ein Ritual ist zu besichtigen. Ein ärgerliches und überflüssiges. Mit Hans-Werner Sinn, dem nie um eine Schlagzeile verlegenen Chef des Münchner Ifo-Instituts hat sich erneut einer mit einem Nazi-Vergleich vergriffen. Die Banker von heute seien wie die Juden damals Sündenböcke für eine Weltfinanzkrise, so lautete die abenteuerliche These des Wirtschaftsforschers. Die üblichen Verdächtigen empören sich zu Recht. Der Betroffene kriecht zu Kreuze, sein Ansehen ist ramponiert. Er hat sich als einer entlarvt, dem die schnelle Pointe wichtiger ist als die abgewogene Analyse.
Was aber schert uns der Unsinn von Herrn Sinn? Eigentlich nichts. Wenn, ja wenn da nicht der Verdacht keimte, dass dieser unselige Vergleich eine Gemütslage offenbart, die möglicherweise auch in der Bankenszene weiter verbreitet ist, als uns allen lieb sein kann. Sollte es ernsthaft möglich sein, dass ein signifikanter Teil von denen, die mit ihrer hemmungslosen Zockermentalität die Weltwirtschaft in eine Katastrophe getrieben haben, sich insgeheim als Opfer fühlt? Man sieht sich an Heroin-Junkies erinnert, denen im Teufelskreis zwischen übermächtigem Trieb und kurzem Rausch der Triebbefriedigung der freie Wille und die Kontrollfähigkeit abhandengekommen ist.
Wer mit Bankern redet, wird mit der Klage von Getriebenen konfrontiert. Was, so hört man immer, hätte man denn tun sollen? Da waren die falschen Signale der Notenbanken, insbesondere der amerikanischen, die viele Jahre Geld so billig auf den Markt warfen, dass plötzlich jedes, aber auch wirklich jedes noch so faule Geschäft Rendite versprach. Hätte man auf diese fragwürdigen Gewinne verzichten sollen? Zumal einem die immer gieriger werdenden Aktionäre und Anleger im Nacken saßen, die den Hals nicht voll bekommen konnten und eine zurückhaltendere Geschäftspolitik gnadenlos mit fallenden Aktienkursen oder dem Wechsel zu einem anderen Finanzinstitut bestraften. Hätte man sich Geschäfte entgehen lassen sollen, bei denen die Partner von den Ratingagenturen als unbedenklich bewertet wurden? Eine eigenständige Beurteilung des Gegenüber sei schließlich völlig unmöglich in einer Geschäftswelt, in der Entscheidungen oft binnen Minuten gefällt werden müssten und in der sich Geschäftspartner meist nur durch die Einschätzung Dritter kennen. Wem sollte man denn vertrauen, wenn nicht den Ratingagenturen? Und haben nicht auch die Medien diesen Wahnsinn befördert, in dem sie den Anlegern einhämmerten, dass bei selbstbewusstem Auftreten und kritischem Vergleichen immer ein bisschen mehr Gewinn zu erzielen sei?
Auch wenn jedes dieser Argumente etwas für sich hat: Wollen Sie ihr Geld Bankern anvertrauen, die ihre kritische Distanz und ihren kühlen, abwägenden Kopf in der Hitze des Börsensaals verlieren? Und die, wenn die Blase platzt, in Angststarre verfallen? Die Banken haben das Vertrauen zueinander verloren. Und nun? Ob sie dem Staat gestatten wollen, es mit Milliardenhilfen wiederherzustellen, wissen sie noch nicht so recht. Noch mehr als vor der Pleite haben sie nämlich davor Angst, Konkurrenten und Börse könnten erfahren, wie naiv sie wirklich waren. Wer zuerst um Hilfe ruft, hat deshalb verloren. Während die Politik sich national und international an dem Scherbenhaufen abarbeitet, üben sich die Eliten der Finanzwirtschaft in kommentierender Beobachtung. Und dokumentieren ihre Panik im Zickzackkurs abwärts der internationalen Börsen. Besser wäre es, sich kollektiv gegen die Krise zu stemmen. Zum Beispiel auf einem Bankengipfel, bei dem die Ackermänner dieser Welt über ihre Konsequenzen aus dem von ihnen angerichteten Debakel beraten und vertrauensbildende Maßnahmen verabreden, die dann entschlossen umgesetzt werden. Schön wäre es auch, wenn es viele Banker gäbe, die erkennen, dass der verzweifelte Versuch aller, ausschließlich die eigene Existenz zu retten, nicht aus der, sondern tiefer in die Krise führt. Die politische Bemühungen als Hilfe zu Selbsthilfe begreifen. Und die erkennen, dass man Drogen entsagen muss, um wieder Urteilskraft und Handlungsfähigkeit zu erlangen. Denn die Wahrheit ist schlicht: Opfer ist der Banker so wenig wie der Autofahrer, der mit 200 durch einen Schulweg rast. Er kann schließlich auch nichts dafür, dass sein Auto so schnell fahren kann. Zumal sein Beifahrer ihn noch angefeuert hat.
Thomas Hauser, 28.10.2008, www.badische-zeitung.de

 

 

Finanzkrise: Schikanen auf dem Weg zur Weltgesellschaft

Die Personalisierung (Gier) oder das Ausspielen des Staates gegen die Wirtschaft verschleiern den komplexeren Hintergrund der Finanzmarktkrise / Wirtschaft global - Finanzpolitik national
 
Die von Finanzmathematikern der Finanzwirtschaft ersonnenen "strukturierten Produkte" verschleierten in ihrer zumindest den Laien(-anleger) überfordernden Komplexität den jahrelang lukrativen Handel mit faulen Hypothekenkrediten als einer simplen Kettenbriefkonstruktion. Heute angebotene Erklärungen für die nun akut gewordene Finanzmarkt- oder gar Weltwirtschaftskrise scheinen in ihrer Simplizität, in merkwürdig gegenläufiger Komplementarität, einen komplexeren gesellschaftlichen Sachverhalt zu kaschieren. So mag zum Aufschluss der Krise kaum befriedigen, dass diese (massenmedial) oft auf das fehlbare Handeln einzelner (weniger) Personen heruntergerechnet wird. Es ist ein Etikettenschwindel, ein Handeln von Investmentbankern und Börsenmaklern (und entsprechend Anlegern, wie zu erinnern ist) nun in der Krise als "gierig" und "unverantwortlich", ja sogar von präsidialer Adresse als unmoralisch zu brandmarken. Ein Handeln nämlich, was zuvor durchaus erfolgreich "business as usual" war – Gewinnmaximierung, Kostenminimierung und Streben nach Profit. Es ist eine Personalisierung des Geschehens, das aber auch als hilfloses, dabei der Sache nicht gemäßes Bemühen der Massenmedien zu verstehen ist, dem Publikum komplexe Sachverhalte näher zu bringen. Genauso wenig dient es der Aufklärung, angesichts der Krise den Staat (das politische System) gegen die Wirtschaft auszuspielen. In dem im Verlust des Glaubens an eine (soziale) Marktwirtschaft gar plakativ ein Ende des Kapitalismus ausgerufen wird, wird die moderne Gesellschaft als eine blosse Wirtschaftsunternehmung karikiert. Den Staat in aktueller prekärer Lage als einen situativ einzusetzenden rettenden Anker zu verstehen, als ein Notbehelf, "um Schlimmeres zu verhindern", geht ebenso an der Sache vorbei. Die Forderung, dass sich der Staat bei aller willkommener wie notwendiger Hilfe baldmöglichst wieder aus den "Märkten" zurückzuziehen hat, um "nordkoreanische Zustände" zu verhindern, überblendet in dieser Möglichkeit die Rolle des politischen Systems in der modernen Gesellschaft. "Nie wieder DDR" lautet dann so marktschreierisch wie unangemessen das Credo (FAZ, vom 8. Oktober 2008, S. 11). Dabei können wir es heute mit dem 1997 verstorbenen Soziologen Niklas Luhmann (etwa "Gesellschaft der Gesellschaft", Frankfurt/M. 1997) besser wissen. Die Charakterisierung der modernen Gesellschaft als ein "kapitalistisches System" ist in ihrer Überzeichnung der Ökonomie in gleicher Weise unangemessen, wie ihre Beschreibung als "Demokratie" oder als (anzustrebenden) "Sozialismus" die politische Dimension der Gesellschaft in ihrer Dominanz übertreibt. Treffender erscheint, mit Luhmann davon auszugehen, dass sich die moderne Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen Form faktisch als eine "funktional differenzierte" versteht. In den letzten zweihundert Jahren haben sich an Funktionen orientierte Systeme (so etwa Politik, Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Erziehung, Massenmedien) herausgebildet, die in einem heterarchischen, nicht hierarchischen Verhältnis stehen. Die unterschiedlichen Funktionen der modernen Gesellschaft können bei gleichrangiger gesellschaftlicher Bedeutung nur von den jeweiligen Funktionssystemen selbst erbracht werden, nicht von einem dominierenden System, wie etwa der Wirtschaft (dann als "Kapitalismus" apostrophiert) oder der Politik (dann heute als "Sozialismus" oder gar "Kommunismus" gefürchtet).

Die Wirtschaft kann ebenso wenig für mit Macht durchzusetzende, kollektiv bindende Entscheidungen sorgen (als Funktion der Politik), wie die Politik Fragen der Knappheit oder Allokation von Kapital (als der Funktion der Wirtschaft) lösen kann. Aber auch die Durchsetzung neuen Wissens, von wissenschaftlichen Wahrheiten, als Leistung des Wissenschaftssystems, lässt sich so wenig mit politischer Macht durchsetzen, wie kaufen – allenfalls in diesem (Un-)Sinne politisch oder ökonomisch korrumpieren. Dabei führt gerade die funktionale Autonomie der Funktionssysteme zu einer gegenseitigen, selbst funktionsnotwendigen Abhängigkeit. Das Wirtschaftssystem kann ohne kollektiv bindende Entscheidung (etwa einer gemeinhin gültigen Vertragssicherheit) sowenig seiner Funktion nachkommen, wie dies die Wissenschaft oder Politik ohne Kapital könnte. Ohne die stetigen Errungenschaften von Wissenschaft (und Technik) ließe sich etwa wirtschaftliches Wachstum kaum aufrecht erhalten. Ein global agierendes Wirtschafts- und Finanzsystem erscheint heute ebenso selbstverständlich, wie es absurd erscheint, von einer nationalstaatlich organisierten Religion auszugehen (etwa einem thailändischen Buddhismus oder einem französischen Katholizismus). Ebenso ist die Wissenschaft nur als übernational agierendes Funktionssystem zu verstehen. Wissenschaftliche Wahrheiten, neue Erkenntnisse auf Nationalstaaten zu beziehen ("Deutsche Wissenschaft"), wäre ein lächerliches Unterfangen. Selbst im System der Erziehung sind, etwa im so genannten "Bologna-Prozess" der Angleichung von Abschlüssen wissenschaftlicher Lehre in Europa, oder durch internationale Vergleiche ("Pisa-Studie"), Anstrengungen in Richtung eines "Welterziehungssystems" zu erkennen. Auch im Rechtssystem sind, etwa in der Orientierung an "Menschenrechten" als eines universellen Wertekanons, oder an der Institution des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, Bestrebungen hin zu einem übernational geltenden Recht auszumachen. Das Weltwirtschaftssystem konnte sich in einer Umbruchphase auf Kosten der Politik durchsetzen.

Dass heute wie traditionell hingegen politische Macht vorderhand nationalstaatlich organisiert ist, ist in Bezug auf das faktisch bestehende Weltwirtschaftsystem (und insbesondere angesichts des offensichtlich weltweit operierenden Finanzmarktes) dysfunktional. Selbst ein "vereinigtes" Europa ist in politischer Hinsicht (noch) heillos zerstritten und kaum zu – wichtigen – gemeinsamen Entscheidungen befähigt. Politische Institutionen von Weltrang, wie die UNO, erscheinen allenfalls als "zahnlose Tiger". Dabei ist offensichtlich, dass es einer nationalstaatlich organisierten Finanzpolitik angesichts des Weltwirtschaftssystems unmöglich ist (augenscheinlich an sogenannten Steueroasen), ihrer Funktion nachzukommen – nämlich kollektiv bindende Regelungen (zentral: Steuer- und Leitzzinssätze) durchzusetzen. Diese dysfunktionale Balance zwischen Wirtschaft und Politik hat es dem Weltwirtschaftssystem ermöglicht, eine "marktwirtschaftliche Finanzpolitik" zu betreiben; nämlich politische Macht gleich konkurrierenden Unternehmungen gegeneinander auszuspielen und in einem Steuerwettbewerb das Steueraufkommen zu minimieren – demnach gerade in Anwendung wirtschaftlicher Kernkompetenz "steuerliche Preise" niedrig zu halten. Hinzu kommt, dass eine nationalstaatliche Finanzpolitik schlicht den ordnungspolitisch destruktiven Charakter von weltwirtschaftlich handelbaren Finanzkonstrukten (wie etwa "Collateralized Debt Obligations", die über lange Jahre hinweg faule Hypothekenkredite tarnten) nicht erkennen konnte bzw. von den Segnungen eines kreativen "Financial Engineering" überzeugt war – wohlgemerkt für den je eigenen Nationalstaat.

Es ist in dieser Perspektive nicht die "unverantwortliche Gier", zumal Einzelner, die zunächst für unermessliche Gewinne, dann für unermessliche Verluste gesorgt hat. Vielmehr ist es dem Weltwirtschaftsystem in einer dysfunktionalen Umbruchssituation mangelnder Reichweite nationalstaatlicher Macht schlicht gelungen (bzw. gelingt es ihm, kaschiert als "Neoliberalismus"), auf Kosten der Politik zu funktionieren bzw. diese zu korrumpieren. Die ungeheuren Gewinne bzw. Wertsteigerungen die die Welt(finanz)wirtschaft ermöglichte, sind einem zwischen den Nationalstaaten initiierten "Steuerwettbewerb" geschuldet. Zudem konnte – und kann – die Wirtschaft durch internationale Konkurrenz jahrelang Kosten minimieren, in dem sie in vielen Brachen, aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen hinsichtlich Mindestentlöhnungen, Dumpinglöhne durchsetzte bzw. durchsetzen kann, die wiederum zudem oftmals steuerlich subventioniert wurden, da sie zum Lebensunterhalt kaum ausreichten und ausreichen. Selbst im Zuge der Krise gelingt es nun weltwirtschaftlicher Rationalität, durch Beanspruchung von steuerlich finanzierten Subventionen als unabdingbarer "Nothilfe" in prekärer Lage, Kosten zu minimieren bzw. abzuwälzen. Wenngleich dies zu nationalstaatlichen Schuldenbergen führte und führt, und der Realwirtschaft zu gute kommende steuerliche Subventionen massiv gekürzt werden mussten und müssen (nicht zuletzt in Deutschland durch die Hartz IV-Gesetzgebung), ist doch aus "begrenzt weltwirtschaftlicher" Perspektive ein durchaus effizientes und rationales Handeln zu konstatieren. Kosten und Preise werden minimiert; Gewinne maximiert. Business as usual. Die derzeitige Finanzmarktkrise erscheint in dieser Perspektive nicht als Problem, sondern vielmehr als Lösung einer funktional differenzierten Gesellschaft, die bestrebt ist, die Funktionalität ihrer Funktionssysteme zu erhalten. Es ist demnach das durchaus wirtschaftlich rational agierende Weltwirtschaftssystem selbst, welches nun das Handeln politischer Institutionen auf globaler Ebene erzwingt. Genau in diesem Sinne sind nun die konzertierten Aktionen (etwa Leitzinssenkungen) der wichtigsten Notenbanken (USA, Europa, China) zu verstehen. Oder die nötig gewordenen G7-Spitzentreffen der wichtigsten Finanzminister. Oder das Ansinnen, eine zentralisierte Institution mit tatsächlicher finanzpolitischer Macht einzurichten, welche die globalen Finanzströme regulieren soll (aufbauend auf dem IWF?) – oder welche weiteren Maßnahmen es noch geben mag. Grundsätzlich wird es dabei – hoffentlich – darum gehen, die Reichweite politischer Macht dem faktisch bestehenden Weltwirtschaftssystem anzupassen. In der faktischen realwirtschaftlichen Verflechtung der Nationalstaaten erscheint die Globalisierung des (finanz-)politischen Systems Erfolg versprechender, als die Gegentendenz: nämlich durch nationalstaatliche Abschottung die Wirtschaft (wieder) je begrenzter politischer Macht anzugleichen. Klar ist jedenfalls, und dies ist nun in der Krise überdeutlich, dass die enge Koppelung der Funktionssysteme in der Erbringung gegenseitiger Leistungen, den Ausfall eines Systems (sei es nun der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Religion oder der Erziehung) nicht erlauben kann, ohne dass dies zu gesamtgesellschaftlichen Dysfunktionalitäten führt. Keinem Funktionssystem ist möglich, die Leistungen eines anderen Systems zu erbringen – bei gleichzeitiger gegenseitiger funktionaler Abhängigkeit von gerade diesen Leitungen. Wissenschaftliche Wahrheiten lassen sich weder kaufen noch mit Macht erzwingen. Das Problem der Knappheit (von Waren, von Dienstleistungen, von Kapital) lässt sich mit Geld, nicht mit Mitteln der Politik, mit Macht, lösen. Kollektiv verbindliche Regulierungen, Normen, lassen sich nur mit Macht durchsetzen, nicht mit Geld, oder mit "Vernunft", im Blick auf wissenschaftliche Wahrheiten – usw. Auch von daher erscheint eine Fokussierung der Beschreibung der modernen Gesellschaft entweder auf wirtschaftliche Belange ("Kapitalismus") oder politische ("Sozialismus"), verfehlt. Es ist demnach weniger die Weltwirtschaft oder der globalisierte Finanzmarkt, sondern die segmentär, also vorrangig nationalstaatlich organisierte Politik, die in der Krise steckt. Es handelt sich um eine Krise aufgrund einer funktionalen Dysbalance zwischen einer globalisierten Wirtschaft und Politik. Wir sehen derzeit dieses Ungleichgewicht nicht als Problem, sondern sind Zeugen einer Lösung dieses Problems durch die moderne funktional differenzierte Weltgesellschaft
Kompletten Text von Jörg Räwel vom 20.10.2008 auf Telepolis bitte hier lesen:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28915/1.html

 

Finanzkrise - Aus Verbrechern werden Polizisten

Die schwere Finanzmarktkrise könnte dafür sorgen, dass die Politik Einfluss auf die Wirtschaft zurückgewinnt. Diese kurzfristige Gelegenheit sollte nach Ansicht des Soziologen Ulrich Beck nicht vertan werden. Er ist einer der einflussreichsten Gesellschaftstheoretiker Deutschlands. Mit dem Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der London School of Economics sprach Hannes Koch.

BZ: Welches ist die wichtigste Veränderung, die die Finanzkrise hervorruft?
Beck: Vollständig und unerwartet gefährdet die Krise unser gesamtes ökonomisches Weltbild — oder zerschlägt es sogar.
BZ: Welches Weltbild meinen Sie?
Beck: Bisher fühlte sich der Westen überlegen. Seine freie Marktwirtschaft hielt er für besser als die sozialistischen Staatswirtschaften der Vergangenheit. Aber auch über China mit seiner erfolgreichen Mischung aus Privat- und Staatsökonomie rümpfte man hier die Nase.
BZ:
Welche Folgen hat die Krise für das Vertrauen der Menschen in die Eliten?
Beck: In den zurückliegenden Wochen und Monaten ist es schwer erschüttert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück glaubten bis vor wenigen Tagen, dass sie die Krise national lösen könnten. Sie erklärten, der Sturm würde an unserem Land vorbeiziehen. Viele deutsche Politiker blicken auf die Welt mit diesem merkwürdigen, uninformierten und selbstgenügsamen Blick. Sie wollen den Grad der internationalen Abhängigkeiten und die Logik der Globalisierung einfach nicht verstehen.
BZ: Ist die deutsche politische Klasse gescheitert?
Beck: Ja, aber nicht nur sie. Auch in anderen Ländern hat man die Ideologie vom selbstverständlichen Funktionieren des ungeregelten Marktes widerspruchslos übernommen und nachgebetet. Selbst ein eigentlich kritischer Politiker wie Joschka Fischer hat vor Jahren behauptet, gegen die Gesetze des Marktes könne die Politik nichts ausrichten. Diese Fantasielosigkeit und Deformation rächen sich jetzt, wo die Finanzkrise den globalen politischen Raum für Alternativen öffnet.
BZ: Angesichts der Krise räumen Politiker und Manager Fehler ein. Mit gigantischen Summen von Billionen Euro versuchen die Regierungen, das Vertrauen zu erneuern.
Beck: Am Beispiel des britischen Premierministers Gordon Brown kann man tatsächlich beobachten, dass sich ein dramatischer Sinneswandel vom Marktfetischismus zum Staatsoptimismus vollzieht. Mit ähnlicher Vehemenz, wie er früher für den freien Markt kämpfte, propagiert Brown nun seinen neuen Plan zur Rettung der Welt, dem sich alle anderen anschließen sollen
BZ: Die Rettung mittels Intervention des Staates scheint einstweilen zu funktionieren.
Beck: Das bleibt abzuwarten. Niemand weiß, was ist und was die im Nullenrausch verordnete Therapie bewirkt. Wir alle sind Teil eines ökonomischen Großexperiments mit offenem Ausgang. Interessant ist allerdings, wie schnell aus Schurken Helden werden. Haben Gordon Brown, Angela Merkel und Peer Steinbrück nicht vor kurzer Zeit noch den ungeregelten Kapitalismus hochleben lassen? Ihre wundersame Bekehrung ist für mich kabarettreifes Konvertitentum.
BZ: Sie sagen, man soll den Leuten, die uns den Schlamassel eingebrockt haben, nicht länger trauen?
Beck: Nein, das kann man nicht. Wer über Nacht einen Meinungs- und Fahnenwechsel zu einer Art Staatssozialismus für Reiche vollzieht, ist unglaubwürdig. Je tiefer die Krise wird, desto mehr scheint allerdings der Zwang zuzunehmen, denen zu glauben, die die Misere mit ihrem so genannten Sachverstand verursacht haben. Dieser Prozess verhindert, dass die Eliten ausgetauscht werden, was in der Demokratie üblich sein sollte. Das führt zur Personalunion von Verbrecher und Polizei.
BZ: Wer sollte an die Stelle Merkels und Steinbrücks treten?
Beck: Das ist das Problem. Die gesamte Elite hat sich bislang zur Alternativlosigkeit der Marktwirtschaft bekannt. Wobei Linken-Chef Oskar Lafontaine immerhin die politische Stärkung der Europäischen Union und ein europäisches Wirtschaftsministerium fordert.
BZ: Glauben Sie, die Linke weiß einen Weg aus der Krise?
Beck: Nein. Wir haben es im Kern mit einer restaurativen Linken zu tun. Diese Partei will zurück zum Nationalstaat. Wir brauchen aber eine neue transnationale Politik zur Regulierung der Finanzmärkte. Bürgerbewegungen wie die Globalisierungskritiker von Attac haben diese Notwendigkeit erkannt, sind aber zu schwach, um ihre Ansätze offensiv zu verwirklichen.
BZ: Die Garantien für Banken und Spareinlagen der Bürger zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist. Schafft die Krise deshalb nicht eher neues Vertrauen?
Beck: Niemand weiß, ob wir den Boden des Abgrunds schon erreicht haben. Im globalen Risikobewusstsein, in der Antizipation der Katastrophe, die es in jedem Fall zu verhindern gilt, tut sich ein neues machtpolitisches Feld auf. Man könnte jetzt langfristig durchsetzen, dass nicht die Wirtschaft die Demokratie, sondern die Demokratie die Wirtschaft dominiert. Diese kurzfristige, goldene Gelegenheit dürfen wir nicht verstreichen lassen. Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle des Bankensektors, sondern auch um gerechte Steuerpolitik und soziale Sicherheit im transnationalen Rahmen.
BZ: In Ihrem Buch "Weltrisikogesellschaft" fordern Sie auch für die Finanzmärkte eine Abkehr vom Laissez-faire- und die Hinwendung zum Vorsorgeprinzip. Müsste das beispielsweise heißen, dass die Banken neue Finanzprodukte und Wertpapiere erst auf den Markt bringen dürften, wenn sie zuvor auf ihre Unschädlichkeit getestet wurden?
Beck: Die traditionelle Ökonomie sieht Risiko nur als positive Größe. Wie sich gerade zeigt, ist diese Sorglosigkeit grundfalsch.
BZ: Sie unterstützen die Forderung der globalisierungskritischen Organisation Attac, einen so genannten Finanzmarkt-TÜV einzuführen?
Beck: Sicher, diese Möglichkeit muss in die bestehenden Institutionen eingebaut werden.
BZ: Kann die kontinentaleuropäische Variante des Kapitalismus, die soziale Marktwirtschaft, für eine bessere Regulierung sorgen als das angelsächsische Modell?
Beck: Nein. Auch das Modell der sozialen Marktwirtschaft ist im nationalstaatlichen Denken befangen. Auch in Deutschland triumphierte der Glaube an den Markt über alle anderen Ansätze.
BZ: Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung hat unlängst ergeben, dass nur noch 31 Prozent der Deutschen eine gute Meinung über die soziale Marktwirtschaft hegen. Haben unsere Politiker und Manager das Vertrauen der Menschen verspielt?
Beck: Ja, sie gelten nicht länger als Risikomanager, sondern auch als Quellen des Risikos. Auch die Hartz-Reformen haben das Vertrauen in die soziale Sicherheit, die der Staat bietet, geschmälert. Die Politik verschiebt die Lebensrisiken einseitig auf das Individuum und entledigt sich ihrer Verpflichtung für die soziale Sicherheit und Wohlfahrt.
BZ: Wird die alte Idee der Gleichheit künftig wieder eine größere Bedeutung erhalten?
Beck: Eine größere relative Gleichheit auf jeden Fall. Anstatt die Verluste zu vergesellschaften und die Gewinne zu individualisieren, sollten auch die Bankmanager und -vorstände haftbar gemacht werden für ihre Fehler und Verluste. Und auch international wird Gleichheit eine wichtigere Rolle spielen. Die aufstrebenden Schwellenländer wie Brasilien, Indien und China verlangen und erhalten mehr Mitsprache.

Becks Bücher: Neben zahlreichen Schriften über die Globalisierung verfasste er die Werke "Risikogesellschaft" (1986) und "Weltrisikogesellschaft" (2007).
18.10.2008, www.badische-zeitung.de

Ethisches Investment gegen die Krise

Die Bankenkrise ist längst nicht gelöst – und schon zeigt sich eine Gefahr: Die US-Regierung kauft mit Steuergeldern notleidende Kredite und sorgt für Ruhe. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) fordert neue Regeln für die Finanzmärkte, bevor er vom Koalitionspartner zurückgepfiffen wird. Und dann geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Bis zum nächsten Zusammenbruch. Dabei bietet die Bankenkrise eine große Chance: nämlich die Rollen von Geld und Kredit in dieser Gesellschaft neu zu bestimmen.

Natürlich sind vor allem die international agierenden Großbanken und Finanzagenturen sowie die marktliberale Laissez-faire-Haltung der Politik für die Bankenkrise verantwortlich. Doch auch die Bankkunden haben ihren Teil dazu beigetragen. Die meisten treten am Bankschalter nicht so kritisch auf wie beim Kauf von Lebensmitteln oder Autos. Wo ihr Geld hinfließt, interessiert viele nicht. Hauptsache die – prognostizierte – Rendite stimmt. Viele von ihnen haben riskante Zertifikate oder komplexe Finanzprodukte gekauft, die auf eine spekulative Wertsteigerung setzen. Damit haben sie die Finanzkrise begünstigt. Denn: Seit Jahren entwickeln die Banken undurchsichtige Finanzinstrumente, die mit einem immer geringeren Gegenwert in der Wirtschaft auskommen. Ihr Gewinn ergibt sich aus dem Wiederverkauf im Handel – oft beruht er auf spekulativen Annahmen, zum Beispiel auf höheren Preisen für Immobilien oder Rohstoffe. Dadurch ist ein Kartenhaus von Anlagen ohne Basis entstanden, das einbricht, wenn sich eine Karte als Lusche erweist. In dieser Lage können Bankkunden eine kleine Revolution auslösen. Es genügt die Frage an die Banker, in welche Unternehmen das Geld fließt, ob es Arbeitsplätze schafft, ob damit Zukunftsinvestitionen finanziert werden, ob es der eigenen Region zugute kommt. Solche Fragen klingen naiv, doch sie erinnern die Banken daran, wofür sie da sind: Kredite an Unternehmen zu vergeben, damit diese neu investieren können und Menschen zu fördern, die Ideen umsetzen wollen. Natürlich werden viele Banker solche Fragen als naiv abtun. Doch es gibt längst Banken und Anlageformen, bei denen die Kunden erfahren, wohin ihr Geld fließt. Dieses ethische Investment ist im Kommen. Etwa durch Finanzinstitute wie der anthroposophisch orientierten GLS-Gemeinschaftsbank. Sie lässt ihren Kunden die Wahl, ob ihr Geld Kleinunternehmen, erneuerbare Energiequellen, Biohöfe, Kindergärten, Kultur- oder Obdachlosenprojekte fördern soll. Die Zinsen sind niedriger als am Markt, aber die Gelder sind bei dieser Genossenschaftsbank zu 100 Prozent sicher – wie bei jeder Genossenschaftsbank. Die Bankenkrise berührt die Kunden dieser Bank nicht. Andere kleine Banken investieren das Geld ihrer Anleger in die Umwelt, verkaufen Anteilsscheine von Unternehmen, die man besichtigen kann. Es gibt einen Bezug zwischen Geldanlage, Kredit und realer Wirtschaft. Auch an der Börse hat das ethische Investment Einzug gehalten. Es gibt etwa 60 ethische Aktien- und 20 ethische Rentenfonds. Der Grundgedanke: Die Fondsmanager kaufen nur Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere von Unternehmen, die ökologisch investieren, ihre Mitarbeiter tariflich bezahlen und andere Grundsätze beachten. Nachhaltige Investitionen sind das Ziel. Zwar arbeiten solche Fonds nicht unabhängig vom Börsengeschehen, doch sind ihre langfristigen Erträge sicherer, weil Nachhaltigkeit Vorrang hat vor kurzfristigen Spekulationen. In den vergangenen Jahren haben solche ethischen Investitionen zugenommen. Inzwischen werden 20 Milliarden Euro nach solchen Prinzipien angelegt. Natürlich wirkt dies klein im Vergleich zum Erdbeben an den Finanzmärkten. Aber man stelle sich nur vor, die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen, die als soziales Korrektiv in der rein renditeorientieren Bankenwelt gegründet worden sind, würden ihren Kunden Umweltsparbriefe, Regionalsparbriefe oder Fonds für Kleinunternehmen anbieten. Und ihre Kunden sagen, dass ihr Geld nicht verspekuliert, sondern in die reale Wirtschaft investiert wird. Dann wäre die Finanzwelt enger an die Wirtschaft gebunden. Damit es keine Missverständnisse gibt: Das ethische Investment ersetzt nicht staatliche Regeln. Aber: Würden 200 Milliarden Euro statt heute 20 Milliarden nach ethischen Maßstäben angelegt, würden Grundsätze in die Bankenwelt einkehren, gegen die eine Hypothekenkrise weniger Chancen hätte.
Wolfgang Kessler, 1.10.2008, www.badische-zeitung.de

Der Autor Wolfgang Kessler ist Chefredakteur der Zeitschrift Publik-Forum. 

 

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