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Tele-Blick nach Südwesten von Dattingen kommend auf Buggingen am 15.10.2007
Markgräflerland - Tele-Blick nach Südwesten von Dattingen kommend auf Buggingen am 15.10.2007

 

Tanz, Theater, Musik: Wo Menschen mit Behinderungen ohne ausdrücklich pädagogischen Anspruch kreativ sein können

Freunde treffen, gemeinsam was erleben, unterwegs und kreativ sein – freie Zeit kann herrlich sein. Doch bei Menschen mit Behinderung stehen Freizeitaktivitäten oft vor allem unter dem Aspekt der Förderung und Therapie, die Muße kommt dabei zu kurz. Doch es gibt sie, die ganz normalen Begegnungen zwischen Menschen, losgelöst vom pädagogischen Anspruch.

Theater mit der integrativen Theatergruppe Schattenspringer

„Versuch mal mit dem Stuhl zu flirten, Christoph, nicht immer mit Hilde", sagt Wolfgang Kapp, Regisseur der integrativen Theatergruppe  Schattenspringer, zu einem seiner Schauspieler. Christoph grinst, schnappt sich seinen Stuhl und schwingt sich in Walzerschritten quer durch den Probenraum. Walzer tanzen mit einem Stuhl? Hilde kichert. Vor fünf Minuten hat Kapp das Ensemble aufgefordert, Verliebtheit auszudrücken – mit Hilfe von Stühlen. Während Patrizia sich an ihren Stuhl schmiegt, zwinkert Pablo seine Sitzgelegenheit kokett an. „Jetzt möchte ich euch alle mal hochnäsig sehen. Seid mal so richtig arrogant", sagt Kapp, schreitet mit großen Schritten über den Parkettboden und schaut zu. Linus, der im Rollstuhl sitzt und einen Kleiderbügel statt einen Stuhl zum Ausdruck seiner Gefühle benutzt, schaut durch das Plastikdreieck mit hochgezogenen Augenbrauen, wie durch ein Monokel. Dabei schürzt er streng die Lippen. „Linus, so siehst du aus wie ein Theaterkritiker", sagt Kapp, „sehr schön." Die Freiburger Theatergruppe für Menschen mit und ohne Behinderung ist gerade dabei, ihr nächstes Stück zu entwickeln.  Kapp arbeitet mit dem, was ihm die Schauspieler anbieten, ihre Ideen fließen in die Produktionen ein. Neun Stücke hat die Gruppe seit ihrer Gründung 1998 auf die Bühne gebracht, 2001 wurde sie mit dem Sozialpreis Innovatio ausgezeichnet. Träger der Schattenspringer ist das Diakonische Werk Freiburg. Es ist 19.30 Uhr, Zeit für die Pause. Die Teilnehmer finden sich in Grüppchen um das Klavier in der Ecke des Probenraums zusammen. Dort wartet  eine Prinzenrolle. Kekskrümel und Gekicher verbreiten sich im Raum. Nach einer Viertelstunde geht es weiter: Wolfgang Kapp verteilt schwarze Sonnenbrillen, als Zeichen, dass es nun darum geht, aufmerksam zuzuschauen. Die einzelnen Teilnehmer haben eigene kleine Auftritte vorbereitet. Es wird still im Raum.

Die Schattenspringer treffen sich jeden Donnerstag beim Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche, Maienstraße 2, Freiburg, von 18 bis 21Uhr zum Proben. Info unter Tel 0761/7677277, www.dieschattenspringer.de

Tanzkurs der Lebenshilfe Breisgau mit der Tanzschule Gutmann

„Strecken, strecken! Beugen, beugen! Kopf, Kopf...!", spricht Tanzlehrerin Nadine Schampera im Takt in ihr Headset. Mädchen, Jungen, Frauen und Männer –die ganze Gruppe wiegt sich in den Hüften. „Heeeey Macarena. Ahhaa", tönt es aus den Lautsprechern. Der ganze Kurs hüpft. Immer wenn die Stelle mit dem Sprung kommt, muss Isolde lachen. Den anderen geht es ähnlich. Jeder kann bei diesem Kultsommertanz mitmachen, gute Laune kommt auf. Die Lebenshilfe Breisgau bietet in Zusammenarbeit mit der Freiburger Tanzschule Gutmann bereits seit zehn Jahren Tanzkurse für Menschen mit geistiger Behinderung an. Letztes Jahr gab es sogar eine Aufführung, bei der die Tanzschüler zeigen konnten,  was sie das Jahr über gelernt haben. Spielerisch üben die Teilnehmer Walzer, Merengue und andere Standardtänze. Jeweils 25 Schüler nehmen an den aktuellen Samstagskursen teil. Die Tanzpartner werden gewechselt; wenn jemand alleine da steht,  springt ein Mitarbeiter der Lebenshilfe ein. In wehenden Röcken, in Jeans, T-Shirts oder Glitzeroberteilen fegen die Teilnehmer durch den Tanzsaal. Nacheiner Stunde steht schon der nächste Kurs auf der Matte. Fünf Teilnehmer nehmen zusätzlich HipHop-Unterricht in den Räumen der Lebenshilfe. Dort machen sie Breakdance und lernen HipHop-Schritte. Das passt gut, findet eine Teilnehmerin: HipHop zum Abrocken und Walzer, um ein bisschen die Seele baumeln zu lassen.

Der Tanzkurs der Lebenshilfe Breisgau findet samstags von 13 bis 14 Uhr und von 14 bis 15 Uhr bei Tanzschule Gutmann, Friedrichsbau, Kaiser-Joseph-Straße 268, Freiburg, statt. Anmeldung bei Beate Himmelspach unter Tel 0761/47999816.

 

Musik mit der integrativen Band "die furchtlosen 7 ½"

Die Wände wackeln, wenn „Die furchtlosen 7 ½" in Frank Goos’ guter Stube in Emmendingen proben, und es kann durchaus vorkommen, dass die Goos’sche Plattensammlung zum wiederholten Mal aus den Regalen rutscht oder sich der Bandleader den Kopf an der tief hängenden Lampe stößt. So etwas geschieht eben, wenn Musiker mit Temperament am Werk sind, und wer die zurzeit zwölf Kinder und Jugendlichen in Aktion erlebt, wird schon nach wenigen Tönen mitgenommen in eine Welt, die so herrlich anders ist als alles, was man bisher gehört hat: wohlklingend sanft und verwegen wild, flüsterleise und punkig laut. Neben der außergewöhnlichen Präsenz und ansteckenden Fröhlichkeit der jungen Musiker sind es die Gegensätze, die ihre Auftritte zum Erlebnismachen. Frank Goos, Emmendinger Musiker und Musiklehrer an der Musikschule Freiburg, hat die integrative Band im Jahr 2005 gegründet. Sie ist Nachfolger von Jolly Jumper, die 2004 den Preis der Miriam-Stiftung der Universität Dortmund gewann. Zum Musizieren mit behinderten und nicht behinderten Menschen kam Goos, als die Mutter eines Jugendlichen mit Down Syndrom ihn bat, ihrem Sohn Saxofonunterricht zu geben. Georg spielt das Instrument mittlerweile seit zehn Jahren und ist bei allen Auftritten der Band dabei. Aus sieben Musikern – wer das halbe Mitglied ist, muss man schon selbst herausfinden –, die bereits ein Instrument spielten, und Jugendlichen auf der Suche nach ihrem Talent wurde durch zahlreiche Auftritte ein bühnenerfahrenes Team, dessen Repertoire von Free Jazz über Punk und Rock bis zu Vertonungen von Johann-Peter-Hebel-Texten reicht. Etwas verrückt und „zappaesk" darf es gern sein, denn die musikalischen Wurzeln des leidenschaftlichen Frank-Zappa- Fans Goos liegen im Free Jazz. Saxofon- und Melodica-Soli, Celloklänge und Schlagzeug, Tuba und Trompete sind jetzt bei der Premiere des neuesten Projekts „Alice" zu hören. „Ich habe „Alice im Wunderland" schon als Kind gemocht, und das Buch ist verrückt genug für unsere Band", sagt Frank Goos. Walfisch und Schnecke kommunizieren zu Princes „Purple Rain", Michael Jackson und Gabelklappern erklingen zum „Garten des Hummers". Sänger Stefan zeigt, wie man richtig headbangt, und Frank Goos lässt das Keyboard quietschen und kichern.

"Die furchtlosen 7 ½", integrative Band, probt alle zwei Wochen in der Musikschule Freiburg, Termine und Kontakt: Frank Goos, Telefon 07641/7613.
Auftritt am Samstag, 12.Mai, 18 Uhr, im Bürgersaal des Alten Rathauses Emmendingen mit „Alice". Darüber hinaus sind die Bands Flitzebogen, Cordini und Pop-Strings zuhören. Beginn 18 Uhr, Eintritt frei, Spenden erbeten.

Nadine Zeller und Katja Russhardt, 8.5.2012, www.der-sonntag.de

 

 

Studenten entwickeln neues Produkt für Caritaswerkstätten St. Georg

Freiburg / Heitersheim. Von Studenten der Hochschule Furtwangen wurde heute in der Villa Artis in Heitersheim ein neu entwickeltes Eigenprodukt für die Caritaswerkstätten St. Georg vorgestellt. Das Produkt „Kräutergarten“ kann komplett von Menschen mit Behinderungen aus den Werkstätten des Caritasverbandes Freiburg-Stadt hergestellt werden. Dies war mit Zielsetzung eines Projektes der Hochschule Furtwangen unter der Leitung von Professor Werner Ruoss. Diese bietet ihren Studenten die Möglichkeit, die Entwicklung eines Produktes unter Einbezug der unterschiedlichsten Aspekte von der Produktion bis zur Vermarktung zu begleiten. Für den Caritasverband Freiburg-Stadt hat die Kooperation mit der Hochschule Furtwangen schon Tradition – hier konnten von Studenten auch schon zwei Imagefilme produziert werden. In den 10 Caritaswerkstätten St. Georg arbeiten über 1.100 Menschen mit Behinderung in der Stadt Freiburg sowie den beiden Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen. Die Eigenproduktion bietet auch Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, den gesamten Produktionsprozess eines entwickelten Produktes zu begleiten.
29.1.2012, Caritas
 

Die Studenten der Hochschule Furtwangen (rechts) übergeben ihr Werk an die Caritas-Repräsentanten Wolfgang Grözinger, Siegfried Fuchs und Doro Irmler (von links). Professor Werner Ruoss (ganz links) war mit der Leistung seines Teams sehr zufrieden. Foto: Sabine Model

Ein Kräutergarten in edlem Design
Die geleimte, anthrazitfarbene Modellholzstellage für den "Kräutergarten" bekam ein schlichtes, elegantes Design, das in Holzarten und Farbgebung variieren kann. Die weißen, viereckigen Keramiktöpfe bezogen die Studenten über den Großhandel. Auch sie sind in diversen Farben zu haben. Bestückt werden können sie mit Kräutern, Teesorten, Frühlingsblühern, Sommerblumen, einem herbstlichen oder weihnachtlichem Arrangement. Sogar eine Preiskalkulation unter 25 Euro für die Kräuterversion und einen Fertigungsplan hatten die Studenten für ihre Dokumentation erstellt.
Alles von Sabine Model vom 31.1.2012 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/kreis-breisgau-hochschwarzwald/ein-kraeutergarten-in-edlem-design--55317782.html

 

Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung - Fachtag

Der Fachtag der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg zum Thema Autismus bei Menschen mit Behinderung findet großen Anklang. Bei über 180 Teilnehmern mussten sogar noch 50 Interessenten abgesagt werden. Auch dieses Interesse bei der Öffentlichkeit zeigt, wie präsent die Thematik ist. Allein in Freiburg leben über 1000 Menschen mit einer der versch. Formen des Autismus.

Zum gemeinsamen Fachtag der Katholischen Akademie sowie des Caritasverbandes Freiburg-Stadt konnten Egon Engler, Vorstand des Caritasverbandes, sowie Norbert Schwab von der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg über 180 interessierte Teilnehmer begrüßen. Ziel der Fachtagung war, Voraussetzungen für und neuere Entwicklungen in Diagnose, Therapie und Umgang kennen zu lernen, um sie bei den Weiterentwicklungen der Begleit- und Versorgungsstrukturen vor Ort anzuwenden.

In den Vorträgen am Vormittag berichteten die Referenten Prof. Dr. Dr. Helmut Remschmidt von der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marburg, Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst, Leitender Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Freiburg sowie Dr. med. Peter Martin, Neurologie und Psychiatrie des Epilepsiezentrums Kork / Séguin-Klinik, über „Erscheinungsformen, Ursachen, Therapien und Hilfen sowie die Beteiligung der Angehörigen bei Autismus“, über „Autismus und autistische Verhaltensweisen im Erwachsenenalter bei Menschen mit einer geistigen Behinderung“ sowie über „Epileptische und autistische Störungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung“. In den Foren am Nachmittag wurden weitere Themen unter fachkundiger Leitung aufgegriffen. Weiter wurden am Nachmittag durch Angelika Pfefferle sowie Dietrich Borchardt die Angebote des Caritasverbandes Freiburg-Stadt für einzelne Personen im Wohn-, Beschäftigungs-, Förder- und Betreuungsbereich sowie das Projekt „Therapeutische Wohngruppe für Menschen mit herausforderndem Verhalten“ vorgestellt. In seinem Schlusswort betonte der Abteilungsleiter des Caritasverbandes Freiburg-Stadt Rainer Kern, dass die Ergebnisse und Anregungen aus der Tagung Eingang in die tägliche Arbeit finden werden. Bestehende Konzeptionen müssen für Menschen mit autistischem Verhalten weiterentwickelt werden. Insbesondere müssten Assistenz- und Kommunikationsformen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, aber auch das Leben in einer therapeutischen Wohnform ausgebaut und finanziert werden.

Gerade Menschen mit herausforderndem Verhalten benötigen zusätzliche Behandlung und Begleitung. Die grundlegenden Überlegungen zur Weiterentwicklung von Versorgungs- und Umgangskonzepten werden zusammengefasst auch den kommunalen Leistungsträgern vorgelegt. Eine Dokumentation der Tagung finden Sie unter www.caritas-freiburg.de.

7.12.2010, Caritas

 

 

Selbständig wohnen, selbständig leben - Inklusive Wohnformen

Diskussion am Dienstag, dem 07.12.2010, 19.00 Uhr,
in der Integrativen Akademie Himmelreich, Himmelreich 37, Kirchzarten

Zu den selbstverständlichen Rechten, die alle Bürger in Anspruch nehmen können, gehört die Wahl der Wohnform, des Wohnorts und der Mitbewohner. Menschen mit Behinderung, insbesondere Menschen mit einer geistigen Behinderung, wird die Inanspruchnahme dieses Rechts bisher nicht uneingeschränkt ermöglicht: Soweit sie nicht zeitlebens bei den Eltern wohnen, dominiert nach wie vor die Unterbringung in Heimen und Anstalten. Dabei wird davon ausgegangen, dass Menschen mit einer Behinderung zu einem selbstgewählten und selbständigen Wohnen nicht in der Lage seien. Seit Jahren wird diese Festlegung auf ein Defizitmodell insbesondere von Initiativen von Menschen mit Behinderung, wie etwa People First, bekämpft und gefordert, dass auch für das Wohnen von Menschen mit Behinderung das Selbstbestimmungsprinzip gelten müsse: Auch Menschen mit Behinderung sollen als Experten in eigener Sache selbst darüber entscheiden können, welche Art des Wohnens für sie optimal ist. In den nordeuropäischen Ländern und in den USA wurden damit bereits weitreichende Fortschritte erzielt, bei uns ist die Diskussion über inklusive Wohnformen und die Entwicklung von Projekten durch die seit 2009 rechtskräftige UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit einer Behinderung intensiviert worden.
Wir wollen in der Vortragsveranstaltung am 7.12. einen Überblick über den Stand der Diskussion vermitteln und zwei Projekte aus unserer Region vorstellen und diskutieren:

- Prof. Helmut Schwalb: Selbstbestimmtes Wohnen von Menschen mit einer geistigen Behinderung
- Eine Einführung in die Thematik
- Eva Armbruster, Sarah Binder, Barbara Böhler: Das Projekt Unterstütztes Wohnen. Träger Lebenshilfe Freiburg e.V.
- Yael Leshem-Naegele, Sarah Kammerer, Philipp Lauschke: Das Projekt Betreutes Wohnen in Gastfamilien.
Träger Diakonisches Werk, Breisgau - Hochschwarzwald

Wir laden Sie zu der Veranstaltung herzlich ein. Der Teilnehmerbeitrag beträgt 7 Euro. Wenn Sie kommen möchten: Bitte melden Sie sich bis 3.12. an (Tel.07661-9862150 oder info@akademie-himmelreich.de  Damit wir ausreichend bestuhlen können, müssen wir wissen, mit wie vielen Besuchern wir rechnen dürfen.
12.11.2010


 

40 Jahre Caritaswerkstätte für Menschen mit Behinderung in Neustadt

Mit sicherer Hand legt Florian S. (Name von der Redaktion geändert) eine kleine Schraubenmutter in die Halterung und senkt den Bohrer, um das Loch für ein Arretierungsstück vorzubohren. Er nimmt es raus, klopft die Metallspäne gewissenhaft ab und reinigt die Bohrvorrichtung sorgfältig mit einem Pinsel. Er arbeitet langsam, bedächtig – und präzise! Er weiß: Qualität ist wichtig! Wichtiger als schnell und viel zu arbeiten und dabei Fehler zu machen. Das wissen alle 95 Beschäftigten, die im Arbeitsbereich der Werkstätte arbeiten. Denn sie führen Aufträge für Firmen aus Industrie und Handwerk aus, die Qualität und termingerechte Lieferungen einfordern. Die Werkstätte produziert für die verschiedensten Produktsparten, wofür in großzügigen Räumen ein großer Maschinenpark mit Einfachmaschinen zur Verfügung steht. Genauso breitgefächert wie die Produktpalette sind auch die derzeit über 80 Kundenkontakte. Neben Autozulieferern werden auch Motoren-, Messgerätetechnik- oder Medizingeräte-Hersteller beliefert, genauso wie z.B. die Sparkasse, der BUND e.V. usw. zu den Vertragspartnern gehören. „Arbeit strukturiert den Tag, sie lässt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben, vermittelt Erfolgserlebnisse und das Gefühl gebraucht zu werden“, so der Werkstättenleiter Ernst Wuttig. Wer die Werkstätte für Menschen mit Behinderungen besucht, der bekommt genau den Eindruck: die Menschen sind stolz auf das was sie tun! Vor dem Arbeitsbereich gibt es das Eingangsverfahren und den zweijährigen Berufsbildungsbereich. Hier werden in erster Linie Arbeits-Tugenden, wie das Wissen um Qualität, Pünktlichkeit, Sauberkeit, aber auch Schreibkultur vermittelt und es geht um das Kennenlernen von Maschinen und verschiedenen Materialen wie Holz oder Metall. Diese zwei Jahre sind die Qualifizierung, für das Arbeiten in der Werkstätte. „Aber nach diesen zwei Jahren könnte auch die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt stehen,“ erläutert die Sozialarbeiterin Monika Brinkmann, die gemeinsam mit Angehörigen, Werkstattleitung und dem behinderten Menschen selbst nach dem Weg sucht, der am besten für ihn passt, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Werkstätte.

Ein wichtiger Bereich sind auch die zwei Förder- und Betreuungsgruppen. Hier werden schwer, schwerstbehinderte und mehrfachbehinderte Menschen betreut und entsprechend ihrer Fähigkeiten gefördert, was für die Angehörigen eine große Entlastung ist. Die Werkstätte für Menschen mit Behinderung gibt es nun seit vierzig Jahren. Sie begann 1970 in der Adolph-Kolpingstraße in Neustadt mit einer Kapazität von 25 Plätzen, damals noch unter der Trägerschaft des Caritasverbandes Hochschwarzwald. Heute ist der Caritasverband Freiburg-Stadt e.V. der Träger, unter dessen Dach zehn Werkstätten zusammengeschlossen sind. Die Einrichtung wuchs kontinuierlich, 1980 wurde ein neues Werkstattgebäude am heutigen Standort Im Bildstöckle in Betrieb genommen, das 1996 erweitert und in den Jahren danach grundlegend saniert wurde. Heute bietet sie Platz für 125 Menschen, die dort arbeiten, betreut und gefördert werden. Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums lädt die Caritaswerkstätte zu einem Tag der offenen Tür ein. Es wird Führungen durch den Werkstättenbetrieb und Informationen über Beschäftigung, Förderung und Betreuung der Menschen mit Behinderung in der Werkstätte geben. Die Einrichtung verkauft an diesem Tag auch ihre Eigenprodukte wie geflochtene Körbe, Holz-Deko-Artikel, Krippen, Nistkästen und vieles mehr. Außerdem ist mit Kaffee, Kuchen, Mittagsimbiss und Getränken auch für das leibliche Wohl gesorgt.

Tag der offenen Tür: Samstag, 2. Oktober 2010, 11 – 17 Uhr
Caritaswerkstätte Titisee-Neustadt, Im Bildstöckle 12, Titisee-Neustadt,

Dagmar Engesser, 30.9.2010, www.dreisamtaeler.de

 

Freiburgs erste Gemeinderätin mit Handicap Anke Dallmann - Erfahrungen

Engagiert berichtete Anke Dallmann, Freiburger Gemeinderätin mit Handicap, von ihren kommunalpolitischen Erfahrungen.

Foto: Gerhard Lück

Kirchzarten-Himmelreich (glü.) „Inklusion“ sei der Schwerpunkt des Herbstprogrammes der Integrativen Akademie im Hofgut Himmelreich ließ deren Leiter Professor Helmut Schwalb die Gäste am ersten Veranstaltungstag wissen. Inklusion bedeute aktive Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens; bedeute Mitmachen und Mitgestalten auch bei Fragen des Zusammenlebens der Bürgerinnen und Bürger. In besonderem Maße gelte dies für die Kommunalpolitik, da in deren Zuständigkeitsbereich zahlreiche Entscheidungen fallen, die für das tägliche Leben bedeutsam seien. Als Referentin und Gesprächspartnerin konnte er Anke Dallmann, das erste Freiburger Gemeinderatsmitglied mit einem Handicap, begrüßen. Unter dem Thema „Kommunalpolitik: Mittendrin statt nur dabei!“ stellte die Neunundzwanzigjährige ihre Erfahrungen mit der Teilhabe am kommunalpolitischen Willensbildungsprozess sowie die Möglichkeiten, Chancen und Grenzen im kommunalpolitischen Umfeld vor. Ihre Themenschwerpunkte sind die Sozial- und Bildungspolitik, insbesondere auch die Inklusion auf der ganzen Linie. Das „Freiburger Bobbele“ Anke Dallmann wurde als „Frühchen“ geboren. Dadurch gab es bei ihr Probleme mit der Sauerstoffversorgung. Nach neun Monaten wurde dann eine Zerebralparese festgestellt. Diese ist charakterisiert durch Störungen des Nerven- und Muskelsystems im Bereich der willkürlichen Bewegungskoordination: „Ich habe einen extrem wackligen Schaukelgang und alles geht etwas langsamer.“ Damit es manchmal auch schneller vorwärts gehe, bewege sie sich auch im Rollstuhl vorwärts. Nach einer „inklusiven“ Schullaufbahn sei sie nach dem Abitur ein Jahr in die USA gegangen und habe anschließend Betriebswirtschaft studiert. Jetzt arbeitet sie als EU-Koordinatorin im Freiburger Regierungspräsidium. Ihr politisches Interesse habe sie Anfang 2009 zu den Freien Wählern geführt, für die sie mit zwei anderen seit Juni 2009 im Freiburger Gemeinderat sitzt. Ihr sei wichtig, als Mensch mit einem Handicap Einfluss auf das städtische Geschehen zu nehmen. Anke Dallmann erzählte aus dem Alltag der Gemeinderatsarbeit mit vielen Fraktions- und Ausschusssitzungen. Ihr sei schon wichtig, als Gemeinderätin mit Handicap die Sozial- und Bildungspolitik zu bearbeiten: „Aber, es ist immer ein Drahtseilakt, dass mein Handicap nicht im Mittelpunkt steht.“ Immer wieder erfahre sie Unsicherheit und Ängste im Umgang mit ihr. Wichtig sei dabei: „Sie dürfen alles machen; Sie dürfen nur keine Angst haben, etwas Falsches zu machen. Ich bin nicht behindert, höchstens werde ich behindert. Ich habe einfach ein Handicap!“
Gerhard Lück, 30.9.2010, www.dreisamtaeler.de

 


Caritaswerkstätte St. Georg auf internationaler Messe Tendence
 

Die Caritaswerkstätten St. Georg präsentieren regelmäßig ihre verschiedenen Eigenprodukte auf internationalen Handelsmessen. Vom 3. bis 7. Juli 2009 findet in Frankfurt die zweitgrößte internationale Handelsmesse „Tendence“ statt, bei der in Halle 4.2, Stand B56, unter anderem die in den Caritaswerkstätten hochwertig verarbeiteten Kamin- und Beistellkörbe im Reese-Design angeboten werden. Der Caritasverband Freiburg-Stadt ist Träger von 10 anerkannten Werkstätten für Menschen mit Behinderung, in denen über 1.100 Beschäftigte tätig sind.
24.6.2009, Caritas

http://tendence.messefrankfurt.com/frankfurt/de/besucher/willkommen.html

 

Geistig Behinderter von jugendlichem Trio verprügelt

Unfassbar: Drei Minderjährige haben vor wenigen Tagen in Haslach einen geistig Behinderten 17-Jährigen angegriffen, geschlagen und getreten. Am gestrigen Mittwochnachmittag konnten die Täter ermittelt werden. Sie sind jung, sehr jung: Einer ist 14, die anderen beiden sogar erst 13 Jahre alt! Der angegriffene 17-Jährige wurde durch die Schläge nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch verletzt. Passanten trafen ihn einige Minuten nach der Tat in völlig aufgelöstem Zustand auf der Opfinger Brücke an und informierten die Polizei.
Der Angriff geschah am Freitag gegen 20.40 Uhr an der Ecke Im Weingarten/Feldmattenweg. Der geistig Behinderte hatte sich zunächst mit zwei Mädchen unterhalten, als das aggressive Trio hinzukam, den 17-Jährigen erst ansprach und ihn kurz darauf dann drangsalierte. "manche suchen sich leider die scheinbar Schwächsten als Opfer aus", schüttelte auch Polizeisprecher Ulrich Brecht mit dem Kopf. Der genaue Ablauf des Angriff müsse in den nächsten Tagen geklärt werden. Noch nicht ermittelt sei auch, ob es vor den Schlägen zu einem Streitgespräch gekommen sei.
Auf die Spur sei man den Tätern durch "klassische Polizeiarbeit" gekommen. Man habe innerhalb der letzten Tage durch Hausbesuche die beiden Mädchen ermittelt und von dort die Spur zu dem schlägernden Trio aufgenommen. Das Opfer sei auch mehrere Tage nach der Tat noch sehr erschüttert, sagte Brecht. Die Hilfsorganisation "Weißer Ring" habe sich eingeschaltet und stehe dem Betroffenen jetzt bei. Wie der Stadtkurier erfuhr, war der junge Mann bereits früher schon einmal Opfer eines körperlichen Angriffs geworden! Umso schlimmer seien die psychischen Verletzungen, da die Erinnerung an die frühere Tat nun offenbar wieder aufgebrochen sei.
Was die Täter betrifft, so sind zumindest die beiden 13-Jährigen rechtlich nicht zu belangen. Aufgrund ihres Alters gelten sie als strafunmündig.
Stefan Ummenhofer, 27.11.208, www.stadtkurier.de 

Schulische Integration Behinderter: Demo, Prügelei
Vergangenen Samstag demonstrierten etwa 300 Menschen auf dem Freiburger Augustinerplatz für die schulische Integration von Kindern mit Behinderung. Die Badische Zeitung erwähnt Politiker von SPD, FDP und den Grünen, die dort sehr positive, mutmachende Reden gehalten haben. Hinzuzufügen ist unter anderen der Reformpädagoge Otto Herz, der mitreißend und bewegend gesprochen hat. Herz formulierte als Auftrag der Schule, zusammen leben zu lernen. Keine zwei Tage später fiel mir eine kleine, unscheinbare Meldung auf: "17-Jähriger wurde angegriffen und getreten". Mit Bestürzung las ich, dass es sich um einen geistig behinderten Menschen handelt, der von drei (!) jungen Männern angegriffen wurde. Diese drei Männer hatten leider nie die Chance, das Zusammenleben mit Behinderten zu lernen. Ich hoffe für zukünftige Generationen, dass unser Schulsystem dahingehend verändert wird, dass alle Menschen lernen, vorurteilsfrei und wertebewusst zusammen zu leben.
2.12.2008, Petra Padberg, Emmendingen

 

Heil- und Erziehungsinstitut Sonnenhalde in Görwihl - Konzept

Es ist 8.15 Uhr. Der erste Schulbus fährt in den Hof des Heil- und Erziehungsinstituts Sonnenhalde in Görwihl. Er bringt die externen Schüler vom Dachsberg, kurz darauf folgt der hauseigene Bus, der weitere Schüler aus dem Rheintal heraufbringt. Freudige Begrüßung, Händeklatschen, Umarmung mit den hier lebenden Kindern, die sich nun zum großen Morgenkreis in der Eingangshalle versammeln. An diesem Morgen sind alle noch etwas lauter und aufgeregter als sonst, denn die Sonnenhalde hat eingeladen zum Tag der offenen Tür.

Um 9 Uhr zeigt die erste Klasse, wie sie sich an den Umgang mit Zahlen gewöhnt. Heute ist die Acht an der Reihe. Sie wird gemalt, in den Sand gezeichnet, in Ton geformt. Klassenlehrerin Viktoria Kubis erläutert diese für Waldorfschulen ganz normale Vorgehensweise, die hier lediglich noch intensiver gestaltet und gelebt wird. Ab 9.30 Uhr hat Fachlehrer Leo van Kreij in die Holzwerkstatt eingeladen. Hier üben sich die Schüler ab der fünften Klasse einmal pro Woche im handwerklichen Bereich, nach der sechsten Klasse sind es zwei Stunden pro Woche. Lukas und Robin aus der Sechsten sind gerade dabei, einer Ente Konturen zu verleihen, während David an einem Schiff arbeitet. Der Lehrer nimmt sich viel Zeit für jeden Schüler, bespricht mit ihm den Fortgang der Arbeit, gibt Hilfestellung und motiviert. Am Ende der Stunde räumen die Schüler alle Arbeitsgeräte zusammen, bevor sie wieder in ihr Klassenzimmer zurückkehren. "Diese Übernahme von Pflichten und Verantwortlichkeiten gehört ganz wichtig zur Erziehung in unserem Schulalltag, aber auch im Heimbereich, dazu" , erläutert Leiterin Simone Lindau, der seit der Öffnung für externe Schüler immer wieder auffällt, wie wichtig es ist, die Kinder dort abzuholen, wo sie mit ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten stehen. "Gerade behinderte Kinder sind im Elternhaus oft überbehütet" , hat sie mittlerweile erfahren, aber auch sie wollen und brauchen die Erziehung zu weitmöglichster Selbstständigkeit. Deshalb hat Simone Lindau den Satz geprägt: "Wir pflegen die Gemeinschaft und fördern individuell." Dieser Satz wurde am Tag der offenen Tür besonders deutlich an zwei Angeboten, einmal der Leier-Vorführung der achten Klasse innerhalb des Singkreises aller Schüler ab Klasse Vier, und zum anderen bei der begeistert aufgenommenen öffentlichen Generalprobe für die Aufführung des "Sommernachtstraums" von Shakespeare, die vor der Verabschiedung in die Pfingstferien für alle Eltern stattfinden wird. Alle Achtklässler haben sich im Leierspiel geübt und ihr Können am 20. April den Eltern vorgeführt. Die Theateraufführung am Nachmittag gehört neben der Jahresarbeit, in der sich jeder Schüler mit einem selbst gewählten Thema beschäftigt und die Ausarbeitung vor der Gruppe vorträgt, zum Jahresprogramm der Abschlussklasse. Aus solchen Projekten wie aus der gezielten Förderung der individuellen Fähigkeiten beziehen die Schüler Bestätigung und Lebensfreude. Und wirklich war es die reine Freude, mit anzusehen, mit welcher Begeisterung die Schauspieler ihren Part verkörperten.

Wie an Waldorfschulen üblich dauert die Schulzeit in der Sonnenhalde zwölf Jahre. Von Anfang an haben Bewegung, Rhythmus und Musik große Bedeutung im Schulalltag. Ab der Mittelstufe treten zu den herkömmlichen Fächern auch Physik, Chemie, Geschichte und Literatur hinzu. Auch die handwerklichen Fähigkeiten der Schüler werden gefördert. In der Werkstufe steht vor allem die Selbstständigkeit im Blick auf den weiteren persönlichen Lebensweg im Vordergrund.
Karin Steinebrunner , 15.5.2008, BZ

 

 

Malteserschloss-Schule: Ein Autist entpuppt sich als Mathe-Genie

Der 15-jährige Mehmet, der die Malteserschloss-Schule in Heitersheim besucht, überrascht Eltern und Lehrer mit seiner Intelligenz

Mehmet ist fast 16 Jahre alt und ein ganz besonderer Mensch. "Ich bin Autist", schreibt er. Seit Jahren geht er in die Malteserschloss-Schule Heitersheim. Inzwischen hat er die Oberstufe erreicht. Aber Mehmet kann mehr. Weil er sich nicht verbal auszudrücken vermag und seine soziale Interaktion begrenzt ist, hat lange niemand gemerkt, was in ihm steckt. Seit anderthalb Jahren besucht er den Matheunterricht in der Realschule. Dabei zeigen sich faszinierende Stärken in Bezug auf Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Intelligenz. Vor ungefähr fünf Jahren, erinnert sich Schulleiter Klaus Hotz, stellte das Kollegium fest, dass Mehmet in den Kulturtechniken wesentlich fortgeschrittener war als seine Klassenkameraden. Vor vier Jahren kam Sonderschullehrerin Dorothea Müller ins Team. Sie freundete sich mit Mehmet an. Vier Stunden ihres Deputats sind nur für ihn reserviert. Über gestützte Kommunikation am Laptop sind die beiden im Austausch.
Der Autist überrascht sie immer wieder. Er informiert sich über das Fernsehen und die Zeitung zu Tagesereignissen und über das aktuelle Weltgeschehen, erzählt sie. Er beschreibt ohne Probleme den Landweg in die Türkei, kennt sich in Geschichte aus und verblüfft mit Englischkenntnissen, die er offensichtlich bei seiner jüngeren Schwester erworben hat, die in Müllheim die Realschule besucht. Als Dorothea Müller feststellte, dass die Rechenaufgaben der dritten und vierten Klasse viel zu leicht für Mehmet sind, legte sie ihm Prüfungsaufgaben für den Realschulabschluss vor. Und er löste sie. Seit dem Winter 2006/2007 darf er mit ihr als Begleitperson den Matheunterricht in der Realschule besuchen. Am Anfang waren es vier Stunden in der Woche. Aus Gründen massiver Personalknappheit reduzierte sich das auf eine Stunde. Jetzt soll wieder auf zwei aufgestockt werden. Zivildienstleistende sind immer schwerer zu bekommen. Deshalb setzt sich die Schulleitung dafür ein, einen offiziellen Unterrichtsbegleiter für Mehmet zu beantragen. Nein, Mehmet möchte nicht ganz in die Realschulklasse integriert werden, hat er bekundet. Die Malteserschloss-Schule ist seine Heimat. Sie gibt ihm Sicherheit. Aus ihrem Unterricht zieht er praktische Fähigkeiten, erledigt selbsttätig Aufträge und kocht. In der Realschule fühlt er sich als Gast. Er ist im Unterricht dabei, genießt den Wissenstransfer, gehört aber nicht wirklich dazu. Er kann sich nicht melden, nicht mitreden. Er ist mittendrin und doch außen vor. Genau wie in der Pause. Er beobachtet die Jugendlichen, kann aber nicht dabei sein. "Ja, ich möchte mitmachen" , tippt er in den Laptop. Schade, dass sie es nicht lesen können. Auf die Frage nach seinem größten Wunsch, schreibt er spontan: "Gesundheit" . Für einen Autisten ist Mehmet auffallend ruhig. Durch seine Realschulbesuche hat er gelernt, im Pulk aus der Pause in den Klassenraum zu laufen. Die Unruhe der Mitschüler erträgt er gelassen. Er nimmt mit seiner Begleitlehrerin an einem hinteren Tisch Platz. Während die Referendarin Elke Ratzel das Additionsverfahren für Gleichungen mit zwei Unbekannten einführt, kommuniziert Mehmet über den Bildschirm mit Dorothea Müller: "Kannst du sagen, dass ich gerne im Internet mit anderen Autisten schreiben würde?", bittet er.
Die Lehrerin möchte das Thema vertagen und fordert ihn auf, bei den Erläuterungen zu der neuen Rechenmethode zuzuhören. Mehmet schaut scheinbar unmotiviert in die Runde. Doch die erste Aufgabe löst er problemlos und haut die Merksätze und Gleichungen, gestützt von der Lehrerin, fix in die Tastatur, obwohl er bei einem Unfall den Daumen der rechten Hand verlor. Für die nächste, kniffligere Aufgabe brauchen die Achtklässler einige Anläufe. Noch bevor sie sich der Lösung durch Umformen der Gleichungen nähern, hat Mehmet das Ergebnis im Kopf gerechnet und auf dem Bildschirm. Niemand hat es bemerkt. Ihm ist langweilig. "Wir wollen arbeiten!", schreibt er in den PC. Dann ist seine Stunde vorbei. Am Nachmittag zu Hause wird er wieder im Lexikon lesen. "Gerne freue ich mich über Frieden auf der Erde" , hat Mehmet kürzlich aufgeschrieben. "Aber wir trauen uns nicht." In den Zeilen über sich selbst beschreibt er seine Geburt als "qualvoll" und "wertvoll" , sein Leben danach als "schutzsuchend und sehr anstrengend". Der 16-Jährige benutzt das Wort "destruktiv" für seine Erinnerungen und will sie mit Schreiben überwinden. Vielleicht steckt in ihm ja noch mehr als nur ein Mathe-Genie.
Sabine Model, 14.5.2008, BZ

 

Barrierefreie Boote - rollstuhlgeeignet

Das Paraboat hat den passenden Namen "Alligator"

Im Rahmen der landesweiten Aktionswoche "Menschen mit Behinderung" gab es am vergangenen Wochenende auch Taufen von Booten, die speziell für behinderte oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen entworfen wurden. Der Schauplatz der einen Taufe war ein für Wasserfahrzeuge durchaus außergewöhnlicher: Der Freiburger Rathausplatz. Dort trafen sich der Geschäftsführer des Naturparks Südschwarzwald, Roland Schöttle, Albert Schultis von der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau für die Geldgeberin, Rudolf Eisl vom Segelzentrum Schluchsee und der Waldkircher Orgelbauer Michael Hiss, der die Boote gebaut hat, mit Esther Weber-Kranz. Die Rollstuhlfechterin und Paralympics-Siegerin, die für den SCV Waldkirch startet, taufte die "mini 12 racer" und freute sich, mit dem Segelboot für Behinderte und Nichtbehinderte ein schönes und zugleich praktisches Beispiel für den integrativen Sportgedanken einzuweihen. Praktisch ausprobiert werden konnten die "Racer" auf dem Flückigersee, wo auch ein "Alligator", ein mit Muskelkraft fahrendes, für Rollstuhlfahrer geeignetes Boot vor.

8.5.2008

 

Mittendrin statt außen vor: Franz Fuß in Heitersheim

In der Caritas-Werkstatt in Heitersheim ist Franz Fuß eine Institution. Seit mehr als 24 Jahren findet er hier als lernbehinderter Mitarbeiter verlässliche Strukturen, Anerkennung und Sicherheit. In Heitersheim ist er integriert, hat Wurzeln geschlagen und beachtliche Fortschritte auf allen Ebenen gemacht.

Fast jeder kennt ihn — den Franz, seine Fähigkeiten, seine Hilfsbereitschaft und freundliche Art. "Ich bin rundherum zufrieden und stolz, dass ich es so weit gebracht habe", strahlt er. Aufgewachsen ist der 45-Jährige bei Mutter und Oma in Ehrenstetten. Schon früh musste er in der Familie mit anpacken. In der Förderschule in Staufen wurde er bis 1981 als landwirtschaftliche Hilfskraft ausgebildet. Nach einer Arbeitserprobung im Kaufhof Freiburg kam er zu einem Winzer nach Ballrechten-Dottingen. Für freie Kost und Logis plus zehn Mark Taschengeld in der Woche wurde er gut eingespannt und arbeitete zeitweise noch bei einem örtlichen Bauunternehmen mit. Ergänzend besuchte er in Müllheim die Landwirtschaftliche Berufsschule. Mit der Zeit fühlte Franz sich ausgenutzt. Doch wo er sich auch umsah, er war immer irgendwie fremd auf dem Arbeitsmarkt. Bis er 1983 in der Werkstatt landete. Dort kam er in den Trainingsbereich, machte alle Fachbereiche von der Seifenverpackung bis zur Uhrenfertigung durch und fühlte sich wohl. Franz war immer derjenige, der neue Aufträge am schnellsten erfasste, erinnert sich Werkstattleiter Heiner Schwär. Als die Mechanik-Werkstatt eröffnet wurde, kam Franz in die Metallverarbeitung an Bohr- und Fräsmaschinen. Inzwischen montiert er für eine örtliche Firma Kabelschuhe. Der Vorzeige-Mitarbeiter nutzte arbeitsbegleitende Maßnahmen, spielte Fußball, Tischtennis und landete schließlich beim Kegeln. Seine Freundin Bettina wurde leider 1994 aufgrund ihres Wohnortes der Werkstatt in Freiburg zugeordnet. Doch die Beziehung hält. An jedem Wochenende treffen sich die beiden wechselweise bei ihm oder bei ihren Eltern, wo Bettina immer noch lebt. Franz hat, was das Wohnen betrifft, den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft. Zuerst gehörte er einer Wohngruppe im "Haus Ulrika" an. Er durchlief eine Wohnschule mit Kochen, Waschen, Einkaufen und Haushaltsführung, probte den Alltag in einem Appartement und wagte den nächsten Schritt in eine Außenwohngruppe zu Dritt. Seit 2004 lebt er allein in einer betreuten Mietwohnung. Einen gesetzlichen Betreuer braucht er nicht. Er hätte das Zeug für den ersten Arbeitsmarkt und könnte dort mehr verdienen. Aber Franz will nicht. "Mir gefällt es hier. Ich habe Freunde und bin glücklich" , meint er schlicht. Die Werkstatt ist seine Lebenswelt, bietet ein harmonisches Umfeld und Selbstwertgefühl. Sein Taschengeld reicht für einen Urlaub und ein paar Anschaffungen. Wohnen, Kleidung und Essen zahlt die Grundsicherung. Eigentlich müsste er gar nicht mehr arbeiten, denn er bekommt nach 20 Jahren Werkstatteinsatz Erwerbsunfähigkeitsrente. Aber dann hätte er keinen Lohn, keine Betreuung, keine Beschäftigung und keine Tagesstruktur. Doch gerade das gibt ihm Halt. In seiner Freizeit ist er Helfer beim DRK, trommelt gern auf Bongos und fährt Rad. Am Rosenmontag schiebt er für die Guggemusik die Konfettikanone, am Kunsthandwerkermarkt spült er Glühweingläser. Franz packt an, wo er gebraucht wird, ist mittendrin. Und so soll es bleiben.
Sabine Model , 28.4.2008, www.badische-zeitung.de

Marvin Nöltge vom Karate Dojo EM wird Deutscher Meister

Der 21-jährige Marvin Nöltge, Karatesportler aus Waldkirch und Mitglied im Karate Dojo Emmendingen, errang in Erfurt bei der deutschen Meisterschaft für Menschen mit Behinderungen den Titel in der Disziplin "Kata" . Vor dem Trainingsbeginn am Mittwoch in der Sporthalle der Meerweinschule bereiteten ihm seine Sportkolleginnen und Kollegen einen Empfang. In Erfurt fanden erstmals die deutschen Karatemeisterschaften für Menschen mit Behinderungen statt. Seit sieben Jahren trainiert der junge Mann mit dem Down-Syndrom in dieser Sportart. "Vater" des Erfolgs ist sein langjähriger Trainer und Betreuer Hans Kölz. Gestartet wurde in verschiedenen Kategorien, je nach der Art der Behinderung. "Kata" ist eine Disziplin, bei der mit einem imaginären Gegner gekämpft wird, erzählt Kölz. Im September, beim Festival für behinderte Sportler in Reutlingen, löste der junge Mann den "Fahrschein" zur ersten deutschen Meisterschaft im Karatesport. Die Mühen und der enorme Trainingsfleiß haben sich gelohnt, erzählt sein Trainer. Drei Monate wurde wöchentlich dreimal trainiert. Es gab keine Pause während der Ferien oder Feiertage. Für Hans Kölz, Träger des schwarzen Gürtels, der seit mehr als 35 Jahren bei dem Emmendinger Verein als Trainer engagiert ist, bedeutet das die Krönung seiner Laufbahn. Für den Mitarbeiter beim Landwirtschaftsamt des Landkreises ist die Trainertätigkeit ein idealer Ausgleich zum Beruf. Es war nicht immer einfach, Marvin zu sportlichen Leistungen zu führen. Bei den Kindern habe er sich nicht sehr wohl gefühlt, erzählt der Trainer. Es brauche für seine Konzentration absolute Ruhe. Seit drei Jahren trainiert Marvin Nöltge bei den Erwachsenen. Seine Mutter, Gerhild Nöltge, erzählt, dass der Titelgewinn für seine Persönlichkeit einen enormer Fortschritt bedeute. Er wurde kontaktfreudiger. Für seinen beruflichen Weg ist das sicher sehr nützlich, freut sich seine Mutter. Der junge Mann orientiert sich derzeit in handwerklichen Berufen. Beim Empfang am Mittwochabend verteilte er Pralinen aus seinen Siegerpokal an seine Mitsportlerinnen und Sportler. Als nächstes Ziel steht die Titelverteidigung auf dem Programm. Im Jahr 2012 findet in London die Europameisterschaft für Menschen mit Behinderungen im Karate-Sport statt. Mit 25 Jahren ist Marvin dann im besten Alter dafür.

Dieter Erggelet, 19.4.2008, BZ

 

 


Acht geistig behinderte Schüler vom Haus Tobias beim Marathon

Beim Freiburg-Marathon am Sonntag gehen nicht nur drahtige Laufverrückte und ehrgeizige Freizeitsportler an den Start, auch Schulklassen können als Staffel antreten. Zum ersten Mal werden acht Schüler vom "Haus Tobias" in Herdern dabei sein. Sieben werden die Staffel, einer sogar den Halbmarathon laufen. Das Besondere: Die Nachwuchsläufer sind geistig behindert und gehen zusammen mit sieben ihrer Lehrer auf die Strecke.

"Ich freu’ mich am meisten auf den Zuschauerjubel an der Strecke. Das macht mich stolz" , sagt Hussein Karnib. Er übernimmt am Sonntag als Letzter vom "Haus Tobias", Heim, Schule und Kindergarten für geistig Behinderte, die Fußmanschette mit eingebautem Zeitmesser, die so etwas wie ein moderner Staffelstab ist. "Ich muss dann also alles wieder aufholen" , sagt der 17-jährige und lacht. Jeder der sieben Jungs — die Staffeln müssen gleichgeschlechtlich sein — läuft drei Kilometer, zusammen mit jeweils einem Lehrer. Das sei im Falle der geistig Behinderten wichtig, damit sie den Weg nicht verlieren, erklärt Schulleiter Olaf Nielsen. Der Organisationsaufwand für die Teilnahme sei daher relativ groß gewesen, so Sportlehrerin Anja Janke: "Die Läufer müssen zum Beispiel von unseren Heimmitarbeitern an den richtigen Etappenstart gebracht werden." Am Sonntag wird daher alles nach einem genauen Plan ablaufen. Fünf Wochen haben die Jungs in ihrer Freizeit trainiert, zweimal die Woche etwa eine Stunde. "Ich hab erst gedacht, ich schaff’s nicht, aber dann ging’s doch ganz leicht" , sagt der 14-jährige Roman Pfeiffer. Dabei findet Sportunterricht im "Haus Tobias" eigentlich gar nicht statt. "Wir haben Turnunterricht, aber der setzt eher auf rhythmische Bewegungen" , sagt Schulleiter Nielsen. Um Wettkampf gehe es nicht. Deswegen hat sich die Staffel auch kein Zeitlimit gesetzt.
Kevin Zieser geht allerdings mit großem Ehrgeiz an den Start. Er läuft als einziger den Halbmarathon und hat schon einige Zeit viermal die Woche trainiert. "Er hat sich fest vorgenommen unter zwei Stunden zu bleiben" , sagt Corinna Whinnett, die den 15-Jährigen betreut. Außer Konkurrenz läuft aber auch die Staffel in den knallgelben T-Shirts nicht. Das Team vom "Haus Tobias" wird wie eine neunte Klasse gewertet. Nach den Vorgaben der Anmeldung müssten zwar alle Schüler gleich alt sein, das war aber aufgrund der niedrigen Schülerzahl nicht möglich. "Wir sehen den Lauf eindeutig als Integrationsmaßnahme" , so Nielsen. Man wolle unter Freiburgs Schulen nicht außen vor sein. Am Sonntag wird dann auch die ganze Einrichtung mitfiebern — viele Schüler kommen direkt an die Strecke. Dem Laufsport treu bleiben wollen nicht alle Staffelläufer. "Ich bin in der Zirkus AG und lieber Akrobat" , erzählt Roman
Verena Schwald , 5.4.2008, BZ

chüler vom Haus Tobias am 6.4.2008 beim Sandfang um 12.45 Uhr Schüler vom Haus Tobias am 6.4.2008 beim Sandfang um 12.45 Uhr

 

 

 

Geistige Behinderung und Sexualität

Freiburg. Im Rahmen der Vortragsreihe zu aktuellen Fragen der Behindertenhilfe bietet der Caritasverband Freiburg-Stadt einen Vortrag zur Thematik „Geistige Behinderung und Sexualität“ an. Die Veranstaltung findet statt am
Mittwoch, 05.03.2008 um 19.00 Uhr
im Café im Treffpunkt St. Michael (ehemalige Kapelle),
Carl-Kistner-Str. 49, 79115 Freiburg.
 Geistige Behinderung und Sexualität sind ein Begriffspaar, das eine immense Spannung in sich trägt. Die einen sprechen Menschen mit Behinderung jede Form von Sexualität ab, die anderen sagen, dass sie zum Leben eines Menschen mit Behinderung dazu gehört, wie zu jedem anderen Menschen auch, es gibt aber auch immer wieder die Meinung, dass sie nur triebgesteuert und somit zu unterbinden sei. In dem Vortrag soll das Thema aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet werden und Hinweise und Orientierungen für die Praxis gegeben werden. Als Referentin für diesen Abend konnte Gudrun Jeschonnek, Dipl.-Pädagogin beim Institut für Sexualpädagogik, gewonnen werden.
28.2.2008, Caritas

 

Prof Tiemo Grimm ist Legastheniker und forscht darüber

Trotz dieser Familienkrankheit konnten er und sein Sohn studieren

An seiner E-Mail ist nichts zu beanstanden. "Zum Glück gibt es die Recht schreibpro gramme des Computers und die Hilfe meiner Mitmenschen", sagt der Würzburger Professor Tiemo Grimm. Ohne sie hätte er wahrscheinlich unverständliches Kauderwelsch durch das Netz gejagt. "Mit schwachen Mathekenntnissen lässt sich heutzutage immer noch kokettieren" , wundert sich der Humangenetiker an der Uni Würzburg. Aber Probleme mit dem Lesen und Schreiben? Und dazu bei einem Professor? Es ist ja überhaupt ein Wunder, dass er es so weit gebracht hat: Die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium zunächst nicht bestanden und die zehnte Klasse freiwillig wiederholt wegen seiner schlechten Lese- und Rechtschreibleistungen. Von Legasthenie hatte bei seiner Einschulung 1951 kaum jemand etwas gehört. Lernte er das Lesen nicht, weil man es ihm mit der so genannten Ganzwortmethode beizubringen versuchte? Oder lag es an seinem Sprachfehler? Als Vierjähriger hatte er sich bei einem Fahrradsturz die vorderen Schneidezähne ausgeschlagen und redete seitdem von Uhle und Oo statt Schule und Zoo. Wer ihn deshalb hänselte, machte Bekanntschaft mit seinen Fäusten. "Man kann nur aufgeben oder kämpfen", sagt der 1944 Geborene. Dass er weder psychisch erkrankte noch straffällig wurde, was für ein Legasthenikerkind rein statistisch nicht unwahrscheinlich gewesen wäre, schreibt Tiemo Grimm seiner Familie zu: "Meine Eltern standen voll hinter mir." Stundenlang übte seine Mutter nachmittags mit ihm das Buchstabieren. Und kein Abend verging ohne Gute-Nacht-Geschichte. Für ihn wurden Bücher deshalb trotz seines Handicaps "was Wunderbares" . Andererseits "hatte ich das Glück, in allen Klassen der Beste in Mathematik zu sein" . Das war Balsam für sein Selbstwertgefühl und ebnete ihm den Weg für sein Medizinstudium, das er in nur fünfeinhalb Jahren in Göttingen und Wien absolvierte. Stutzig wurde er, als sich seine Probleme mit dem Lesen und Schreiben bei seinem sechsjährigen Sohn wiederholten und 1983 die Diagnose Legasthenie gestellt wurde. Erst da wurde ihm bewusst, dass sie auch auf ihn selber zutraf. Dass in der Folge drei seiner sechs Kinder davon betroffen waren, konnte Grimm nicht als Zufall verbuchen. Der Würzburger Professor für Humangenetik, der sich bis dahin auf die Genetik von Muskelerkrankungen spezialisiert hatte, machte sein Lebensthema zum Gegenstand seiner Forschungen: Er will den genetischen Faktoren bei der Entstehung der Legasthenie auf den Grund gehen. Aus "reinem Eigennutz" , wie er sagt. "Nur wer besser ist als alle anderen, kann seine Interessen gegenüber Jugendämtern und Schulbehörden durchsetzen." Tiemo Grimm hat sich fürs Kämpfen entschieden, nicht nur für sich und seine Kinder. Als wissenschaftlicher Beirat für den Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie und als Experte für Legasthenierecht macht er sich dafür stark, dass die Rechtschreibleistung von Legasthenikerkindern in der Schule nicht bewertet werden darf, dass sie Zeitzuschläge bei Prüfungen bekommen, dass Eltern für sie den Behindertenstatus einfordern. Das hat er — mit Hilfe seiner Frau — auch für seine Kinder durchgesetzt. Zehn Jahre lang haben sie beim Jugendamt Anträge auf Eingliederungshilfe gestellt, 22 Widerspruchs- und Gerichtsverfahren durchgestanden und gewonnen. Mit der Folge, dass alle drei in einem Spezialinternat mit integriertem Legastheniezentrum ihr Abitur machten und zwei in die beruflichen Fußstapfen des Vaters getreten sind. Auch ein Professor müsse akzeptieren, dass seine Kinder dumm sind, war den Eltern beim Jugendamt gesagt worden. "Meine Kinder sind in der Schule psychisch kaputt gemacht worden" , stellt Grimm fest: Als dumm und faul abgestempelt, vom Lehrer bloßgestellt vor der ganzen Klasse, mit einer Tüte auf dem Kopf, auf der "Esel" geschrieben stand. Noch heute traut sich sein ältester Sohn nicht, inzwischen Arzt an einem Krankenhaus, der Verwaltung von seiner Legasthenie zu erzählen. Immer wieder wird er gerügt wegen der vielen Fehler in den Arztbriefen. Dabei war bei ihm ein Intelligenzquotient von 128 gemessen worden. Alle Kurven und Diagramme von Grimms eigenen Schulnoten und der seiner Kinder zeigen eindeutig die Teilleistungsstörung im sprachlichen Bereich und die besondere Begabung in Mathe und Naturwissenschaften. Für Grimm ein Ansporn, die gesamte Verwandtschaft näher unter die Lupe zu nehmen.Er findet Legasthenie bei seinem jüngeren Bruder und bei seinem eigenen Vater. Selbst der Großvater musste, wie die Urgroßmutter in einer zufällig gefundenen Familienchronik ausführlich beschreibt, das Gymnasium aufgrund seiner Rechtschreibprobleme verlassen und auf ein Realgymnasium wechseln. Seine Legasthenie hinderte ihn freilich nicht daran, nach einer Kaufmannsausbildung schriftstellerisch tätig zu werden, wofür er 1927 die Ehrendoktorwürde der Philosophie der Universität Göttingen erhielt. "Wir haben den Genort für die Legasthenie in meiner Familie gefunden" , gibt Tiemo Grimm ein Ergebnis seiner gemeinsam mit dem Berliner Max-Planck-Institut vorgenommenen Forschungen preis. Details jedoch bleiben noch sein Geheimnis, denn "die Konkurrenz in der Wissenschaft ist groß" . Dass seine Forschungen künftigen Enkelkindern die Legasthenie ersparen könnten, ist nicht zu erwarten. Aber der Humangenetikererhofft sich eine "frühere Diagnostik und bessere pädagogische Konzepte" . Jahrelang hatte er seiner engeren Familie Blut für die Forschung abgezapft, mit fünf Mark für jeden Piekser seine Kinder belohnt und noch einmal fünf, wenn er nicht auf Anhieb die richtige Stelle traf. Was seine Kinder zu dem Wunsch verleitete: "Hoffentlich stichst du daneben.
Anita Rüfer, 25.2.2008, BZ

 

 

Gesunde und Körperbehinderte drücken gemeinsam die Schulbank 

Die Stephen-Hawkin-Schule in Neckargmünd wird von Kindern und Jugendlichen aus ganz Deutschland besucht / Rücksichtnahme ist selbstverständlich

In der "Enter" -Rubrik der Badischen Zeitung haben 13- bis 23-Jährige die Möglichkeit, mit ihrer Meinung und ihren Erfahrungen die Zeitung zu "entern". Heute berichtet Magdalena Wendler aus Bad Krozingen, die die Stephen-Hawking-Schule in Neckar-gmünd besucht, über diese Einrichtung.

Es ist Montagmorgen. Die Taxitransporte fahren nacheinander auf den Schulhof der Stephen-Hawking-Schule in Neckargmünd und bringen viele der rund 700 Schülerinnen und Schüler zum Unterricht. Denn vielen ist es nicht möglich alleine anzureisen. Einige sitzen im Rollstuhl, andere kommen mit dem Rollator oder Krücken. Vor den Eingängen zu den Internatshäusern und zur Schule herrscht Hektik, denn die Gehbehinderten und Rollstuhlfahrer unter den Schülern wollen alle schnellstmöglich zu den ungewöhnlich vielen Aufzügen in den Häusern, um pünktlich in den Unterricht zu kommen. Weil es nicht immer einfach ist, behinderte und gesunde Kinder gemeinsam zu unterrichten, kann es manchmal ein wenig stressig werden. Da die Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland — Freiburg, Mannheim, Balingen — anreisen, beginnt montags die erste Schulstunde erst um 9.50 Uhr. Nachdem alle in den Lehrräumen angekommen sind, die aus kleinen Klassen zwischen sechs und etwa zwölf Schülern bestehen, kehrt langsam Ruhe auf den großen Schulgängen ein. Doch schon um 12.45 Uhr wird es wieder laut, denn nun wollen alle so schnell wie möglich in die hausinterne Mensa zum Mittagessen. Da wird dann nicht immer auf die Rollstuhlfahrer Rücksicht genommen. Doch die wissen sich im Getümmel durchzusetzen, indem die laute Hupe am Rollstuhl betätigt wird. Nachdem Essen gehen die meisten Jugendlichen kurz auf die Dachterrasse, um sich über die noch bevorstehenden Nachmittagsstunden oder andere Dinge auszutauschen. Je nach Stundenplan ist spätestens um 16.10 Uhr Unterrichtsende. "Nun heißt es endlich Freizeit, vorausgesetzt die Lehrer waren mit den Hausaufgaben gnädig" , meint die 18-jährige Jasmin H., die im Prüfungsjahr ist und jede freie Minute nutzt, um sich gut für die Prüfungen vorzubereiten. Trotzdem bleibt noch Zeit, um etwas mit den Freundinnen und Freunden zu unternehmen. Nach der letzten Schulstunde gehen die meisten Schüler (körperbehinderte und gesunde) auf ihre behaglich eingerichteten Wohngruppen, die mit einem großem Gruppenraum (TV und Musikanlage), einer Küche und Einzel-/Doppelzimmern behindertenfreundlich eingerichtet sind. Die Wohngruppen bestehen jeweils aus 10 bis 20 altersgemischten Internatsschülern mit und ohne Handicap, für deren Pflege und Versorgung immer durch geschultes Personal gesorgt ist. Jederzeit können sich die Bewohner aber auch in ihre Zimmer zurückziehen, etwas mit Freunden unternehmen oder nach Heidelberg und Umgebung fahren, da dies auch als Rollstuhlfahrer mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne jegliche Probleme selbstständig möglich ist. "Da die SHS eine ,Kombischule ist, kommen die gesunden und körperbehinderten Kinder alle gleich gut miteinander aus. Sie sind es von Anfang an gewohnt, dass sie verschieden sind. Außerdem besteht eine viel größere Hilfsbereitschaft untereinander" , sagt der 18-jährige Daniel K., der selbst bis Juli 2007 die Stephen-Hawking-Schule besucht hat. Jährlich werden an der "SHS" aus etwa 500 Bewerbern rund 100 Schüler durch eine Aufnahmeprüfung, die aus den Hauptfächern (Deutsch, Mathe und Englisch) besteht, aufgenommen. Eröffnet wurde die Schule im Jahre 1974. 1980 zählte sie schon 360 Schüler. Heute sind es 700 Kinder, von Grundschule bis Gymnasium, die auf die Stephen-Hawking-Schule gehen. Neben dem Unterricht werden die Schüler auch körperlich gefördert, da es in der "SHS" ein vielfältiges Therapie-Angebot gibt. Sollten zudem kurzfristig andere gesundheitliche Probleme auftreten, ist in der Stephen-Hawking-Schule immer ein Arzt im vorhandenen Fachkrankenhaus zu sprechen. Diese Schule bietet Körperbehinderten alles, was eine öffentliche Schule niemals schaffen würde. Schade ist nur, dass es leider viel zu wenige solcher Einrichtungen gibt!

Die Autorin Magdalena Wendler ist 18 Jahre alt und besucht die Stephen-Hawking- Schule
2.1.2008, BZ

www.stephenhawkingschule.de
www.hilfe-hd.de

 

 

Chancen - Kluft zwischen Realität und Ankündigung

Zum Leserbrief von Eva Kottmeier in der Ausgabe vom 13. Oktober "Mehr Chancen für Behinderte" ; Diskussion über eine Stabstelle für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen und die entsprechende Äusserung von Landrat Jochen Glaeser im Kreistag dazu.

Großen Dank an Frau Kottmeier, die uns mit ihrem Leserbrief aus der Seele spricht und viel Wesentliches zu diesem Thema auf den Punkt bringt. Ihre Schilderungen entsprechen unseren Erfahrungen. Dank auch an die BZ, die diesen Leserbrief ausführlich und an prominenter Stelle veröffentlicht. Ergänzend möchten wir hinzufügen, dass an der Burgschule in Esslingen kürzlich der erste Integrationstag Baden-Württemberg stattfand , wo sich Eltern, Lehrer und Schulverwaltung über Ihre in der Summe überaus positiven Erfahrungen aus über 200 integrativen Schulprojekten im "Ländle" austauschen konnten und wo eine Vertreterin des Kultusministeriums die Absicht des Landes bekräftigte, diese Modelle zu vertiefen und auszuweiten.
Die Realität sieht teilweise allerdings leider anders aus: Neben der beschämenden Äußerung unseres Landrates hat das Landratsamt sowie das Land trotz Preis- und Mehrwertsteuererhöhung die Zuschüsse für Gruppenangebote drastisch gekürzt, so dass zum Beispiel die Lebenshilfe ihre Pauschalen für die familienunterstützenden und Freizeitangebote um etwa 15 Prozent erhöhen musste. Nach wie vor findet eine Lernbehinderung/ geistige Beeinträchtigung trotz der gesellschaftlich anerkannten (nachhaltigen und damit langfristig Kosten sparenden!) Ziele Emanzipation, Integration sowie Verselbständigung keine Anerkennung bei der Pflegebegutachtung. Weltweit einmalig werden 5 Prozent unserer Kinder schulisch ausgesondert. Ganz allgemein ist das Gefühl, dazu zu gehören, in unseren Schulen katastrophal niedrig.
Hinweisen möchten wir an dieser Stelle auf den in Köln vom 16. bis 18.11. stattfindenden Fachkongress und die entsprechende Homepage www.eine-schule-fuer-alle.info  .  
BZ-Leserbrief vom 30.10.2007 von Jürgen Hauke, Müllheim



Ilco-Selbsthilfe Südschwarzwald besteht 20 Jahre / Landrat würdigt Engagement

Die regionale Gruppe des deutschen Ilco-Dachverbands als Solidargemeinschaft für Menschen mit künstlichem Darmausgang und Darmkrebs feierte am Samstag in Maulburg ihr 20-jähriges Bestehen. Regionalsprecher Horst Kähny skizzierte dabei die vielfältigen Aufgaben, der von ehrenamtlichen Kräften geleiteten Gruppen. Die "Ilco Region Südschwarzwald", wie sich die Gruppe heute nennt, betreut die Kreise Lörrach und Waldshut sowie Teile des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald im Raum Müllheim und die Gemeinde Schluchsee und zählt 83 Mitglieder.

Die Anfänge der Gruppe reichen zurück in die Gründerzeit des Kreiskrankenhauses Rheinfelden Mitte der 1970er Jahre. Der damalige Chefarzt der Chirurgie, Klaus Walter, kümmerte sich um die Nachsorge der ihm anvertrauten Stoma-Patienten und unterstützte die Selbsthilfegruppe nach Kräften. Etwa seit 1974 war die Gruppe dann der Freiburger Sektion zugeordnet, 1987 machte sich die Gruppe Schopfheim dann selbstständig und wuchs im weiteren zur Regionalgruppe Südschwarzwald. Landrat Walter Schneider würdigte in der Feier in der VR-Bank in Maulburg das ehrenamtliche Engagement und attestierte der Selbsthilfegruppe ein hohes Maß an ethischer Verantwortung. Es sei immens wichtig, Patienten nach schweren Operationen zu begleiten und zu betreuen. Der Landkreis unterstütze die Arbeit gerne, denn sie gebe Menschen neuen Lebensmut — trotz Stoma und Darmkrebs. Als Vertreter der kommunalen Verwaltungsgemeinschaft Schopfheim gratulierte Maulburgs Bürgermeister Jürgen Multner. Auch er lobt das ehrenamtliche Engagement der Regionalgruppe und kündigte einen "Zustupf" für die Vereinskasse an. Professor Hans-Heinrich Osterhues, Ärztlicher Direktor des Kreiskrankenhauses Lörrach referierte über die "Schwäche des Herzens" . Der gemütliche Teil des Jubiläums stand im Zeichen des Gedanken- und Erfahrungsaustausches zwischen Patienten und Medizinern, unter ihnen Bernd Vetter, Chefarzt der Chirurgie am Kreiskrankenhaus Lörrach. Mit Gitarrenspiel und Gesang umrahmte Rainer Gdanietz die Feier. Lob gab’s auch für den 74-jährigen Regionalsprecher Horst Kähny (Rheinfelden-Adelhausen). Er sei "der Motor der Selbsthilfegruppe in der Region Südschwarzwald" .
Helmut Eschenlohr (Grenzach-Wyhlen) und Gertrud Schwander (Steinen) sind seit 20 Jahren dabei und erhielten als Anerkennung die Dankesmedaille in Gold. Jürgen Hameister (Waldshut-Tiengen) wurde für zehn Jahre die Silbermedaille zugesprochen. Ingrid Schumacher (Königstein) überbrachte den Geehrten und der Regionalgruppe die Glückwünsche des Ilco-Dachverbandes.
19.10.2007



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