Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Justiz
im südlichen Hochschwarzwald und Breisgau
  

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Bewährungshelfer, Strafgefangenenhilfe, Gefängnisfürsorge, ...

Tele-Blick vom Lindenberg über das Dreisamtal zum Feldberg (links) und Schauinsland (rechts) am 27.12.2007
Tele-Blick vom Lindenberg über das Dreisamtal zum Feldberg (links) und Schauinsland (rechts) am 27.12.2007

 

 

 

Sozialdienst Katholischer Männer SKM kümmert sich um Familien Inhaftierter

„Papa arbeitet im Ausland“ erhält die fünfjährige Daniela als Antwort, wenn sie nach dem Vater fragt. Ihre Mutter weiß sich nicht anders zu helfen. Denn sie will nicht, dass Daniela sich für den Vater schämt, der seit einem halben Jahr im Freiburger Gefängnis sitzt. Daniela spürt jedoch, dass etwas nicht stimmt. Kinder von Gefangenen erleben die Abwesenheit des Vaters dramatisch. Kleinkinder verstehen nicht, dass der Vater plötzlich fehlt. Ältere Kinder beginnen zu schweigen, meiden Freundschaften und ziehen sich zurück. „Ich konnte doch über meinen Papa gar nicht mehr reden. Sollte ich sagen, der arbeitet jetzt im Gefängnis?“, sagt der heute 17jährige Marc. Vor fünf Jahren wurde sein Vater verurteilt. Die zuvor gut situierte Mittelschichtfamilie aus einer kleinen Breisgau-Gemeinde erfuhr neben dem finanziellen Abstieg auch die soziale Ausgrenzung. Sogar im Fußballverein bekam Marc zu spüren, dass er als Sohn vom „Knacki“ nicht mehr erwünscht war. „Ich wollte nicht mehr zur Schule. Das war für mich der reinste Horror, am liebsten wäre ich vom Erdboden verschwunden. Auf der einen Seite war ich tieftraurig, weil Papa mir fehlte, auf der anderen Seite hatte ich eine unbeschreibliche Wut auf ihn.“
Mittlerweile hat Marc wieder Kontakt zu seinem Vater aufgenommen. Auch seine Mutter versucht, über die Gefängnismauern hinweg, die Beziehung zu ihrem Mann aufrecht zu erhalten. Unterstützung erhalten beide durch Barbara Welle, Mitarbeiterin des SKM Freiburg. Schon seit zwölf Jahren bietet der gemeinnützige Verein Hilfen für Angehörige von Inhaftierten. „Natürlich trifft es die Kinder besonders hart, wenn der Vater plötzlich weg ist. Sie fühlen sich sogar als die Schuldigen und dafür verantwortlich, dass der Vater nicht mehr da ist“, weiß die Familientherapeutin und Sozialpädagogin. Sie bietet unter anderem Einzelberatung für die Frauen Inhaftierter und unterstützt sie bei Behördengängen. Zudem organisiert sie ein monatliches Angehörigentreffen und eine Spielgruppe für die Kinder. In diesem Sommer organisierte der SKM Freiburg für die Kids eine fünftägige Ferienfreizeit. „Dafür, dass die Familie während und nach der Inhaftierung zusammen bleibt, sind auch die Männer mit verantwortlich“, sagt Barbara Welle. „Sie müssen im Gefängnis die Verantwortung für die Straftat und deren Folgen für die Familie übernehmen. Sonst ist keine Basis für die Fortführung der Beziehung mehr da. Um nach der Entlassung zur Familie zurückzukehren, ist das eine wertvolle Grundlage für eine gelungene Resozialisierung.“ Für seine Angehörigenarbeit ist der SKM Freiburg auf Spenden auf sein Konto 2346800 bei der Volksbank Freiburg dringend angewiesen.
4.9.2011, Gerhard Lück, www.dreisamtaeler.de

 

Richter ohne Gesetz. Islamische Paralleljustiz in Deutschland

Die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig hat schon vor einem Jahr auf das Problem hingewiesen: "Das Recht wird aus der hand gegeben und auf die Strasse verlagert oder in ein paralleles System verschoben, in dem dann ein Imam oder ein anderer Vertreter des Korans entscheiden, was zu geschehen hat."
Mehr zu "Allahs Richter" von Maximilian Popp in DER SPIEGEL, S. 57, 29.8.2011, www.spiegel.de

Wie selbst ernannte Friedensrichter unsere Justiz unterwandern
Als ich vor Jahren zum ersten Mal über Streitschlichter und Friedensrichter der muslimischen Paralleljustiz berichtete, ergoss sich Hohn und Spott über mich. Wilder Fantastereien wurde ich gescholten. Welche Farbe denn die Robe dieser Richter hätte, wurde gelästert. Insidern ist längst das Lachen vergangen. Richter ohne Gesetz nennt man die Streitschlichter in der Dunkelzone von Selbstjustiz, Rache, Blutgeld und Ehrenkodex. Es ist mir doch egal, was diese Leute bis hin in die organisierte Kriminalität untereinander so treiben, mögen Sie jetzt denken. Aber wehe, wenn Sie als betroffenes Opfer oder als Geschädigter plötzlich selbst in diese Welt von Blindheit, Gedächtnisverlust, vom Himmel fallender Zeugen und dezenter bis deutlicher Drohungen geraten. Dann werden Sie eventuell eine traurige Erfahrung der Grenzen unseres Rechtsstaates im Alltag machen. Wenn urplötzlich das Angebot der privaten „Aussöhnung“ durch z. B. einen Imam ratsamer erscheint, als die Arbeit von Polizei und Justiz. Diese sich immer weiter verfestigende Schattenjustiz untergräbt unser gesellschaftliches System. Nur der Staat spricht Recht (jedenfalls meistens) und entscheidet über Schuld und Unschuld. So ist das in einer Demokratie. Die, die das nicht akzeptieren und anders leben wollen, werden hier wohl nie ankommen. Gleichgültigkeit wäre dazu unser schlechtester Ratgeber. Über gedächtnislose Opfer und Zeugen, feixende Angeklagte, ohnmächtige Richter und Staatsanwälte gibt es auch ein Buch (Richter ohne Gesetz von Joachim Wagner, erscheint am 31.08.2011). Zürnen Sie mir aber
Alles von Heinz Buschkowsky vom 17.8.2011 bitte lesen
http://www.heinz-buschkowsky.de/kolumnen/klartext/110817-wie-selbst-ernannte-friedensrichter-unsere-justiz-unterwandern/

Joachim Wagner: Richter ohne Gesetz Islamische Paralleljustiz gefährdet unseren Rechtsstaat
ECON, ISBN 978-3-430-20127-8, August 2011, 18 Euro

 

Michaela Feistel, Direktorin des Notariats Freiburg

Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird das staatliche Notariat und Grundbuchamt Freiburg von einer Frau geleitet: Michaela Feistel hat Anfang des Jahres den Job als Direktorin angetreten. Die 46-Jährige wurde im Sauerland geboren und hat in Marburg und Göttingen Jura studiert. Sie arbeitete zunächst als Richterin in Hannover, später in Notariaten in Karlsruhe und Freiburg. Feistel lebt mit ihrem Mann in Merzhausen.
Sie sind die erste Frau auf dem Direktionsposten der 80-Mann-Behörde – was halten Sie von der Frauenquote?
Ich glaube, in der Justiz braucht man sie nicht. Die Justiz wird sowieso zunehmend weiblich. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir Steine in den Weg gelegt werden, weil ich eine Frau bin. Man hat als Frau im Justizbetrieb alle Chancen, die auch ein Mann hat.
"Notar" ist für viele ein Synonym für "staubtrocken".
Ja, dieses Vorurteil kenne ich. Dabei ist mein Job eine totale Traumstelle. Man hat sehr viel mit Menschen zu tun, die Beratung nimmt viel Raum ein. Außerdem muss man sich heute in viel komplexere Sachverhalte einarbeiten, muss das Grundbuchrecht zum Beispiel genauso gut kennen wie das Gesellschaftsrecht oder das Familien- und Erbrecht. Das ist intensiv und spannend, weil kein Fall ist wie der andere.
Was wollten Sie als Kind werden?
Prinzessin – ich war wirklich ein ganz typisches Mädchen. Aber zum Glück ist es anders gekommen.
Ihr Lieblingsplatz in Freiburg?
Der Weg durch die Weinberge des Weinbauinstituts am Schlierberg mit dem schönen Blick ins Hexental.
Komplettes "Sagen Sie mal" vom 4.8.2011 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/sagen-sie-mal-ein-jahr-lang-schoene-segelreviere-besuchen

 

 

Deutsche Gerichte: Ehrenmord als Motiv kann strafmildernd wirken

Kritisch setzt sich die Studie mit der Rechtssprechung deutscher Gerichte auseinander. Laut Bundesgerichtshof sind Ehrenmorde grundsätzlich als Morde aus niedrigen Beweggründen einzustufen. Tatsächlich wurden aber nur bei 28 von 87 rechtskräftig in Deutschland verurteilten Personen auch niedrigen Beweggründe als Motiv festgestellt.  In rund 40 Prozent der Fälle wurde das Thema "Ehrenmord" vor Gericht gar nicht thematisiert. In 15 untersuchten Fällen werteten die Richter dagegen das Ehrmotiv sogar strafmildernd.
Alles vom 2.8.2011 bitte lesen auf
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,777856,00.html

Freiburger MPI-Forscher untersuchen Ehrenmorde im Auftrag des BKA >Migration (3.8.2011)

 

Justiz sucht händeringend rechtliche Betreuer
 

Die Berufsbetreuer sind am Anschlag und können die Fülle der Verfahren nicht mehr bewältigen / Infoveranstaltung in Freiburg

Der demografische Wandel, aber auch gesellschaftliche Veränderungen haben eine Folgeerscheinung, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird: die steigende Erfordernis an rechtlicher Betreuung. Diese wird notwendig, wenn Menschen aufgrund von Alter, Krankheit, Unfall oder Behinderung die Vertretung eigener Rechte und die Organisation des Alltags nicht mehr in ausreichendem Maß bewerkstelligen können.
Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sind aktuell etwa 3000 Menschen auf die Hilfe eines rechtlichen Betreuers angewiesen – Tendenz steigend. Fast zwei Drittel davon werden ehrenamtlich betreut, überwiegend von Angehörigen. Wenn aber keine Verwandten da oder diese überfordert sind, muss diese Aufgabe von Berufsbetreuern wahrgenommen werden. Das sind zum Beispiel Rechtsanwälte oder Sozialarbeiter mit einer speziellen Ausbildung. Im Landkreis sind laut Angaben des Landratsamtes an die 70 Berufsbetreuer registriert. Alleine im Müllheimer Amtsgericht sind derzeit jedoch 600 Betreuungsverfahren anhängig. Die Berufsbetreuer, sagt Amtsgerichtsdirektor Martin Graf, seien "am Anschlag". Sie könnten nach Grafs Überzeugung wesentlich entlastet werden durch ehrenamtliche Betreuer, die in all den Fällen mit geringem Aufwand und einfachen Aufgabenstellungen einspringen könnten: Wenn die Vermögensverhältnisse geklärt sind und – bei älteren Herrschaften – der Heimaufenthalt gesichert ist.
"Um der gesetzlich normierten Subsidiarität zum Durchbruch zu verhelfen, gilt es künftig, die Bestellung eines beruflichen Betreuers auf solche Menschen zu beschränken, die einen komplexen beziehungsweise hohen rechtlichen Assistenzbedarf haben", betont auch Christian Schroff vom Fachbereich Besondere Sozialhilfe im Landratsamt. Deshalb seien rechtzeitig so genannte vorgelagerte Systeme wie Vorsorgevollmachten, Beratungsangebote oder die Bestellung einer ehrenamtlichen Betreuung zu stärken.
Um die vom Gesetzgeber geforderte persönliche Betreuung sicherzustellen haben der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald als Betreuungsbehörde und drei Vereine als Fördergemeinschaft – Sozialdienst Katholischer Männer, Sozialdienst Katholischer Frauen und Netzwerk Diakonie – 1992 einen Kooperationsvertrag geschlossen. Die Vereine, deren haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter Betreuungen übernehmen, kooperieren dabei und sprechen sich ab mit der Betreuungsbehörde und mit den Amtsgerichten.
Während der Bedarf steigt und die Kosten explodieren, fehlt es hinten und vorne an Freiwilligen, die eine solche Pflicht übernehmen würden. Vereine, Landkreis und Amtsgerichte suchen händeringend.

Wer sich für eine ehrenamtliche Betreuung interessiert, kann sich wenden an
das Landratsamt (0761/2187-2190/2187-2190),
das Netzwerk Diakonie (in Müllheim, 07631/177740, in Kirchzarten 07661/904612),
den Sozialdienst Katholischer Frauen (07633/8069090) oder
den SKM-Katholischer Verein für Soziale Dienste (0761/34621).

Außerdem veranstaltet das Amtsgericht Freiburg, Holzmarkt 2, am Mittwoch, 27. Juli, 17.30 Uhr, im Saal IV eine Informationsveranstaltung über die rechtliche Betreuung.
20.7.2011

 

Freigelassene Sicherungsverwahrte: Steht Täterschutz über Opferschutz?

Vor wenigen Tagen rief eine ältere Dame in der Stadtkurier-Redaktion an. Sie hatte ein konkretes Anliegen: Etliche Jahre zuvor sei ihre Tochter von einem einst sicherungsverwahrten Sexualstraftäter wenige Monate nach dessen Freilassung missbraucht und gewürgt worden. Die Tochter leide bis heute darunter.
Hilfe habe sie vom „Weißen Ring", nicht aber von staatlichen Institutionen erhalten. Sie, die Mutter, sei durch die Tatsache, dass in Freiburg freigelassene Sicherungsverwahrte lebten, beunruhigt. Noch mehr aber über andere Dinge: Dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vor wenigen Tagen mehreren Sex-Verbrechern hohe Entschädigungszahlungen zugesprochen habe, die für ihre Opfer unerreichbar blieben. Dass in Freiburg mehr als andernorts und wohl aus ideologischen Gründen Täter zu Opfern der Gesellschaft stilisiert, die eigentlichen Opfer aber vergessen würden. Dass oft der Schutz der Allgemeinheit niedriger gewertet werde als der individuelle Wunsch eines Verbrechers. Es gehe ihr keineswegs um eine Dämonisierung der Täter, die ja immer noch Menschen blieben, betonte die Dame. Es gehe um Gerechtigkeit. Und diese könne ihrer Meinung nach nicht darin bestehen, dass der Täterschutz über dem Opferschutz stehe. Ich habe der Dame nicht widersprochen. Mit welchen Argumenten denn auch.
20.1.2011, Dr. Stefan Ummenhofer, www.stadtkurier.de

Sicherungsverwahrung: In Freiburg 75 Leibwächter für drei frühere Straftäter
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg waren 2010/2011 frühere Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden – einige davon in Freiburg, die seitdem aufwändig bewacht wurden. In der Freiburger Justizvollzugsanstalt konzentriert Baden-Württemberg die Unterbringung von Verurteilten mit Sicherungsverwahrung. Die EGMR-Richter kritisierten, dass sich die Sicherungsverwahrung zu wenig von der Haft unterscheidet. Auch das Bundesverfassungsgericht entschied dann, dass die Sicherungsverwahrung bis 2013 komplett neu zu gestalten ist. Bund und Länder müssen die Sicherungsverwahrung nun zusammen reformieren – der Bund muss die "wesentlichen Leitlinien" vorgeben. Zwei ehemalige Sicherungsverwahrte, die in Freiburg gelebt haben, sind im Juli 2011 nach Ostdeutschland gezogen, um dort ein Therapieprogramm zu starten. Damit wohnen derzeit vier ehemalige Sicherungsverwahrte in Freiburg. Drei von ihnen werden von der Polizei nach wie vor 24 Stunden bewacht, weil sie weiter als gefährlich eingestuft werden. Allein dafür sind 75 Beamte tätig. Der Rückfall eines entlassenen Sexualtäters in Dortmund Anfang Juli 2011 hat die Debatte befeuert: Ein 49-Jähriger hatte nach dem Ende einer monatelangen Polizeiüberwachung im Januar 2011 eine Siebenjährige missbraucht. Der Mann saß bis 9/2010 in der Sicherungsverwahrung und  musste dann freigelassen werden.
19.7.2011

 

Semmelrogge fährt bekifft ohne Lappen – und erfährt in Freiburg Milde
  Der Volksmund würde sagen: bekifft und ohne Lappen. So war der Schauspieler Martin Semmelrogge im Januar auf der Autobahn im Breisgau unterwegs. Nun musste er in Freiburg vor Gericht – und bekam die mildestmögliche Strafe. Und mit vereinten Kräften des großherzigen Rechtsstaats, das spüren die zahlreichen Prozessbeobachter bald, versucht man für den Delinquenten die mildestmögliche aller Bewährungsstrafen zu basteln. Wenn auch keinen Freispruch natürlich, denn, sorry, sorry, zwei Bewährungsfristen aus früheren Posten des Strafregisters sind ja nun leider auch noch offen.....  Alles von Stefan Hupka vom 15.12.2010 bitte lesen auf
www.badische-zeitung.de/freiburg/semmelrogge-faehrt-bekifft-und-erfaehrt-in-freiburg-milde--38909952.html


Martin Semmelrogge: Kann man da noch an den Rechtsstaat glauben?
Bravo zu dem mutigen Artikel. Es erstaunt immer wieder, zu welcher Milde der Rechtsstaat fähig ist, wenn er Prominente "gleichbehandelt". Ich erinnere mich an einen jungen Mandanten, der als Ersttäter für eine Bagatelle eine Bewährungsstrafe von acht Monaten erhielt, seine Geldauflage nicht sofort bezahlen konnte und danach beim Schwarzfahren erwischt wurde. Er sitzt nun seine Strafe ab. Seine Lehre ist flöten. Der Staat zeigte sich gnadenlos, aber um gleichbehandelt zu werden, war er wohl nicht prominent genug. Wem von uns würde es der Staatsanwalt abnehmen, nicht gewusst zu haben, dass man mit einem spanischen Führerschein in Deutschland nach 30 Vorstrafen im Verkehrsbereich und Führerscheinentzug nicht fahren darf? Wer nimmt es dem Bürger übel, wenn er nicht mehr an den Rechtsstaat glaubt?  
20.12.2010, Oliver Kloth, Teningen

 

25 Jahre Betreuungsverein SKM Breisgau-Hochschwarzwald

Elisabeth U. ist froh. Nach einem großen Familienstreit sah sie das Schlimmste kommen – sie hatte den Eindruck, dass ihre Familie nur noch darauf wartet, ihr Erbe anzutreten und sich bis dahin nicht mehr um sie kümmert. Dabei ist so viel zu tun: Dutzende ungeöffnete Briefe liegen im Küchenschrank, viele Rechnungen, der Rentenbescheid und dazwischen die Mahnung für ein Glücksspiel, an dem sie angeblich teilgenommen haben soll. Jetzt erhält Elisabeth U. endlich Unterstützung: Ein ehrenamtlicher rechtlicher Betreuer des SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste in der Region Breisgau-Hochschwarzwald; früher: Sozialdienst katholischer Männer), der im Nachbardorf wohnt, besucht sie. "Wie schnell der junge Mann die ganze Post sortiert hat, das hätte ich nicht gedacht", sagt sie. Jede Menge Werbung landet direkt im Papierkorb, die wichtigsten Briefe werden gemeinsam angeschaut, ein dringender Antrag ans Sozialamt wird gestellt und das meiste wandert in einen Aktenordner. Nach mehreren Gesprächen geht es nicht mehr um die Rechnungen. "Ich will solange es irgendwie geht in meinem Haus wohnen bleiben. Ich bin froh, dass mein Betreuer sich dafür starkmacht", so Elisabeth U. eter Büche, neuer Geschäftsführer des SKM Breisgau-Hochschwarzwald: "Verpflichtet sind rechtliche Betreuer einzig und allein dem Willen und Wohl des Betreuten. Dieser Grundsatz steht im BGB und gilt immer – egal, ob der Betreute Demenz hat oder eine psychische Erkrankung oder ob jemand nach einem Verkehrsunfall im Koma liegt. Jeder Betreute ist anders. Daher ist es besonders für ehrenamtliche Betreuer wichtig, einen Ansprechpartner zu haben. Sie können sich mit allen Fragen rund um die rechtliche Betreuung an uns wenden. Wir helfen gerne, geben Informationen, vermitteln wo nötig und helfen auch mal bei unangenehmen Dingen wie der Berichterstattung ans Amtsgericht. Rechtliche Betreuer werden nämlich vom Gericht kontrolliert." Der SKM bietet auch Fortbildungen an, zum Beispiel einen Einführungskurs ins Betreuungsrecht. Außerdem informiert er die Öffentlichkeit durch Vorträge und Informationsmaterial zu den Themen Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung.

120 ehrenamtliche Helfer engagieren sich
Der SKM feiert in diesem Herbst sein 25-jähriges Bestehen. Mit 120 ehrenamtlichen und drei hauptamtlichen Mitarbeitern ist der SKM der größte Betreuungsverein im Landkreis. Im Rahmen der Jubiläumsfeier übernahm Peter Büche vom bisherigen Geschäftsführer Max Blechschmidt offiziell die Geschäftsführung und die Arbeit mit den Ehrenamtlichen des SKM. Max Blechschmidt erzählt: "Vor 25 Jahren bekam ich den Auftrag, als Hauptamtlicher den Ehrenamtlichen zur Seite zu stehen. Es existierten bereits Gruppen in Müllheim und Bad Krozingen, die damals noch Vormundschaften und Pflegschaften führten und sich um soziale Notlagen in ihren Gemeinden kümmerten. Gemeinsam mit Ehrenamtlichen ergriff ich die Initiative und wir gründeten den SKM, damals noch ’Sozialdienst katholischer Männer’. Durch die hauptamtliche Begleitung fanden sich immer mehr Ehrenamtliche, die sich heute als Betreuerinnen und Betreuer engagieren und sich in Ortsgruppen zusammenschließen. Zuletzt wurde die Gruppe im Hochschwarzwald gegründet." Nach über 25 Jahren im Dienst des SKM geht Max Blechschmidt in den Ruhestand. Im Rahmen der Jubiläumsfeier wurde er herzlichst verabschiedet und seine langjährige Arbeit wurde gewürdigt.
5.11.2010

 

Verein Neustart: Neue Ehrenamtliche für Bewährungshilfe

Sieben neue ehrenamtliche Bewährungshelferinnen und -helfer hat der gemeinnützige Verein "
Neustart
", der seit drei Jahren die Bewährungshilfe in Baden-Württemberg betreibt, jetzt für sein Freiburger Team verpflichtet. Die Frauen und Männer mit ganz unterschiedlichen Berufen sind zwischen 24 und 73 Jahren alt und erweitern nun nach einem Einführungsseminar die Gruppe der bisher hier tätigen 15 Ehrenamtlichen. Insgesamt arbeitet "Neustart" nach eigenen Angaben im Baden-Württemberg mit 420 haupt- und 360 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die jährlich knapp 22 000 Menschen in der Bewährungshilfe betreuen.
9.3.2010

 

Sechs ehrenamtliche BewährungshelferInnen in Freiburg

Je drei Frauen und drei Männer sind es zur Zeit in Freiburg, die die 13 Hauptamtlichen in der Bewährungshilfe unterstützen. Von denen haben jede und jeder laut der hauptamtlichen Bewährungshelferin Marianne Birrer zwischen 85 und 90 Menschen zu betreuen, die eine Bewährungsstrafe erhielten. "Da haben wir als Ehrenamtliche eben mehr Zeit", erklärt Angelika Winkler, die seit einem dreiviertel Jahr dabei ist. Ihr Beweggrund: "Ich wollt’ schon immer was ehrenamtlich machen, aber eben was Anspruchsvolleres." So kam sie zu "Neustart", ließ sich schulen und erfuhr auch, dass die Ehrenamtlichen keine Täter mit Sexualdelikten oder schweren Gewalttaten zugewiesen bekommen. Angelika Winkler trifft sich mit ihrem Klienten etwa alle drei bis vier Wochen. Dabei geht es vor allem um Hilfe, den Alltag zu bewältigen. Schuldenregulierung ist ein großes Thema, oder etwa Unterstützung der Bereitschaft, eine Lehrstelle zu suchen.
Alles von Gerhard M. Kirk vom 25.8.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/wir-haben-eben-mehr-zeit


 

Im Schnitt ist der Freiburger Weiße Ring pro Jahr mit bis zu 150 Straftaten und etwa 300 Gesprächspartnern befasst. Werner Wagner hat in seinen 14 Jahren als Leiter rund 2000 Opfer betreut. An die 550 000 Euro konnte er für sie lockermachen. Zwei volle Arbeitstage pro Woche habe er dafür ehrenamtlich gearbeitet – was Beate Hauser noch für untertrieben hält.

http://www.badische-zeitung.de/manchmal-sind-es-die-kleinen-dinge

 

Jugendliche in US-Gefängnissen: Weggeschlossen für immer

Zwei Leserbriefe zu "Weggeschlossen für immer", BZ vom 17.1.2009 von Stefan Scheytt
(leider online nicht verfügbar)

Christlich und doch gnadenlos
Nimmt man zur Kenntnis, dass es in den USA pro einer Million Einwohner mehr als achtmal so viel Gefängnisinsassen gibt als in Deutschland (ein Viertel der weltweit Inhaftierten – 2,3 Millionen Menschen leben in US-Gefängnissen) und zieht man gleichzeitig in Betracht, dass dort rund 60 Prozent, in Deutschland aber nur 20 Prozent der Einwohner regelmäßig Gottesdienste besuchen, so könnte ein Zyniker einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Religiosität und Neigung zu Gewaltverbrechen herstellen. Er würde dafür sogar fundierte Begründungen in der Bibel finden, denn dieses Buch verherrlicht über weite Strecken Unrecht und Gewalt.
Doch das soll nicht unser Anliegen sein. Erschreckend an diesen Zahlen und den Aussagen des Artikels ist etwas anderes: Wie kann eine tief religiöse, christliche Gesellschaft so gnaden- und erbarmungslos mit ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern umgehen? Teenager, denen Straftaten nicht einmal eindeutig nachgewiesen wurden, werden lebenslang eingesperrt, ohne die Möglichkeit einer Bewährung, ohne Gnade. Dabei lehrte Jesus doch Barmherzigkeit und Vergebung, wie bei Matthäus 18;21, Lukas 17;4 oder Epheser 4;32 nachzulesen und wie allsonntäglich in den Gottesdiensten verkündet. Die Religiosität ist hier wohl nur ein Lippenbekenntnis, im Alltag gilt das altertümliche Gesetz der Rache und Vergeltung. Letztlich belegt auch das Familiendrama der Strafgefangenen Courtney Schulhoff diese Vermutung: Die seltsamen Enthaltsamkeitsregeln der strenggläubigen Mormonen hält die Familie nicht durch, sie zerfällt, endet in Trunksucht, es kommt wohl zur Vergewaltigung der 16-jährigen Tochter durch den eigenen Vater. Ist es verwunderlich, dass diese dann ausrastet und – möglicherweise – ihren Freund auf den Vaters hetzt? Schaut man ins Gesicht dieses Kindes (der Artikel ist mit Foto versehen), so kann man nur wütend werden über eine Gesellschaft, die diesem und vielen anderen Mädchen jede Möglichkeit einer Umkehr, eines Neubeginns lebenslang verweigert. Und ebenso anderen Strafgefangenen. In Europa hat glücklicherweise die Aufklärung dazu beigetragen, dass nicht Rache und Vergeltung, sonder Sühne und Resozialisierung den Umgang mit Straftätern bestimmen
24.1.2009, Joachim Hradetzky, Freiburg
Die unendliche Bigotterie der Führungsschicht
Was ist das für ein zutiefst unchristliches Volk, das selbst 14-jährigen Straftätern auf Lebenszeit jegliche Zukunftsperspektive, jegliche Verzeihung verweigert, das trotz zahlreicher festgestellter Fehlurteile an der Todesstrafe festhält? Diese Haltung demaskiert die unendliche Bigotterie, insbesondere der Führungschicht dieses Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger
24.1.2009, Rechtsanwalt Ingo Braun, Notar a.D., Schönau

 

Privatunternehmen Neustart verpflichtet 15 ehrenamtliche Bewährungshelfer

Mit Handschlag verpflichtete am Dienstagabend "Neustart"-Geschäftsführer Georg Zwinger fünf Frauen und zehn Männer als erste ehrenamtliche Bewährungshelferinnen und -helfer im Großraum Freiburg. Damit geht der nicht unumstrittene Sonderweg Baden-Württembergs, als einziges der 16 Bundesländer die zuvor staatliche Bewährungshilfe in die Hände einer privaten Firma zu geben, in eine neue Phase.

Im Rokoko-Saal des Historischen Kaufhauses erhielten die 15 neuen Ehrenamtlichen ihren "Neustart" -Dienstausweis und gelobten, das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik zu achten. Der mit Erfahrungen aus Österreich nach Baden-Württemberg gekommenen gemeinnützigen GmbH hatte die Landesregierung zu Beginn des Jahres 2007 die Bewährungshilfe für mehr als 20 000 Menschen übertragen, die im Land zu einer Strafe "auf Bewährung" verurteilt sind. Im Raum Freiburg sind es nach Angaben von Peter Wack, dem Leiter der Freiburger Einrichtungszentrale, etwa tausend Frauen und Männer, von denen durchschnittlich 90 bis 100 von einem hauptamtlichen Bewährungshelfer betreut werden müssen — eine Betreuung, die viele eher als bloßes Verwalten kritisieren. Deshalb sollen nun verstärkt von "Neustart" geschulte Ehrenamtliche die Hauptamtlichen entlasten. Was dabei auf sie zukommen wird, drückte der Präsident des Landgerichts Freiburg Jochen Teigeler während der Verpflichtungsfeier so aus: "Sie tummeln sich nicht im Feld der schönen Künste, sondern haben es zu tun mit Gewalt, Drogen und Verbrechen aus Habgier." Darum sollen Ehrenamtliche mit ihrer Lebenserfahrung auch nicht alle, die "auf Bewährung" sind, betreuen. Mit ihrer Arbeit im Interesse der Öffentlichkeit, so Georg Zwinger, könnten sie freilich den Hauptamtlichen mehr Freiraum schaffen, "sich stärker um die Problemfälle zu kümmern" . Für Kritiker der Privatisierung, oft selbst Bewährungshelfer, ist das Ganze dagegen eine "unverantwortliche Fehlentwicklung". Keineswegs ausgebeutet fühlt sich indes Petra Schwarz, eine der 15 Ehrenamtlichen. Die Freiburger Einzelhandelskauffrau rechnet damit, höchstens ein bis zwei verurteilte Menschen zugeteilt zu bekommen, und freut sich schon darauf, dass es nach der Schulung nun losgeht. Dass sie sich für dieses ungewöhnliche Ehrenamt entschieden hat, begründet die 48-Jährige so: "Ich mache schon seit zehn Jahren ehrenamtliche Jugendarbeit und betreue seit sieben Jahren straffällig gewordene Jugendliche." Auch Uwe Lindemann ist schon lange ehrenamtlich tätig, beriet früher zum Beispiel in Sachen Kriegsdienstverweigerung. Und als er in der BZ las, dass "Neustart" ehrenamtliche Bewährungshelfer sucht, dachte der Diplomingenieur, das könne etwas für ihn sein. Denn, sagt der 43-Jährige: "Mir geht es gut im Leben, und ich sehe in diesem Ehrenamt die Chance, Menschen, die aus der Spur geraten sind, meinen Lebensmut weiterzugeben und ihnen ein positives Lebensgefühl zu vermitteln."
gmk, 20.10.2008, BZ

 

Prozess enthüllt mafiöse Strukturen in Freiburgs Knastalltag

Drei aus Russland stammende Häftlinge verprügelten einen türkischen Mithäftling, weil er der Polizei Tipps gab

Etwas aus dem Innenleben der Freiburger Justizvollzugsanstalt im Stadtteil Herdern ist an die Öffentlichkeit gedrungen bei einem Prozess, der unter starken Sicherheitsvorkehrungen im Amtsgericht stattgefunden hat. Drei aus Russland stammende Strafgefangene sind zu jeweils 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden, weil sie im Herbst vergangenen Jahres einen türkischen Mitgefangenen zusammengeschlagen und schwer verletzt hatten. Der Mann hatte mit der Polizei zusammengearbeitet und Hinweise auf den Aufbau und die Funktionsweisen der mafiösen Gemeinschaft "Diebe im Gesetz" gegeben, die als verlängerter Arm der organisierten Kriminalität gilt und den Schmuggel und Handel mit Drogen hinter den Anstaltsmauern fest im Griff hat. Von uniformierten Polizisten schwer bewacht, in Handschellen und mit Fußfesseln, mussten die drei Angeklagten im Alter zwischen 38 und 42 Jahren vor dem Richter Platz nehmen. Die Anklage der gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung stützte sich auf die Angaben des Opfers und von Mitarbeitern der Vollzugsanstalt. Danach war der Mann in der Dusche angegriffen und durch Tritte, Stöße und Schläge schwer verletzt worden. Extra per Hubschrauber von einem unbekannten Ort aus eingeflogen hatte das Opfer, das seit 1993 im Knast saß und das mittlerweile abgeschoben wurde, seine Aussage vor dem Strafrichter gemacht. Der Verdacht, die drei in Russland gebürtigen Deutschen hätten den Mann wegen seiner Zusammenarbeit mit der Polizei so schwer verletzt, erhärtete sich durch die Aussagen eines Kriminalbeamten. Der bestätigte, dass der Mann wertvolle Hinweise auf die Organisation und ihre Regeln und Gebräuche in den Justizvollzugsanstalten nicht nur in Freiburg, sondern in ganz Baden-Württemberg gegeben hatte. Dank dieser Hinweise wurden mehrere Häftlinge verurteilt. Die Aussagen des Mannes, der wohl gehofft hatte, dank seiner Kooperation einer Abschiebung zu entgehen, wurden im Prozess lediglich verlesen — er war eine Woche zuvor in sein Heimatland abgeschoben worden. Der Mann schilderte, wie Häftlinge und deren Angehörige unter Druck gesetzt werden, um Drogen und Handys ins Gefängnis zu schmuggeln. Er selbst will im Laufe der Jahre an eine hohe Position innerhalb der Organisation gerückt sein. Die Angeklagten stritten eine Beteiligung ab oder schwiegen. Dass es innerhalb der Mauern der Justizvollzugsanstalt mit ihren mehr als 700 Insassen eine Organisation gibt, die als verlängerter Arm der russischen Mafia gilt, bestätigt auf Nachfrage der stellvertretende Leiter, Gerhard Maurer-Hellstern. Rund 100 der Insassen sind in Russland gebürtig. Für Maurer-Hellstern ist der Prozess ein wichtiges Signal bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität hinter den Anstaltsmauern. Übergriffe auf Mithäftlinge würden nicht nur anstaltsintern disziplinarisch, sondern auch strafrechtlich verfolgt. Jeden Monat, so die Leitung der Justizvollzugsanstalt, komme es zu solchen Übergriffen.
Peter Sliwka , 30.9.2008, www.badische-zeitung.de

 

Jugendliche U-Häftlinge arbeiten mit Hunden - Modellprojekt

Eine Schule für Mensch und Hund / Im Freiburger Gefängnis haben jugendliche Untersuchungshäftlinge mit Hunden gearbeitet und dabei viel gelernt

Das mit dem Kinofilm, sagt Gefängnisleiter Thomas Rösch, sei reiner Zufall: "Wir hatten die Idee mit den Hunden schon viel früher!" Seit kurzem läuft "Underdogs" in den Kinos, ein Spielfilm über Häftlinge, die im Knast Welpen zu Blindenhunden ausbilden — und nebenbei lernen, mit ihrer Neigung zur Gewalt besser umzugehen. Schon seit Anfang Juli bekommen auch in der nicht-fiktionalen Freiburger Justizvollzugsanstalt jugendliche Untersuchungshäftlinge Besuch von Hunden: Ein Modellversuch, der auf jeden Fall fortgesetzt werden soll. Sven Alexander Altmann läuft durch die Sporthalle im Freiburger Gefängnis. Der 21-Jährige führt Tipota an der Leine, eine kleine, neugierige Mischlingshündin. Das heißt, eigentlich führt sie meist ihn: Tipota läuft hierhin und dorthin, beschnüffelt die anderen vier Jungs, die auf einer Bank am Rand sitzen, und rennt wieder los. Sven zieht ein bisschen an der Leine, lacht und läuft hinter ihr her. "Jetzt geht sie mit dir spazieren, Sven", sagt Thomas Kern. Kern ist Hundetrainer aus Emmendingen, "Verhaltensschule für Mensch und Hund" steht auf seinem T-Shirt. Zum fünften — und vorerst letzten — Mal ist er heute im Freiburger Gefängnis zu Besuch. "Wir wollten einfach sehen, wie das funktioniert" , sagt er. Wir, das ist außer ihm vor allem Angelika Musella. Die Freiburger Strafverteidigerin, die viel mit gewalttätigen Jugendlichen arbeitet, hat das Projekt angestoßen, nachdem sie von ähnlichen Versuchen zum Beispiel in den USA gelesen hatte. "Außerdem habe ich seit klein auf Spaß an Hunden" , sagt sie. Tipota gehört ihr, auch ihren anderen Hund, die bärenhaft gemütliche Leonberger Hündin Claudine hat sie mit ins Gefängnis gebracht. "Laufen an der Leine" heißt die heutige Trainingseinheit. "Eine ganz schwierige Aufgabe" , sagt Thomas Kern, "dabei kommt es extrem auf die Körpersprache an." Jetzt ist Richy F. dran, er hat Claudine an der Leine. Sie neigt nicht zum Herumtoben wie die kleine Tipota. Sie bleibt gerne stehen. "Du musst wissen, wo du hinwillst, und ihr das zeigen" , sagt Kern. Wie Musella arbeitet er ehrenamtlich an dem Versuch mit. 22 jugendliche Untersuchungshäftlinge bis 21 Jahre warten in der Freiburger JVA auf ihren Prozess, die meisten sind wegen Gewaltdelikten hier. Sieben von ihnen haben sich freiwillig für das Hundetraining gemeldet, zwei sind wieder abgesprungen, die fünf anderen sind noch dabei — und traurig, dass sie schon wieder Abschied nehmen müssen von den Hunden. "Wir wollen auf jeden Fall weiter machen" , sagt Anstaltsleiter Thomas Rösch. "Uns geht es nicht darum, nur eine Show zu veranstalten." Man arbeite an einem größeren Konzept unter dem Titel "Freiburger Justiz gegen Gewalt" , das im Hebst beginnen soll. Ein Förderverein sei bereits gegründet, "und Geld haben wir auch schon locker gemacht" , sagt Rösch. Die ersten Erfahrungen bei der Arbeit mit den Hunden sollen jetzt mit Hilfe des Freiburger Kriminalpsychologen Helmut Kury und seiner Studentin Lily Merklin ausgewertet werden. Merklin hat ihre Diplomarbeit über Tiere im Strafvollzug geschrieben und sagt: "Die Stimmung im Gefängnis verändert sich ganz deutlich — sie ist weniger gewalttätig" . Im Training könnten die Häftlinge üben, sich auf die unterschiedlichen Tiere einzulassen und ohne Aggression deutlich zu machen, was sie wollten. Denis I. soll zum Ende des Trainings Eddi deutlich machen, dass jetzt Zeit für Ruhe ist. "Wenn Du ihn an der Leine hast, ruhig neben ihm sitzt und ihn ignorierst, hört er auch auf, herumzutoben" , sagt Kern. Sven sitzt mit Tipota neben ihm: "So eine hübsche Lady kann ich doch nicht ignorieren" , sagt er und grinst. Die beiden haben Freundschaft geschlossen, zwischendurch ist sie sogar eine Weile einfach mit ihm mitgelaufen — ein Erfolg. "Man muss sich voll auf die einzelnen Hunde und die Körpersprache konzentrieren" , sagt Sven. Früher habe er sogar Angst gehabt vor Hunden — und hätte nie gedacht, dass sie so umgänglich sein können, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. "Das war richtig viel Arbeit" , sagt er. "Aber sie haben wirklich was gelernt."
Thomas Goebel , 4.8.2008, BZ

 

Weißer Ring Freiburg: Beate Hauser löst Werner Wagner ab

Opfer einer Straftat sein — "das kann einen Menschen sein Leben lang begleiten und seine Lebensqualität mindern" . 14 Jahre lang hat Werner Wagner das immer wieder erfahren, wenn Menschen zu ihm kamen und nicht mehr weiter wussten. Denn 14 Jahre lang hat der frühere Leiter des Polizeireviers Nord die Freiburger Außenstelle des Weißen Rings geleitet. Gestern nun wurden er in der Gerichtslaube verabschiedet und Beate Hauser als seine Nachfolgerin eingeführt. Eigentlich wollte er dieses Ehrenamt ja nur bis zu seinem 65. Lebensjahr machen. Doch dann fühlte er sich so sehr verantwortlich für die Menschen, die Opfer einer Gewalttat und mit den Folgen für Seele, Körper und Geist allein gelassen wurden, dass Werner Wagner übers Helfen 73 Jahre alt geworden ist. "Sie sind einfach völlig verunsichert, wissen nicht, wie’s weitergeht — da hören wir zu, vermitteln erste Kontakte zu Anwälten und Psychotherapeuten." Bis zu zehn Anrufe pro Woche erhält der Weiße Ring in Freiburg (Telefon: 0761/131 066) und hilft in Notlagen auch finanziell, um größere seelische oder soziale Schäden zu verhindern.
 "Die Menschen resignieren schnell, wir reißen sie aus ihrer Lethargie heraus, sich abzufinden", sagt Werner Wagner, den der baden-württembergische Vorsitzende des Weißen Rings, Gosbert Müller, am Montag mit großem Lob und nicht weniger Dank verabschiedete. Mit Beate Hauser, so Müller, gebe es nun als Nachfolgerin eine erfahrene Fachfrau. Die 55-Jährige arbeitete 20 Jahre lang bei der städtischen Jugendgerichtshilfe und ist Geschäftsführerin der Kommunalen Kriminalprävention. Ihre Erfahrung mit dem Täter-Opfer-Ausgleich und ihr Engagement, Zivilcourage zu stärken, sind für die Sozialarbeiterin gute Voraussetzungen für ihre neue ehrenamtliche Aufgabe. Neben den regelmäßigen Sprechstunden, neben dem täglichen Abhören des Telefonanrufbeantworters, neben der Zusammenarbeit mit anderen Stellen scheint Beate Hauser vor allem dies besonders wichtig: "Die Menschen brauchen jemanden, der ihnen zuhört — und einen Raum, wo sie, die Opfer, sich ausdrücken können."
gmk, 3.6.2008, BZ

 


Bewährungshilfe privatisieren: Faktisch ein Stellenabbau

Ein ehemaliger Bewährungshelfer schreibt zum neuen System ("Private Firma für straffreie Zukunft" , BZ vom 2. April).
Ich war als Bewährungshelfer sowohl noch im staatlichen als auch im privaten System tätig. Ihr Artikel liest sich wie ein Werbeblatt für "Neustart". Die Privatisierung der Bewährungshilfe war ein politisch höchst umstrittener Prozess. Fast alle Kriminologen und Bewährungshelfer stehen der Übertragung dieser hoheitlichen Aufgabe auf einen freien Träger ablehnend gegenüber. Die Aussage, dass die Situation vor 2007 verheerend gewesen sei, finde ich verletzend und schlichtweg falsch. Faktisch hat ein Stellenabbau stattgefunden, da Neustart ehemalige Bewährungshelfer von Sozialarbeitern zu Führungskräften beordert hat, die keine eigentliche Klientenarbeit mehr leisten. Vergessen wird auch nicht, dass noch immer der Richter über die Bewährung entscheidet. Kollegen wurden bei der Entwicklung von fachlichen Standards nicht miteinbezogen, stattdessen strenge Vorgaben von der Neustart-Geschäftsführung aufgestellt. Hierdurch fühlen sich die Kollegen selbstverständlich abgewertet. Schon vor der Privatisierung wurde die Arbeit der Bewährungshelfer hoch geschätzt, auch ohne die "Verpackung" durch Hochglanzbroschüren und den Einsatz von Marketingexperten, wie es nun der Fall ist. Diese Fehlentwicklung ist mittlerweile auch bei den Richtern angekommen. Ehrenamtlichen die volle Fallverantwortung zu übertragen, also Hilfe und Kontrolle gleichzeitig zu leisten, halte ich für unverantwortlich. Ein Ehrenamtlicher möchte Anerkennung für seinen Einsatz. Die gibt es von "Zwangsklienten" nicht. Dem Staat geht es eindeutig ums Geld sparen, Neustart um den Verkauf und die Verpackung eines bereits vorhandenen und funktionierenden Instrumentes. Beide arbeiten hierbei Hand in Hand zusammen, und dies unter dem Siegel der angeblichen Qualitätsverbesserung.
BZ-Leserbrief vom 21.4.2008 von Andreas Irsch, Freiburg, ehemaliger Bewährungshelfer

 

Wolfgang Müller erhielt Verdienstmedaille: Ehrenamt in JVA Freiburg

Wolfgang Müller, ehrenamtlicher Betreuer der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg, wurde von Bundespräsident Horst Köhler mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Im Rahmen einer Feierstunde in Stuttgart überreichte Landesjustizminister Ulrich Goll die Medaille an Müller. Wie der Leiter der Freiburger JVA, Thomas Rösch, erklärt, ist die Auszeichnung für Wolfgang Müller hochverdient. Seit 1981 sei er in der JVA mit großem Engagement in einem schwierigen sozialen Umfeld tätig. In dieser Zeit betreute er Gefangene, die mit der Sicherungsverwahrung belegt wurden, Menschen, die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurden, aber auch Gefangene mit kürzeren Haftzeiten. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass Müller besonders geeignet war, Inhaftierte auf ihrem Weg in die Freiheit zu begleiten und zu unterstützen. Vor allem für alleinstehende Gefangene war und ist Müllers Unterstützung, wie es in der Antragsschrift zur Ordensverleihung heißt, ein große Hilfe.
10.4.2008, BZ

 

Weißer Ring Freiburg zum Tag des Kriminalitätsopfers

Der heutige 22. März ist der "Tag des Kriminalitätsopfers" . Warum es diesen Tag gibt, darüber sprach Frank Zimmermann mit Werner Wagner. Der 73-Jährige war von 1971 bis 1994 Chef des Polizeireviers Nord und leitet seit 14 Jahren die Freiburger Außenstelle des Weißen Rings, in der fünf ehrenamtliche Mitarbeiter Opfer von Verbrechen beraten.

BZ: Herr Wagner, der 22. März ist der "Tag des Kriminalitätsopfers" . Weshalb gibt es diesen Tag?
Wagner: Den Tag gibt es in Deutschland und europaweit seit 1991. Er will das Bewusstsein der Gesellschaft für die Belange der Opfer schärfen, die früher schlichtweg vergessen wurden und auch heute noch benachteiligt sind. Vieles hat sich inzwischen verbessert, es gibt heute Gesetze, die die Rechte der Opfer festgeschrieben haben. Zum Beispiel gibt es seit 2004 ein Gesetz, das den Opfern garantiert, dass ihnen bei bestimmten schweren Straftaten — etwa bei Vergewaltigungen oder Tötungsdelikten — ein Anwalt auf Staatskosten zur Seite gestellt wird. Früher wurden die Opfer nur als Objekte — als Zeugen einer Straftat — gesehen, sie mussten weitgehend alleine mit ihrem Schicksal, mit den psychischen und existenziellen Folgen der Tat fertig werden. Heute kümmern sich Politik, Justiz und die Polizei um sie. Aber auch wenn sich das wesentlich verbessert hat, so gibt es dennoch viele Delikte — zum Beispiel gefährliche Körperverletzung mit Langzeitfolgen, Entführungen oder Geiselnahmen — , bei denen das Opfer entweder selbst für einen Anwalt sorgen oder Prozesskostenhilfe beantragen muss.
BZ: Da kommt der Weiße Ring ins Spiel?
Wagner: Ja. Wir vom Weißen Ring helfen beispielsweise, dass ein Opfer auf unsere Kosten eine Rechtsberatung von einem Anwalt oder einer Anwältin bekommt. Oder wir finanzieren zeitnah eine Erstberatung bei einem Psychologen. Denn Opfer wissen häufig nicht, wie sie mit dem Erlebten umgehen sollen.
BZ: Wer kommt zu Ihnen in die Beratung?
Wagner: Menschen, die geschlagen, überfallen oder beraubt wurden. Menschen, auch Kinder, die sexuell missbraucht oder Opfer von häuslicher Gewalt wurden. Und — Stichwort "Stalking" — Menschen, die von ehemaligen Partnern schikaniert und bedroht werden, sei es per SMS, E-Mail, Brief oder wie auch immer, und von denen manche seelisch schwerer verletzt worden sind als durch einen körperlichen Angriff.
BZ: Können Sie einen Fall schildern?
Wagner: Ein junger Mann bekommt von einer Gruppe heranwachsender Menschen, die Streit gesucht hat, einen Holzpfahl ins Gesicht gerammt; er ist dadurch sein Leben lang beeinträchtigt. Er muss aufgrund der Verletzungen seine Arbeit aufgeben und seine kleine Firma auflösen. Heute lebt er von Hartz IV. So ein Mensch kann wirklich verzweifeln, er fängt an zu zittern, wenn er auf der Straße an einer Gruppe Jugendlicher vorbeigeht.
BZ: Noch ein Beispiel?
Wagner: Eine ausländische Studentin hat von einem Unbekannten im Vorbeifahren eine Flasche ins Gesicht geschlagen bekommen — für diese Frau ist das ein erschütterndes Erlebnis. Ihre Zähne waren beschädigt, da mussten wir kämpfen, dass sie die optimale Zahntechnik bekommt. Wir sorgen für den Ausgleich, wenn die Versicherung nicht die optimale Leistung bezahlt. Oder wenn etwa eine vergewaltigte Frau nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung, die der Tatort war, leben will, dann würden wir auch da finanziell beistehen. 2007 haben uns rund 120 Menschen aufgesucht, davon haben 79 finanzielle Hilfe bekommen; insgesamt haben wir im vergangenen Jahr 44 000 Euro an Opferhilfe ausgegeben. Im Schnitt sind das Menschen zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr, aber auch Kinder.

Opfer in Freiburg
2007 stieg in Freiburg die Zahl der Opfer um 4,8 Prozent (172) auf 3755 an, davon waren 67 Prozent männlich und 33 Prozent Frauen. Die Unter-21-Jährigen, die 18,7 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind bei Raub und gefährlicher/schwerer Körperverletzung besonders stark unter den Opfern vertreten, ihr Anteil beträgt 43 bzw. 40,5 Prozent. 3,8 Prozent der Oper waren über 60; 6,7 Prozent Kinder; 12,3 Prozent Jugendliche (14 bis 17 Jahre);13,1 Prozent Heranwachsende (18 bis 21).

22.3.2008, Ganzen Artikel auf www.badische-zeitung.de lesen

 

Laien als Richter ohne Robe - Freiwillige Schöffen gesucht

Richter ohne Robe — so werden Schöffen gerne genannt. Denn die Laien, die als Vertreter der Bevölkerung ehrenamtlich an Strafverfahren mitwirken, sind auch ohne Amtstracht genauso verantwortlich für das Urteil wie der hauptamtliche Richter. In vielen Fällen können sie ihn sogar überstimmen. Zurzeit sucht die Stadt Freiburg wieder nach Freiwilligen für den Schöffendienst am Amts- und Landgericht; melden sich nicht genug, könnten Bürger sogar zwangsverpflichtet werden.

"Schöffe zu sein bedeutet für mich, auch die andere Seite des Lebens zu sehen" , sagt Bernd Steyer. Hauptberuflich ist er Vorstandssprecher von Oekogeno, einer ökologisch ausgerichteten Finanzgenossenschaft in Freiburg. Vor vier Jahren erzählte ihm ein Bekannter, dass noch Schöffen gesucht werden, und er bewarb sich. Etwa achtmal im Jahr sitzt er nun als ehrenamtlicher Richter am Amtsgericht Freiburg. Wenn sich eine Verhandlung über mehrere Tage zieht, kommen noch weitere Termine dazu. In etwa 70 Prozent der Verfahren, an denen er beteiligt ist, gehe es um Drogen, schätzt Steyer, oft auch in Verbindung mit Gewalt. "Das ist ein Teil der Gesellschaft, den man sonst gerne ausblendet" , sagt er. "Solche Entwicklungen wie Jugendkriminalität bekommt man normalerweise nur aus der Presse und sehr distanziert mit. Hier habe ich die Möglichkeit herauszufinden, wie die Umstände sind." Am Ende der Verhandlung müssen die Schöffen in gemeinsamer Beratung mit dem Berufsrichter zu einem Urteil kommen. Bei den meisten Verfahren sind es zwei Laien und ein Profi — hier haben die Schöffen die Möglichkeit, den hauptamtlichen Richter zu überstimmen. "Solch eine Palastrevolte habe ich noch nicht erlebt" , sagt Steyer — "aber dass sie möglich ist, hat einen demokratischen Reiz." Das ist die Idee der Schöffen: Sie sollen die Bevölkerung repräsentieren. Im Prinzip kann jeder Deutsche Schöffe werden (siehe Info-Box), die Vorschlagsliste der Stadt für die neuen Schöffinnen und Schöffen soll möglichst alle Gruppen der Bevölkerung umfassen. 430 Namen standen vor vier Jahren auf der Liste — es müssen doppelt so viele sein, wie es Schöffen am Freiburg Amts- und Landgericht gibt. Das Verfahren ist klar geregelt: Der Gemeinderat beschließt die lange Liste, aus der das Gericht dann die Schöffen für die neue Amtsperiode wählt. Diese dauert dieses Mal fünf Jahre, nämlich von 2009 bis 2013. Weniger klar ist allerdings, wie die Kandidaten auf die Liste kommen. Neben freiwilligen Bewerbern können auch Parteien, Vereine oder Verbände geeignete Personen vorschlagen. Reicht das nicht aus, kann die Stadt weitere Bürgerinnen und Bürger verpflichten — zum Beispiel per Zufallswahl aus dem Melderegister. "Daran hat die Stadt aber gar kein Interesse" , beschwichtigt Stadtsprecherin Edith Lamersdorf — "und das ist bei den letzten Wahlen auch nie vorgekommen!" Bisher sind bei der Stadt 184 Bewerbungen eingegangen, die Verwaltung ist optimistisch, auch dieses Mal genug Freiwillige zu finden. Bernd Steyer will sich wieder bewerben. Er findet es sinnvoll, dass die Bevölkerung als Schöffen in die Strafverfahren eingebunden ist, auch wenn er die Drogendelikte oft frustrierend findet: "Manchmal wünsche ich mir, dass es eine Rückkopplung zum Anfang der Probleme gäbe — wenn man noch helfen könnte, statt strafen zu müssen."
Thomas Goebel , 26.2.2008, www.badische-zeitung.de

Informationsveranstaltung zur Wahl der Schöffen am Mittwoch, 27. Februar, 19 Uhr, im Theatersaal der Volkshochschule Freiburg, Rotteckring 12, statt. www.schoeffen.de

 

 

 

 

Jugendarrestanstalt in Müllheim - Viele Vorurteile stimmen nicht

Wegsperren ist die einfachste Lösung. Und für den Staat viel billiger als Prävention, denn Sozialarbeit kostet Geld. Jugendkriminalität ist ein Thema, aber nicht als Wahlkampf-Parole geeignet, betont der SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Bayer. Er sprach in Müllheim mit der Direktorin des Amtsgerichtes und Leiterin der Jugendarrestanstalt, Dagmar Thalmann.

Eine Debatte um Jugendgewalt sei nur dann hilfreich, wenn Ursachen hinterfragt und Perspektiven einer sozialstaatlichen Verantwortung aufgezeigt werden, betonte Bayer. Die Forderung einzelner Politiker, vom 18. Lebensjahr an generell das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden, halte er, wie auch Fachleute, für völlig falsch, denn: "Jeder Einzelfall hat eine Biografie" . Absolut untauglich sei auch der Ruf nach einer Absenkung der Strafmündigkeit. Diese soll beim Alter von 14 Jahren bleiben. Diese Ansichten unterstützt Dagmar Thalmann. Für die Jugendrichterin liegt der Schwerpunkt in Erziehung, dem Versuch,
die Lebensführung positiv zu beeinflussen. Man müsse den jungen Menschen bei den Problemen helfen, die zur Strafe geführt haben, fordert sie. Für die Jugendrichterin spielt es auch eine große Rolle, welches Leben der straffällig gewordene Jugendliche hinter sich hat. Nicht als Entschuldigung, sondern um zu verstehen, dass vielleicht ein Zwanzigjähriger keine Chance zum Erwachsenwerden gehabt hat und deshalb nicht als erwachsen eingestuft werden kann. In Müllheim sitzen junge Menschen, die wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt kamen, wegen Diebstahl, Drogen, Verkehrsdelikten. Die Aufenthalte gehen vom Kurz- bis zum Dauerarrest von maximal vier Wochen. Bei etwa 52 Prozent ihres Klientels handelt es sich um die so genannte "Beugehaft" , weil Geldbußen nicht entrichtet oder auferlegte Sozialstunden nicht geleistet wurden. Baden-Württemberg hat drei Jugendarrestanstalten, informiert Dagmar Thalmann, in Göppingen, Wiesloch und Müllheim. Ihre Einrichtung ist zuständig für den Bereich Karlsruhe bis zum Bodensee. Müllheim ist für 21 Plätze ausgewiesen, hat aber nur 14 kleine Zellen mit Schranktoiletten. Solche Räume mit zwei Personen zu belegen sei menschenunwürdig, sagt Dagmar Thalmann. Doch manchmal kommt sie nicht umhin, das theoretische Platzangebot zu umgehen.
Die jungen Leute sind vorwiegend 17 bis 19 Jahre alt. Die Tagesbelegung liegt durchschnittlich bei 15 Jungen und einem Mädchen. Ein Mädchen unter Jungs kann eine Herausforderung für die sechs Vollzugsbeamten, eine Sozialarbeiterin und einen Psychologen sein. Die Beamten arbeiten im Schichtdienst, Leiter ist Hans-Joachim Landprecht. Ob die Jugendkriminalität denn wirklich zunehmend ist, wollte Christoph Bayer wissen. "Nein" , betont Thalmann. Das Anzeigeverhalten — auch aus Schulen — hat zugenommen, das erhöhe die Zahl der Delikte, aber nicht die der Verurteilungen. Statistik habe oft wenig mit Realität zu tun. Die Jugend werde schlecht gemacht, auch von den Medien, moniert die Richterin. Dass es mehr Arrest-Urteile gebe als früher, liege oft an Sparzwängen der Kommunen und Landkreise. Es fehle an ambulanten Maßnahmen, wie den Anti-Aggressionskursen oder Projekten zum Täter-Opfer-Ausgleich. Er halte auch die Zunahme ausländischer Straftäter für ein Märchen, meint der Landtagsabgeordnete. Ursachen seien nicht ethnischer, sondern sozialer und ökonomischer Art. Es treffe vorwiegend Jugendliche aus der sozialen Unterschicht, pflichtet Dagmar Thalmann bei. Dagegen helfen härtere Sanktionen nicht. In Müllheim sind die Zellen tagsüber geöffnet, denn: "In der Zelle lernt man nichts" . Jeder Mensch habe Fähigkeiten. Die gelte es zu finden, um das Selbstbewusstsein zu stärken. Schüler gehen trotz Arrest in die Schule, Lehrlinge in ihre Firmen. In der Jugendarrestanstalt ist der Tagesablauf strukturiert. Manche lernen das erstmals kennen. Es gibt Regeln für das Arbeiten in Haus und Garten, aber auch Gesprächsrunden und Freizeitangebote wie Sport und eine Werkstatt, wo viele kreative Arbeiten entstehen. Die Rückfallquote jugendlicher Straftäter könnte geringer sein, wenn der Staat nicht ausgerechnet beim Polizeivollzugsdienst, der Schulsozialarbeit und der Bewährungshilfe sparen würde. Auch da sind sich der Abgeordnete und die Direktorin des Amtsgerichtes Müllheim einig.
Sigrid Uminger, 22.2.2008, BZ

 

 

JuReLu - Das Haus des Jugendrechts Ludwigshafen ist einmalig

Die Überwachungskamera am Eingang lässt bereits ahnen, dass die Gäste des Flachbaus in der Ludwigshafener Innenstadt nicht immer die pflegeleichtesten sind. Drinnen, im Haus des Jugendrechts (JuReLu), kümmern sich Mitarbeiter von Jugendamt, Polizei, Staatsanwaltschaft und einem Verein für Straffälligenhilfe gemeinsam unter einem Dach um Jugendliche, die eine Straftat begangen haben. Bundesweit gibt es nur wenige vergleichbare Projekte.

Der Gedanke dahinter: Der Jugendliche soll dank strafferer Abläufe für sein Vergehen möglichst schnell die Folgen spüren. Davon erhoffen sich die Beteiligten einen wesentlich größeren erzieherischen Effekt. Was vor gut zwei Jahren als Modellprojekt begann, hat sich nach Einschätzung aller beteiligten Behörden bereits bewährt. "Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen tauchen hier nur ein Mal auf", sagt die Ludwigshafener Jugenddezernentin Cornelia Reifenberg.

Im Idealfall läuft es in der Einrichtung so: Wird zum Beispiel eine junge Ladendiebin erwischt, kommt sie mit ins JuReLu. Dort sprechen sich der zuständige Polizist und ein Staatsanwalt gleich ab, wie es mit der Jugendlichen weitergeht; bei Bedarf sitzen auch das Jugendamt und die Straffälligenhilfe mit am Tisch. Im Idealfall weiß die Täterin dann schon, wenn sie bei ihren Eltern abgeliefert wird, welche Strafe auf sie zukommt – also etwa gemeinnützige Arbeit. "Der ist natürlich nicht die Regel", sagt der Leiter der für das JuReLu zuständigen Staatsanwaltschaft Frankenthal, Lothar Liebig. Das Problem: Die Zahl der von Jugendlichen begangenen und registrierten Straftaten ist im zurückliegenden Jahr in Ludwigshafen spürbar angestiegen – von knapp 3300 im Vorjahr auf geschätzte 3500 im Jahr 2007. Das bedeute nicht, dass die Jugendkriminalität insgesamt angestiegen sei, sagt der Leiter der örtlichen Polizeidirektion, Bernd Römer. Er führt das Plus darauf zurück, dass durch den engeren Kontakt mit Schulen und der öffentlich bekannten Anlaufstelle JuReLu einfach mehr Vergehen gemeldet würden. Nicht jeder Jugendliche, der sich in Ludwigshafen etwas hat zuschulden kommen lassen, landet im JuReLu: Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag, aber auch größere Drogenvergehen und Sexualdelikte werden bei den entsprechenden Spezialabteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft bearbeitet. Wer das JuReLu durchläuft, landet in den seltensten Fällen vor Gericht. In mehr als 80 Prozent der Verfahren kommt es nicht zur Anklage, sondern wird die Sache durch gemeinnützige Arbeit, eine Wiedergutmachung am Opfer oder Ähnliches geregelt – und das Verfahren dann eingestellt. Auch nach Einschätzung des rheinland-pfälzischen Justizministeriums hat sich das JuReLu bewährt. Die Eröffnung einer ähnlichen Einrichtung in der Landeshauptstadt Mainz steht bevor, für andere größere Städte im Land gebe es Überlegungen. Eine Sprecherin des Ministeriums sagt, derartige Einrichtungen könnten helfen, "eine kriminelle Karriere am Anfang zu stoppen".
Marc Streller , 16.1.2008, www.rnz.de

 

Volle Auftragsbücher hinter Gittern

Die Werkstätten und Montagestrecken des "Café Fünfeck" machen 3,4 Millionen Euro Umsatz

"Wir haben volle Auftragsbücher." Stolz klingt mit in der Stimme von Thomas Rösch, dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg. Alle 500 Arbeitsplätze sind besetzt, von den rund 720 Insassen haben so gut wie alle Arbeit oder gehen einer Ausbildung nach. Das war nicht immer so: Noch vor zwei Jahren beklagte die Leitung der Vollzugsanstalt den Weggang von Unternehmen, die nicht mehr im "Café Fünfeck" , sondern lieber in Polen, Tschechien oder China Produkte fertigen und montieren ließen.

Die Umkehr dieser Entwicklung hat ihre Ursachen nicht nur im Umbau der Arbeitsbetriebe innerhalb der baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten. Die arbeiten nicht mehr wie Behörden, sondern müssen sich sich wie jedes Unternehmen auf dem freien Markt betriebswirtschaftlich verhalten. Es hat, so der Leiter der Freiburger Anstalt Thomas Rösch, auch damit zu tun, "dass die Unternehmen Verlässlichkeit, Genauigkeit und Termintreue" des "Vollzuglichen Arbeitswesen" , so die Unternehmensbezeichnung, schätzen gelernt haben. Renommierte Firmen aus der Region wie "Spectral", das hier Designerlampen fertigen lässt oder Raimann, für dessen Holzbearbeitungsmaschinen Schaltschränke gefertigt werden, gehören zu den rund 15 Großkunden der Gefängnisbetriebe. Rund 3,4 Millionen Euro Umsatz wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielt, berichtet Dieter Wiedemann der Leiter des Werkdienstes. "Wir spüren die Konjunktur" , sagt er. Die Abkopplung von der Behörde Vollzugsanstalt führt dazu, dass der Betrieb selbst bestimmt, wo investiert, welche Maschinen angeschafft, wie die Arbeitsplätze ausgestattet werden. Vorbei die Zeiten, in denen monatelang der Dienstweg beschritten werden musste.
"Der große Vorteil der Vollzugsanstalt liegt in der Flexibilität der Produktion" , sagt Wolfgang Glaser, technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsführung von Spectral. Jedes Unternehmen könne so Kapazitätsspitzen, aber auch Kapazitätslöcher ausgezeichnet abfangen. Auch die 720 Insassen der Anstalt profitieren. Zwischen 200 und 300, in Ausnahmefällen bis zu 400 Euro, lassen sich im "Knast" mit geregelter Arbeit im Monat verdienen. Über drei Siebtel, so sieht es die "Vergütungsverordnung" vor, können die Gefangenen frei verfügen, das Geld ausgeben für Zeitschriften, Zigaretten, Kaffee zum Beispiel. Vier Siebtel der Summe wandern "auf die hohe Kante" , so Wiedemann. Neben eventuellen Schulden, die damit getilgt werden, soll so ein kleines Polster für das Leben nach der Haftentlassung geschaffen werden.
Hans-Henning Kiefer , 10.1.2008, BZ
 

 

 

Seelsorger Holzer betreut schwere Jungs im Bruchsaler Gefängnis

Punktsieg für Peter Holzer. Er wurde gegrüßt. Zum ersten Mal. Er wertet dies als kleinen Erfolg, der Kontakt ist hergestellt. Peter Holzer, 39, ist Priester. Sein Büro ist in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. 500 Männer leben dort, Mörder, Vergewaltiger, Erpresser. Sie sitzen zehn, zwanzig, dreißig Jahre, ein Gefangener war 48 Jahre in der Vollzugsanstalt. Seit sieben Monaten arbeitet Holzer in Bruchsal, davor war er Jugendseelsorger in der Heimschule St. Landolin in Ettenheim. Die Erzdiözese Freiburg schickte ihn in den Knast. Holzer hatte in seinem Studium Erfahrungen mit Häftlingen gesammelt.

Vor sieben Monaten betrat er zum ersten Mal den Gefängnisflügel. Die Türen der Hafträume waren da gerade geöffnet, die Gefangenen unterhielten sich auf dem Flur. "Er war kein Kulturschock, aber es war gewöhnungsbedürftig" , erinnert sich Holzer. Wenn einer einen Zwölfer eingefahren hat, bedeutet das die Strafdauer, hat er einen Koffer dabei, ist eine Packung Zigaretten gemeint.War es die ungewohnte derbe Sprache? "Nein, auch Jugendliche drücken sich deutlich und derb aus." Peter Holzer hat eine Ausnahmestellung in Bruchsal. Ausgestattet mit vielen Freiheiten — und dem Seelsorge- und Beichtgeheimnis. Erzählt ihm ein Gefangener von einem Mord, den er begangen hat und von dem niemand weiß, muss es Peter Holzer für sich behalten. Anders als beispielsweise ein Gefängnispsychologe. Hat er Angst vor solchen Gesprächen? Er drückt Zeige- und Mittelfinger gegen seine Lippen, dreht den Kopf nach links und schaut eine Weile auf ein Stück weiße Wand in seinem Büro. "Angst ist immer schlecht, sie lähmt" , antwortet er. Einmal wurde ihm ein belastendes Detail anvertraut, das der Richter bei der Verurteilung nicht gewusst haben soll. Behauptete der Gefangene. "Es war kein Mord — und ob es stimmt, weiß ich nicht" , sagt Holzer. Der Pfarrer hat ein freundliches Lachen, das er oft zeigt auf seinem runden Gesicht. Manchmal verzieht er sein ganzes Gesicht dabei, von den Lippen bis zur Stirn. Er lächelt gern. Das gehört für ihn zur Seelsorge. Welche Eigenschaften muss ein Gefängnisseelsorger haben? Die Antwort kommt prompt: "Offen sein, zuhören können und Allrounder sein." Alles Merkmale, die ein normaler Pfarrer in einer Gemeinde auch haben sollte. Und was unterscheidet seine Arbeit von der der Kollegen in Freiheit? "Nein sagen können, Distanz wahren und trotzdem ein Bedürfnis nach Nähe zu befriedigen, mit Leuten umgehen können, die den Glauben ablehnen". Gefangene der JVA Bruchsal müssen Gespräche mit dem Priester beantragen. Name, Zellennummer, Anliegen angeben. "Leider sind es oft Zigaretten, Kaffee, der Wunsch nach einem Telefonat" , sagt Holzer. Er geht dann trotzdem zum Gefangenen, ohne Tabak. Manchmal ergibt sich ein gutes Gespräch. "Ich kann ihm Dinge anvertrauen, die ich sonst niemandem erzähle" , sagt ein Häftling. Mit 20 Häftlingen führt Holzer regelmäßig Gespräche, einige mehr rufen ihn unregelmäßig. In knapp der Hälfte der Gespräche wird gebetet. "Wir nehmen den Gefangenen unvoreingenommen an." Das ist der Leitspruch für Gefängnisseelsorger. Unvoreingenommen heißt für Peter Holzer, sich vor einem Gespräch nicht über das Verbrechen des Gefangenen zu informieren. Wie viel Trost braucht ein Langzeitgefangener? "Ich spende Trost durch Zuhören" , sagt Holzer. Einem Mörder zuhören, ohne Paroli zu bieten, ihn anzunehmen. Das sei schon eine Wertschätzung. Kürzlich hat es sogar mal eine Umarmung gegeben, nach einem Beichtgespräch. Sie ging vom Gefangenen aus. "Die Regel ist das nicht, aber dem Gefangenen ist da ein Stein vom Herzen gefallen, es war okay." Peter Holzer betreut nicht nur die Gefangenen, sondern auch deren Angehörige — und die Vollzugsbeamten.

"Denkt an die Gefangenen als wäret ihr mitgefangen" , steht im Hebräerbrief. Das bedeutet für Peter Holzer keinen übermäßigen missionarischen Eifer, auch wenn er den Gefangenen natürlich am liebsten als Christ aus der Vollzugsanstalt gehen sehen würde. Jeden Sonntag um acht Uhr hält Peter Holzer Gottesdienst in der Kirche im obersten Stockwerk. "Zehn Prozent der Häftlinge kommen, das ist wahrscheinlich besser als draußen in einer Gemeinde" , sagt Holzer. "Ein Priester, der gute Gemeindearbeit leistet, ist manchmal der ungekrönte König im Ort. Mein Leben als Priester spielt sich hinter dicken Mauern ab" . Wie sehr sehnen sich Gefangene nach Freiheit? "Sehr" , "stark" , ein stummes Nicken. Die fünf Musiker der Kirchenband stecken in Trainingshosen und sprechen ein kurzes Gebet, bevor sie zu proben beginnen in der Kirche im fünften Stock. Hier oben spüren sie eine Brise Freiheit: Der Raum ist hoch und sehr breit, das krasse Gegenteil zu den drei Schritte langen Hafträumen, bei denen man auf einen Stuhl stehen muss, um aus dem Fenster in den Hof sehen zu können. Die Bankreihen sind wie in einem Hörsaal angeordnet, oben die Orgel — und im Nebenraum ein Fenster, durch das die Stadt zu sehen ist. Nicht alle ertragen diesen Anblick. "Man gewöhnt sich mit den Jahrzehnten daran" , sagt ein Gefangener. Er lacht gequält. Die anderen lachen mit.
Am frühen Heiligabend wird Peter Holzer einen Gottesdienst in der Kapelle halten. Danach ist Zelleneinschluss wie an jedem anderen Abend auch. Peter Holzer wird in sein Büro gehen und einen Moment innehalten — wie an jedem anderen Abend auch. Spätestens in der Viertelstunde Autofahrt, sagt Peter Holzer, bleibt das zurück, was ihn den Tag über beschäftigt hat. Selten denke er daheim über etwas nach. Wohl auch nicht Weihnachten, sein erstes hinter Gittern.
Sebastian Hautli , 21.12.2007, www.badische-zeitung.de

 

Marco: Kafkas Prozess wird Realität in der Türkei

Es ist ein Skandal. Und keiner traut sich mehr, ihn wirklich beim Namen zu nennen. Seit über einem halben Jahr sitzt ein 17-Jähriger — ein halbes Kind — im Gefängnis, ohne dass ein wirklich tragfähiger Schuldbeweis vorgelegt wurde. Der Fall strotzt nur so vor Ungereimtheiten: Das Opfer will während des angeblichen Missbrauches geschlafen haben und erst vor kurzem hat der türkische Arzt, der es untersucht hat, in einem Fernsehinterview des NDR deutlich gesagt: Sie habe Marco als ihren Freund bezeichnet, es sei nichts passiert. Der Arzt gibt an, das Mädchen sei Jungfrau. Selbst wenn es in der unseligen Nacht in Antalya zu etwas gekommen sein sollte, was zu ahnden wäre: Was sich im Gericht dort abspielt, kann nicht mehr gerechtfertigt werden. Offensichtlich wird das Verfahren von Klägerseite bewusst verschleppt. Charlottes türkischer Anwalt verlässt den Boden der Gesetzmäßigkeit, in dem er ständig aus nichtöffentlichen Prozessakten zitiert. Die Taktik ist immer die Gleiche: Vor jedem neuen Termin zieht er Reizworte wie "Vergewaltigung" und "Trauma" aus der Trickkiste, um das Gericht von der Schwere des Vorwurfes zu überzeugen und Fluchtgefahr nahe zu legen. So plump diese Strategie eigentlich ist, als wirksam erweist sie sich dennoch. Nicht nur das Gericht beharrt auf einer Verlängerung der U-Haft, auch die Medien drucken die Reizworte, die Vorverurteilung steht im Raum. Natürlich soll der Fall geklärt werden, aber nicht so. Denn es wurden bisher weder die Gutachten noch die Zeugenaussagen vorgelegt. Nach einem halben Jahr! Nun kommt der Anwalt nach sechs Monaten mit einer unbrauchbaren Aussage aus England an! Es wurden darüber hinaus auch nicht die Entlastungszeugen befragt, die es durchaus gibt. Und die Aussagen des Mädchens sind mehr als widersprüchlich. Aber sie muss ja auch nicht in Antalya aussagen. Kafkas Prozess wird Realität in der Türkei. Ein junger Mann und seine Familie werden — aus welchen Motiven auch immer — systematisch zerstört. Die Weltöffentlichkeit sieht zu. Und am Strand von Antalya sonnen sich unbekümmerte Touristen. Jungen und Mädchen im Alter von Charlotte und Marco flirten und trinken nach wie vor in den Diskotheken des beliebten Ferienortes.
BZ-Leserbrief vom 7.11.2007 von Dr. Tamara Spitzing, Freiburg

Ich kann nur sagen, dass mir das für ihn alles total leid tut
Ich habe wirklich einen Schrecken bekommen, als ich diesen Artikel las. Wie kann man so etwas zulassen? Nur im Entferntesten daran zu denken, diesen Jungen inhaftieren zu lassen?
Er ist 17 Jahre alt, geht in den Urlaub, flirtet ein bisschen und freut sich darauf vielleicht als richtiger Mann aus dem Urlaub wiederzukommen und nun endet dieser Urlaub in so einem Desaster! Er hat die junge Britin unter falschen Voraussetzungen mit auf sein Zimmer genommen: Er dachte, sie wäre älter. Man kann es ihm echt nicht übelnehmen, dass er dies geglaubt hat, ich weiß als junge Frau selbst, wie es ist, in Bezug auf das Alter falsch eingeschätzt zu werden .Des Weiteren gibt dieser arme Junge in der Öffentlichkeit zu, wie er sich sozusagen total blamiert hat. Eigentlich ist diese Geschichte eine lustige "Mein erstes Mal" -Anekdote, aber in diesem Fall kann man das leider nicht sagen. Ich denke, dass die Familie der Britin am Anfang dachte, dass sie ein bisschen Geld und Aufmerksamkeit kriegen und jetzt nicht mehr wissen, wie sie da wieder rauskommen sollen. Aber sie verschwenden keinen Gedanken daran, was Marco mitgemacht hat und was noch alles auf ihn zukommt. Nicht nur, dass er in der Schule komplett den Anschluss verloren hat, nein, viel schlimmer sind die Eindrücke und Erfahrungen im türkischen Gefängnis. Ich kann nur sagen, dass mir das für ihn alles total leid tut und ich für ihn hoffe, dass sich irgendwie alles zum Guten wendet!
BZ-Leserbrief vom 7.11.207 von Alina Leyser, Denzlingen (19 Jahre)

Was, wenn ein Türke das bei uns erleben müsste?
Können Sie sich die Kolonnen türkischer Demonstranten vorstellen, wenn Marco ein Türke und so verstrickt in die Mühlen der deutschen Justiz wäre?
BZ-Leserbrief vom7.11.2007 von Gerdi und Karl Heinz Naber, Waldkirch

 

Freiwillige Straffälligenhilfe in JVA: Einführungskurs für Ehrenamtliche

"Wie kannst du nur!" - Barbara Welle über die ehrenamtliche Arbeit im Gefängnis

Rund  800 Männer leben in der Freiburger Justizvollzugsanstalt, einer Welt, die abseits der Gesellschaft zu existieren scheint. Die JVA selbst, das Vollrath-Hermisson-Haus als Anlaufstelle für Haftentlassene und der  SKM  - Katholischer Verein für soziale Dienste Freiburg - bieten freiwillige Straffälligenhilfe an.  Am 11. Oktober beginnt ein neuer Einführungskurs für Menschen, die ehrenamtlich im Gefängnis arbeiten wollen. Sigrun Rehm sprach mit  der Sozialpädagogin Barbara Welle vom SKM über Mitleid, Angst und den Sexappeal von Gewalttätern.

Frau Welle, wenn  Ihnen jemand sagt, dass er sich im Gefängnis ehrenamtlich engagieren will, welche Motive vermuten Sie?
Die Motive sind ganz verschieden: Der eine will einfach jemanden, helfen, den anderen treibt die Neugierde. Hinzu kommt oft die Faszination für  eine fremde Welt, vielleicht auch der Wunsch, etwas Besonderes zu machen. Schwieriger ist es, wenn aus Mitleid gehandelt wird, denn damit hilft man keinem weiter.

Stimmt es, dass sich gerade auch gebildete, selbstbewusste Frauen bei einer solchen Tätigkeit  oft in Straftäter verlieben? Wie sexy ist Gewalt gepaart mit Hilflosigkeit?

Natürlich passiert es, dass sich jemand verliebt - wir sind alle Menschen, das kann immer und überall passieren. Es kann auch sein, dass das Zusammentreffen von Gewalttat und Eingesperrtsein einen Reiz darstellt. Deshalb ist uns die Klärung der Motivation sehr wichtig. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den monatlichen Arbeitskreis des SKM Freiburg zu besuchen, der eine Weiterbildung beinhaltet. Es kann auch vorkommen, dass wir einer Person nahelegen, sich ein anderes Ehrenamt zu suchen.

Was unterscheidet dieses Ehrenamt von anderen, dass es eine so sorgfältige Prüfung braucht?

Uns  ist es ein großes Anliegen, den Ehrenamtlichen ein möglichst  realistisches Bild  der Gefängniswelt zu vermitteln, jenseits von TV-Serien und Presseberichten, um so ein konstruktives Ehrenamt zu ermöglichen. Das ist wichtig zum Schutz für beide Seiten, um nicht irgendwo reinzurutschen. Und es gibt einige Spielregeln zu beachten.

Welche Spielregeln sind das?
Wir wünschen uns Offenheit für und Respekt vor einer anderen, sehr fremden Lebenswelt sowie die Fähigkeit, sich abzugrenzen. Ein Beispiel: Der Ehrenamtliche besucht öfter einen Inhaftierten und erlebt ihn als Menschen wie du und ich, der  aufgrund seiner Lebensgeschichte zu dieser Straftat gekommen ist. Wer sich  zu stark  identifiziert, nur noch "Ach, der Arme" denkt und  sich  gar mit ihm gegen das Gefängnis verbündet, der ist auf dem falschen Weg. Das kann passieren - aber unsere Aufgabe ist es dann,  mit dem Ehrenamtlichen  die Situation zu klären. Die Straftat ist erklärbar, aber nicht entschuldbar.

Wer krebskranke Kinder betreut oder im Tafelladen hilft, genießt hohe gesellschaftliche   Anerkennung. Wie ergeht es jemandem, der sich um Straftäter kümmert?
Die Ehrenamtlichen müssen damit rechnen, nicht nur Anerkennung zu erfahren. Die Reaktionen reichen von  "Was? Das traust du dir zu?"  bis zu "Wie kannst du nur!". Ich weiß von manchen, dass sie ihre Gefängnisarbeit vor Bekannten und Nachbarn verschweigen, weil sie keine Lust haben, sich zu rechtfertigen.

Wer ist denn für die freiwillige Straffälligenhilfe geeignet?

Er sollte mit beiden Beinen im Leben stehen, gut geerdet sein und eine Portion Lebenserfahrung mitbringen.  Unsere Mitarbeiter sind ein Spiegelbild der Gesellschaft: von jung bis alt, von der Hausfrau bis zur Führungskraft.

Welche Tätigkeiten kommen auf die Ehrenamtlichen zu?
Es gibt drei Einsatzfelder: Man kann im Gefängnis die Betreuung eines   Inhaftierten übernehmen und sich  mit ihm regelmäßig zu  Einzelgesprächen treffen, oder  in einer Freizeitgruppe mitarbeiten - sei es Theater, Sport, Kunst oder Bibelkreis. Als zweites, neues Feld kommt die Begleitung  von Angehörigen der Inhaftierten hinzu, angeboten vom der SKM Straffälligenhilfe. Der dritte Bereich ist die Arbeit in der Anlaufstelle für Haftentlassene an der Brombergstraße, dabei  ist die Reintegration in die Gesellschaft das Ziel.

Wie hoch ist denn die Gefahr, dass es zu Übergriffen kommt? Oder dass man die schlimmen Schicksale schwer verkraftet?
Es passiert relativ wenig, wenn man bedenkt, dass mehr als 100 Ehrenamtliche in der JVA tätig sind. Aber natürlich sind schon Übergriffe passiert, das  kann man auch nie vollständig ausschließen. Was die Schicksale angeht, da helfen wir, das Erlebte  zu verarbeiten und einzuordnen.

Was erhoffen sich denn die Gefangenen von den Ehrenamtlichen?
Die   Häftlinge sind zwischen anderthalb Jahren  und lebenslänglich in der Freiburger JVA. Bei vielen sind die sozialen Kontakte  zerstört,  sie sind völlig isoliert. Die  Ehrenamtlichen bilden eine Brücke nach draußen, lassen die Häftlinge zur Gesellschaft dazugehören. Dass sich jemand  freiwillig die Zeit nimmt,  um sie  zu besuchen, das hat für die Gefangenen einen ganz hohen Stellenwert. Sie sind sehr dankbar dafür. Klar ist aber: Die Häftlinge wünschen sich alles - der Freiwillige soll Mama, Papa, Freund, Geliebte, Rechtsanwalt sein. Es gilt also zu klären, was man  voneinander erwartet und was man sich geben möchte.

Was erwartet die Teilnehmer des Einführungsseminars?
Die sieben Abende beginnen mit der  Motivationsklärung, es geht um den Alltag in der JVA und die  Einsatzfelder, um die Situation der Angehörigen, die Rechte und Pflichten im Ehrenamt. Ein Abend befasst sich unter der Frage "Helfer, Freund, Partner?" mit der Rolle des Ehrenamtlichen. Schließlich  besuchen wir die JVA und haben die Möglichkeit, mit Gefangenen zu sprechen.

Einführungskurs für die  freiwillige Straffälligenhilfe ab 11. Oktober an sechs Donnerstagen, je 18 bis 20 Uhr, im Vollrath-Hermisson-Haus, Brombergstraße 6, Freiburg. Am letzten Termin, Freitag, 30. November,  Besuch  der JVA, 17 bis 19 Uhr. Anmeldung: SKM, Telefon 0761/2859719,
skm-straffälligenhilfe@t-online.de


Sigrun Rehm, 16.10.2007, www.der-sonntag.de

 

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