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Integrative Schule  - Inklusion
  

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Integrative Schule, Inklusion (Teilhabe) statt Ausgrenzung, ...

Blick nach Nordosten über Hofsgrund (Bodenmattenhof rechts) ins neblige Dreisamtal am 24.10.2008
Blick nach Nordosten über Hofsgrund (Bodenmattenhof rechts) ins neblige Dreisamtal am 24.10.2008

 

Behinderte Kinder in der Regelschule: Inklusion, Illusion?

Inklusion, was für ein sperriges Wort. Haben wir Deutsche uns in den vergangenen Jahren nicht genug bemüht, all unsere "Sorgenkinder" nach bestem Wissen und Gewissen zu integrieren? Haben wir nicht die besten Förderschulen? Aber Inklusion bedeutet mehr als Integration: Schwache und starke, behinderte und nichtbehinderte Kinder sollen den gleichen Kindergarten, die gleiche Schule besuchen und dort die Unterstützung erhalten, die sie brauchen.
Alles von Petra Kistler vom 16.6.2010 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/meinung/kommentare/behinderte-kinder-in-der-regelschule-inklusion-illusion--32266053.html

Waldorfschule EM praktiziert diese Pädagogik seit Jahren
Sie schreiben in Ihrem sehr lesenswerten Artikel, Inklusion bedeute, dass schwache und starke, Kinder mit und Kinder ohne Behinderungen auf die gleiche Schule gehen sollten. Die Integrative Waldorfschule Emmendingen praktiziert diese Pädagogik seit Jahren und hat sich ihren Fortbestand erst im letzten Jahr gerichtlich erstritten. Und dabei ist es für uns von Bedeutung, dass alle Kinder auf dieselbe Schule gehen, also nicht nur auf die gleiche. Diese kleine Korrektur mag kleinlich klingen, aber das war ja einer der Klagepunkte: dass unsere Schule nicht in zwei Schulen geteilt wurde, also Waldorfschule plus extra Sonderschule unter einem Dach. Das wäre dann die gleiche Schule gewesen, wir wollten, dass alle Schüler auf dieselbe Schule gehen. Das kostet Geld, weil die Inklusion einen höheren Betreuungsbedarf hat. Beispiel: Während des dreiwöchigen Landwirtschaftspraktikums meiner neunten Klasse lernen die Schüler individuell auf den Bauernhöfen. Meine Schüler mit Behinderungen aber brauchen während dieser Zeit eine intensive Betreuung Tag und Nacht. Diese zusätzlichen Kosten muss die Schule tragen, die Eltern wären überfordert. Aber Inklusion verlangt, dass auch Kinder mit Behinderungen ein Praktikum machen. Die Erfahrung lehrt, wie wesentlich diese Erlebnisse sind. Und dass wir erneut klagen müssen, um die Mehrkosten zu erstreiten, macht uns traurig. Denn die viele Energie, die in den Streit geht, wäre für die Pädagogik besser verwandt.
30.6.2010, Wolfgang Dästner, Freiburg,
Klassenbetreuer an der Integrativen Waldorfschule Emmendingen

Wenn Inklusion im Bildungswesen nicht gelingt, gelingt sie auch sonst nirgends
Ein sorgfältiger, guter Artikel. Danke Frau Kistler. Meiner Meinung nach ist die Integration aller Mitglieder unserer Gesellschaft zu einer inklusiven Gesellschaft, zu der alle gleichberechtigt und gleichgeachtet gehören, ein visionäres Ziel und eine unserer zentralen politischen Aufgaben. Wenn dieses uns jedoch nicht einmal in unserem Bildungswesen gelingt, gelingt es auch nicht in der Gesellschaft, und sie wird sich immer mehr aufspalten. Der Rechtsanspruch von "Behinderten" auf Aufnahme in eine "allgemeinbildende" Regelschule bedeutet in fast allen Ländern der Welt die Aufnahme in eine Schule, in der alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen. In Deutschland und Baden-Württemberg werden sie einer Haupt-, Realschule oder einem Gymnasium zugeordnet. Ein sehr eingeschränktes Recht. So hat man sich das bei der UNO nicht vorgestellt. Inklusion ist das Dabei-Sein aller Kinder von vornherein und das Dabei-Bleiben. Das darf keine Illusion bleiben, auch wenn es in Baden-Württemberg so zu sein scheint. In Europa dagegen ist es keine Illusion, auch keine Vision mehr, sondern normale Realität. Es ist so normal, dass man sich verständnislos darüber wundert, dass wir immer noch Kinder und Jugendliche aufteilen, trennen und viele zu Versagern werden lassen. Das darf kein deutsches Naturgesetz, kein Sonderweg bleiben. Wenn Inklusion bei uns im Ländle zu einer Vision werden soll, dann sollten wir uns gut darauf vorbereiten und uns ein Bild davon machen, wie das geht: eine inklusive Schule von Klasse eins bis zur Klasse zehn. Dass es erfolgreich geht, ist nicht die Frage, sondern ob es auch bei uns geht. Freiburg wäre ein guter Ort für ein solches Modell einer Schule der Zukunft."
30.6.2010, Rolf Wiehe, Freiburg

 

 

Maria Montessori-Schule - inklusive Grundschule seit 1996

Keimzelle der Maria Montessori-Schule war der Maria Montessori-Kindergarten in der Beethovenstraße 8. "Weil Eltern das Miteinander von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf haben wollten", erzählt Mitbegründerin Irmengard Nübel, begann nach zähem Ringen mit den Schul-Behörden die inklusive Grundschule 1996 mit dem Unterricht. Als erste in Freiburg. Seit 2000 ist sie staatlich anerkannt. Seither hat sich die Schule weiterentwickelt. "Heute würde Maria Montessori sehen, dass Individualisierung nicht zu Einzelkämpfern führen darf", sagt Sabine Tripp. Deshalb beginnt der Unterricht zwar täglich mit der Freiarbeit und damit der individuellen Förderung. "Wichtig sind aber auch Teamfähigkeit und soziale Kompetenz."
Alles von Gerhard M. Kirk vom 30.12.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/eine-schule-der-ruhe




Inklusion: Beispielhaft im kath. Kindergarten Todtnau-Präg

Dass er an einer beispielhaften Umsetzung einer UN-Konvention beteiligt ist, ist Tizian herzlich egal. "Krokodil!", fordert er lautstark. Hertha Faschian, die Leiterin des Katholischen Kindergartens in Todtnau-Präg, zieht ein Stück von der Schale seiner Banane ab. Dann schneidet sie in das andere Ende einen Schlitz. Wenn sie an der Schale zieht, klappt das Bananen-Krokodilmaul auf und zu. Tizian lacht fröhlich. Derweil warten die Kinder geduldig am Tisch darauf, dass Judith vom Händewaschen kommt und sie mit dem Frühstück beginnen können. Was in Präg so selbstverständlich wirkt, ist in Kindergärten und Schulen bislang eine Ausnahme: Tizian und Judith sind behindert, besuchen aber den Regelkindergarten.

Wenn es nach den Vereinten Nationen geht, soll das zur Normalität werden: Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden. So steht es im Artikel 24 einer UN-Konvention von 2006, den der Bundestag 2008 ratifiziert hat. Davon ist man in Deutschland weit entfernt. Es gibt noch nicht einmal zuverlässige Erhebungen darüber, wie viele behinderte Kinder Regelschulen oder Kindergärten besuchen. Der Großteil lernt noch immer in sonderpädagogischen Einrichtungen.

Für die Eltern von Judith und Tizian war der Schulkindergarten keine Alternative. Beide Familien wohnen in der Gegend von Todtnau, der vorgesehene Schulkindergarten liegt in Weil am Rhein-Haltingen. Die Fahrt dorthin dauert auf direktem Weg schon rund eine Stunde; Judith und Tizian wären morgens als Erste vom Fahrdienst eingesammelt worden, nachmittags wären sie die Letzten gewesen, die nach Hause kommen. "Judith wäre 40 Stunden in der Woche weg gewesen", sagt ihre Mutter Daniela Thoma. "So können sie normal in der Familie bleiben", fügt Tizians Mutter Susanne Huber hinzu.

Bevor die Kinder in Präg aufgenommen werden konnten, stand ein Prüfverfahren durch das Landratsamt an. "Die Eltern mussten alle Berichte vorlegen, das Gesundheitsamt prüfte sie", schildert Elke Bernhardt vom Fachdienst Integration im Kindergarten der Frühförderung der Lebenshilfe Lörrach. Sie begleitet Eltern auf diesem Weg, die Kinder werden in aller Regel bereits vor dem Kindergarten von der Frühförderung betreut. Auch die Sonderpädagogische Beratungsstelle des Schulamtes ist involviert. Sechs bis acht Monate habe das Verfahren gedauert, sagt Elke Bernhardt: "Die Meinungsbildung war kompliziert, häufig wurde problematisiert." Dabei ist die Integration von Seiten des Landratsamtes erwünscht: "Ich erachte das für sinnvoll", sagt Waltraud Hermann, Sachgebietsleiterin Behindertenhilfe. Schließlich wurde aus der Eingliederungshilfe Geld bewilligt: 484 Euro pro Kind gibt es monatlich für die Begleitung durch den Fachdienst Integration. 308 Euro pro Kind gibt es für eine zusätzliche Betreuerin im Kindergarten, die 16 Stunden die Woche da ist, zusätzlich zu den zwei Erzieherinnen, die sich in Präg um 15 Kinder kümmern. "Für beide Kinder getrennt hätte das Geld nicht gereicht", sagt Daniela Huber.
Judith und Tizian sind nicht die ersten Kinder, die integrativ in Präg betreut werden. Doch ihre Behinderungen sind erheblich: Tizian hat eine schwere Hämophilie (Bluterkrankheit). Durch eine Hirnblutung ist der Fünfeinhalbjährige entwicklungsverzögert. Judith war ein Frühchen. Das fast sechs Jahre alte Mädchen leidet unter einer Zerebralparese. Sie sitzt im Rollstuhl, hat starke motorische Einschränkungen und ebenfalls Entwicklungsverzögerungen. "Wir mussten natürlich erst schauen, ob wir das leisten können", sagt Hertha Faschian. Nun, nach mehr als zwei Jahren, sind alle Bedenken verflogen. "Durch die beiden haben wir hier ganz viel Struktur, das tut auch den anderen Kindern gut", so Hertha Faschian. Die Kinder hätten den Umgang mit Tizian und Judith rasch gelernt. Für sie ist der Umgang mit Behinderten nun etwas völlig Normales. Alle scheinen zu profitieren: "Judith hat ganz viele Sachen gelernt, von denen man nie gedacht hätte, dass sie es kann", erzählt Daniela Thoma. "Und es tut ihr gut, mit dabei zu sein, auch Einladungen zu Geburtstagsfeiern zu bekommen." Studien bestätigen diese Erfahrungen. Je unterschiedlicher die Fähigkeiten und Fertigkeiten, das Wissen und die Erfahrungen von Kindern sind, desto mehr können sie voneinander lernen.

Das Zauberwort heißt nicht mehr Integration, sondern Inklusion. Ziel ist es, Behinderte nicht mehr als eine Gruppe anzusehen, die eingegliedert werden muss. Sondern die Voraussetzungen so zu gestalten, dass sie selbstverständlich am normalen Leben teilhaben können. Im österreichischen Bezirk Reutte im Bundesland Tirol gelingt dies schon. Hier gibt es seit zehn Jahren keine Sonderschulen und -kindergärten mehr. "Vor 25 Jahren suchten betroffene Eltern nach Möglichkeiten, ihre Kinder in Regelschulen unterrichten zu lassen", berichtet Roland Astl von der Landesarbeitsgemeinschaft Sonderpädagogik. "Die Entwicklung war verbunden mit heftigen Konflikten." In Reutte hat man die Diskussion, ob es wirklich für alle behinderten Kinder sinnvoll ist, sie in Regeleinrichtungen unterzubringen, hinter sich. Astl sagt, den Eltern gehe es um die Qualität der Angebote. Diese müsse sichergestellt sein. "Wenn es Eltern gäbe, die eine Sonderschullösung wünschten, dann würden wir eine suchen", sagt Astl, "aber das gab es seit zehn Jahren nicht mehr." Die komplette integrative Betreuung koste nicht mehr Geld als die mit Sondereinrichtungen, sagt Astl: "Der teuerste Weg ist es, beide Modelle anzubieten."
Um das Ziel der UN-Konvention zu erreichen, darf nicht länger in alten Schemata gedacht werden. "Da gibt es viel Raum für unterschiedliche Ideen", sagt Waltraud Hermann. Wie sich bei einem Vortrag in Lörrach in dieser Woche zeigte, ist dabei nicht die Verwaltung das Problem. Denn während Schulamtsdirektor Helmut Rüdlin die ambitionierten Ziele des Landkreises für Integrationsschulen vorstellte, regten sich vor allem bei den Lehrerinnen und Lehrern unter den Zuhörern Vorbehalte. So kann das Ziel der Inklusion nur erreicht werden, wenn Pädagogen entsprechend vorbereitet werden und das Thema in der Ausbildung der Erzieherinnen einen höheren Stellenwert erhält. Sonderpädagogen müssen begleitend mit einbezogen werden. Über Klassenteiler und Gruppengrößen muss neu verhandelt werden, damit die Kinder optimal betreut und die Betreuer nicht überlastet werden. Bauliche Voraussetzungen müssen stimmen. "Man muss alles sehr gut durchorganisieren, auch für eventuelle Notfälle", sagt Hertha Faschian. Um Normalität zu erreichen, ist viel Engagement durch alle Betreuenden nötig. Die Integration kann aber auch eine Chance sein. Vor allem für kleine Kindergärten und Schulen, die in den kommenden Jahren mit sinkenden Kinderzahlen klarkommen müssen.

Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, dann kann Inklusion - wie in Präg - funktionieren. Ihre Entscheidung sei optimal gewesen, da sind sich Daniela Thoma und Susanne Huber einig. Doch die Mütter stehen schon vor dem nächsten Problem: Die Einschulung naht. "Judith wird im September in die Helen-Keller-Schule nach Maulburg gehen", sagt Susanne Thoma. Obwohl die Kleine lieber mit ihren Freunden zusammen zur Schule gehen würde. Tizian wird noch ein Jahr im Kindergarten bleiben. Doch wenn Judith weg ist, kann die zusätzliche Betreuerin nur noch acht statt 16 Stunden pro Woche kommen. Dann wird der Kindergarten einen Teil ihrer Arbeit übernehmen müssen. Doch daran, sagt Hertha Faschian, soll das Modell nicht scheitern.
Kathrin Ganter, 24.11.2009, www.der-sonntag.de

 

Infos zur Inklusion - Behindertenrechtskonvention der UN

Ich habe Information zur Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen zusammengestellt, die seit März 2009 deutsches Recht wurde und daher baldmöglichst in Gesetze und in die Praxis umzusetzen ist. Meine Zusammenstellung richtet sich primär an den Sozial- und Krankenhausausschuss, dessen Diskussion um die Thematik "Inklusion" ich im Mai erlebte.
Nehmen Sie bitte meine Beiträge als Hilfe zur sachlichen Bearbeitung dieser Thematik an und ebenso als Möglichkeit, immer mal wieder nachsehen zu können.
20.11.2009, Rainer Lischka, Gundelfingen


1. Hüppe UN Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen wird für Deutschland verbindlich 26. März09
Berlin (ots) - Anlässlich der völkerrechtlichen Verbindlichkeit der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen für Deutschland ab dem 26. März 2009 erklärt der Beauftragte der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Belange der Menschen mit Behinderungen, Hubert Hüppe MdB:
Ab heute ist die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen sowie das Fakultativprotokoll für Deutschland völkerrechtlich verbindlich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht es als ihre Aufgabe, den konkreten Umsetzungsprozess anzustoßen und zu begleiten, damit dieses Übereinkommen auch tatsächlich im Alltag die Teilhabe und Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen verbessert. Umsetzungs- und Handlungsbedarf gibt es in sehr vielen Bereichen,
angefangen bei der Bildungspolitik über Gesundheits- und Sozialpolitik bis hin zur Verkehrs- und Kulturpolitik. Im Vordergrund steht dabei die Gestaltung der Lebenswelten von Menschen mit und ohne Behinderungen. Angefangen bei dem Besuch von gemeinsamen Kindertagesstätten und Schulen
über gemeinsame Ausbildung und Arbeit bis hin zu Wohnen und Leben im Alter.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will mit ihrem Kongress "Was behindert Arbeit? II - Einstieg von Menschen mit Behinderungen in das Arbeitsleben verbessern" am 13. Mai 2009 zentrale Themen der UN-Konvention wie Artikel 24 "Bildung" und Artikel 27 "Arbeit und Beschäftigung" aufgreifen und über konkrete Umsetzungsmaßnahmen diskutieren. Mit dem Antrag "Frauen und Mädchen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt schützen" widmet sich die Union bereits einem wichtigen Punkt der
Konvention. Vor dem Hintergrund des Artikels 6 der UN-Konvention wird die mehrfache Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen anerkannt. Die Bundesregierung wird aufgerufen notwendige Maßnahmen zu entwickeln, um diesen Personenkreis vor Gewalt, Ausbeutung und
Missbrauch verstärkt zu schützen.
Originaltext: CDU/CSU - Bundestagsfraktion Digitale Pressemappe:
http://www.presseportal.de/pm/7846   Pressemappe via RSS :
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Pressekontakt: CDU/CSU - Bundestagsfraktion Pressestelle Telefon: (030)
227-52360 Fax: (030) 227-56660 Internet: http://www.cducsu.de  Email: fraktion@cducsu.de
Url zum Artikel:
http://www.ad-hoc-news.de/hueppe-un-konvention-ueber-die-rechte-der-menschen-mit--/de/Politik/20131155

2. Sozialverband Deutschland UN-Behindertenrechtskonvention April 2009
UN-Behindertenrechtskonvention - Aufbruch in eine inklusive Gesellschaft - auch in Deutschland (Stand: 04/2009)

Am 26. März 2009 trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Nun ist sie geltendes deutsches Recht und muss umgesetzt werden. Dabei muss Deutschland das Leitbild der Konvention achten: die Inklusion, also die vollumfängliche Einbeziehung behinderter Menschen in
die Gesellschaft von Anfang an. Die UN-Behindertenrechtskonvention dient dem Schutz der Menschenrechte. Sie schafft kein Sonderrecht für behinderte Menschen, sondern ergänzt die allgemeinen Menschenrechte um die Perspektive von Menschen mit Behinderungen.
Das neue Leitbild: Inklusion Die Konvention verfolgt ein grundsätzlich neues Leitbild: die Inklusion. Sie ist klar zu unterscheiden von der in Deutschland bekannten Integration: Nicht (mehr) der behinderte Mensch muss sich anpassen, damit er in der Gesellschaft dabei sein kann. Stattdessen muss sich die
Gesellschaft mit ihren Strukturen anpassen. Eine inklusive Gesellschaft bezieht behinderte Menschen mit ihren Bedürfnissen von Anfang an ein und grenzt gar nicht erst aus. Die Individualität und Vielfalt der Menschen wird anerkannt und wertgeschätzt. Impulse in vielen Lebensbereichen Die Konvention soll dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Hierfür stellt die Konvention Forderungen in vielen Lebensbereichen auf. So muss z. B. gemäß Artikel 24 ein inklusives Bildungssystem geschaffen werden, bei dem Kinder mit Behinderungen nicht aus dem allgemeinen Schulsystem ausgegrenzt, sondern einbezogen werden. Das gemeinsame Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder soll damit zur Regel werden. Beim Zugang zu Arbeit und Beschäftigung haben Menschen mit Behinderungen nach Artikel 27 der Konvention Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt. Die Konvention fordert auch, Maßnahmen zu ergreifen, damit Mobilität und Barrierefreiheit zugunsten behinderter Menschen sichergestellt werden (Artikel 9 und 20). Auch Menschen mit Behinderungen haben, das sagt die Konvention in Artikel 19 deutlich, das Recht, ihren Wohn- und Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. Weitere Lebensbereiche, die die Konvention anspricht, sind u. a.: Gesundheit, Familie, Freiheit und Sicherheit und soziale Teilhabe. Die Rechte behinderter Frauen werden in Artikel 6 der Konvention in besonderem Maße angesprochen.
Durchsetzungsregelungen der Konvention Damit die UN-Konvention in der Praxis durchsetzbar wird, enthält sie auch Regelungen zur Durchsetzung. So muss der Staat die Konvention und ihre Ziele bekannt machen und sich für die Umsetzung einsetzen. Zur Umsetzung der Konvention müssen umfangreiche Programme und Maßnahmen auf nationaler Ebene erarbeitet und durchgesetzt werden. Hierbei sind die Betroffenen und ihre Verbände eng einzubeziehen. Auch muss Deutschland Anlaufstellen schaffen, wohin sich Betroffene wenden und Unterstützung holen können. Hierzu wird beim Deutschen Institut für Menschenrechte eine staatlich unabhängige Monitoring-Stelle eingerichtet. Als staatliche Anlaufstelle fungiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Bundesbehindertenbeauftragte wird die geplanten Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention koordinieren. Auch die Bundesländer müssen die Durchsetzung der Konvention sichern und
Anlaufstellen für die Betroffenen einrichten. Nicht zuletzt muss Deutschland vor den Vereinten Nationen regelmäßig berichten, was es zur Durchsetzung der Rechte behinderter Menschen konkret plant, was bereits erreicht und was noch nicht erreicht wurde. Den ersten Bericht muss Deutschland bereits in zwei Jahren vorlegen. Danach beträgt die Berichtspflicht vier Jahre. Auch Einzelpersonen können sich, wenn sie den innerstaatlichen Gerichtsweg erschöpft haben, an die Vereinten Nationen wenden und dort gegen Deutschland die Einhaltung der Konvention "einklagen". Extra hierfür wurde in Genf ein Konventionsausschuss eingerichtet. 
Bewertung und Forderungen des SoVD
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Meilenstein zugunsten der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie zielt auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen von Anfang an und stärkt damit die Zielsetzungen des SGB IX und des Behindertengleichstellungsgesetzes. Es ist zu begrüßen, dass sich Deutschland von Anfang an für die
Verabschiedung der Konvention eingesetzt und die Betroffenen und ihre Verbände hierbei aktiv eingebunden hat. Auch der SoVD konnte die Verhandlungen zur Konvention in New York mit prägen und zu einem erfolgreichen Abschluss beitragen. Nachdem die Konvention nun von Deutschland ohne Vorbehalte ratifiziert wurde, muss die Umsetzung in Deutschland zügig angegangen werden. Hierfür braucht es einen umfassenden Aktionsplan, der unter breiter Beteiligung der behinderten Menschen und ihrer Verbände aufgestellt werden muss und alle Bereiche der Behindertenpolitik einbezieht. Dieser Aktionsplan muss für die verschiedenen Regelungsbereiche der Konvention den Handlungsbedarf beschreiben, Schritte für Veränderungen benennen und hierfür einen konkreten Zeitplan zur Umsetzung aufstellen. Dieser Pflicht müssen sich Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen stellen. Die Konvention begründet enormen Handlungsbedarf für Deutschland. Dies gilt insbesondere für den Bereich der inklusiven Bildung. Hierzulande ist der gemeinsame Schulbesuch behinderter und nicht behinderter Kinder noch immer die große Ausnahme. Der SoVD setzt sich dafür ein, dass das gemeinsame Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder zur Regel wird. Das Bildungssystem muss sich so verändern, dass Kinder mit Behinderungen nicht ausgegrenzt, sondern von Anfang an einbezogen werden. Hierfür hat der SoVD bereits Vorschläge erarbeitet. Diese sind nachzulesen im Positionspapier "UN-Konvention umsetzen - Inklusive Bildung verwirklichen", welches unter großer medialer Beachtung in einer
bundesweiten Pressekonferenz des SoVD am 10. März 2009 in Berlin vorgestellt wurde.
Download des Dokuments als PDF-Datei [206 kB]

3. UNKonvention PunktundKreis Sep09 -
Aus "PUNKT UND KREIS", September 2009:

Umdenken durch UN-Konvention - Meilenstein und Herausforderung. Monika und Gerhard Geis
(Monika Geis ist Rechtsanwältin. Gerhard Geis ist Jurist und Ministerialbeamter im Ruhestand. Langjähriger Vorsitzender einer Lebenshilfe-Kreisvereinigung.)
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erfordert auch in Deutschland ein grundsätzliches Umdenken des Staates - aber auch der einzelnen Menschen - im Verhältnis zu den Menschen mit einer oder mehreren Behinderungen. Mit der Ratifizierung und der damit einhergehenden Rechtsverbindlichkeit der Konvention, auch in Deutschland, erreicht die Entwicklung zur
Anerkennung aller Menschen als Träger von Rechten und Ansprüchen ohne Ansehung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Kräfte einen vorläufigen Höhepunkt. Der Konvention liegt ein Verständnis von Behinderung zugrunde, in dem diese gerade nicht als negativ gesehen, sondern als normaler Bestandteil menschlichen Lebens ausdrücklich bejaht und darüber hinaus als Quelle möglicher kultureller Bereicherung unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird. Zweck der Konvention ist es, "den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern." (Art. 1, Abs. 1 der Konvention). Unser Staat ist nun verpflichtet, "sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
a) in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderung zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern;
b) Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich auf Grund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbereichen zu bekämpfen;
c) das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu fördern"
(Art. 8 der Konvention) ...
Nach Art. 19 der Konvention muss auch in Deutschland gewährleistet sein, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Auch unter der geltenden europäischen Freizügigkeit war und ist es für einen Menschen mit Behinderung heute außerordentlich schwer, für sich einen Lebensort frei zu wählen. Eine Zusage zur Kostenübernahme wird häufig nur erteilt, wenn der gewählte Lebensort in der Region der heimatlichen Kommune oder des Bundeslandes liegt. (Anm.: Es müssen also andere Richtlinien für die Kostenübernahme erstellt werden.) Es ist wichtig, dass es keine Verpflichtung zum Leben in einer bestimmten Wohnform geben darf. Ebenso wichtig ist es jedoch auch, dass ein Mensch, der in einer Gemeinschaft leben will, künftig nicht nur theoretisch diese Lebensform wählen kann. Eine solche Entscheidung ist real aber nur möglich, wenn erreichbare Einrichtungen existieren, in denen Gemeinschaft sich bilden kann. Auch die aus dem individuellen Hilfebedarf des Einzelnen an einem solchen Lebensort entstehenden Kosten müssen angemessen finanziert sein. .Art.22 der Konvention. Auch in einer Wohneinrichtung hat jeder Mensch einen Anspruch auf Achtung seiner Privatsphäre. Viele in Deutschland werden auch hinsichtlich der in Art. 23 der Konvention getroffenen Regelungen zu Fragen der Ehe, Familie, Elternschaft und Partnerschaft von Menschen mit Behinderung umdenken müssen. Menschen mit Behinderungen haben das Recht, ihre Fruchtbarkeit zu behalten, eine Ehe zu schließen, eine Familie zu gründen und frei und verantwortungsbewusst über die Anzahl ihrer Kinder und die Geburtenabstände zu entscheiden.
Nach Art. 24 der Konvention gewährleisten die Vertragsstaaten ein  integratives (nach der offiziellen Übersetzung) Bildungssystem auf allen Ebenen. Die Verbände beziehen sich an dieser Stelle auf den
völkerrechtlich verbindlichen englischsprachigen Text und sehen die Verpflichtung zur Gewährleistung eines inklusiven Bildungssystems. Dabei muss sichergestellt werden, dass Bildung auch für alle Menschen mit Behinderung "innerhalb des allgemeinen Bildungssystems in einem Umfeld" stattfindet, "das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet". .Absehbar ist es jedenfalls, dass sich im Zuge der Umsetzung der Konvention . für die Schulbildung von Menschen mit Behinderung und die entsprechenden Schulen wesentliche Veränderungen ergeben werden. Art. 26 der Konvention verlangt "wirksame und geeignete Maßnahmen, einschließlich die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen, um Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren." Die reale Entwicklung in Deutschland stimmt mit dieser Festlegung der Konvention nicht überein. Dies wird deutlich, wenn ein großer Verband mit Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Pflege feststellen muss: "Die zunehmende Verschiebung von Menschen mit Behinderung und höherem Pflegebedarf aus Eingliederungshilfeeinrichtungen in Pflegeeinrichtungen ist eine höchst problematische Entwicklung."
Weder in Art. 27 der Konvention zu Arbeit und Beschäftigung noch in der Denkschrift der Bundesregierung wird die Werkstatt für behinderte Menschen(WfbM) als Möglichkeit angesprochen. Ziel der Regelungen in der Konvention ist die Möglichkeit eines Verdienstes des Lebensunterhalts durch Arbeit in einem offenen, integrativen (engl. Originalsprache: inklusiven)  Arbeitsmarkt.  Es wird ein System vieler nach Anforderungen, Voraussetzungen und in der Rechtsform abgestufter Möglichkeiten von Beschäftigung, Arbeit und beruflicher Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen entstehen. Die WfbM wird nur noch eine dieser Möglichkeiten sein. Danach werden sich die Bedingungen der Arbeit für Menschen mit Behinderung, aber auch die der WfbM verändern. Es wird auch in Zukunft möglich sein, dass sich ein Mensch mit Behinderung für die Arbeit in einer WfbM entscheidet. Eine in Deutschland in solcher Klarheit noch nicht vorhandene Regelung trifft Art. 28 der Konvention. Danach wird das Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und ihre Familien anerkannt. Wir alle sind aufgerufen, den Prozess der Umsetzung dieser Konvention in die deutsche Lebenswirklichkeit durch Politik und Recht ebenso wie durch die Träger der Hilfen konstruktiv und kritisch zu begleiten. Wir müssen falsche Richtungen der Entwicklung früh und deutlich benennen und gegebenenfalls Alternativen aufzeigen, um auch für die Menschen in Deutschland das eingangs dargestellte Ziel der Konvention Wirklichkeit werden zu lassen.

4. Leserbrief BZ23Juli09 Inklusion Stegen
SONDERSCHULEN "Das Zauberwort heißt Wahlfreiheit"

Zum Bericht "Plädoyer für Erhalt der Sonderschulen" vom 16. Juni. Der Elternbeirat des Bildungs- und Beratungszentrums für Hörgeschädigte Stegen fordert den Erhalt von Sonderschulen und vermisst eine
differenzierte Sichtweise des Themas. Dass das Bildungszentrum sowie andere Sonderschulen eine hervorragende Arbeit leisten und deren Abschaffung auch gar nicht zur Debatte stehen soll, stellt, so denke ich, auch niemand in Abrede. Anzunehmen ist, dass der Impuls für das Verfassen der Resolution auf der jüngst vom Kultusminister geäußerten Absicht fußt, die Sonderschulpflicht abschaffen zu wollen. Hierbei ist allerdings zu betonen, dass Herr Rau nicht die Sonderschulen selbst aufgelöst wissen möchte, sondern die Pflicht oder gar den Zwang für behinderte Kinder, eine solche Schule besuchen zu müssen statt nur zu wollen. Bislang war nämlich genau dies der Fall, auch wenn von Eltern anderes gewünscht wurde. Die Absichtserklärung des Ministers ist für inklusionswillige Eltern behinderter Kinder ein lang ersehnter Streifen am Horizont. Viele, die einen anderen Weg für ihr Kind wählen wollten als den der Sonderbeschulung, wissen, was dies bedeuten könnte: kein steiniger Weg mehr, den man sich vorher oft mit Hilfe eines langen Atems, einem Haufen Geld, geschundener Nerven und drohender Illegalität bei Nichtbefolgung des Sonderschulzwangs mühsam erkämpfen musste. Das Zauberwort, auf das wir gewartet haben, heißt Wahlfreiheit. Diese wird konsequenterweise auch dazu führen, dass Schulbehörden, Kultusministerium, Eltern und Lehrer sich Gedanken darüber machen müssen, wie eine inklusive Schule auszusehen hat, damit genau das nicht passiert, was der Elternbeirat des Bildungszentrums für Hörgeschädigte in Stegen moniert, als da sind: zu große Klassen, schlecht ausgebildete Lehrer, Mobbing, unzureichendes Equipment und vieles mehr. Statt an der Sonderschule als einzigem Weg der Beschulung festzuhalten, wie im Artikel dargestellt ("Nur in sonderpädagogischen Einrichtungen könne individuell auf die Kinder eingegangen werden"), sollte sich der Elternbeirat lieber über die neu gewonnenen Möglichkeiten freuen, die sich fortan in unserer Bildungslandschaft ergeben werden. Er könnte beispielsweise sein langjähriges Know-How an die allgemeinen Schulen weitergeben, damit sich zu dem künftigen Selbstverständnis, dass behinderte und nichtbehinderte Menschen von Kindesbeinen an in jedem gesellschaftlich relevanten Bereich zusammengehören, eine ausgezeichnete
individuelle schulische Förderung gesellen kann. Eva Kottmeier, Freiburg

5. UN Behindertenrechtskonvention Gesetzestext im Wortlaut (dreisprachig)
Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 35 und Sicherheit auf der Grundlage der un- eingeschränkten Achtung der in der ...... (2) Kinder mit Behinderungen sind unverzüglich nach ihrer Geburt in ein ...
www.institut-fuer-menschenrechte.de /.../Behindertenrechtskonvention.pdf

20.11.2009, Rainer Lischka, Gundelfingen

 

Stuttgart will die Integration eigentlich nicht

A
m 25. März fand im Verwaltungsgericht in Freiburg die Verhandlung Integrative Waldorfschule Emmendingen gegen Land Baden-Württemberg statt. Es ging eine besondere Kraft vom Publikum aus, ein gemeinsames Interesse und Ziel: Das Recht behinderter Kinder auf Selbstbestimmung und Würde in einer freien und inklusiven Gesellschaft, in der niemand kraft Amtes und aufgrund seiner Behinderung ausgesondert und in die für ihn vorgesehene Kategorie abgeschoben wird.

Sollte das Land nun in Berufung gehen, demonstriert es damit nicht nur seinen Machtanspruch, sondern entlarvt auch im gleichen Zuge seine Politik der gewollten Trennung. Denn so absolut will das Kultusministerium in Stuttgart die Integration behinderter Kinder nicht verstehen. Es möchte selber entscheiden, ob ein Kind integrationswürdig ist oder nicht, und das hängt dann auch davon ab, ob es im jeweiligen Landkreis genügend, also mindestens sechs Kinder mit Behinderung gibt, um das vom Land bevorzugte Außenklassenmodell umzusetzen, bei dem die örtliche Regelschule mit der Sonderschule kooperiert und es sehr von der Weltanschauung des Schulleiters der Regelschule abhängt, ob und inwiefern das behinderte Kind tatsächlich am normalen Unterricht teilnehmen darf, oder nur vereinzelt oder ob es mehr im Pausenhof abgestellt und von den anderen Kindern, die es kaum kennen, mehr wie ein seltenes Geschöpf aus dem Zoo beäugt wird. Dem Ministerium geht das Urteil des VG zu weit, Inklusion aber kann nur absolut verstanden werden und kein Recht und Gerichtsurteil kann in dieser Sache weit genug gehen. Alle Einschränkungen aus politischen Machtgründen führen nur wieder zu weiterer Diskriminierung und politische Zugeständnisse werden zu einer Farce. Deutschland hat nach seiner Biografie eine besondere Verantwortung, was den Schutz vor Diskriminierung von Menschengruppen angeht. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, die seit 2009 auch in Deutschland geltendes Recht ist, macht eine inklusive Schulbildung ohne Vorbehalte zu Bedingung und Voraussetzung für eine menschenwürdigere Gesellschaft. Weltweit hat diese Entwicklung vor mehr als zehn Jahren eingesetzt. Springt Deutschland nun auch auf diesen fahrenden Zug auf oder verharrt es weiter in einer reaktionären Politik der sturen Trennung ungeachtet aller reformwissenschaftlicher Erkenntnis?
Das Land Baden-Württemberg könnte ein Zeichen der Brüderlichkeit setzen und dazu beitragen, dass in dieser Gesellschaft nicht nur der reine Leistungsnachweis und aggressions- und gewaltförderndes Ego-Prinzip Geltung haben, sondern alle menschlichen Grenzen sprengende Mitmenschlichkeit und Toleranz. Würde das Kultusministerium den Sonderschulzwang aufheben, wie angekündigt, sollte es die Türen zur Inklusion bedingungslos öffnen und nicht nur nach Politikermanier wahlkampforientiert so tun, als ob. Weitere Trennungsmaßnahmen stellen das demokratische und christliche Weltbild der hier herrschenden Partei zunehmend in Frage. Geht das Land in Berufung, legt es rechtlich und symbolisch Widerspruch ein gegen ein Urteil, das den Weg in die vorbehaltlose Inklusion ebnet
Sissi Fischer, Denzlingen, 23.5.2009

Als Ersatzschule anerkannt: Inklusion anstelle Separierung

Für die Eltern, die vorerst ihre Kinder wieder "legal" nach Emmendingen schicken können, ist dieser Etappensieg eine riesige Erleichterung. Aber darüber darf nicht außer Acht gelassen werden, dass viele dieser Eltern ihre Kinder lieber in die staatliche Quartiersschule geschickt hätten, wo Geschwister und Nachbarkinder sind und der Schulweg leichter zu bewältigen wäre. Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Urteilsbegründung auf Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes berufen, das private Schulen zulässt, sofern sie die geltenden Bildungsabschlüsse garantieren und als "Ersatz" für vorhandene oder vorgesehene öffentliche Schulen dienen. Damit nimmt das Gericht freundlicherweise an, dass solche integrativen Schulen in Baden-Württemberg existierten oder vorgesehen seien. Da die Vertreter der Schulverwaltung während des Prozesses damit argumentierten, es gebe mit den Außenklassen und den kooperierenden Schulen bereits integrative Konzepte, dürfte es ihnen auch in der nächsten Instanz schwer fallen, der Emmendinger Waldorfschule ihren Ersatzcharakter abzusprechen. Was also könnte das Kultusministerium bewegen, dieses Urteil in der nächsten Instanz in Frage zu stellen? Die Hoffnung, der VGH in Mannheim könnte obrigkeitsfreundlicher entscheiden? Möge diese Hoffnung trügen! Auch die Richter des VGH werden sich den geänderten gesellschaftlichen Sichtweisen nicht entziehen können, die deutlich auf Inklusion aller Menschen mit Behinderung abzielen und nicht auf eine Separierung.
14.4.2009, BZ-Leserbrief von Iris Vorberg, Merzhausen

Vereinte Nationen fordern die Integration
Wo lebt unser Herr Minister denn? Schon am 4. Dezember 2008 hat der Deutsche Bundestag das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beschlossen! In diesen UN-Standardregeln wird unter anderem gefordert, behinderte Kinder in reguläre Kindergärten zu integrieren und ihnen den unentgeltlichen Besuch einer Grundschule zu ermöglichen. Dies soll "unabhängig von Art, Umfang und Schweregrad der Behinderung" sein.
Der Regierungsentwurf zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen umfasst 70 Seiten. Vielleicht hatte Herr Rau ja keine Zeit, diesen zu lesen. Dann soll er ihn lesen lassen! Jedenfalls müssen nun Taten folgen und das Gesetz umgesetzt werden!  
14.4.2009, BZ-Leserbrief von Ellen Brinkmann, Bötzingen

 

 

 

Bildung neu denken - Freiburger Initiative

Wir wollen einen grundsätzlichen Wandel und die Erweiterung des Bildungsbegriffs.
Es geht uns um mehr als Integration - es geht uns um Inklusion. Wir wollen weg von einem Integrationsbegriff, der ausschließlich auf behinderte Menschen gerichtet ist. Denn diese Betrachtung greift entschieden zu kurz und verstellt den Blick auf notwendige und grundlegende Umwälzungen im Bildungssystem. Deshalb sagen wir:
Inklusion. Alles inklusive.

Die Freiburger Initiative "Bildung neu denken" vernetzt lokale Initiativen und Einrichtungen zur Inklusion
Diana Schiekofer , Vörstetter Str. 20 , 79194 Gundelfingen
Kai-Uwe Schneider , Haslacher Straße 159b , 79115 Freiburg , Tel 0761.276239
www.bildung-neu-denken.de
  

 

Endet ISEP-Projekt an Anne-Frank-Schule in Betzenhausen?

Wieso schafft man etwas ab, was erfolgreich ist? Diese Frage stellt sich nicht nur Sonderschullehrer Klaus Göppert, der an der Anne-Frank-Schule in Betzenhausen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet. Auch seine Kollegen und viele Eltern verstehen nicht, wieso das Kultusministerium in Stuttgart das sogenannte Integrative Schulentwicklungsprojekt (ISEP) zum Schuljahresende auslaufen lässt. Dies gibt es an der Grundschule seit acht Jahren.
Alles von Heike Spannagel vom 25.3.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/eltern-und-lehrer-kaempfen-um-ihre-integrative-klasse

 

 

Inklusion anstelle Integration - Die inklusive Schule

Auf der Kundgebung der Initiative "Bildung neu denken" am 22.11.2008 in Freiburg hat es Otto Herz auf den Punkt gebracht:
„Also, der zentrale Auftrag der Schule ist das Zusammenleben zu können, das Zusammenleben zu lernen und dann ist doch klar: Zusammenleben zu lernen kann ich nur mit denen, die zusammen sind. Wenn ich früh die Menschen aufteile - schon vor der Schule, dann nach vier Grundschuljahren, dann kann ich mit all denen, die ich weggeschickt habe, das Zusammenleben nicht lernen. Und damit verfehle ich den Grundauftrag der Schule.
Und das ist der wichtige Unterschied - deswegen will ich das noch einmal erklären - zwischen Integration und einem nicht besonders sinnlichen Wort - aber so heisst es nun mal international - Inklusion
. Sie wissen, wenn alles inklusive ist, dann ist alles drin. So ist das auch mit der inklusiven Schule. Integration - darüber redet die Welt nicht mehr und in Deutschland macht man Versuche bescheidener Art. Integration hat man in der Welt längst überwunden, weil integrieren kann ich ja nur etwas, was ich vorher ausgesondert habe. Integration ist immer ein nachträglicher Vorgang.

Aber das, worauf es ankommt ist „alles inklusive“. Alle gehören immer und von Anfang an zusammen. In all der wunderbaren Vielfalt, die es gibt. Es gibt z.Z. 6,5 Milliarden Menschen auf der Erde. Aber nicht eine einzige Person ist identisch mit einer anderen, selbst wenn es eineiige Zwillinge sind. Das ist der Reichtum der Welt. Und dieser Reichtum findet sich in einer Schule für alle von Anfang an, ohne Aussonderungen von irgendjemanden und dies bis zum Ende der Sekundarstufe I, bis ins Alter von 16 Jahren, weil dann erst die Jugendlichen selbst entscheiden können, was sie tun wollen. Vorher entscheiden immer die Eltern. Und wir wissen, wenn die Eltern entscheiden, entscheiden sie nach ihrer sozialen Herkunft. Und deswegen gibt es kein vergleichbares Land mit der Bundesrepublik wo der Bildungsweg und Bildungserfolg so sehr von der sozialen Herkunft abhängt wie in Deutschland. Wir sind also die Weltmeister in der Chancenungerechtigkeit, aber
wir sollten die Weltmeister werden in der Chancengleichheit."
Die v
ollständige Rede von Otto Herz vom 28.11.2008 in Freiburg
hier herunterladen

 

Kooperationsklasse ist "Selbstverständliches Menschenrecht"

Zum Bericht "Wo Hasen und Igel zusammen lernen" über die Kooperation von Tulla-Grundschule und Richard-Mittermaier-Förderschule (BZ vom 21. Februar).
Den Lehrern, die an diesem Kooperationsmodell arbeiten, aber auch der Badischen Zeitung, die diesem Thema Raum gibt, ist Dank zu sagen. Gemeinsam lernen, das ist ein selbstverständliches Menschenrecht, und dass es hier bei "Hasen" und "Igeln" stattfinden darf, ist beglückend. Einen Wermutstropfen gibt es aber dennoch: Die Hasen und Igel gehen auf zwei getrennte Schulen. Sie gehören nicht zusammen in eine Klasse. Mit dieser Kooperation ist die UN-Konvention, die ein "inklusives" Lernen in einer Schule und einer gemeinsamen Klasse einfordert, noch längst nicht eingelöst. Man könnte sogar befürchten, dass mit dieser Kooperation die eigentliche Forderung nach Inklusion unterlaufen wird, wie aus manchen Verlautbarungen des Kultusministers herauszulesen ist. Dann wäre das an sich beglückende Gefühl schnell gewichen und man fühlte sich getäuscht. Denn wie anders ist es zu verstehen, dass in Emmendingen, wo in der "Integrativen Waldorfschule" Inklusion seit 13 Jahren praktiziert wird und die Anmeldungen die vorhandenen Plätze weit übersteigen, gerade diese ersten Klassen seit diesem Schuljahr nicht mehr erlaubt wurden? Und wieso muss sich diese Schule, das Recht, behinderte Kinder mit nichtbehinderten zu unterrichten, erst mit einer Klage vor dem Gericht – dessen Urteil noch aussteht – erkämpfen?
BZ-Leserbrief vom 25.2.2009 von Wolfgang Dästner, Oberau

Mit weitergehenden Ansätzen aufgeräumt
Wie erfreulich, dass Sie hin und wieder von integrativen Projekten Behinderter und Nichtbehinderter berichten. Als Nichtbetroffener kann man sich unter dieser kooperativen Begegnung etwas Gutes und pädagogisch Ausgewogenes vorstellen. Sicher haben die Eltern jedes Einzelnen der "Hasen"-Kinder einen langen, bestimmt steinigen Weg gehen müssen, bis es endlich soweit war, dass ihr Kind die gewünschte Kooperationsklasse besuchen "durfte". Vielleicht sind auch beide, Sonderschullehrerin und Grundschullehrerin, froh über dieses klar strukturierte und definierte Modell der Begegnung von Behinderten und Nichtbehinderten. Und wahrscheinlich sind die meisten der beteiligten Eltern, Kinder sowie Lehrerinnnen und Lehrer zufrieden mit dem Konzept.
Wer sich aber ein wenig auskennt im Bereich Inklusion und Integration in Baden-Württemberg, der weiß, dass das Kultusministerium in den letzten Monaten radikal mit weitergehenden Ansätzen integrativer Schulmodelle aufgeräumt hat. Übrig geblieben sind eben einzig die Formen der Kooperations- und Außenklassen, in denen sich Hasen neben Igeln tummeln, immer hübsch getrennt im eigenen Stall. Dies – und darin liegt der Skandal – obwohl im Dezember 2008 die UN-Konvention für Behinderte im Bundestag ratifiziert wurde. Diese besagt in Bezug auf die Beschulung, beispielsweise in Artikel 24 2 b, dass, "Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben". Wer den Bericht "Wo Hasen und Igel zusammen lernen" vor diesem Hintergrund liest, merkt schnell, dass Kooperationsklassen noch weit entfernt sind von dem, was die Konvention verbindlich fordert und was im Übrigen seit Januar 2009 auch rechtlich einklagbar ist.
Ersetzt man die bestimmt nett formulierten Euphemismen "Hase" und "Igel" gegen Begriffe, die wirklich gemeint sind, nämlich "Behinderte" und "Nichtbehinderte" oder noch direkter durch "die Drinnen" und "die Draußen" bekommt die Philosophie der Kooperationsklasse gleich eine ganz andere Bedeutung. Ich jedenfalls stelle mir eine inklusive baden-württembergische Zukunft so vor, dass jede Klasse aus einem artenreichen Zoo besteht, genau so wie es sich die klugen Köpfe der UN-Generalversammlung ausgedacht haben. Ganz nebenbei würde ich es begrüßen, wenn sich die Badische Zeitung der UN-Konvention für die Rechte Behinderter einmal in einem ausführlichen Bericht widmen würde, alleine schon, damit sich alle (noch) Nichtbetroffenen an der Debatte um die neue Lage für die Rechte Behinderter beteiligen können.
BZ-Leserbrief vom 25.2.2009 von Eva Kottmeier, Vauban

 

Es ist die Natur eines jeden Menschen, anders als alle anderen zu sein

Danke für den Artikel über die Kundgebung am Augustinerplatz unter dem Motto "Integration. Wir gehören dazu". Am Ende des Artikel heißt es: "Zum Abschluss der Kundgebung sprach der Reformpädagoge Otto Herz." Ich möchte gerne näher auf dessen Rede eingehen: Exklusive Gesellschaft: wer diese sucht, wird sie im Südwesten finden, in jeder Stadt, in jedem Landkreis. Sie werden gebildet am Gymnasium, in der Real- oder der Hauptschule. Zusätzlich leistet sich Baden-Württemberg neun Sonderschulformen; für jede Spezialität findet sich da ein Angebot: für Blinde, Geistigbehinderte, Hörgeschädigte... Ausgesondert nach Defiziten sollen junge Menschen dort auf ihr selbständiges Leben vorbereitet werden; die Exklusivität ihrer Schule ist tägliches Signal dafür, dass auch ihr künftiges Leben am Rande der Gesellschaft stattfinden wird. Funktioniert das Leben so? Laufen in der Welt die Menschen gruppenweise rum, schematisch geordnet nach wenigen Kriterien des Könnens, gerne auch des Nicht-Könnens? "Nein," sagt der Pädagoge und Diplom-Psychologe Otto Herz, "es ist die Natur eines jedes Menschen, anders als alle anderen zu sein." Unsere Gesellschaft tut sich und ihren Mitgliedern keinen Gefallen, wenn sie ihren Nachwuchs schon zur Kindergartenzeit, spätestens aber nach der 5. Klasse ausschließt aus der natürlichen Vielfalt, in die er hineingeboren wird. "Wir können in der Welt alle großen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen. Das Fundament eines demokratischen, respektvollen, sorgsamen Miteinanders wird in einen inklusiven Schule gelegt, in einer Schule für alle" machte der Reformpädagoge bei der Kundgebung deutlich. 1989 hat die UN-Generalversammlung die Konvention über die Rechte des Kindes beschlossen. Weltweit sollen die Kinder geschützt werden, ausdrücklich auch vor Diskriminierung wegen einer Behinderung. Folgen wir dem Vorschlag von Otto Herz: Nächstes Jahr, zum 20-jährigen Jubiläum dieser UN-Kinderrechtskonvention, sollten wir in Baden-Württemberg Gemeinschaftsschulen und das Recht auf freie Schulwahl für alle verwirklicht haben. 
4.12.2008, Gudrun Nack, Mitglied des Elternbeirats der Staudinger Gesamtschule Freiburg

 

Der Ruf nach der einen Schule für alle wird lauter

Am 30. März 2007 hat die Bundesregierung die UN-Kinderkonvention unterzeichnet. In Artikel 24 heißt es: "Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht behinderter Menschen auf Bildung. Um die Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu erreichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslange Fortbildung." Mit dieser Unterschrift hat Deutschland den Willen zum Aufbruch in ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung kundgetan und damit die Absage von Trennung und Diskriminierung dieser Menschen schriftlich manifestiert. Vielmehr noch birgt diese Unterschrift eine Verantwortung, die eine große soziale und politische Dimension in sich trägt, und das weltweit. Weltweit ist Deutschland also jetzt Rechenschaft schuldig. Das Sonderschulsystem existiert in vielen Ländern lange nicht mehr, die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist dort Normalität, und keine höhere Instanz nimmt sich das Recht heraus, sie auszuklammern und zu ghettoisieren. Mit dieser Unterschrift hat Deutschland und damit jedes einzelne Bundesland die Aufgabe auf sich genommen, nach den Richtlinien einer bewusst menschlichen, freien und offenen Gesellschaft zu handeln, einen neuen Weg zu beschreiten hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und Ausgeglichenheit. Denn haben wir nicht längst erkannt, dass wir uns nur selbst schaden, uns entfremden und in eine selbstzerstörerische Richtung eilen, wenn wir die scheinbar Schwachen aus der Gesellschaft heraustrennen? Das Ideal von Stärke, Schönheit und absoluter Leistungsfähigkeit, dem wir unterliegen und dessen Opfer wir vielfach sind, macht uns blind. Was riskieren wir, wenn wir uns öffnen? Mehr zwischenmenschliche Wärme, mehr Toleranz, ein gesünderes Leistungsdenken und weniger Raum für Aggression. Es kann und darf in diesem Fall nicht um den Machtkampf zwischen den Parteien gehen, Genauso unerheblich ist es, um was für eine Art von freier Schule es in diesem Zusammenhang geht (Waldorf, Montessori, frei aktiv). Aus einer integrativen Schule, die nun schon seit zwölf Jahren nach den Richtlinien der UN- Konvention arbeitet, einen Schulverbund aus Regel- und Sonderschule machen zu wollen, ist eine Verhöhnung der UN-Konvention. "Integration fängt in den Köpfen an — in unseren!" , so Prof. Feuser von der Uni Zürich. Ein Mensch wird vor allem dann "behindert" , wenn die Gesellschaft oder Politik ihn durch Aussonderung in seinem individuellen Entfaltungsraum begrenzt und einengt. Das deutsche Schulsystem hinkt, die Unzufriedenheit wächst, vielerorts wird der Ruf nach der einen Schule für alle laut. Es ist Zeit zu handeln: Jetzt.
BZ-Leserbrief vom 25.10.2008 von Sissi Fischer, Denzlingen  

Emmendingen ist hier Vorreiter in einer guten Sache
Als Familie mit nichtbehinderten Kindern in der Emmendinger Waldorfschule bedauern wir sehr die Entscheidung aus Stuttgart. In der Schule wird seit zwölf Jahren erfolgreich und mit viel Engagement das Miteinander Behinderter und Nichtbehinderter Schüler praktiziert. Pro Klasse sind etwa vier behinderte und 20 nichtbehinderte Kinder. Außer dem regulären Lehrstoff werden so auch das gegenseitige Wahrnehmen und soziale Miteinander gelernt. Darin besteht der richtige und zukunftsweisende Weg. Die Behinderten und deren Geschwister und Eltern sind sowohl in der Klassen- als auch Schulgemeinschaft integriert. Nichtbehinderte und Behinderte profitieren voneinander. Das Urteil von Minister Rau ist erschreckend vereinfacht, weil er als einziges Kriterium zur Anerkennung der Emmendinger Integrativen Waldorfschule bessere pädagogische Ergebnisse als in Staatsschulen voraussetzt. Diese Begründung erscheint rein politisch und vorgeschoben. Unsere Schule sehen wir als eine Alternative und nicht als Abgrenzung zu den staatlichen Schulen, wo die Behinderten wohl versorgt aber separat und Nichtbehinderte in Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien wiederum unter sich unterrichtet werden. Wie es weiter geht und wie wir Eltern den jetzigen Zustand durchstehen sollen (auch in finanzieller Hinsicht), wissen wir nicht. Aber wir sind zuversichtlich, dass eine Entscheidung zum Wohle der Kinder getroffen wird. Den Lehrern und Aktiven in der Emmendinger Integrativen Waldorfschule sowie den Unterstützern gebührt großer Dank. Emmendingen ist hier Vorreiter in einer guten Sache.
BZ-Leserbrief vom 25.10.2008 von Petra Matthis-Bauer und Michael Bauer, Emmendingen

So lernt man Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme
Aus Raus Aussagen schließe ich, dass er den Begriff Integration in seiner Tragweite nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Vielleicht sollte ihm jemand erklären, dass es bei einem integrativen Projekt eben nicht nur auf die Entwicklung des zu Fördernden ankommt, sondern vielmehr auf die Entwicklung der gesamten Gruppe — also auch der Kinder, die laut Gesetz keinen Förderbedarf haben. So lernt man Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme. Die Abschaffung der ISEP-Klassen an Grundschulen lässt den Schluss zu, dass dies einfach nicht erwünscht ist. Warum eigentlich? Wie integriert Herr Rau solches Vorgehen in sein christliches Politikverständnis? Auch die Aussage, dass die Kinder nicht besser gefördert werden als im bestehenden Schulsystem verweist auf die Wahrnehmungsdefizite des Ministers. Ist es nicht so, dass jedes Kind einen individuellen Entwicklungszeitraum hat? Wer kann beurteilen, wie sich ein Kind in einer anderen Schule entwickelt hätte? Man müsste, um diesen Vergleich anzustellen, ein identisches Kind zweimal zur gleichen Zeit zwei Schulen durchlaufen lassen und am Ende testen, welches besser ist. Es ist also unredlich, ein solches Urteil zu fällen. Wenn es eine integrative (Waldorf)Schule laut Aussage von Herr Rau geschafft hat, genauso gute Ergebnisse zu erzielen, so übertrifft sie doch die Regelschule in der Hinsicht, dass hier zusätzlich noch etlichen Kindern und Erwachsenen (den Eltern der Kinder) nahegebracht wurde, tolerant und gemeinschaftlich miteinander umzugehen. Dies sollte ein Kultusminister anerkennen und als Vorbild für eine integrative Schullandschaft annehmen.
BZ-Leserbrief vom 25.10.2008 von Cornelia Bossert, Kai-Uwe Schneider, Freiburg

 

Wir entschieden uns bewusst für die Sonderschule

Für mich steht außer Frage, dass die integrative Beschulung behinderter Kinder an der IWS eine von mehreren Optionen in unserem Schulsystem sein muss. Jedoch befremdet mich die Darstellung der Sonderschule von Frau Fischer. Sie schreibt: "Eine Schule nur für behinderte Kinder ist eine künstliche Trennung vom Leben". Unser Sohn besucht nun im 5. Jahr mit großer Motivation "seine" Eduard-Spranger-Schule in EM-Wasser. Nach dem Besuch des Regelkindergartens mit entsprechender Integrationshilfe machten wir Eltern uns intensiv Gedanken darüber, welche Form der Beschulung für unseren Sohn die beste sei. Wir entschieden uns bewusst für die Sonderschule für Geistigbehinderte, da wir dort für ihn die optimalen Förderungsmöglichkeiten sahen. Die besonderen Bedingungen, die behinderte Kinder zum Lernen benötigen, sehen wir in einer Sonderschule, in der in kleinen Klassen unterrichtet wird und durch deren gesamte Infrastruktur jedes einzelne Kind dort abgeholt werden kann, wo es gerade steht, am besten gegeben. Wir sind bis heute davon überzeugt, dass dies für unseren Sohn die richtige Entscheidung war. Die Kinder bleiben auch nicht, wie immer wieder fälschlicherweise angenommen wird, abgeschirmt in ihren vier Wänden, sondern beteiligen sich engagiert durch verschiedenste Aktionen und Projekte am gesellschaftlichen Leben. Es gibt unzählige Beispiele in den Bereichen Sport, Kunst, Teilnahme an Festlichkeiten, Angebote von Dienstleistungen und vieles mehr. Wir können mit Freude beobachten, wie sich unser Sohn zu einem fröhlichen Kind entwickelt, das sich selbstbewusst in dieser Welt bewegt.
BZ-Leserbrief vom 11.10.2008 von Anja Schmieder, Waldkirch

 

Waldorfschule EM: Integration behinderter Kinder unerwünscht?

In welcher Schule werden geistig behinderte Kinder am besten gefördert? In der Sonderschule? Oder in einer integrativen Klasse? Über diese Frage streiten sich die Schulbehörden und die Freie Waldorfschule Emmendingen. Doch eine einzig richtige Lösung für alle Kinder gibt es nicht.

Geistig behinderte und nicht behinderte Kinder lernen in der integrativen Waldorfschule seit 13 Jahren gemeinsam. Jede Klasse hat vier Schüler mit und 24 Schüler ohne Behinderung. Ein Lehrer und ein Heilpädagoge gestalten den Unterricht, ein Helfer unterstützt ihre Arbeit. Da das baden-württembergische Schulgesetz nur reguläre und Sonderschulen vorsieht, beruht das integrative Modell auf befristeten Sondergenehmigungen. Dieses Jahr blieb die Zustimmung aus: Die landesweit einzige Integrationsschule darf keine neuen Schüler mehr aufnehmen. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass die behinderten Kinder durch den Unterricht bessere Leistungen erzielen als jene, die eine Sonderschule besuchen, lautet die Begründung des Ministeriums. Ein hartes Urteil, der große Eklat sollte aber verhindert werden. Die Waldorfschule solle in eine Regelschule und in eine Sonderschule aufgeteilt werden, lautet der Kompromissvorschlag aus Stuttgart. Gewünscht sei Kooperation statt Integration, dann könnten die Kinder weiter unter einem Dach — und über Stunden in einer Klasse — unterrichtet werden. Und deshalb so viel Wirbel? Nein, beiden Seiten geht es ums Prinzip: Die Waldorfschule will den Fortbestand des integrativen Modell erzwingen und so die Zukunft der einmaligen Schule sichern. Freie Regel- und Förderschulen, auch mit Waldorfpädagogik, gibt es schließlich einige in der Region. Das Kultusministerium wiederum scheut die Anerkennung eines nicht sehr geliebten Modellversuchs durch die Hintertür. Förderschule oder integrativer Ansatz, was ist das beste für das behinderte Kind? Diese Frage ist auch unter Fachleuten heftig umstritten. Es gibt behinderte Kinder, die in der Regelklasse nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, sondern auch von ihren Mitschülern akzeptiert werden. Es gibt Behinderte, die finden in der Förderschule die optimale Förderung ihrer Talente. Es gibt Eltern, die übersteigerte Erwartungen an die Leistung ihrer behinderten Kinder haben. Und es gibt Lehrer, die mit einem richtigen Integrationsgedanken große Mühen haben. Und nun? Bei allem Verständnis für die Eltern, ihr Wille ist nicht entscheidend. Die Waldorfschule muss ihre Leistungen für die behinderten Kinder nachweisen. Wenn es diese gibt, kann das integrative Modell nicht an 300 000 Euro Förderung scheitern. Gibt es sie nicht, gibt es keine Argumente, warum der Sonderweg der Emmendinger Waldorfschule weiterhin extra gefördert werden muss. Entscheidend ist nicht das Prinzip, sondern das Wohl des Kindes.
Petra Kistler , 11.9.2008, BZ

Waldorfschule nimmt vier behinderte Erstklässler auf
Obwohl das Regierungspräsidium den integrativen Ansatz für die erste Klasse ablehnt, setzt die Schule auf eine gütliche Lösung. So groß war das Interesse der Medien an einer Einschulungsfeier der Integrierten Waldorfschule (IWS) in Emmendingen noch nie. Sogar Fernsehkameras begleiteten gestern die Ereignisse rund um die Feier in der Festhalle des Zentrums für Psychiatrie. In der rappelvollen Halle demonstrierte die Schule Geschlossenheit. "Es ist etwas Besonderes, zu dieser Schulgemeinschaft zu gehören" , sagte eingangs die Klassenlehrerin und Sprecherin des Schulleitungsteams Gisela Meier-Wacker und forderte nach der Schilderung einer Geschichte, in der ein Mensch mit großer Beharrlichkeit es schafft, eine öde Wildnis in eine fruchtbare Landschaft zu verwandeln, dazu auf, dass alle Menschen diesen "Samen der Integration" von Behinderten pflanzen sollten. Wie bereits im Vorfeld angekündigt, haben die Eltern von vier behinderten Kindern daran festgehalten, dass ihre Kinder den Schulweg in der Integrativen Waldorfschule beginnen. Sie wurden gestern von der Schulgemeinschaft begrüßt, wenngleich erst in dieser Woche das "Kompromissangebot" der Schule, die neue erste Klasse als Sonderschulklasse zu genehmigen, vom Regierungspräsidium Freiburg abgelehnt wurde. Dennoch sahen und sehen die Eltern keinen Grund, ihren Standpunkt aufzugeben. Michael Löser, Geschäftsführer der Schule, hielt schon am Dienstag in einer Pressemitteilung fest: "Für die Eltern der betroffenen Kinder hat sich an ihrem Entschluss, ihre Kinder an der IWS einzuschulen, nichts geändert — im Gegenteil. Die Schulgemeinschaft wird die vier daher in der Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung am morgigen Mittwoch in die erste Klasse aufnehmen." Die Hoffnung, so Löser, ruhe auf einer für die Schule positiven Entscheidung des Schulausschusses des baden-württembergischen Landtags. Der Ausschuss soll sich Mitte Oktober auf Initiative der beiden Landtagsabgeordneten Marianne Wonnay (SPD) und Renate Rastätter (Grüne) mit dem Antrag der Emmendinger Schule befassen, auch die vier behinderten Erstklässler in den integrativen Schulentwicklungsversuch Isep aufzunehmen, denn der Versuch für die Klassen 2 bis 12 wurde erst Anfang August um ein Jahr verlängert. Das Pilotprojekt geht damit — wenngleich formal um die erste Klasse reduziert — nunmehr ins 14. Jahr. Dass die Schule entgegen der Vorstellungen des Regierungspräsidiums dennoch gestern die vier behinderten Kinder aufgenommen hat, sieht Löser nicht als widerrechtlichen Akt an. Er ist davon überzeugt, wie er gestern nochmals sagte, dass am Ende — im Sinne der Kinder — eine einvernehmliche Lösung gefunden werde. Wichtig sei, dass der Wunsch der Eltern erfüllt werde. Außerdem werde der Schulpflicht der Kinder genüge getan. Zuversichtlich stimmt den Geschäftsführer auch, dass man mit der Schulverwaltung im Gespräch sei — trotz der mitunter auch für die IWS etwas schwierigen Kommunikation mit den Behördenvertretern.
ius, 11.9.2008, BZ
 
Schulträger muss mit Strafe rechnen Künftige Struktur der Integrativen Waldorfschule ist noch immer strittig:
Da die Integrative Waldorfschule in der vergangenen Woche entgegen einer Eilentscheidung des Freiburger Verwaltungsgerichts vier behinderte Kinder in die erste Klasse aufgenommen hat (die BZ hat darüber berichtet), muss der Trägerverein nun mit Sanktionen rechnen. Noch jedoch ist nach Darstellung von Martin Vossler, dem Koordinierungsreferenten für Schule und Bildung beim Regierungspräsidium (RP) in Freiburg, nicht klar, wie der Schulträger bestraft wird. Klar sei momentan nur, dass auf die vier betroffenen Kinder und deren Eltern keinerlei Konsequenzen zukommen werden. Dennoch will das RP die Eltern darauf hinweisen, dass der Besuch ihrer Kinder in der Integrativen Waldorfschule in Emmendingen erstens nicht rechtmäßig sei, und dass sie zweitens mit dem Schulamt beim Landratsamt in Emmendingen Kontakt aufnehmen sollten, um eine Lösung zu finden, die rechtlich einwandfrei ist. Nach Einschätzung von Michael Löser, dem Geschäftsführer der Emmendinger Schule, bedeute das, dass die Eltern sich eine andere Schule suchen müssten. "Das müssen die Eltern entscheiden" , sagt Löser, der jedoch nochmals bekräftigt, dass es gerade der ausdrückliche Wunsch der Eltern gewesen sei, ihre Kinder in eine Schule mit einem integrativen Ansatz zu schicken. Mit welchen Konsequenzen rechnet Löser? Sorgen mache er sich keine, sagt er, gehe aber davon aus, dass das RP für die vier Kinder keine Zuschüsse des Landes beispielsweise für die Personalausgaben bezahlen könnte. In einem solchen Fall, das sei auch den Eltern der vier Kinder zugesichert worden, würde mit Geld aus der Schulkasse die Lücke überbrückt. Auf welcher Basis allerdings in nächster Zeit mit den Schulbehörden verhandelt werde, ist auch Löser momentan nicht so ganz klar. Fakt sei, dass der Schulträger aufgefordert worden sei, eine Stellungnahme abzugeben. In diesem Zusammenhang widerspricht Löser dem Vorwurf des RP, die Schule habe den Eltern der vier behinderten Kinder suggeriert, dass eine Aufnahme ohne Probleme möglich sei. Vielmehr seien die Eltern stets in den Diskussionsprozess eingebunden gewesen. Außerdem sei allen Eltern bewusst gewesen, dass der Schulversuch, der nun nochmals für die Klassen zwei bis zwölf um ein Jahr verlängert worden war, zeitlich befristet sei. Etwas "blauäugig" , so Löser, sei man in der Schule allenfalls dahingehend gewesen, dass man stets angenommen habe, dass eine Verlängerung geradezu automatisch auch für die neue erste Klasse gelten werde. Die Ausklammerung der ersten Klasse sollte, wie Vossler erläutert, das Signal dafür sein, dass der Versuch nun ausklinge. Das Kultusministerium halte nämlich an seinem Vorschlag eines Kooperationsmodells fest. Begründung: Das Integrationsmodell sei zwar an der Emmendinger Schule erfolgreich, lasse sich aber flächendeckend nicht auf andere Schulen des Landes übertragen. Die Schule hat bekanntlich gegen diese Entscheidung Klage eingereicht. Mit einem Urteil des Freiburger Verwaltungsgerichts rechnet das Präsidium etwa in einem halben Jahr. Derweil machen sich vor allem Politiker der Grünen stark für die Schule. Nachdem der Freiburger Landtagsabgeordnete Reinhold Pix eine Förderung integrativer Modelle gefordert hatte, sprach der Bundestagsabgeordnete Alexander Bonde in einem Brief an Kultusminister Helmut Rau mit Blick auf die jüngsten Entscheidungen von einem Armutszeugnis.
20.9.2008,
Marius Alexander, BZ

Wie kann es sein, dass der Wille der Eltern so gering geachtet wird?
Es ist der Badischen Zeitung hoch anzurechnen, dass sie immer wieder über Modelle der Integration von Behinderten in das Alltags- und Berufsleben berichtet, und dass sie auch den Kampf der integrativen Waldorfschule Emmendingen gegen das verordnete Auslaufen ihres Modells begleitet. Unser Kind kommt dort nun in die dritte Klasse und hat sowohl im letzten Zeugnis der Schule als auch im aktuellen Testbericht des Kinderarztes signifikante Entwicklungsfortschritte attestiert bekommen. Aus einem sehr zurückhaltenden, oft desorientierten, schwierigen Kind ist ein selbstbewusstes, lernwilliges Mädchen geworden, das nicht nur dabei ist, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, sondern auch von den gesunden Kindern in der Klasse und unserer Nachbarschaft ohne Einschränkung akzeptiert wird und für das wir nun nach Jahren der Ängste und Sorgen hoffen können, dass es im Rahmen seiner Möglichkeiten ein glückliches, weitgehend selbstständiges Leben wird führen können. Gewiss haben auch andere Faktoren (konsequente Frühförderung, ein ebenfalls integrativer Montessori-Kindergarten, eine gesunde Schwester, ein engagiertes Umfeld) die Entwicklung unseres Kindes begünstigt, aber all das wäre möglicherweise wieder verpufft, wenn es nicht auch in der Schule den selbstverständlichen Umgang mit gesunden Kindern haben könnte. Nun argumentiert das Ministerium, es könne nicht nachgewiesen werden, dass die behinderten Kinder durch den integrativen Unterricht bessere Leistungen erzielten. Abgesehen davon, dass wir uns nicht recht vorstellen können, wie man das bei ein und demselben Kind beweisen wollte, bezweifeln wir nicht, dass die Sonderschulen gute Arbeit leisten, dass ihre Lehrer engagiert und erfolgreich sind. Es mag sein, dass unser Kind auch in einer Außenklasse Lesen und Schreiben gelernt hätte, aber es wäre ausgesondert geblieben, ausgeschlossen vom täglichen Umgang mit "normalen" Kindern. Für uns und alle Eltern in ähnlicher Situation, die wir kennen, ist es unfassbar, dass in Baden-Württemberg und im Grunde fast überall in Deutschland integrativer Unterricht nicht oder kaum stattfindet — im Unterschied etwa zu den skandinavischen Ländern, die in der Pisa-Diskussion so gern als Vorbilder betrachtet werden. Alle Parteien sind sich darin einig, dass der Sozialstaat gerade für die Schwächsten da sein muss. Wie kann es dann sein, dass die anerkannt erfolgreiche Förderung für eine Gruppe dieser Schwächsten aus augenscheinlich finanziellen Gründen nicht bewilligt wird? Denn der Emmendinger Schule fehlten, befolgte sie den vom Ministerium vorgeschlagenen scheinbaren Kompromiss, sich in eine normale und eine Schule für geistig Behinderte zu spalten, bis zu 300 000 Euro, weil die bisher von den Landratsämtern bewilligten Zuschüsse für Schulbusse und Integrationshilfe entfielen. Und wie kann es sein in einer Demokratie, in der die Gleichberechtigung aller Individuen und ihre freie Entfaltung grundgesetzlich verankert sind, dass der Wille der Eltern, ihren Kindern ein möglichst normales, diskriminierungsfreies Schulleben zu ermöglichen, so gering geachtet wird?
BZ-Leserbrief vom 24.9.2008 von Nina und Michael Falentin, Freiburg

Eine Schule nur für behinderte Kinder ist eine künstliche Trennung vom Leben 
Als Mutter eines der vier Kinder mit Behinderung, die nun trotz allem in die erste Klasse der integrativen Waldorfschule in Emmendingen eingeschult wurden, möchte ich zu dem Artikel Stellung nehmen. Frau Kistler schreibt von übersteigerten Erwartungen der Eltern an ihre behinderten Kinder. Ist es übersteigert von mir als Mutter, meinem Sohn Balthasar zu wünschen, dass er in dieser Gesellschaft, in die er natürlicherweise hineingeboren wurde, seinen Platz findet, mittendrin unter allen Menschen, mit und ohne Behinderung? Ist es übersteigert, mir zu wünschen, dass er nicht wieder ausgeklammert und an den Rand geschoben wird? Nach einer schönen und natürlichen Zeit im integrativen Kindergarten soll er nun in die staatliche Sonderschule kommen müssen, die Integration für den Rest seiner Schulzeit, vorbei sein. Eine Zeit, in der sich das Selbstverständnis und die Sozialkompetenz eines jeden Menschen für den Rest seines Lebens prägen. Ein Kindergarten oder eine Schule mit nur behinderten Kindern oder mit nur normalen Kindern ist eine künstliche Trennung. Kinder mit und ohne Behinderung werden geboren und gehören zusammen.  Eine Gesellschaft, in der nur Menschen gelten dürfen, die 100 Prozent leistungsfähig sind, produziert ein am Ego orientiertes Ellenbogenverhalten und fördert Aggression. Andersherum betrachtet: Hat nicht jedes normale Kind das Recht auf seinen behinderten Mitschüler? Die Anwesenheit behinderter Kinder in einer Schulklasse führt zu einer menschlich warmen und aggressionsarmen Stimmung. Frau Kistler schreibt nur von Leistungen. Ganz außer Acht gelassen wird der überraschend offene und intuitive Aspekt, den uns Kinder mit Behinderung schenken, und somit ihren ganz besonders wichtigen Beitrag in dieser Gesellschaft leisten. Mein Sohn Balthasar geht mit großer Freude seit zwei Tagen in die IWS in Emmendingen, dieselbe Schule, die auch sein gesunder Bruder besucht. Er ist sichtlich stolz, dabei sein zu dürfen. Und was er durch seine noch nicht ausgeprägten Sprachkenntnisse nicht versteht, wird er intuitiv erfassen, genauso wie er es intuitiv erfassen und sein Selbstwertgefühl einen großen Schaden nehmen würde, wenn er an eine reine Geistigbehinderten-Schule gehen müsste.  Deutschland ist umgeben von Ländern, in denen es keine Sonderschulen mehr gibt, in denen die Inklusion behinderter Menschen Normalität ist. Das Recht auf Integration ist ein Menschenrecht. Wenn die Gesetze in Baden-Württemberg die Integration behinderter Kinder und das Recht auf freie Schulwahl nicht vorsehen, so müssen die Gesetze aktualisiert werden.
BZ-Leserbrief vom 27.9.2008 von Sissi Fischer, Denzlingen

Der Wille der Eltern ist entscheidend
Wie bitte? Der Wille der Eltern ist nicht entscheidend bei der Frage der Genehmigung der integrativen Waldorfschule Emmendingen? Wer entscheidet denn über das Wohl meiner Kinder? Das Oberschulamt? Die akademische Lehrmeinung? Das Kultusministerium? Wieso muss der integrative Ansatz "besser" sein, um genehmigt zu werden? Sind die Montessori Schulen besser als die Waldorfschulen? Schließen wir die einen Schulen, weil die anderen besser sind? Oh heilige Einfalt: Wie verwirrt sind denn manche Köpfe um das Einfachste nicht mehr einzusehen: Die integrative Waldorfschule Emmendingen arbeitet seit über zehn Jahren laut Oberschulamt sehr erfolgreich. Sie stellt mit ihrem Ansatz eine neue Form der Integration und Inklusion für alle Kinder dar und bereichert somit die pädagogische Vielfalt. Sie wird getragen und gewollt von den Eltern, und ist nicht teurer als andere Schulen. Also ist diese Schule vom Staat zu fördern, bis keine Eltern mehr da sind, die ihre Kinder an dieser Schule anmelden. Wie lange wollen wir Politiker wählen, die den Schulen unserer Wahl verbieten, unsere Kinder aufzunehmen und so wenig imstande und Mutes sind, das Neue und Kommende zu denken und zu tun?
BZ-Leserbrief vom 27.9.2008 von Dipl.-Ing. Kurt Fleig, Lahr

Die Tragik ist vielleicht gar nicht zu ermessen 
Die Autorin des Artikels hat meines Erachtens die Brisanz für die Situation Behinderter nicht erfasst. Allerorten wird nach einer längeren gemeinsamen Schulzeit für alle gerufen, die Abschaffung der Hauptschule gefordert. Die Argumente sind hinlänglich bekannt und haben nicht zwingend mit dem Thema Leistung zu tun. Nicht mitgemeint, quasi ausgeschlossen, sind dabei nach wie vor die besonderen Kinder, welche im Augenblick in unserer Gesellschaft in der Regel ein Leben auf der "Sonderseite" führen müssen. Mit dem Beschluss des Kultusministeriums, der Emmendinger Waldorfschule die Sondergenehmigung auf integrative Beschulung zu entziehen, soll nun einer der wenigen Versuche, behinderten jungen Menschen ein normales Dasein inmitten unserer Gesellschaft zu ermöglichen, unmöglich gemacht werden. Das ist tragisch für die betroffenen Kinder und deren Eltern. Wie sehr, das mag eine Redakteurin, die das Leistungsprinzip unserer Gesellschaft auf behinderte Kinder zu übertragen versucht, vielleicht gar nicht zu ermessen.
BZ-Leserbrief vom 11.10.2008 von Eva Kottmeier, Freiburg

So werden Menschen einander entfremdet 
Einerseits wird jede einzelne berufliche "Integration" gefeiert und Sportler/-innen mit körperlichen Beeinträchtigungen feiern ihre eigene Olympiade, "dürfen" sogar mittlerweile teilweise in "normalen" Wettkämpfen antreten (jaja, in Norwegen wurde sogar der Behindertensportverband abgeschafft und dem allgemeinen angegliedert), andererseits skizziert unser Ministerpräsident die Sonderschule völlig losgelöst von seinem restlichen Schulsystem, einsam und isoliert wie auf einem eigenen Planeten untergebracht. Vielleicht ja im Interesse manch Mächtiger und anderer Interessierter, zeigt doch das Leben und die Arbeit mit besonderen Menschen immer wieder und sehr eindrucksvoll, dass unsere Existenz eben nicht nur aus immer mehr, schneller, höher, weiter und womöglich hauptsächlich aus Zahlen besteht. Segregierende, absondernde Beschulung schränkt die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern mit Beeinträchtigung erheblich ein, prägt ihr Selbstbild mit negativen Folgen für ihr (und unser!) späteres Leben. Menschen mit und ohne Behinderungen werden einander von vornherein entfremdet — später versucht man dies mit großem Aufwand wieder rückgängig zu machen. Allerdings: Jede "Nische" ist halt auch ein geschützter (hier auch nicht zu kleiner wirtschaftlicher) Markt und schützt vor Kommunikation, Auseinandersetzung und Reflektion mit anderen Interessen und Kenntnissen. Oder besser: Verhindert, behindert sie?
BZ-Leserbrief vom 11.10.2008 von Jürgen Hauke, Niederweiler

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