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Nachdenkliches ab Juli 2005
   

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Blick vom Galgenberg ob Ebnet nach Südosten ins Dreisamtal am 11.6.2005 - rechts der Hörchersberg   


Geistig Behinderte als Bombenträger im Irak - neue Dimension

Terroristen im Irak schicken jetzt auch Menschen mit Down-Syndrom als Selbstmordattentäter in den Tod. In der Ortschaft Al-Radwanija südwestlich von Bagdad starben am Sonntag 36 Soldaten und Bürgerwehr-Kämpfer, als während der Auszahlung ihres Solds die Sprengstoffgürtel von zwei geistig Behinderten explodierten. Nach Angaben der Polizei hatten sich zwei Männer mit Down-Syndrom unter die Bürgerwehr-Angehörigen gemischt. 28 Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt. Etwa zur gleichen Zeit sprengte sich auch in der Stadt Al-Kaim an der Grenze zu Syrien ein Selbstmordattentäter in die Luft. Er riss vier Angehörige einer Bürgerwehreinheit mit in den Tod.
19.7.2010

 

Wäre das nicht auch Weihnachten?

Hier bleiben.
Bei mir bleiben.
Möglichst nahe
Bei mir bleiben.
Mich in den Sessel setzen
Im Erker.
Durchs Fenster hinaussehen
In den Garten.
Auf den Weihnachtsstern schauen
Am Fenster.
Der ist schön.
Hat ihn meine Frau angebracht?

Aufstehen,
zu ihr gehen.
„Hast Du das gemacht
Mit dem Stern?
Das ist schön!“

Wäre das nicht auch –
Weihnachten?

Stefan Pflaum, 16.12.2009, Wunderfitz, www.dreisamtaeler.de

 

Jeder Krieg bringt unermessliches Leid mit sich - Oettinger

Laut übereinstimmenden Presseberichten hat der Baden-Württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger während einer Rede bei der Tübinger Studentenverbindung "Ulmia" gesagt: "Wir sind in der unglaublichen Lage, nur von Freunden umgeben zu sein. Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr."

Nun mag Herr Oettinger erklären, das sei doch nur ein Scherz gewesen. Dann muss er sich sagen lassen, dass es Dinge gibt, über die man keine Witze machen darf — schon gar nicht als Politiker in der Öffentlichkeit. Vielleicht sollte Oettinger einmal ein Land besuchen, in dem Krieg herrscht, oder das vor kurzem einen Krieg mitgemacht hat — zum Beispiel den Libanon oder eines der Kriegsgebiete in Afrika. Dann würde er begreifen, wie unsäglich dumm seine Äußerung war. Jeder Krieg bringt unermessliches Leid für die betroffenen Menschen. Und wenn er meint, ein Krieg brächte mehr Gemeinsinn, dann offenbart er erschreckende Ahnungslosigkeit. Oder sieht er etwa in Plünderungen, Vergewaltigungen, Verwüstungen und Morden Gemeinsinn? Nein, es ist eine Erfahrung von Jahrtausenden, dass die meisten Menschen im Krieg verrohen. Wie schon Immanuel Kant vor etwa zweihundert Jahren gesagt hat: "Der Krieg ist darin schlimm, dass er mehr böse Menschen schafft, als er deren wegnimmt." Seit über sechzig Jahren leben wir in Westeuropa ohne Krieg. Seit dem Ende des "Kalten Krieges" vor über fünfzehn Jahren herrscht auch wirklich Frieden. Es ist ein unschätzbares Geschenk, dass Deutschland heute nur von Freunden umgeben ist. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich viele Menschen für den Aufbau des Friedens eingesetzt. Wenn Herr Oettinger diesen Frieden nicht zu schätzen weiß, dann ist er als Ministerpräsident nicht mehr tragbar.

BZ-Leserbrief vom 2.3.2007
IPPNW Regionalgruppe Freiburg,
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
Dr. med. U. Baer-Bergamaschi, Kirchzarten; Dr. med. L. Brüggemann, Norsingen;
E. Gorenflos, Freiburg; G. Horowitz, Stegen; Dr. med. M.L. Oebel-Horowitz, Stegen; Dr. med. J. Pflieger, Müllheim; Dr. med. R. Stadler, Freiburg

 

DDR - In den Köpfen hat sich nichts verändert

Zum BZ-Artikel "Ein Freiburger Kommunist" vom 16.10.2006

Von 200 000 Menschen, die in den Jahren 1946 bis 1954 in der ehemaligen DDR aus politischen Gründen verhaftet wurden, kam jeder Zweite ums Leben, ein sehr großer Teil davon waren Jugendliche unter 18 Jahren. Die Todeslager waren eingerichtet in Torgau, Bautzen, Buchenwald, Sachsenhausen und Waldheim. Es gab für die Kommunisten im Stalinismus viele Gründe, Menschen hinzurichten: Besuche bei westlichen Behörden in Westberlin wurden als Spionage gewertet, das Verteilen von antikommunistischen Flugblättern galt als Kriegshetze. Derartige Fälle sind Legion. Drei meiner Mitschüler und zwei junge Lehrer wurden 1950 festgenommen und aus derartigen Gründen hingerichtet, andere Schüler an unserer Oberschule (Karl-Marx-Oberschule Altenburg, Bezirk Leipzig) bekamen Zuchthausstrafen von 10 bis 25 Jahren.
Während 2,5 Millionen DDR-Bewohner der kommunistischen Gewaltherrschaft unter Gefahren für Leib und Leben den Rücken kehrten und der kommunistische Staat später seine eigenen Bewohner sogar einmauern musste, kämpften diese armen Westkommunisten für die deutsche Einheit — ihre Einheit — und versuchten vergeblich in die DDR zu gehen. Ich war schon damals als DDR-Bürger immer wieder erstaunt über die dreisten Geschichtsverdrehungen und Lügen der SED-Kommunisten. Nach Lektüre dieses Artikels mit dem Untertitel "Als Friedensfreund im Gefängnis" kann man nur feststellen, dass sich in deren Köpfen selbst nach dem unrühmlichen Ende des Kommunismus im Ostblock und nach dem Bekanntwerden millionenfacher Morde unter dem Massenmörder Stalin nichts verändert hat.

BZ-Leserbrief vom 28.10.2006 von Klaus A. Scheler, Münstertal

 


 

Eine neue Dimension der Gewalt: 16-Jährige ersticht 17-Jährige

Aus nichtigem Anlass - wie die Presse schreibt? Nicht nur in Karlsruhe ist man schockiert über diesen neuerlichen Fall von "Gewalt von jungen Frauen gegen junge Frauen". Und leider kein Einzelfall.
E.K., 5.6.2006
www.hilfe-hd.de/gewalt2004.htm

 

Ärztestreik: Wer hier studiert, soll auch hier arbeiten 

Wer den Kredit des Steuerzahlers aufnimmt, sich in unserem Land auf höchstem Niveau auf Kosten der Allgemeinheit zum Arzt ausbilden zu lassen und mutmaßlich auch seinen frühen Lebensabend auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung hier verbringen möchte, um schließlich dereinst in heimatlicher Erde im Kreise der Familie begraben zu werden, möge bitte auch Zins und Tilgung hier zu Lande an jene zahlen, die ihm das ermöglicht haben und deshalb seine Lebensarbeitsleistung ebenfalls hier zu Lande erbringen! Es wird höchste Zeit, dass auch die klassischen “Großkopferten” , also Ärzte, Piloten, Politiker, Manager und andere chronisch überbezahlte Berufsgruppen mal einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-/Nutzenanalyse unterzogen werden, um die Spreu vom Weizen zu trennen und sie auf die in unserem Land noch möglichen finanziellen Gegebenheiten zurecht zu stutzen.

BZ-Leserbrief vom 3.6.2006 von Michael Fritz, Freiburg-Opfingen

 

Die Sehnsucht nach Werten - Was ist uns heilig?

Er verkündet das Ende der Spaßgesellschaft und das ausgerechnet im Europa-Park, der Freizeiteinrichtung für das Vergnügen schlechthin: Peter Hahne, der bekannte Fernsehmoderator, Journalist, Theologe und Publizist, ist am Dienstagabend auf Einladung der Volksbank nach Rust gekommen, um den knapp 2500 Zuhörern im Dome des Parks von einer neuen Bewegung in Deutschland zu berichten - von der Sehnsucht vor allem junger Menschen nach alten Werten.

Dass er ausgerechnet an einer Vergnügungsstätte allererster Ordnung referiert, findet er selbst eine “dolle, spannende Sache” . Die Begründung, der entsprechenden Einladung der Volksbank gefolgt zu sein, fällt ihm da schon leichter. Er erinnert an Friedrich Wilhelm Raiffeisen, den Begründer der Genossenschaftsbewegung - “ein entschiedener Christ, der mit der Realität Gottes rechnete” . Raiffeisens Grundanliegen sei auch das seine, machte Hahne deutlich: “Sonst hätte ich das nicht gemacht.”  Nach weiteren Artigkeiten, die Volksbankchef Manfred Basler sichtlich genießt - “der Marxismus ist zusammengebrochen, Sie aber gibt es immer noch” - und einem Kompliment an den Europa-Park - “Disneyland ist da nur ein Abklatsch” - kommt der TV-Moderator auf eine weitere Erfolgsgeschichte zu sprechen, auf die eigene nämlich. Und die ist eng verbunden mit dem Lahrer Johannis-Verlag. Der nämlich gibt Hahnes Buch “Schluss mit lustig - Das Ende der Spaßgesellschaft” heraus. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel notierte den kleinen Band mit einer Auflage von inzwischen über 700 000 Exemplaren als Bestseller des Jahres 2005. “In Verlegerkreisen gilt es als die absolute Sensation, das ein christliches Buch aus einem kleinen mittelständischen Verlag einen derartigen Erfolg hat” , betont der Autor, der sich in seiner knapp eineinhalbstündigen, freien Rede nicht nur auf die Inhalte seines Buchs stützt, sondern auch aktuellere Themen anspricht.

Die Mohammed-Karikaturen zum Beispiel. Auch die sieht Hahne vor dem Hintergrund der aktuellen Wertediskussion. Die freie Meinungsäußerung sei ein Wert, räumt Hahne ein, ohne das Thema allerdings weiter zu vertiefen. Denn seines ist ein anderes: “Was ist uns denn heilig?” , fragt er an dieser Stelle. Sein Fazit: Da gebe es ein Vakuum, da sei nichts mehr vorhanden. “Und genau dafür verachten uns intellektuelle Muslime” , so der Referent zum Verhältnis der Religionen, “dass sich eine Kultur selber aufgibt” . Eine Kultur, in der etwa das “Kreuz als Klorollenhalter” missbraucht werde. Die geistig-moralische Wende, seinerzeit von Kanzler Helmut Kohl in seiner ersten Regierungserklärung angekündigt, lasse sich aber nicht von oben herab verordnen, betont Hahne. “Das kann nur von unten wachsen; und das erleben wir in einer ungeheuren Dramatik in der letzten Zeit.” Die Trendwende von unten macht er im Weltjugendtag in Köln aus. Dort hätten sich junge Menschen auf die Suche nach Persönlichkeiten gemacht, die ihnen eine Orientierung geben. Und der Papst habe die Richtung vorgegeben. “Wenigstens ist mal einer da, der das tut” , so das Ratsmitglied der evangelischen Kirche in Deutschland. Dass inzwischen Bewegung in die Wertediskussion gekommen ist, macht Hahne an einem weiteren Beispiel deutlich: Als der damalige CDU-Fraktionschef im Bundestag, Friedrich Merz, von einer deutschen Leitkultur gesprochen habe, habe es einen Aufschrei gegeben. Heute sei das alles anders: “Es gibt es keine Talkshow mehr, in der die Wertefrage nicht thematisiert wird.”
Alles von Klaus Schweizer 23.2.2006 auf www.bzol.de

 

 

 

Leben in der Illegalität - eine Million Menschen

Verbände und Kirchen vermuten, dass etwa eine Million Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben. Sie kommen aus der Türkei, Serbien, Russland, der Ukraine, Vietnam, China, dem Irak oder Afghanistan. Die Menschen haben bereits Kontakte zu Bekannten hier oder sind nach einem gescheiterten Asylverfahren im Land untergetaucht. Manche Eltern und Kinder kommen, um bei ihren Familienangehörigen zu leben.

Vermutlich eine Million Menschen leben in Deutschland ohne einen Aufenthaltsstatus. Der deutsche Caritasverband in Freiburg veranstaltete dazu eine Tagung. Ute Koch vom Katholischen Forum “Leben in der Illegalität” kennt die Probleme der illegalen Immigranten. Michael Neubauer sprach mit ihr.

BZ: Rund 700 000 Immigranten ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben sich in Spanien bei einer Massenlegalisierung bei den Behörden gemeldet. Warum lehnen die Kirchen und die Caritas in Deutschland so eine Legalisierung ab?
Koch: Eine Massenlegalisierung würde nichts an den grundsätzlichen Strukturen ändern. Solange Illegale auch eine Funktion im informellen Billiglohnsektor haben, ist anzunehmen, das die Legalisierten ihre Arbeit verlieren werden. Dann würden wieder neue Immigranten illegal nachkommen, die wiederum in diesen Bereichen arbeiten. Denn legalisierte Arbeiter sind für die Arbeitgeber ja teurer.

BZ: Das heißt, diese Job-Grauzone würde sich einfach neues Personal suchen?
Koch: Ja, denn der Bedarf ist groß. In Deutschland sind dies zum Beispiel Dienstleistungen, die von den privaten Haushalten nachgefragt werden - also vor allem Handwerker sowie Alten- und Pflegedienste und Putzfrauen. Der zweite Bereich ist das Hotel- und Gaststättengewerbe und die Landwirtschaft. Der dritte große Bereich ist das Baugewerbe. Wir haben in Deutschland genau genommen eine heuchlerische Diskussion: Die Gesellschaft profitiert von den hier sich illegal aufhaltenden Menschen. Viele Familien und Pflegebedürftige können sich keinen legalen Pflegedienst leisten, weil er zu teuer ist. Gleichzeitig werden illegale Immigranten als kriminell beschimpft.

BZ: Welche Alltagsprobleme haben Menschen, die ohne Aufenthaltsrecht bei uns leben?
Koch: Das Wichtigste für Menschen ohne Aufenthaltsrecht ist: nicht krank zu werden. Denn die gesundheitliche Versorgung läuft über die Krankenversicherung, in die Illegale nicht reinkommen. Es besteht zwar für sie die Möglichkeit, nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch gesundheitliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die dafür zuständigen Sozialämter sind jedoch gegenüber den Ausländerbehörden meldepflichtig. Viele Illegale gehen zu spät zum Arzt und werden schwer krank. Das andere ist der Schulbesuch von illegal eingereisten Kindern. Hier gibt es extreme Rechtsunsicherheit in Deutschland. Es gibt einige Bundesländer, in denen diese Kinder das Recht auf Schule haben, in anderen haben sie es nicht. Schulleiter trauen sich oft nicht, diese Kinder anzunehmen. Eltern haben Angst, dass die Kinder auffliegen. Ein weiteres Problem ist der Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung. Wenn illegal beschäftigte Arbeitnehmer von ihren Arbeitnehmern um ihren Lohn betrogen werden, dann trauen sich die illegal Beschäftigten nicht vor einem Arbeitsgericht zu klagen.

BZ: Gibt es noch keine EU-einheitlichen Regelungen?
Koch: Es gibt die Bestrebung der EU-Kommission nach einer einheitlichen EU-Migrationspolitik, die auch Arbeitsmigration beinhaltet. Bisher ist das jedoch immer an den einzelnen nationalen Regierungen gescheitert. Angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen in Deutschland lässt sich die Eröffnung legaler Zuwanderungswege zu befristeten Arbeitsaufenthalten, um eben die illegale Zuwanderung zu begrenzen, noch nicht vermitteln.
mic am 16.2.2006 in der BZ

Leben in der Illegalität - Forum von Pater Jörg Alt >WenigerStaat (11.3.2005)

 

 

Wolfgang Schäuble - Wir leben über unsere Verhältnisse

„Wir leben über unsere Verhältnisse“ – und haben deshalb Angst / Wie Wolfgang Schäuble sich an der Freiburger Universität Gedanken über die deutsche Zukunft macht / Der Berliner Koalitionspoker scheint ihn nicht zu berühren

Wolfgang Schäuble kommt später als geplant, aber immerhin, er kommt. „Eigentlich sollte man die ganze Bande mal hierher mitbringen“, verrät der 63-Jährige gleich zum Auftakt seines Vortrags an der Freiburger Universität – und das Publikum erstrahlt. Der Veranstalter des Abends, das Walter-Eucken-Institut, hält von Südbaden aus die Ordnungspolitik der Freiburger Schule in Ehren. Die Bande aber, damit meint Schäuble die Spitzen von Union und SPD, mit denen gemeinsam er in diesen Tagen um die Bildung einer halbwegs funktionsfähigen Koalition ringt. Und wer würde nicht frohlocken, wenn einer wie Schäuble durch die Blume erklärt, ein wenig Nachhilfeunterricht bei ihm würde das Lösen der Probleme dieser Republik zumindest erleichtern? Bis es soweit ist, erteilt Schäuble den Unterricht selbst – Übung hat er darin. Sogar „Beauftragter des Rektors für politische Bildung“ war der junge Schäuble in Freiburg einmal, wie Institutsdirektor Professor Viktor Vanberg weiß.
Das ist lang her. Noch viel länger blickt Schäuble zurück, um den Ursachen der mentalen Krise nachzuspüren, die nicht nur aus seiner Sicht die Deutschen nun schon länger durchleiden. Zukunftsangst, Mutlosigkeit, aber auch lähmende Regelungswut – für den Juristen erklärt sich vieles aus der Geschichte. Von den Wirrnissen der napoleonischen Eroberungskriege über die verspätete Staatswerdung, dem hektischen Aufholenwollen als Kolonialmacht bis zur traumatischen Erfahrung zweier Weltkriege und der Hitler-Diktatur spannt er den Bogen für die These, daher vor allem rühre eine kollektive „Lasst-mich-doch-in-Ruhe“-Haltung. Die führt für Schäuble direkt zu übersteigerten Abwehrreflexen etwa Erfordernissen der Globalisierung gegenüber. Ein Kuriosum: „Die Deutschen haben mehr Angst, aber bereiten sich auf Risiken schlechter vor.“

Die Angst speist sich Schäuble zufolge aber noch aus einem zweiten Grund: „Wir leben über unsere Verhältnisse“. Die meisten Bürger wüssten dies insgeheim und machten sich gerade deswegen Sorgen um die Zukunft. Eine Sparrate, die den Konsum abwürgt, ein Kindermangel, der die Überalterung der Gesellschaft beschleunigt – für Schäuble sind dies nur zwei Symptome der Verunsicherung, die aber Konsequenzen zeitigen: abnehmenden Optimismus und schwindende Dynamik, verbunden mit dem trotzigen Wunsch vieler, das selbst Erarbeitete auch selbst zu vervespern. „Glauben Sie mir“, sagt Schäuble, für die Forderung nach Verzicht zu Gunsten der Jugend „gibt es auch bei der Senioren-Union nur begrenzt Beifall“.
Für die Altenorganisation der CDU mag das stimmen, für die Besucher in der Aula nicht. Die meisten von ihnen kleben Schäuble förmlich an den Lippen, folgen fasziniert den Gedanken eines Mannes, der als Politiker eigentlich eher für Parolen gut sein müsste. Und wird Schäuble nicht ständig für Ämter gehandelt? Wie kann ein potenzieller Innenminister, Verteidigungsminister oder auch wieder Fraktionschef in aller Seelenruhe darüber räsonieren, dass es ihm ungeachtet aller Krisenzeichen nicht bange sei um die Republik? Wenn die Deutschen nicht jetzt die Kurve nähmen, dann eben später. Bloß werde in einem solchen Fall vieles noch schwerer. So spricht einer, der offenbar nicht nur mit der Querschnittslähmung nach dem Attentat 1990 zu leben gelernt hat. Ob in seinem Vortrag womöglich doch der Hinweis versteckt gewesen sei, er werde Otto Schily beerben? Solchen Fragen weicht Schäuble aus, wechselt das Thema. Das Signal, dass beide Parteien doch wieder zuerst die Posten verteilt hätten, „ist verheerend".
Alles von Thomas Fricker vom 15.10.2005 auf www.bzol.de 

 

Im Freiburger Osten kann man mehr als nur Jammern

Es gibt nicht nur Probleme, sondern auch eine Menge Hilfsbereitschaft in unserem Stadtteil. Da ist das Beispiel mit den wohnsitzlosen Gästen, 120 an der Zahl wurden von Ehrenamtlichen der beiden Kirchengemeinden  bewirtet und betreut. Da gibt es die Gartenfreunde Ost, die langjährige Missverständnisse und Zwistigkeiten mit ihren Nachbarn aus dem Flüchtlingsheim endlich beilegen und über bestehende Probleme reden wollten. In diesem Jahre haben sie zum zweiten Mal mit den Bewohnern des Flüchtlingsheims in der  Hammerschmiedstraße ein  Sommerfest gefeiert und ganz viel Engagement erbracht. Und Schließlich gibt es da den runden Tisch, ins Leben gerufen von Gerda Liebner, der Rektorin der Reinhold-Schneider-Schule.  

"Sozialer Brennpunkt Littenweiler" unter diesem Motto treffen sich Vertreter und Vertreterinnen fast aller gesellschaftlichen Gruppierungen  in Littenweiler. Auch hier will man helfen und gegen die immer größer werdende Verwahrlosungsproblematik bei Jugendlichen und Kindern angehen. Kindern  und Jugendlichen ,  die  aufgrund ihrer sozialen Situation die trivialsten Dinge des Miteinanders  in  ihrem Elternhaus nicht vermitteln bekommen und später auf dem Arbeitsmarkt so gut wie chancenlos sind,  brauchen HIlfe,  so meint Gerda Liebner. Beispielsweise könnte ihnen  die Einrichtung  einer Ganztagesschule den Weg ins Erwachsensein und in eine berufliche Tätigkeit ebnen.  Leider wurde der Antrag abgelehnt, aber die Teilnehmer des runden Tisches bleiben am Ball  und haben längst nicht aufgegeben. . Ebenfalls auf Initiative  des runden Tischs setzen sich Menschen unseres Stadtteils für eine Familie aus dem Kosovo ein,  die seit neun Jahren in Littenweiler lebt und nun in ihre Heimat in eine ungewisse Zukunft abgeschoben werden soll. Toll auch das  Engagement von Wilfried Nagel, der sich im Jugendhaus, in der Schwarzwaldstraße 168,  für die Belange der Jugendlichen einsetzt. Und es gibt noch viele andere, die helfen, die kaum  bekannt sind und im Stillen wirken.

Dies alles sollte uns Mut machen und  zeigen, dass wir im Freiburger Osten mehr können,  als nur Jammern, dass es  hier Menschen gibt, die anpacken,  sich einsetzen und helfen , überall da, wo die Not groß ist..
Anita Hohler
 im Littenweiler Dorfblatt 7/2005

 

Wert des Geldes über 80 Jahre hinweg

Von der Wiege bis zur Bahre: Gezahlt wird bar oder mit Ware  / Der Lebenslauf eines heute Achtzigjährigen – dargestellt am sich ständig ändernden Wert des Geldes und dessen sich wandelnder Bedeutung

Im Geld steckt ein Geheimnis: Es reicht immer – bei angemessener Lebensführung. Wir von der „älteren“ Generation können heute nicht über Geld reden, ohne von der Vergangenheit zu sprechen.

Geboren 1925. Taschengeld war noch nicht üblich. Zu Geld kam man durch kleine Dienstleistungen in der Nachbarschaft und zu Hause. Eine sichere jährliche Einnahmequelle war der Friedhof-Blumenmarkt vor Allerheiligen. Den älteren Damen durften wir die Blumenstöcke zur Grabstätte tragen. Je nach Wegstrecke gab es einen Zehner bis 50 Pfennige.Selbst bei den geringen Einnahmen der Jugend wurde noch gespart. Einmal im Monat wurde das Klassenzimmer für eine halbe Stunde zur Girohalle. Der Mann von der Sparkasse nahm die Spargroschen entgegen und händigte uns Sparmarken im Wert von je zehn Pfennigen aus, die von Zeit zu Zeit dem Sparbuch gutgeschrieben wurden.

Geld war knapp, wir fühlten uns jedoch nicht arm. Unglücklich waren wir auch nicht. Unser Vater hatte eine siebenköpfige Familie zu ernähren. Eine mögliche Erhöhung des Stundenlohns um zwei Pfennig führte zu dem Entschluss, den Arbeitsplatz zu wechseln. Wir hatten Glück, der Alleinverdiener war nie arbeitslos.

September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Ab und zu Fliegeralarm, Lebensmittelkarten, Kleider-Bezugsscheine. April 1940 Schulentlassung. Beginn einer kaufmännischen Lehre. Das erste selbst verdiente Geld. Im ersten Lehrjahr monatlich 25 Reichsmark, im zweiten 40, im dritten 6o. Wir sparten auf Kleidung, und es reichte sogar für einen Urlaub in den Bergen.

Herbst 1942 Arbeitsdienst, Januar 1943 Wehrdienst mit all seinen Folgen. Geld war nicht mehr gefragt. Es ging nur ums Überleben. 1945 Kriegsgefangenschaft. Keine Währung. Für geleistete Arbeit gab es schmale Kost und eine Schlafstätte. September 1947 Heimkehr, Übergangsgeld. November 1947 bis Februar 1948 Krankenhaus für Heimkehrer. Diagnose: Hungerödeme. Geld war keine gefragte Währung. Es wurde getauscht. Die Städter fuhren in die Landgemeinden, tauschten Wertgegenstände gegen Lebensmittel. Es blühte der „Schwarzhandel“.
Wiederaufnahme der Arbeit als kaufmännischer Angestellter April 1948. Das Monatsgehalt, etwa 130 Reichsmark, hatte aber keine Kaufkraft. Juni 1948 „Währungsreform“: Für zehn Reichsmark gab es eine DM. Kopfgeld 40 DM. Die Schaufenster füllten sich mit Waren. Das „deutsche Wirtschaftswunder“ begann. Das Gehalt stieg von 180 DM brutto im Jahr 1950 auf 340 DM im Jahr 1952. Es lohnten sich wieder persönliche Anstrengungen und Weiterbildung. Der „freie Beruf“ bot eine Plattform. 1953 führte die Weitsicht eines Bruders zur Überlegung, eigenen Grundbesitz zu erwerben. Es entstand ein Dreifamilienhaus, Gesamtwohnfläche 250 Quadratmeter, Herstellungskosten 86000 DM, ohne Grundstück.
1956 bei einem Bruttoverdienst von 478 DM Heirat. Ein guter Start: Einzug in die eigenen vier Wände. Kosten für den Hochzeitsanzug: 218 DM, für das Hochzeitsmenü mit vier Gängen: acht DM pro Person, für die Übernachtung der Hochzeitsgäste: sechs DM pro Person ohne Frühstück. Von Februar 1957 an selbstständig im freien Beruf. In kleinen Schritten stellen sich die finanziellen Erfolge ein. 1958 kosten ein Kilogramm Schwarzbrot 0,80 DM, ein Liter Milch 0,43 DM, 500 Gramm Butter 3,36 DM, 500 Gramm Zucker 0,62 DM. Der Stundenlohn eines Facharbeiters, etwa eines Maurers, betrug 2,80 DM. Zum 1.Januar 2002 Einführung des Euro. Umstellungsfaktor zur D-Mark: 1,95583. Eine Umstellung angeblich ohne Kaufkraftschwund. Trifft dies wirklich zu? Im Geld steckt ein vermeintliches Geheimnis: Es reicht immer bei angemessener Lebensführung. Dies 1950 und auch heute.

Nun sind wir alt. Von Krankheit verschont, leben wir noch gerne. Glück wäre es, wenn uns das Alten- und Pflegeheim erspart bliebe. Sonst würden die Sparreserven angebrochen, und auch weitere Vermögenswerte stünden zur Disposition. Wir würden doch so gerne unseren Kindern und Enkeln diese erarbeiteten Erfolge hinterlassen.
Friedrich Bühler, Freiburg,
Steuerberater, 80 Jahre alt, BZ vom 26.7.2005

  
 

In Freiburg entwickeltes Portal Shoa.de für „Grimme Online Award“ nominiert

Die Idee entstand in Freiburg. Damals, 1996, gründeten junge Leute, die bei den Professoren Bernd Martin und Heinrich Schwendemann Geschichte studierten, den Arbeitskreis „Shoa.de“. Und weil sie schon früh die Möglichkeiten des Internet erkannten, öffneten sie in ihm ein Portal für politisch-historisch Interessierte. Seine Themen: Drittes Reich, Antisemitismus, Holocaust. Inzwischen ist aus diesen Anfängen ein virtueller Informations- und Gedenkort geworden – so außergewöhnlich, dass „Shoa.de“ aus mehr als 1400 Vorschlägen für den „Grimme Online Award“ nominiert wurde.

Der Freiburger Stefan Mannes ist von Anfang dabei. Nicht nur Geschichte studierte er damals in Freiburg, sondern auch Geographie, Politik – und Informatik. Und als er während eines Praktikums im Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme seinen ersten Web-Server kennen lernte, war plötzlich die Idee da, geschichtliche Inhalte ins weltweite Netz zu stellen. „Wir hatten den Zugang zur Technologie und den Zugang zu den historischen Quellen.“  Erste Texte waren Hausarbeiten und Referate zum Dritten Reich. „Und dann haben wir super viel Feedback bekommen“, erinnert sich der heute 35-Jährige. Andere Studierende und Dozenten schickten Arbeiten – und jetzt machen mehr als 80 Autoren und Autorinnen mit, von der Studentin über Doktoranden bis zum Professor. So sind mehrere hundert Artikel, Biographien, ein Glossar, Zeitzeugenberichte, eine übersichtliche Zeitleiste, ein Überblick über die NS-Gedenkstätten, ein Link-Katalog (mit Verknüpfungen), ein Diskussionsforum und manches mehr zusammen gekommen. Die Folge: Die Plattform der Initiative „Shoa.de“, mittlerweile ein in Berlin angekommener gemeinnütziger Verein, verzeichnet Monat für Monat gut 180000 Besuche.

Eine spannende Geschichte, findet Stefan Mannes – nicht nur wegen der Historie, sondern auch „weil wir keine bezahlte Redaktion sind, alles ehrenamtlich machen und keine institutionelle Förderung bekommen“. Die Initiative (Shoa ist die hebräische Bezeichnung für den„Holocaust“, also die einzigartige Vernichtung von sechs Millionen Kindern, Frauen und Männern, die die deutschen Nationalsozialisten für Angehörige einer jüdischen „Rasse“ hielten) lebt vom Engagement derer, die mitarbeiten, in ihrer Freizeit den Server warten, die Links pflegen. Und von deren Lust, mit neuen Blickwinkeln den Blick zu weiten. Stefan Mannes bringt es so auf den Punkt: „Die Mainstream-Themen gibt’s bei Guido Knopp im ZDF – und anschließend informieren sich viele auf unserer Website.“ Wo sie neben geschichtlichen Grundlagen-Informationen auch Neues entdecken. Zum Beispiel, dass es so etwas wie einen tschechischen Schindler namens Premysl Pitter gab, der vielen Menschen das Leben rettete. „Viele Leute haben ein großes Interesse, aber wenig Wissen“, beobachtet Stefan Mannes. „Das zu vermitteln, ist das Internet die einfachste Art.“ Und diese Vermittlung scheint dem Freiburger, der mittlerweile in Berlin hauptberuflich eine Agentur für Sozial- und Kulturmarketing betreibt, auch sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs notwendig. „Denn dieser einmalige Zivilisationsbruch ist noch immer ein großes Thema, aus dem man viel lernen kann – über Schuld zum Beispiel und die historische Verantwortung der Deutschen.“

Deshalb müssen die Beiträge für „Shoa.de“ auch so geschrieben sein, „dass sie uns etwas für heute zu sagen haben, für unser Leben, für unseren Umgang mit Demokratie – das ist das, was wichtig ist“. Folglich schlägt das Internet-Portal den Bogen vom Holocaust über Nachkriegsdeutschland bis zum Rechtsextremismus der Gegenwart. Denn ob die Jury die Arbeit der Initiative heute mit dem „Grimme Online Award“ auszeichnet oder nicht – eines steht für Stefan Mannes fest: „Zukunft braucht Erinnerung.“
Gerhard M. Kirk am 30.6.2005 in der BZ

Initiative „Shoa.de“, gemeinnütziger Verein:
www.shoa.de

  

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