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Wenn das Leben nur noch am Handy und online stattfindetTelekommunikativ überfordert? Amerikaner gehen für jeden Blödsinn zum Psychiater, das Geschäft brummt. Doch momentan freuen sich die Seelenklempner über erhöhten Zulauf dank des Internets. Nicht, weil der "Shrink" so eine tolle Homepage hat, sondern weil die elektronische Telekommunikation so manchem modernen Weltbürger über den Kopf wächst.Sie ist 38 und immer noch Single. Sie hätte auch gar keine Zeit für eine feste Beziehung. Schließlich will sie modern und unabhängig sein. Und kommt so schon mit ihrer Zeit nicht mehr zurecht. Sie hat eine Arbeit, bei der sie schon um 16 Uhr zuhause sein kann. Und kaum ist dies geschehen, klingelt auch schon das Telefon. Ihre Freunde haben schließlich alle Flatrate für Festnetz und Handy. Gleichzeitig loggt sie sich ins Internet ein und ruft ihre E-Mail ab. Der ICQ-Client gibt auch sofort Geräusche von sich, das Blog verzeichnet etliche neue Kommentare. Eigentlich müsste sie mal einkaufen gehen, doch nun klingelt auch noch das Handy… Um 19 Uhr ist sie mit einer Freundin im Café nebenan verabredet, doch sie schafft es kaum, dazwischen wenigstens einmal aufs Klo zu gehen – schließlich hatte sie die ganze Zeit Leute am Telefon. Immerhin schafft sie es, sich umzuziehen. 18.59 Uhr stürmt sie schließlich aus der Tür – mit dem Handy am Ohr. Im Cafe will es mit dem gemütlichen Gespräch auch nicht so recht klappen, denn ständig geht bei einer der beiden das Handy und sowohl sie als auchihre Freundin simsen auch noch, was das Zeug hält. Immerhin nicht miteinander, so wie später am Abend in der Disco, um die Männer abzuchecken, wenn es zum Reden zu laut wird. Per SMS verabredet sich die Clique schließlich in der Pizzeria. Herbert kommt mit Knopf im Ohr und vor sich selbst hinredend an den Tisch. Handelt es sich wirklich um Beischlafvorverhandlungen, so wie es sich für die anderen anhört, oder will er nur angeben? Die Frage klärt sich auf ausgesprochen peinliche Weise, als Sandrine ganz unauffällig mit ihrem Handy seine Nummer anwählt und selbiges lautstark I want your sex zu dudeln beginnt. Tja, das vermeintlich heiße Gespräch war leider gefälscht. Erwischt! Nachdem die Pizzen serviert sind, herrscht endlich Telefonpause. Nur einige SMS werden noch gelesen. Danach wird per SMS mit Nachzüglern abgesprochen, wohin es weiter geht: die neue Milchbar ist heute dran. Dann die Disco – und um 2 Uhr geht es schließlich heim. Alleine natürlich. Schließlich wartet da noch der Chat. Im Chat ist viel los, Manfred hat Liebeskummer, Susi einen untreuen Freund und Ernst macht alle Frauen an, woraufhin diese beschließen, auf sein Baggern einzusteigen und mit ihm gleich zu fünft in den Privatchat zu gehen. Dabei werden Wetten abgeschlossen, wie lange es dauert, bis er die verschiedenen Fenster durcheinander bringt. Brigitte gewinnt, als in ihrem Fenster ein peinliches "Maria, ich liebe dich auch" erscheint. Danach ist für Ernst die Party für heute vorbei. Die Mädels machen weiter. Um fünf kommt sie endlich ins Bett, um sieben klingelt das Handy und kurz darauf der Wecker. Zeit aufzustehen und sich nur halblebendig in die Arbeit zu schleppen. Sie denkt daran, einen Zen-Kurs zu belegen, um etwas Ruhe in ihr Leben zu bringen, doch dann müsste sie Teak-Wan-Do am Donnerstag streichen... Völlig übertrieben? Nein, ganz
normaler Alltag für viele mit Handy und Internet aufgewachsene Menschen. Als
Sucht empfinden sie es nicht – und im Gegensatz zu den Müttern, die Kinder und
Haushalt vernachlässigen und von morgens bis abends am Computer sitzen, bis die
Nachbarn die Polizei rufen, oder den Dauersurfern, die auch polizeibekannt sind,
weil ihnen selbst Wasser und
Während
des ersten Versuchs, diesen Text an einem Samstag in Ruhe zu schreiben, rief
eine Kollegin an, die Probleme mit ihrem Partner hatte, eine Mail plumpste ins
Fach, in der ein anderer Kollege um Rat in Liebesdingen fragte und schließlich
trafen auf dem Handy auch noch etliche SMS einer Bekannten ein, die sich in
einer Weiterbildung langweilte und lieber detailliert mitteilte, was sie nun mit
der Hand heimlich unter dem Tisch anzustellen gedenke, mit der sie gerade nicht
simste. Obwohl ähnliches kommunikatives Durcheinander im Büro durchaus zum
Arbeitsalltag eines Journalisten gehört, hoffte ich doch, nur nichts
multitaskingtechnisch durcheinander zu bringen. Doch für so manchen modernen
WWW- und Handy-Bürger ist ein solches Szenario auch in der Freizeit längst
Routine…
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