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Verkauf der Stadtbau-Wohnungen
in Freiburg - Ja oder Nein?
 

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Stadtbau-Wohnungen, Haushaltssanierung, Heuschrecke, ....

Blick vom Rappeneckweg/Abzweig Ochsenlager nach Nordosten über Oberied ins Zastler (rechts) und Weilersbach (Mitte) am 7.6.2006

Verkauf stadteigener Wohnungen

Die Stadt Freiburg besitzt Häuser, die ins Grundbuch der Stadt Freiburg eingetragen sind. Daneben hat die Stadt Häuser, bei denen die Stadtbau GmbH als Eigentümerin eingetragen ist. Der Gemeinderat der Stadt Freiburg beschloss, die komplette Stadtbau GmbH mit ihren über 6000 Wohnungen zu verkaufen.
Die rund 1000 Wohnungen, die direkt der Stadt gehören, verbleiben weiterhin in städtischem Eigentum.

Bürgerentscheid am 12.11.2006:
"Sind Sie dafür, dass die Stadt Freiburg Eigentümerin der Stadtbau GmbH und der städtischen Wohnungen bleibt?"
70,5 % votierten dafür - Wahlbeteiligung: 39,9 %.

 

2005 bis 2009: Wohnungsverkauf und Bürgerentscheid

Ende 2005 hat die Stadt Freiburg 330 Mio Euro Schulden, das Regierungspräsidium Freiburg lehnt die Genehmigung des neuen Haushaltes ab. OB Dieter Salomon kündigt im April 2006 an, die 8900 städtische und Stadtbau-Wohnungen für mindestens 500 Mio Euro verkaufen. Die Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht" wendet sich dagegen und initiiert einen Bürgerentscheid. Darauf ändert die Stadtverwaltung ihre Pläne und will an die Landesentwicklungsgesellschaft LEG verkaufen, nicht mehr an internationale Finanzinvestoren ("Heuschrecken" im Sprech der Verkaufsgegner). Aber am 12.11.2006 lehnt der Bürgerentscheid den Verkauf ab. Dann explodieren die Steuereinnahmen der Stadt, der Gemeinderat beschließt, die Schulden Freiburgs bis 2015 zu tilgen. Die Stadtbau wird saniert. Im Januar 2009 hat Freiburg noch 290 Mio Euro Schulden.  
12.1.2009

Aktion Sperrminorität zur Privatisierung kommunalen Wohnraums

Rahmenprogramm der Mitgliederversammlung des Mietshäuser Syndikats am 24.3.07)
Der Verkauf der Stadtbau ist vom Tisch. Sagt jetzt auch Oberbürgermeister Salomon. Dann ist ja alles gut. Alternativen zum drohenden Ausverkauf kommunaler Wohnungsbestände werden jetzt nicht mehr benötigt. Wir können unser Beteiligungsmodell einpacken und uns den schönen Dingen des Lebens zuwenden. Bringen wir also unsere Ordner mit den Unterlagen ins Archiv für soziale Bewegungen, dort findet sich ein bescheidenes Plätzchen, neben dem Genossenschaftsmodell des Bauvereins und den Materialien der Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht". Der Bürgerentscheid vom 12.11.06 hat verhindert, dass die Freiburger Stadtbau für schnelles Geld komplett an einen Finanzinvestor verkauft wird. Nicht verhindert aber hat er, dass die Stadt "mangels anderer Möglichkeiten" das Geschäft eines Finanzinvestors dann eben selber betreibt , d.h. größtmöglichen Gewinn aus dem Wohnungsunternehmen heraus holt: durch maximale Mieterhöhungen, Modernisierungszuschläge und paketweise Wohnungsverkäufe. Do it yourself. Das muss sie nicht erst lernen, da hat die Stadt schon einige Erfahrungen gesammelt. Und kann ganz nebenbei die aufmüpfigen MieterInnen abstrafen, die sich erfolgreich gegen den Ausverkauf der Stadtbau gewehrt haben - zeigen, wer die Herren im Hause sind.

Wie zu erwarten war, haben der Oberbürgermeister und seine grün-schwarze Mehrheit jetzt Mieterhöhungen und Modernisierungszuschläge angekündigt "selbstverständlich" nur bis zur gesetzlich zulässigen Obergrenze, was z. B. in Weingarten-West auf eine rund 40% höhere Miete hinausläuft (BZ 1.3.07). Und es stehen "wer hätte das gedacht" neue Wohnungsverkäufe ins Haus, wenn schon nicht alle 8000 am Stück, dann eben in handlichen1000-er Gebinden nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist des Bürgerentscheides (Amtsblatt 17.02.07). Die Mietwohnungen der Stadtbau sind 20, 30 oder gar 40 Jahre alt und längst mit Mieten abbezahlt. Sie sind keine Vermögensmasse, aus der die Stadt Freiburg sich je nach Kassenlage und Gemeinderatsmehrheit auf die eine oder andere Art zur Haushaltssanierung, zum Löcher stopfen im Haushalt bedienen kann, bis nichts mehr da ist. Die wichtigste Aufgabe eines sozialen Wohnungsunternehmens, wie es die Stadtbau sein sollte, ist der Erhalt und die Schaffung von bezahlbaren Mietwohnungen. Der gewonnene Bürgerentscheid war ein erster Schritt um zu zeigen, dass ein Verkauf der städtischen Wohnungen hier in Freiburg nicht gewünscht ist. Da aber weiterhin die Gefahr besteht, dass die Wohnungen verkauft werden, starten wir die "Aktion Sperrminorität". Wir wollen der Stadt Freiburg einen größeren Anteil von der Stadtbau abkaufen. Im Gegenzug wollen wir dafür das  "Vetorecht gegen Verkäufe von Wohnungen" in einer Neufassung des GmbH-Vertrages dauerhaft verankern, unabhängig von zeitweiligen Mehrheiten im Gemeinderat und der jeweiligen Kassenlage. Der Mietwohnbestand der Stadt Freiburg soll damit auf Dauer gesichert werden, denn wir wollen, dass auch in Zukunft keine einzige Wohnung verkauft wird.
Verkauf von Mietwohnungen dauerhaft verhindern!
Bezahlbaren Mietwohnraum sichern!

Arbeitskreis Solidarische Ökonomie im Mietshäuser Syndikat - Wohnraum für Alle
Freitag, 23.3. um 20 Uhr im Bewegungsraum des Grethergeländes

18.3.2007, Eine-Welt-Freiburg

 

Stadtbau-Verkauf sowie genossenschaftliche Lösung vom Tisch

Der Verkauf der Stadtbau ist für Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) kein Thema mehr. Frühestens drei Jahre nach dem Bürgerentscheid, in dem eine große Mehrheit der Freiburger diese Art der Haushaltssanierung abgelehnt hatte, wäre ein neuer Anlauf möglich. Mitten im OB-Wahlkampf. "Was andere Kandidaten tun werden, weiß ich nicht, aber falls ich antrete, und davon gehe ich aus, werde ich den Verkauf der Stadtbau nicht mehr vorschlagen" , sagte Salomon am Dienstag im Gemeinderat.

Vom Tisch sei auch die Idee einer genossenschaftlichen Lösung. Regierungspräsidium und Rechtsexperten halten das für rechtlich zu riskant. Einer "Legendenbildung" wollte Finanzbürgermeister Otto Neideck (CDU) in der Sitzung des Gemeinderats vorbeugen. Das vielfach kritisierte Bieterverfahren sei der einzige rechtlich sichere Weg, um die städtische Wohnungsgesellschaft zu verkaufen und dabei auch andere Kriterien als nur den Preis anzusetzen. Ein direkter Verkauf an Genossenschaften — und dazu zähle auch eine Verschmelzung — sei anfechtbar. Dann nämlich, wenn andere interessierte Investoren nachweisen können, dass sie die gleichen Bedingungen zu einem höheren Preis erfüllen. Die Folge: verwaltungsrechtliche und europarechtliche Überprüfungen, viel Arbeit für Behörden, möglicherweise Rückabwicklung und hohe Kosten. Ein Wertgutachten allein sei nicht geeignet, den tatsächlichen Wert der Gesellschaftsanteile zu ermitteln, urteilt die Frankfurter "Luther Rechtsanwaltsgesellschaft" , die das Bieterverfahren im Auftrag der Stadtverwaltung abwickeln sollte. Ein solches Gutachten diene lediglich der Orientierung, könne aber nicht den Marktwert berücksichtigen. Denn: Investoren legen zuweilen aus strategischen Gründen noch etwas drauf. Nach Angaben des Rathauses hatten sich im vergangenen Jahr 80 Interessenten gemeldet. Für 94,9 Prozent der Stadtbau-Anteile und die 8000 Wohnungen hätten sie zwischen 420 und 600 Millionen Euro geboten. 510 Millionen Euro hatte die Stadtverwaltung als Mindestsumme genannt, um städtische und Stadtbau-Schulden zu beseitigen und damit Zinsen zu sparen. "Juristisch wären wir nicht verpflichtet, ein strukturiertes Bieterverfahren anzuwenden" , stellte der Oberbürgermeister klar, "aber es wäre der einzige rechtssichere Weg." Dass Salomon im Konjunktiv blieb, hat politische Gründe: "Warum sollten die Gewinner des Bürgerentscheids nun plötzlich einen Verkauf wollen? Und mit welchen Argumenten sollten die Verlierer einen zweiten Bürgerentscheid gewinnen?" Das Ergebnis vom 12. November, das das Quorum erreichte und den Verkaufsabsichten der Rathausspitze und der Mehrheit des Gemeinderats eine klare Absage erteilte, sei "politisch zu respektieren. Punkt."
Uwe Mauch, 1.2.2007, www.badische-zeitung.de

 

Wenn der Pulverdampf verflogen ist

Ob dieser Bürgerentscheid letztlich ein Erfolg oder eine Niederlage für die Stadt Freiburg ist, wird die Zukunft zeigen, nicht das Weh- oder Siegesgeschrei von heute. Wenn der Pulverdampf verflogen ist, geht es darum, das Ergebnis trotz aller Meinungsunterschiede zum Erfolg für die gesamte Stadt zu machen. Der Kernpunkt des Entscheides ist für mich, dass die Handlungsfähigkeit der Stadt nicht mit einem deutlich höheren Risiko für einige Bürger erkauft werden soll, sondern alle Bürger die Schuldenlast gemeinsam abtragen müssen. Drei Aufgaben stehen jetzt politisch an.

Erstens: Ein Teilverkauf von Badenova-Aktien, um die Sanierung der Schulen usw. jetzt in Angriff zu nehmen und in den kommenden drei Jahren weiterführen zu können.
Zweitens: Ein genossenschaftliches Modell für den Wohnungsverkauf ist so vorzubereiten, dass es in drei Jahren, wenn die Sperrfrist abläuft, sozial verträglich umgesetzt werden kann.
Drittens: Die schwierigste Aufgabe ist es jedoch, die laufenden Ausgaben so zurück zu fahren, dass sie laufende Einnahmen nicht überschreiten.

Geschähe dies nicht, müsste man ja in ein paar Jahren eine weitere Verkaufsaktion starten, wenn noch was da wäre, oder dann noch viel brutaler kürzen. Das vorhandene strukturelle Defizit abzubauen, wird auch im Kultur- und Sozialbereich notwendigerweise Einschränkungen bedeuten. Um sie nicht zu groß und zu hart werden zu lassen, ist jetzt schrittweise vorzugehen und nicht erst übermorgen. Nur so kann Freiburg auch langfristig handlungsfähig bleiben. Wer jetzt aber meint, der Kultur- oder der Sozialbereich dürfe auf keinen Fall leiden, der hat meines Erachtens nicht ganz begriffen, was zur Abstimmung stand, was zu tun ist, um Freiburg auf die Dauer handlungsfähig zu erhalten.
Leserbrief vom 30.11.2006 von  Bernd Schauenburg, Breisach

 

Oswald Metzger: Eigentum an Wohnraum keine Aufgabe des Staates

Haben die Gegner des Wohnungsverkaufs in Freiburg gegen ihre Interessen gestimmt und was signalisiert der Bürgerentscheid über das Parteienspektrum? Darüber sprachen Thomas Hauser und Stefan Hupka mit dem Grünen-Landtagsabgeordneten und Haushaltspolitiker Oswald Metzger (51), der in Freiburg zu Gast war.
BZ: Herr Metzger, eine "Reaktion auf das Gefühl der schrankenlosen Macht des Marktes", so haben Sie den Ausgang des Bürgerentscheids in Freiburg kommentiert. Kann man gegen dieses Gefühl etwas tun?
Metzger: Ja, aufklären. Allerdings hat man über viele Jahre die Leute im Glauben gelassen, ein starker Staat könne alles richten. So hat sich das auch in den Köpfen der gut situierten Mittelschicht eingenistet. In Freiburg hat ja nicht nur die Unterschicht so abgestimmt, sondern das ging quer durch den politischen Gemüsegarten. Aufklären heißt zeigen, dass es besser sein kann, rechtzeitig unorthodox zu handeln, als sich später fremdbestimmen zu lassen, etwa von einem Staatskommissar, der über den städtischen Haushalt wacht.
BZ: Ist die Angst der Leute vor der "Macht des Marktes" nicht begründet?
Metzger: Ich glaube nicht, vor allem nicht aus Freiburger Sicht, denn hier ist ja eine sehr weitgehende Sozialcharta zum Schutz der Mieter beschlossen worden. Da kann man nicht vom Ausverkauf von Rechten reden. Aber wie weit manchmal die Verwirrung in den Köpfen auch des politischen Establishments gediehen ist, sehen Sie an dem Ball Paradox, den Herr Rüttgers von der Union gerade um das Arbeitslosengeld veranstaltet. Die SPD spielt tapfer die Reformerrolle und die Union entdeckt die soziale Frage als Wohlfühlthema.
BZ: Daseinsvorsorge, ist das keine Aufgabe des Staates?
Metzger: Ja, bei Trinkwasser und Energie, aber nicht auf dem Wohnungsmarkt. In Ländern, die wesentlich weniger kommunales und öffentliches Eigentum an Wohnraum kennen, ist die Eigentumsquote um ein Vielfaches höher als bei uns. Öffentliches Eigentum an Wohnraum hat bei uns extrem viel Geld gekostet, das war so ziemlich die teuerste Veranstaltung, die der Staat je machen konnte. ...
Komplettes Interview mit Oswalt Metzger vom 16.11.2006 auf www.badische-zeitung.de

 

Stimmen zum Bürgerentscheid

Der Verkauf des Immobilienbesitzes ist für viele Städte der schmerzfreieste Weg, drückende Schuldenlasten zu mildern. Oder sich sogar ganz davon zu befreien und endlich wieder Mittel für Zukunftsinvestitionen zu haben. ... Die Freiburger hingegen haben sich gegen ihre Kinder und gegen Zukunftsinvestitionen entschieden. An genau diesen Stellen wird künftig gespart werden müssen und an vielen anderen auch. Das ist sehr teuer für ein wenig Ideologie und wird sich sehr schnell als Pyrrhussieg herausstellen. Denn auch in Freiburg waren die Käufer zu weitreichenden Zugeständnissen bereit, die die Situation der Mieter verbessert und nicht verschlechtert hätten.
14.11.2006, Die Welt, www.welt.de
 
Von den Verkaufsgegnern gezielt geschürte Heuschrecken-Ängste ließen sich auch mit einer Sozialcharta nicht vertreiben .... Den Bürgern ist das mietgünstige Dach über dem Kopf wichtiger als das Schicksal der Stadt - das ist das eigentliche Signal aus Freiburg.
14.11.2006, Schwarzwälder Bote, www.swol.de


 

Freiburger Selbstblockade

Der Souverän hat immer Recht — auch dann, wenn er irrt. Und wenn er irren sollte, ist dies nicht seine Schuld, sondern das Versagen der Politik. Wer Politik gestalten will, muss deshalb nicht nur verführen, sondern auch überzeugen. Wer dagegen ist, muss lediglich verführen. Das klingt zynisch, ist aber einer der Grundsätze von Demokratie. Dass Politiker dies immer wieder gering schätzen, hat manchem bittere Niederlagen beschert. Jüngstes Beispiel: Trotz eines gewaltigen Einsatzes vermochte es Oberbürgermeister Salomon nicht, eine Mehrheit der Freiburger für seine Überzeugung zu gewinnen, dass ein Verkauf der Stadtbauwohnungen, Stadt und Kommunalpolitik neue Gestaltungsspielräume eröffnet hätte, ohne die Rechte der Mieter zu opfern. Zahlen, Fakten und Beschwörungen prallten auf ein Grundmisstrauen und ein fundamentales Nein. Und letztlich fehlte es auch an überzeugter und überzeugender Unterstützung aus dem Gemeinderat. Statt des erhofften Befreiungsschlages steht die Stadtpolitik nun wahrscheinlich vor jahrelanger Lähmung. Dieses Lehrstück ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bedeutsam.

Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass grundlegende Politikwechsel hier zu Lande keine Chancen haben, auch wenn sie plausibel scheinen. So, wie die Bürger im vergangenen Jahr Paul Kirchhof nicht abnahmen, dass sein überzeugend schlichtes Steuermodell ohne schwerwiegende Risiken und Nebenwirkungen zu haben sei, so nahmen sie Salomon nicht ab, dass seine Garantien für Mieter und Beschäftigte einen Verkauf der Wohnungen überstehen könnten.

Bis weit hinein ins gut situierte Bürgertum dominierte die Gewissheit: So etwas tut man nicht. Vor der Wahl zwischen zwei Übeln entschieden sich die Freiburger zum Innehalten, zum Ausschauen, ob es zwischen Wohnungsverkauf und sozialem oder kulturellem Kahlschlag nicht doch noch einen schmerzärmeren Weg aus der Schuldenfalle gebe. Ob sie damit das Gesetz des Handelns wirklich in die Hand genommen haben, wird sich weisen, wenn der Jubel über den geglückten Bürgerentscheid verklungen ist. Eine solche Haltung hat auch mit der Komplexität der streitigen Themen zu tun, mehr aber mit einem dramatischen Vertrauensverlust der Bürger in ihre Politik. Das könnte man als Eigenverschulden der politischen Klasse abtun. Wer im Amt das Gegenteil von dem tut, was er in Wahlkämpfen versprochen hat, darf sich nicht wundern, wenn die Bürger sich abwenden. Wobei Wahlprogramme gerne die latente Sehnsucht vieler Bürger bedienen, der Staat könne alles regeln und brauche dafür kaum Geld. Viele wollen belogen werden, auch um sich weiter in Sicherheit wiegen zu können. Auf ihrer Suche nach dem typisch Deutschen ist die inzwischen verstorbene Soziologin Helge Pross schon vor Jahren darauf gestoßen, dass nirgendwo das Verlangen nach Schutz und Sicherheit so groß sei wie hier zu Lande.
Dies führt in unsicheren Zeiten des Umbruchs zur Selbstblockade. Und zwar sowohl im Wahlvolk wie in der Politik. Weil mögliche positive Folgen einer Entscheidung kurzfristig nicht sicher sind, sucht man sie erst gar nicht. Man fährt auf Sicht und begnügt sich mit Reparaturen. Da diese die Situation aber meist nicht verbessern, sondern eher verschärfen, wächst das Misstrauen in die Kompetenz der Politik, Probleme zu lösen, wächst der Reflex, am Bestehenden zu klammern. Zugleich schrumpft in der Politik der Mut, Neues zu probieren und für seine Überzeugungen zu kämpfen. Am Ende hat man oft weder das Gewohnte bewahrt noch das Neue gewonnen. Das hat nichts mit Wählerbeschimpfung zu tun. Es beschreibt nur das Dilemma, aus der kluge Politik einen Ausweg finden muss. Dieter Salomon wollte einen Befreiungsschlag erzwingen ohne einen Konsens darüber hergestellt zu haben, was denn Freiburg wichtig wäre und auf was man — zur Not — verzichten könnte. Es fehlt die Vision, wie diese Stadt auch künftig lebens- und liebenswert sein könnte. Die Bürger und die für sie handelnden Gemeinderäte haben sich dieser Diskussion allerdings auch verweigert. Schlimmer noch, es fehlt bei vielen bis heute die Einsicht, dass die Stadt tatsächlich über ihre Verhältnisse lebt. Mit dieser Verweigerung steht Freiburg nicht allein. Nur wenn der Bürgerentscheid diese Diskussion endlich erzwingen würde, wäre er tatsächlich erfolgreich und vorbildlich gewesen

Badische Zeitung Freiburg
Thomas Hauser am 14.11.2006 auf www.badische-zeitung.de

 


Verwirrt in Freiburg

Was ist wichtiger: 8.900 Wohnungen im Besitz der Stadt oder Geld für Schulen? Ein Dilemma. Am Sonntag sollen die Bürger darüber entscheiden, werden aber gezielt verwirrt, nicht aufgeklärt

Auf den Plakaten wollen alle das Gleiche: Lachende Menschen, vor allem Kinder, die ganz viel lernen und Fußball spielen. Erreicht werden soll dieser Zustand in leichten Variationen, über die jetzt die Bürger abstimmen dürfen. Die Grünen wollen für mehr soziale Gerechtigkeit die Stadtbau Freiburg verkaufen und das dadurch verdiente Geld anschließend in Schulen und Kindertagesstätten stecken.
....
Nein zum Verkauf, also Ja auf dem Wahlschein, sagt auch das Mietshäuser Syndikat Freiburg, obwohl es eigentlich gern Ja zum Verkauf, also Nein auf dem Wahlschein sagen würde. Das Mietshäuser Syndikat plant die Gründung einer "Wohnraum für alle GmbH", mit genossenschaftlicher Kapitalbeteiligung der Mieter, Bürger und anderen gesellschaftlichen Gruppen, um zu verhindern, dass Finanzinvestoren wie Fortress mit den Wohnungen an der Börse rumspekulieren.
Die SPD meint: Viele lachende Menschen wird es geben, wenn die Stadt die Wohnungen behält, und die Mieter, die jetzt Mieter sind, Mieter bleiben können. Die SPD will also Nein zu den Verkaufsplänen der Stadt sagen und muss deshalb die Frage auf dem Wahlschein, die mir einfach nicht einfallen will, mit Ja beantworten.

Meine Deutsch- und Geschichtslehrer schrieben unter meine Aufsätze immer wieder "Thema verfehlt". Warum ich so oft das Thema verfehlt habe, war mir viele Jahre ein großes Rätsel. Aber hinter dieser Pressspanwahlkabine im Bürgeramt Freiburg habe ich es gelöst: Der Mensch fragt nicht, weil er von einem anderen etwas wissen, sondern weil er von einem anderen bestätigt werden will. Da nun aber die Freiburger Bürger, wenn sie ehrlich sind, den Gemeinderat nicht bestätigen können, musste die Frage für den Bürgerentscheid so formuliert werden, dass die Bürger zwar Nein ankreuzen, damit aber Ja sagen. Ja also Nein ist und Nein Ja. Wie so eine Frage lauten muss? Sie könnte so lauten, wie die, die ich zum Glück auf dem Wahlzettel entdeckt und noch einmal genau durchgelesen habe, bevor ich mein Kreuzchen gemacht habe: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Freiburg Eigentümerin der Stadtbau GmbH und der städtischen Wohnungen bleibt?"
Kompletten Text von Gesine Kulicke vom 11.11.2006 auf www.taz.de

 

Wohnungsverkauf - Chronologie ab 10.3.2006

10. März 2006: Die Stadt Dresden verkauft ihre 48 000 Wohnungen für 1,7 Milliarden Euro an den US-Investmentsfonds Fortress.

14. März: CDU-Fraktionschefin Martina Feierling-Rombach denkt laut über einen Befreiungsschlag nach Dresdner Vorbild nach.

1. April: Oberbürgermeister (OB) Dieter Salomon (Grüne) bestätigt gegenüber der BZ, dass die Stadtverwaltung erwägt, die städtischen Wohnungen zu verkaufen, um schuldenfrei zu werden.

6. April: Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) weiß nichts von den Gedankenspielen. Er ist skeptisch, ob ein Verkauf sinnvoll ist. Die Probleme würden mehr und nicht weniger.

10. April
: Im Interview mit der Berliner Tageszeitung taz legt sich OB Salomon fest. Er sehe keine Alternative mehr zum Verkauf der Stadtbau. Am 23. Mai soll der Gemeinderat einen entsprechenden Beschluss fassen.

11. April: Bewohner und Belegschaft der Stadtbau protestieren mit Heuschrecken-Plakaten in der Sitzung des Gemeinderats. Das Thema steht allerdings gar nicht auf der öffentlichen Tagesordnung.

12. April: OB Salomon und Finanzbürgermeister Otto Neideck (CDU) erläutern vor der Medien ihre Pläne. Auf 76 Millionen Euro summierten sich die Haushaltslöcher in den Jahren 2006 bis 2008. Das sei nicht genehmigungsfähig; die Stadt sei handlungsunfähig. Neideck nennt als Mindestsumme für den Verkauf 510 Millionen Euro, um die Schulden von Stadt und Stadtbau zu decken. Das entspricht einem 112 Meter hohen Stapel aus 500-Euro-Scheinen.

18. April: Der DGB ist gegen einen Verkauf, die FDP grundsätzlich dafür.

20. April: In Weingarten formiert sich die Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht" (WIM). Von vielen Balkonen flattern Transparente mit durchgestrichenem Heuschrecken-Symbol.

1. Mai: Bei der DGB-Kundgebung wird OB Dieter Salomon ausgepfiffen.

6. Mai: Der Freiburger Mieterverein spricht sich gegen einen Wohnungsverkauf aus.

8. Mai: Die Bürgerinitiative "Wohnen isst Menschenrecht" (WIM) beginnt Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln.

11. Mai: Lautstarke Proteste beim ersten Bürgergespräch in Brühl-Beurbarung. Es wird geschrien, gepfiffen, getrillert.

15. Mai: Die Stadtverwaltung legt einen Nachtragshaushalt vor, der nicht genehmigungsfähig ist. Es fehlen fürs laufende Jahr 14 Millionen Euro. Vor dem Rathaus demonstrieren 500 Gegner des geplanten Verkaufs der Stadtbau

16. Mai: Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) kündigt in der Bilanzpressekonferenz in Stuttgart an, ein Angebot für die Freiburger Stadtbau abzugeben.

17. Mai: Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg (CDU) nennt die Haushaltslage der Stadt "eher schlimmer" als behauptet und fordert eine nachhaltige Sanierung der Finanzen.

25. Mai: Die CDU-Fraktion rückt von einem Totalverkauf ab und schlägt einen "Freiburger Weg" vor: Verkauf von Badenova-Anteilen, weitere städtische Areale im Flächennutzungsplan ausweisen, Wald verkaufen.

16. Juni: SPD und nun auch FPD präsentieren ihre Alternativen, die sich weitgehend mit dem "Freiburger Weg" decken. Am selben Tag stellt die Stadtverwaltung ein Papier vor, in dem rund 300 Vorschläge und Alternativen — auch jene von CDU, SPD und FPD — geprüft und als untauglich verworfen werden.

22. Juni: Die Badische Zeitung berichtet über den Vorstoß des Bauvereins Breisgau, ein genossenschaftliches Modell zu realisieren.

23. Juni: Die Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht" überreicht knapp 24 000 Unterschriften des Bürgerbegehrens. Das genügt, um einen Bürgerentscheid zum Thema Wohnungsverkauf durchzusetzen.

26. Juni: Die Gemeinderatsfraktionen von Junges Freiburg/Die Grünen, CDU und Freien Wählern präsentieren ihre Vorschläge: Verkauf von 94,9 Prozent der Stadtbau-Anteile möglichst an Genossenschaften, weitreichender Mieterschutz in einer Sozialcharta. Die 1000 städtischen Wohnungen sollen nicht verkauft werden.

27. Juni: Die Entscheidung im Gemeinderat wird auf den 18. Juli vertagt.

30. Juni: Die Rathausspitze legt die Sozialcharta vor.

1. Juli: Der Sternmarsch der Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht" gegen den geplanten Wohnungsverkauf stößt auf wenig Resonanz. Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer protestieren — deutlich weniger als von den Veranstaltern erwartet.

15. Juli: Landeswirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) unterstützt OB Salomon. Angesichts der Finanzlage habe dieser gar keine andere Chance.

28. Juli: Der Gemeinderat beschließt mit 30:17 Stimmen den Verkauf der Stadtbau. Grüne, CDU und Freie Wähler setzen ihren Kompromissvorschlag durch. Außerdem wird für den Bürgerentscheid die Frage des Bürgerbegehrens übernommen: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Freiburg Eigentümerin der Freiburger Stadtbau GmbH und der städtischen Wohnungen bleibt?" Das löst einen Streit um die Interpretation aus. Dürfte dann, wie das Rechtsamt meint, drei Jahre lang keine einzige Wohnung mehr verkauft werden? Selbst die Gegner des Verkaufs sind sich nicht einig.

24. Juli: Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) legt ihr Angebot vor. Der Preis bleibt geheim.

3. August: Die BZ berichtet, dass der Bauverein Breisgau zusammen mit anderen Baugenossenschaften des Landes ein Angebot für ein genossenschaftliches Modell abgeben will.

5. August: Der US-Investmentfonds Fortress hat Interesse am Stadtbau-Kauf.

25. August: Die BZ berichtet, dass das Regierungspräsidium den Nachtragshaushalt wie erwartet nicht genehmigt. Damit gilt der alte weiter. OB Salomon sieht das als Bestätigung, dass die Stadt keinen Handlungsspielraum hat.

26. September: Die Ex-Stadträte Heinrich Breit (Grüne) und Hans Dangelmaier (CDU) stellen die Bürgerinitiative "Zukunft für Freiburg" vor, die sich für den Wohnungsverkauf einsetzen will.

29. September: Der Wahlkampf für den Bürgerentscheid beginnt.

11. Oktober: Laut Finanzbürgermeister Neideck nimmt die Stadt im laufenden Jahr 16 Millionen Euro mehr ein als erwartet. Ein Nachtragshaushalt wäre nicht nötig gewesen. Ob das Steuerplus allerdings genügt, um die ebenfalls gestiegenen Ausgaben zu decken, ist noch unklar. Verkaufsgegner argumentieren, die Finanzlage sei besser als sie die Verkaufsbefürworter dargestellt.

24. Oktober: Der Bauverein Breisgau präsentiert sein genossenschaftliches Modell. CDU, Grüne und OB Salomon begrüßen den Vorschlag.

7. November: Die BZ berichtet, dass der Bauverein Breisgau sich nicht am Bieterverfahren beteiligen will.

12. November 2006: Bürgerentscheid.

Eine Mehrheit von 70,5 % votierten dafür, die Wohnungen im städtischen Besitz zu erhalten.
Die Wahlbeteiligung lag bei 39,9 %.


 

Bürgerinitiative "Ja zum Beteiligungsmodell" hat sich gegründet

Dass es den Freiburgerinnen und Freiburgern ernst ist mit ihrer Stadt, lässt sich leicht an den Debatten um den anvisierten Verkauf der städtischen Wohnungen ablesen. Und immer wieder taucht da der eine oder andere neue Gedanke auf. Und nun noch — quasi auf der Zielgeraden — eine dritte Bürgerinitiative. Sie heißt "Ja zum Beteiligungsmodell" und hat sich bereits vor einer Woche gegründet. Gestern traten drei der insgesamt 20 Erstunterzeichner an, um bei einem Pressegespräch die Anliegen der neuen BI darzulegen.

"Vor allem geht es uns zu diesem späten Zeitpunkt — kurz vor dem Bürgerentscheid — darum, Klarheit herzustellen über das Abstimmungsverfahren" , erklärt Wiebke Keim. Denn, so die Soziologin, mittlerweile sei die Verwirrung perfekt. So lange es quasi frontal um die Frage ging "Wohnungsverkauf ja oder nein?" hätten Verkaufsgegner und Verkaufsbefürworter noch genau gewusst, wo sie auf dem Wahlzettel das Kreuz machen müssen. Nun aber sei das Genossenschaftsmodell ausgesprochen chancenreich ins Rennen gekommen — und finde sowohl bei den Verkaufsgegnern als auch bei den Befürwortern enormen Zuspruch. Unklar erscheine nun, wie das neue Ziel eines genossenschaftlichen Beteiligungsmodells erreicht werden könne. Für die BI "Ja zum Beteiligungsmodell" keine Frage: Wie im Namen der Initiative unschwer abzulesen, votieren ihre Mitglieder für ein "Ja" beim Bürgerentscheid. Mit dabei Lilli Hetzel-Goldenberg von der Wohnungsgenossenschaft Stadt & Frau, Ergün Bulut vom Migrationsbeirat, Altstadtrat Rolf Schädler — und auch Peter Gaymann, der bislang für die "Wohnen ist Menschenrecht" -Initiative aktiv war, hat sich dieser BI angeschlossen.
"Es ging uns um ein breites, parteienübergreifendes Bündnis" , sagt Stefan Rost vom Mietshäuser Syndikat, "mit dem wir diesen Ansatz unterstützen wollen." Gut sei am Beteiligungsmodell, dass die großen Finanzinvestoren ausgebremst würden — und eine verträgliche Lösung für die Stadt entstünde. Voraussetzung dafür nach Einschätzung der BI: Es dürfe kein Bieterverfahren geben, deshalb gebe es bei der Abstimmung keine Alternative zum "Ja" zum vorläufigen Verbleib der Wohnungen in städtischem Besitz. In einem weiteren Bürgerentscheid — etwa im Sommer 2007 — könne dann das Beteiligungsmodell beschlossen werde. Allerdings: Selbst wenn beim Bürgerentscheid am 12. November das Quorum nicht erreicht werde, betont Stefan Rost, "ist das Leben nicht zu Ende." Auch dann gebe es durchaus noch Möglichkeiten, den Gemeinderatsbeschluss für ein Bieterverfahren zu ändern. Entscheidend sei der politische Wille. Wer jedoch sicher gehen will, dass die Genossenschaften zum Zug kommen, soll, so die BI-Gründer, beim Bürgerentscheid "ja" sagen.
BZ vom 4.11.2006

www.ja-zum-beteiligungsmodell.de


 

90% wohnen bei privaten Vermietern

Stadtrat Krögner hat im Bürgergespräch am 18. Oktober in der Wiehre über das "europäische Stadtmodell" gesprochen, also über das Idealbild einer Stadt als Gemeinwesen, das soziale Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger wahrnimmt. Dagegen ist zunächst nichts zu sagen. Niemand will eine Stadt, in der alles den Gesetzen des Marktes unterworfen wird und jede Leistung teuer bezahlt werden muss. Herr Krögner hat leider nichts dazu gesagt, wie dieses Modell eigentlich finanziert werden soll. Soziale Verantwortung kann nur wahrgenommen werden, wenn dafür auch genügend Geld in der Stadtkasse ist. Die Stadt Freiburg ist aber hoch verschuldet. Es hilft niemandem, nach den Gründen zu suchen, warum es dazu gekommen ist. Alle Parteien haben eifrig mitgemacht, wenn es in der Vergangenheit ums Geldausgeben ging. Und jetzt ist die Kasse leer. Das Modell der sozialen Stadt funktioniert nur, wenn die Stadt wieder ausreichend Einnahmen hat. Ich will keine weiteren Schulden, weil sie von unseren Kindern abbezahlt werden müssen. Deshalb bin ich für einen Verkauf der Wohnungen, weil damit wieder soziale Leistungen für die ganze Stadt finanziert werden können. Das ist für mich das Idealbild eines "europäischen Stadtmodells" und einer Stadt mit sozialer Verantwortung für alle Menschen — nämlich eine Stadt, die für die Bedürftigen sorgt, in der Kultur und Sport gefördert werden, eine Stadt mit intakten und gut ausgestatteten Schulen, mit ausreichend Kindergärten und natürlich mit günstigen Wohnungen. Aber wo steht denn geschrieben, dass es unbedingt städtische Wohnungen sein müssen? 90 Prozent der Freiburger wohnen bei privaten Vermietern. In anderen Städten ohne Kommunalwohnungen funktioniert es genau so gut oder noch besser durch Belegungsrechte oder Sozialwohnungen von privaten Bauträgern. Warum dann nicht in Freiburg? Liebe Gemeinderäte, denken Sie mal darüber nach.
BZ-Leserbrief von Thomas Koderisch, 30.10.2006


Professionelle Reisekader als betroffene BürgerInnen

Der Artikel gibt den Verlauf des zweiten Bürgergesprächs zum Verkauf der Freiburger Stadtbau GmbH nur unvollständig wieder. Richtig ist, dass eine sehr aggressive Stimmung aufkam. Damit fiel die Veranstaltung deutlich gegenüber der zwei Wochen zuvor sehr sachlich geführten Diskussion im Bürgerhaus am Seepark ab. Die nach meinem Eindruck wesentliche Ursache für diese Veränderung war jedoch nicht, dass es zu einem "ritualisierten Schlagabtausch" kam. Vielmehr hatten die Gegner des Verkaufs sich für diesen Abend vorgenommen, ihre Strategie zu ändern. Von Beginn an wurden Befürworter des Verkaufs bei ihren Redebeiträgen durchgehend durch gezielte Zwischenrufe gestört. Während der Publikumsrunden waren die Verkaufsgegner beim Kampf um die Mikrophone ähnlich erfolgreich wie einst der "Bund gegen Anpassung" auf Uni-Vollversammlungen. Befürworter des Verkaufs oder unvoreingenommene Bürgerinnen und Bürger aus der Wiehre kamen praktisch nicht zu Wort. Es war schon rührend zu sehen, wie professionelle Reisekader sich treuherzig als betroffene Bürgerinnen und Bürger ausgaben. Diese Stimmung wurde durch die Neubesetzung des Podiums gefördert. Hatte Günter Rausch im Seepark noch die ernsthafte Diskussion in der Sache gesucht, war für die "Bürger" initiative "Wohnen ist Menschenrecht" SPD-Stadtrat (!) Walter Krögner hieran ersichtlich nicht interessiert. Den Vogel schoss Stadtrat Michael Moos ab, der sich für die Unabhängigen Listen in reiner Polemik erging.
Für die kommenden Versammlungen sollte man das Verfahren ändern: Zugang zu dem Saal erhalten nur durch Heuschrecken-T-Shirt ausgewiesene Verkaufsgegner; das Podium bleibt leer; Mikrophone werden im Publikum verteilt. Dann können sich Stadträte und ihre Kader gegenseitig erzählen, dass Salomon lügt und man nur auf genügend Geld von Bund und Land warten muss. Vielleicht spendiert die Stadt noch Freibier — so wird es dann ein rundum gelungener Abend!
BZ-Leserbrief vom Jochen Hefer, Freiburg, 30.10.2006


Kinder werden von der WiM instrumentalisiert

Bereits bei der Bürgerversammlung im Seepark fiel es mir unangenehm auf: Die Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht" hatte Pappkartons aufgebaut, auf denen mit nachgeahmter Kinderschrift ängstliche Fragen gestellt wurden. Diese zielten auf die angeblich unsozialen Auswirkungen des Stadtbauverkaufs hin, zogen Parallelen zu Wohnungsverkäufen in anderen Städten, erweckten jedoch durch Rechtschreibungs- und Grammatikfehler den Anschein, authentisch zu sein. Wo ich damals noch einen blöden Gag vermutete, zeichnet sich beim Durchstöbern der Webseite eine Strategie ab. In der Rubrik "Kreatives" finden sich Bastelanleitungen zum Ausschneiden für Puppenstuben, Häuser, Brücken und Heuschrecken-Mobiles, gespickt mit den Argumenten der Initiative. Diesmal sind nicht die Kinder die (angeblich) Handelnden, sondern, sie werden direkt mit "Liebe Kinder! Bastelt euch fröhliche Figuren, die über eurem Bett und Schreibtisch schweben" angesprochen.

Welch ein Zynismus! Kinder werden von den Erwachsenen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Aber damit nicht genug, ihnen wird auch noch Angst gemacht. Auf den Bastelbögen stehen Sätze wie "Es wird zu Vertreibung und Verslumung kommen" . Als Mutter eines sechsjährigen Sohnes halte ich diese Angstmache für unverantwortlich. Wie soll ein Kind verstehen, was da vor sich geht? Unsere Aufgabe als Erwachsene ist doch, Kindern Ängste zu nehmen, sie aufzuklären und zu beruhigen. WiM macht genau das Gegenteil.
BZ-Leserbrief, 28.10.2006, Miriam Badri, Freiburg

 

Genossenschaftslösung des Bauvereins Breisgau als "Freiburger Lösung"

Wie kann die Stadt ihren Schuldenberg abtragen? Soll dafür die Stadtbau (FSB) verkauft werden oder nicht? Darüber wird derzeit erbittert gestritten. Der Bauverein Breisgau hat nun ein Genossenschaftsmodell entwickelt, das einiges verspricht: Damit würde die Stadt Freiburg ihre Schulden auf einen Schlag loswerden und die Mieter könnten, wenn sie Genossenschaftsanteile kaufen, ihre Wohnungen auf Lebenszeit behalten. "Das wäre eine echte ,Freiburger Lösung´ " , meint Reinhard Disch, Vorsitzender des Bauvereins Breisgau.

Und so sieht das Genossenschaftsmodell aus: Mehrere Wohnungsbaugenossenschaften in Baden-Württemberg tun sich zusammen und gründen eine Kapitalgesellschaft. Diese kauft 94,9 Prozent Anteile der Stadtbau; 5,1 Prozent bleiben bei der Stadt. Parallel dazu wird eine neue Vermietungsgenossenschaft gegründet, die 6000 Wohnungen aus dem Stadtbau-Bestand kauft und verwaltet. Kapitalgesellschaft und Stadtbau verschmelzen zu einer neuen Gesellschaft, die die bisherigen Aufgaben der Stadtbau (Parkraum- und Bäder-Management) weiterführt und die restlichen 2000 Wohnungen aus dem Bestand an die Mieter verkauft. Im Endeffekt würden also aus der jetzigen Stadtbau zwei Firmen: Die neue Vermietungsgenossenschaft, die sich um 6000 Mietwohnungen kümmert, sowie die "verschmolzene" Kapitalgesellschaft/Stadtbau, die 2000 Wohnungen verkauft und Dienstleistungen für die Stadt und die neue Vermietungsgenossenschaft übernimmt.

Vor allem für die Mieter der Stadtbau-Wohnungen wäre diese Lösung attraktiv. Wenn sie Genossenschaftsmitglied werden (ein Geschäftsanteil ist für 310 Euro zu kaufen) sind sie praktisch Mieter im eigenen Haus und haben lebenslanges Wohnrecht sowie Anrecht auf eine Dividende. Der durchschnittliche Mietpreis würde in den nächsten fünf Jahren noch unter dem Mietspiegel liegen und dann höchstens bis Mietspiegel ansteigen. Neue Genossenschaftsmitglieder könnten Fördergelder der KfW-Bank beantragen und ab kommendem Jahr ihre private Altersvorsorge (Riester-Rente) über die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen sichern. Und vor allem: Die Wohnungen würden dann den Mietern/Eigentümern gehören — die sie mit Sicherheit nicht weiterverkaufen würden. Die Stadtverwaltung bekäme einen Kaufpreis von insgesamt 535 Millionen Euro für die FSB und könnte ihre Schulden tilgen; auch die Sozialcharta würde erfüllt. Für die FSB-Mitarbeiter gäbe es bei diesem Modell laut Disch "auch nach 2010 keine Kündigungen" . Die Genossenschaft ist per Satzung zur Instandhaltung und Modernisierung der Wohnungen und zur sicheren Wohnversorgung der Mieter verpflichtet. Außerdem will sie andere Freiburger Bauträger einbinden, indem sie das Baugeschäft durch Nachverdichtung ankurbelt. Monatelang hat der Bauverein an dieser Lösung getüftelt, jetzt steht der Businessplan bis 2013. "Es sieht alles sehr gut aus" , so Disch. So wollen sich rund 15 Wohnungsbaugesellschaften wie die Flüwo aus Stuttgart, die größte Wohnungsgenossenschaft in Baden-Württemberg, oder die Familienheim Rhein-Neckar an dem Modell beteiligen. Zahlen würden die Genossenschaften für die FSB insgesamt 535 Millionen Euro. Die Rendite soll etwa vier Prozent betragen; die Landesentwicklungsgesellschaft LEG, die die FSB ebenfalls kaufen möchte, rechnet mit etwa acht Prozent, Finanzinvestoren mit zweistelligen Renditen. Rund 275 Millionen, etwas mehr als die Hälfte des Kaufpreises, müssten die Genossenschaften als Fremdkapital bei Banken aufnehmen. Mehrere Finanzierungsinstitute haben laut Disch bereits Interesse signalisiert. Auch die Volksbank könnte sich vorstellen, mit ihrem genossenschaftlichen Bankenverbund ins Geschäft einzusteigen. Volksbank-Vorstand Franz Leitner bestätigt: "Wir sind mit dem Bauverein im Gespräch. Ich halte das Modell für realistisch."
24.10.2006, www.badische-zeitung,.de

 

 

Wohnraum für Alle GmbH: Bürgerbeteiligung statt Verkauf

Gibt es Alternativen zum Verkauf der Stadtbau GmbH? Ja, meint der Arbeitskreis Solidarische Ökonomie: Bürgerinnen und Bürger selbst sollen Anteile an der Stadtbau erwerben, so zum Abbau der städtischen Verschuldung beitragen und die Stadtbau zu einem sozialen Wohnungsbauunternehmen umbauen.

Der neue Vorschlag in der Diskussion um Stadtbau-Verkauf und Haushaltssanierung kommt aus einer ganz besonderen Ecke: aus dem Umfeld des Mietshäuser-Syndikats. Das ist ein Verein, in dem inzwischen bundesweit 28 selbstverwaltete Hausprojekte und 29 Projektinitiativen organisiert sind — angefangen hatte das Ganze 1983 in Freiburg mit der Gründung der Grether-Baukooperative. Innerhalb des Syndikats gibt es den Arbeitskreis Solidarische Ökonomie, und der hat sich, "entsetzt über den Plan, den Wohnungsbestand zu verkaufen" , so Sprecher Stefan Rost, Gedanken gemacht, welche Alternative es geben könnte. Diese könnte nach Ansicht des Arbeitskreises so aussehen: Eine zu gründende "Wohnraum für Alle GmbH" sammelt Geld von den Bürgern, die sich an der GmbH beteiligen. Mit diesem Geld werden Kredite aufgenommen, damit wiederum erwirbt die GmbH die städtischen Grundstücke, auf denen die Stadtbau 80 Prozent ihrer Wohngebäude im Erbbaurecht errichtet hat. "Auch wenn der Bürgerentscheid so ausgeht, dass die Stadt die Stadtbau und die städtischen Wohnungen nicht verkaufen darf — die Erbbaugrundstücke sind davon nicht betroffen, deshalb könnte die GmbH sie kaufen" , so Stefan Rost. Der Kaufpreis beträgt nach Rechnung des Arbeitskreises 40 bis 50 Millionen Euro; das sei der tatsächliche Wert der Grundstücke abzüglich der Belastung durch die Erbbaurechte. Mit diesem Kaufpreis könne dann ein Teil des aktuellen Haushaltsdefizits ausgeglichen und — zusammen mit "ergänzenden Maßnahmen" — der Haushalt genehmigungsfähig gemacht werden. Die Stadtbau GmbH würde dann durch die "Wohnraum für Alle GmbH" zu einem sozialen Unternehmen umgebaut, das dafür sorgt, dass die Mieten bezahlbar und die Wohnungen als Mietwohnungen erhalten bleiben. Wie sehen diese "ergänzenden Maßnahmen" aus? "Nur ein Beispiel: Der Vorschlag, die Grundsteuer anzuheben, wurde von der Verwaltung mit dem Argument abgebügelt, das treffe die Mieter. Es trifft aber auch Häuslebauer und andere" , so Rost. Wenn dagegen die Stadtbau verkauft würde, würden den Mietern alleine die Schulden Freiburgs aufgebürdet. Allerdings halten sich die Arbeitskreis-Mitglieder nicht für die besseren Haushaltsexperten: "Wir haben uns nur mit gesundem Menschenverstand überlegt, wie eine Alternative aussehen könnte." 
"Für so ein Modell, wie wir es vorschlagen, braucht man vor allem Engagement und Offenheit" , meint Stefan Rost. Dass Genossenschaften im Wettbewerb mit finanzstarken Investoren im Bieterverfahren eine Chance haben, bezweifelt der Arbeitskreis: Sinn einer Ausschreibung sei ja, einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Der Arbeitskreis unterstützt vielmehr den Bürgerentscheid am 12. November, denn "die Entwicklung einer praktikablen Alternative braucht Zeit, vor allem für Bürgerbeteiligung" . Konzept und Finanzierungspläne sollen öffentlich zur Diskussion gestellt werden.
Infoveranstaltung der "Wohnraum für Alle GmbH" am Donnerstag, 19. Oktober, 19 Uhr im Strandcafé, Adlerstr. 12
13.10.2006, www.badische-zeitung,.de

 

 

Genossenschaften bieten mit

Die Genossenschaften bieten mit im Poker um den Verkauf der Stadtbau GmbH. In einem Gespräch mit Finanzbürgermeister Otto Neideck hat der baden-württembergische Dachverband gestern signalisiert, dass er mit seinem Modell den Mieterschutz und den Mindestpreis erfüllen werde. Neideck nahm das Angebot "mit Interesse" zur Kenntnis.

Gut eine Woche, nachdem die Stuttgarter Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) ihr Angebot angekündigt hat, stellte gestern Gerhard Burkhardt, Präsident des Verbands baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, eine "genossenschaftliche Lösung" vor.
Danach soll die städtische Wohnungsgesellschaft aufgespalten werden: einerseits in eine Aktiengesellschaft, die einige Wohnungen privatisiert und das Bauträgergeschäft weiter betreibt, andererseits soll sie aufgehen in eine neu zu gründende Genossenschaft, in die der Großteil der 7900 Stadtbau-Wohnungen eingebracht wird. Aktionäre der neuen Stadtbau AG wären die Genossenschaften sowie die Stadt selbst. Die Sozialcharta, die der Gemeinderat beschlossen hat, werde ebenso erfüllt wie die Preisvorstellung der Stadt. Die Rathausspitze erwartet mindestens 510 Millionen Euro. Die Mieter könnten Genossen werden und mitbestimmen. Neideck begrüßte das "genossenschaftliche Engagement" . Das Angebot werde, wie alle anderen auch, im Bieterverfahren behandelt, das im Herbst beginnen soll.
3.8.2006, www.badische-zeitung,.de

 

Freiburger Sozialcharta - Originaltext Stadt Freiburg

Pressemitteilung 30.06.06
Bürgermeisteramt legt zur Grundsatzentscheidung zu 
einem Verkauf der Freiburger Stadtbau am 18. Juli Entwurf
einer „Freiburger Sozialcharta“ vor:
OB Dieter Salomon:
Das Ziel des Bürgermeisteramts heißt nicht: Optimaler
Preis zu guten Bedingungen, sondern: Optimale Bedingungen
für die Mieter zu einem guten Preis!
Weitreichender Schutz der Mieterinnen und Mieter bei
einem möglichen Verkauf der Stadtbau-Beteiligung geht
weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus:
Grundsätzlich gilt Mietspiegel als Obergrenze für bestehende
Mietverträge und bei Neuvermietungen
Einzelvertragliche Regelung gewährleistet Mieterschutz
auch bei möglichen Weiterverkäufen als einklagbares
Recht
Sozialcharta verpflichtet Erwerber zur Überlassung von
Belegungsrechten an die Stadt: Wohnversorgung für einkommensschwache
Haushalte bleibt gesichert
Entwurf der „Freiburger Sozialcharta“ steht als Kaufbedingung
für jeden möglichen Erwerber zur Abstimmung
im Gemeinderat

Begrenzung der Mieten auf das Niveau des Mietspiegels, einzelvertragliche
Regelungen zum Mieterschutz über das Gesetz
hinaus, Verbot von Luxusmodernisierungen, lebenslanges
Wohnrecht für über 60jährige und Behinderte und vertraglich
gesicherte Belegungsrechte für die Stadt zur Wohnversorgung
von einkommensschwachen Haushalten – das
sind einige der wichtigsten Eckpunkte einer „Freiburger Sozialcharta“
bei einem Verkauf der städtischen Beteiligung an
der Freiburger Stadtbau (FSB) und der städtischen Wohnungen.
Im Mai hatte das Bürgermeisteramt dem Gemeinderat
den Vorschlag vorgelegt, die städtische Beteiligung an der
Freiburger Stadtbau, die über einen Bestand von ca. 7.900
Wohnungen verfügt, sowie rund 1000 städtischen Wohnungen
zur nachhaltigen Konsolidierung des Haushalts durch
Tilgung der städtischen Schulden zu verkaufen. Damit soll der
Haushalt um jährlich über 26 Millionen Euro an Zins und Tilgung
– mit steigender Tendenz – entlastet werden.
Unabdingbare Bedingung für einen möglichen Erwerber war
von Beginn an eine „Sozialcharta“, mit der die Rechte der
Mieterinnen und Mieter bei einem Verkauf über die ohnehin
geltenden gesetzlichen Schutzvorschriften hinaus sowie Belegungsrechte
für die Wohnversorgung von einkommensschwachen
Haushalten und Notfällen gesichert werden.
Das Bürgermeisteramt legt nun dem Gemeinderat in Form
einer Ergänzungsdrucksache den Entwurf einer „Freiburger
Sozialcharta“ vor, die weit über die bei einem Verkauf von
Wohnungen geltenden gesetzlichen Regelungen hinaus zahlreiche
weitere Schutzvorschriften aufnimmt. Dabei schlägt die
Verwaltung im Interesse der Mieter die rechtliche Konstruktion
so genannter „einzelvertraglicher Absicherungen“ vor. Sie
gewährleisten im Gegensatz zu anderen Modellen, dass der
Mieterschutz einschließlich einer Kappung von möglichen
Mieterhöhungen Bestandteil eines jeden Mietvertrages wird,
der auch bei einem Weiterverkauf gültig bleibt und die Rechte
der Mieter dauerhaft festschreibt.
„Damit schlagen wir einen klaren Schutz mit einzelvertraglichen
Absicherungen für jeden Mieter und jede Mieterin bei
einem Verkauf vor: Bindung an den Mietspiegel und festgeschriebene
Obergrenzen bei Mieterhöhungen als vertragliche
Garantien für jeden Mieter und jede Mieterin!“ stellt Oberbürgermeister
Dieter Salomon zu dem Entwurf fest und widerspricht
damit ausdrücklich den Behauptungen der Bürgerinitiative
„Wohnen ist Menschenrecht“, dass bei einem Verkauf
die Mieter erhebliche Nachteile wie steigende Mieten zu erwarten
hätten. „Die ‚Freiburger Sozialcharta’ wird garantieren,
dass es nach einem Verkauf niemandem schlechter gehen
wird!“

Ausdrücklich stellen Oberbürgermeister Salomon und Finanzbürgermeister
Otto Neideck fest, dass die „Freiburger Sozialcharta“
eine unabdingbare Bedingung sei, die jeder mögliche
Erwerber zu akzeptieren hat. Für das Bürgermeisteramt steht
die Sicherung der Mieterrechte über das Gesetz hinaus bei
der Entscheidung für einen Erwerber an erster Stelle. „Wir
suchen einen Erwerber, der einen guten Preis zahlt zu den
besten Bedingungen für die Mieterinnen und Mieter – und
nicht den besten Preis zu guten Bedingungen!“
Damit diese Eckpunkte von Beginn an, noch vor der Einleitung
eines Verkaufsverfahrens für jeden potentiellen Erwerber
klar sind, sollen sie mit der Grundsatzentscheidung des Gemeinderats
am 18. Juli beschlossen und Bedingung im weiteren
Verfahren sein.

Die wichtigsten Eckpunkte des Vorschlags
der „Freiburger Sozialcharta“:

Grundsätzlich gilt bei jedem Verkauf der Grundsatz im Bürgerlichen
Gesetzbuch „Kauf bricht nicht Miete“ (§ 566 BGB).
Er bedeutet in der Praxis: Jeder Mietvertrag bleibt auch bei
einem Verkauf einer Wohnung unverändert bestehen und darf
nicht seitens des neuen Eigentümers gekündigt werden. Deshalb
muss niemand um seine Wohnung fürchten.
Über diesen gesetzlichen Mieterschutz hinaus schlägt das
Bürgermeisteramt mit der „Freiburger Sozialcharta“ weitere
Schutzbestimmungen vor.

Kündigungsschutz:

Eine (gesetzlich unter bestimmten Bedingungen mögliche)
Kündigung wegen einer nicht angemessenen wirtschaftlichen
Verwertung und Eigenbedarfskündigungen werden ausgeschlossen
und in allen Mietverträgen verankert.
Für Mieterinnen und Mieter über 60 Jahre oder für Schwerbehinderte
einschließlich der Familienangehörigen im eigenen
Haushalt gilt unter diesen Voraussetzungen ein einzelvertraglich
festgelegtes lebenslanges Wohnrecht.

Bindung an den Mietspiegel:

Der Mietspiegel ist „das Maß aller Mieten“: Bereits heute gilt
für die städtischen und Stadtbau-Wohnungen der Mietspiegel,
weil der Gemeinderat und der Aufsichtsrat der Stadtbau bereits
vor Jahren die Anhebung aller Mieten auf Mietspiegel-
Niveau festgesetzt hat.
Die Sozialcharta schreibt vor, dass ein Erwerber keine Miete
verlangen darf, die über dem Mietspiegel für die jeweilige
Wohnung liegt. Das bedeutet: Verlässlichkeit für die Mieter,
weil die Miete auch nach einem Verkauf grundsätzlich am
Mietspiegel orientiert sein wird.
In den Fällen, in denen die Miete einer Wohnung noch unter
dem Mietspiegel liegen sollte, ist im Rahmen der gesetzlichen
Bestimmungen für eine einzelne Wohnung eine schrittweise
Mietanhebung um jährlich maximal 3 Prozent plus Steigerungsrate
der Lebenshaltungskosten nur bis auf das Mietspiegel-
Niveau zulässig.

Mietspiegel gilt bei Neuvermietungen

Welche Miete wird bei einer Neuvermietung festgesetzt, wenn
die bisherigen Mieter ausgezogen sind? Entgegen der Behauptung
der Bürgerinitiative, dann würden die Mieten kräftig
angehoben, schreibt die „Freiburger Sozialcharta“ auch für
Neuvermietungen die Mietspiegel-Miete fest. Das heißt: Ein
Nachmieter zahlt nicht mehr als der bisherige Bewohner,
nämlich exakt die Miete nach dem Mietspiegel.

Sonderregelungen für öffentlich geförderte Wohnungen

In öffentlich geförderte Wohnungen, die unter anderem mit
staatlichen Krediten finanziert worden sind, gilt für die Laufzeit
der verschiedenen Förderprogramme nicht der Mietspiegel,
sondern eine so genannte Kostenmiete. Sie ist abhängig von
den Förderprogrammen und auf den Cent genau festgeschrieben
- unabhängig davon, wer Eigentümer ist. An diese
gesetzlichen Vorschriften ist jeder mögliche Erwerber gebunden;
eine Anhebung der Miete ist dort nicht möglich. Diese
Sonderreglung betrifft ca. 2.600 öffentlich geförderte Wohnungen
von insgesamt 7.900 Stadtbau-Wohnungen; alle übrigen
sind frei finanzierte Wohnungen, auf die der Mietspiegel
angewendet wird.

Verbot von Luxussanierungen

Der Entwurf der Sozialcharta schließt ausdrücklich aus, dass
ein neuer Eigentümer so genannte „Luxusmodernisierungen“
durchführt, deren Kosten auf die Miete umgelegt werden und
damit zu erheblichen Mieterhöhungen führen können.
Auf eigene Kosten – also ohne Belastung der Mieter – wird
ein möglicher Käufer zu Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet,
für die er jährlich einen angemessenen Betrag aufwenden
muss. Damit will das Bürgermeisteramt gewährleisten, dass
die Wohnungen kontinuierlich in Ordnung gehalten werden
und nicht an Attraktivität und Wert verlieren.
Für diese über den gesetzlichen Mieterschutz hinaus gehenden
Bestimmungen sieht die Sozialcharta eine „einzelvertragliche“
Absicherung vor. Sie bedeutet in der Praxis: Die
Ansprüche und Schutzrechte der Mieter werden in jedem einzelnen
Mietvertrag verankert und gelten ohne zeitliche Begrenzung,
auch bei einem möglichen Weiterverkauf, nach
dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“. Damit ist der Vorwurf
entkräftet, eine Sozialcharta sei nicht mehr als eine bloße
Absichtserklärung. OB Salomon: „Mietverträge verpflichten
den Vermieter und geben den Mietern dauerhaft einklagbare
Rechte!“ Freiburg geht damit bewusst einen anderen Weg als
in anderen Städten, in denen Vereinbarungen zum Mieterschutz
lediglich zwischen den Kommunen und den Erwerbern
geschlossen worden sind; die einzelvertraglichen Regelungen
schaffen für jede Wohnung individuelle Schutzrechte für die
Mieter.

Sicherung von Belegungsrechten

Bei einem Verkauf verlangt die Stadt von dem künftigen Erwerber
über die öffentlich geförderten Wohnungen hinaus bis
zu 400 Belegungsrechte jährlich in frei finanzierten Wohnungen.
Sie „greifen“, wenn eine Wohnung frei wird; in diesem
Fall hat das städtische Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen
das Recht, einem Haushalt aus der Wohnungssucherdatei
die freiwerdende Wohnung zur Verfügung zu stellen.
Die Obergrenze von 400 Belegungsrechten ist davon abhängig,
wieviele Wohnungen tatsächlich pro Jahr durch Mieterwechsel
frei werden.
Mit dieser Vereinbarung wird gewährleistet, dass die Stadt für
Haushalte mit niedrigem Einkommen, die sich nicht auf dem
freien Markt selbst versorgen können, ausreichend auf bezahlbarer
Wohnraum zurückgreifen kann, wie dies bisher
durch die eigenen Belegungsrechte bei der Stadt und in
Stadtbau-Wohnungen gegeben war. Belegungsrechte sind
keineswegs nur auf städtische und Stadtbau-Wohnungen beschränkt:
Rund die Hälfte der heutigen Belegungsrechte bestehen
bereits bei anderen Wohnungsbauträgern, Genossenschaften
und Gesellschaften.

Was geschieht bei einem Weiterverkauf?

Die vorgesehene Sozialcharta setzt hohe Hürden gegen einen
Weiterverkauf des gesamten oder teilweisen Wohnungsbestands.
Danach sollen bis zum Jahr 2020 – also 13 Jahre
nach einem möglichen Verkauf – noch 75 Prozent des heutigen
Bestands als Mietwohnungen beim Erwerber erhalten
sein.
Der Verkauf einzelner Wohnungen bleibt jedoch grundsätzlich
möglich – ebenso wie die Stadt und die Stadtbau immer wieder
einzelne Objekte an interessierte Mieter veräußert haben.
Deshalb bekommen bei einem Weiterverkauf die Mieter selbst
die Chance, ihre Wohnung zu erwerben. Erst danach ist ein
Weiterverkauf an andere Erwerber möglich - allerdings nicht
en bloc.

Weiterführung der Sanierungen
Weingarten-West und Alt-Haslach

Entgegen den Behauptungen der Bürgerinitiative werden bei
einem Verkauf die Sanierungsprojekte Weingarten-West und
Alt-Haslach weiter gehen. Die Sozialcharta beinhaltet eine
entsprechende Verpflichtung an einen Erwerber, die Maßnahmen
in gleichem Umfang, zu denselben Bedingungen für
die betroffenen Mieter und mit denselben Sanierungszielen
wie die Stadtbau weiterzuführen, soweit dafür öffentliche Fördergelder
gewährt werden. Das ist für jeden Erwerber eine
lukrative Investition, weil die damit verbundenen Wertverbesserungen
der Wohnungen zu einem Gutteil aus dem Bund-
Ländr-Programm bezahlt wird.
Das Bürgermeisteramt macht darauf aufmerksam, dass die
Sanierungsmaßnahmen von der Stadt nicht mehr gewährleistet
werden könnten, wenn die Stadt nicht mehr über einen
genehmigten Haushalt verfügt. In diesem Fall wäre das Regierungspräsidium
gehalten, Fördermittel von Bund und Land
– insgesamt 60 Prozent des jeweiligen Förderrahmens – nicht
mehr auszuzahlen, wenn der städtische Anteil von 40 Prozent
im Haushalt nicht aufgebracht werden könnte.

Soziale Absicherung der Stadtbau-Beschäftigten

Der Vorschlag der Sozialcharta sieht auch vor, dass bei einem
Verkauf der städtischen Beteiligung an der Freiburger
Stadtbau an einen privaten Erwerber das gesamte Personal
der Stadtbau zu den heutigen arbeitsrechtlichen und tarifrechtlichen
Bedingungen übernommen wird. Das bedeutet:
Die Arbeitsverträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben
unverändert bestehen. Für die Beschäftigten der Freiburger
Stadtbau gelten eine Betriebsvereinbarung und ein Sozialplan,
die im dort geregelten Umfang betriebsbedingte Kündigungen
bis zum Jahr 2010 ausschließen. Diese Vereinbarung
ist bis zum Ende der Laufzeit nicht kündbar und gilt deshalb
bei einem Verkauf unverändert weiter.
Weitere Klauseln des Vorschlags betreffen die Berücksichtigung
von örtlichen Unternehmen und Handwerksbetrieben
bei der Vergabe von Aufträgen, die Einrichtung eines
Mieterbeirats und schließlich mögliche Vertragsstrafen und
die Bildung eines paritätisch besetzten Ausschusses, mit
denen die Einhaltung der Bestimmungen garantiert werden
kann.

Bürgermeisteramt ist zuversichtlich:
Freiburger Sozialcharta wird akzeptiert

Oberbürgermeister Salomon und Bürgermeister Neideck sind
zuversichtlich, dass jeder seriöse Kaufinteressent die vom
Bürgermeisteramt jetzt vorgeschlagenen Bedingungen zum
Mieterschutz auch akzeptieren wird. Die Erfahrung aus Wohnungsverkäufen
anderer Städte zeigt, dass Erwerber vor allem
an zufriedenen Mietern interessiert seien, die langfristig in
den Wohnungen verbleiben und sich dort wohl fühlen: „Sie
sind das beste Kapital für jeden Vermieter!“ Ebenso belegen
bereits abgeschlossene Verkäufe, dass Erwerber in aller Regel
die Wohnungsbestände als eine langfristige Anlage betrachten,
die im eigenen Bestand verbleibt und eine dauerhafte
Rendite aus der Vermietung erbringt. „Bei der Auswahl eines
potentiellen Erwerbers darf der Preis nicht das alleinige
Kriterium sein, sondern die langfristige Strategie, um den
Wohnungsbestand zu erhalten und Mieterschutz zu gewährleisten!“
stellen Salomon und Neideck fest.
Der Gemeinderat hat sich aufgrund eines interfraktionellen
Antrags entschieden, die Grundsatz-Entscheidung zu einem
möglichen Verkauf der Stadtbau-Beteiligung um zwei Wochen
zu verschieben. Sie wird jetzt auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung
vom 18. Juli gesetzt.


Pressemitteilung 30.06.06, www.freiburg.de  

 

 

Wohnungsverkauf FR: Der radikalsoziale Ansatz

Die “Wohnraum-für-alle GmbH” als Bürger/innenunternehmen / Ein nicht profitorientiertes Unternehmen soll Mieterrechte sichern und die Stadtbau zu einem sozialen Unternehmen umbauen

Einen radikal anderen Vorschlag macht der Arbeitskreis solidarische Ökonomie im Mietshäuser Syndikat. Er schlägt vor, ein Bürger/innenunternehmen mit dem möglichen Namen “Wohnraum-für-alle GmbH” (WfA) nach dem Vorbild der Schönauer Stromrebellen zu gründen. Das nicht profitorientierte Unternehmen soll der Stadt Freiburg die Grundstücke abkaufen, auf denen die Stadtbau ihre Wohngebäude in Erbpacht errichtet hat. Der Kaufpreis beträgt 150 Millionen Euro. Damit könne man zwar nur einen Teil der städtischen Schulden tilgen, dafür aber in den nächsten Jahren Konzepte und Strategien zur Überwindung der Finanznot entwickeln. Von den 150 Millionen Kaufpreis würden die Banken 80 Prozent, also 120 Millionen Euro als Kredite finanzieren. Die restlichen 30 Millionen Euro stundet die Stadt, weil der Erhalt des Bestandes die bei weitem preisgünstigste und rationellste Art ist, an Sozialwohnungen zu kommen. Und weil die Stadt, wenn die Stadtbau die Grundstücke kaufen würde, dem Unternehmen eine entsprechende Eigenkapitalerhöhung zuführen müsste und dies ebenfalls bargeldlos - also über Kaufpreisstundung - bewerkstelligen müsste. Die WfA nimmt also 120 Millionen Euro Kredite auf die Grundstücke auf, damit kauft sie die Grundstücke. Als Eigentümerin bekommt sie von der Stadtbau Erbbauzinsen und zahlt damit Zinsen für die Baukredite. Auch die Stadtbau könnte so in ein soziales Unternehmen umgebaut werden. So könnte zum Beispiel per Vertrag sichergestellt werden, dass die Erbbaugrundstücke dauerhaft zur sozial gebundenen Vermietung genutzt werden. Ansonsten bleibt die Stadtbau im Eigentum der Stadt, was auch Intention des Bürgerentscheids ist. Der Arbeitskreis: “Wir wissen, dass dieselbe Variante, nur mit der Stadtbau anstelle der WfA, klappen würde. Deshalb beantragen wir vorsorglich von der Stadtverwaltung, Punkt für Punkt zu benennen, was denn den Unterschied ausmacht, damit wir das Konzept der WfA entsprechend anpassen können.”

Badische Zeitung Freiburg
Simone Lutz, 28.6.2006 auf www.badische-zeitung.de

 

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