Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest

     
Themen zur Zukunft
im Hochschwarzwald und Breisgau - ab August 2005

   

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Blick nach Nordwesten vom Krummholzhof in den Schweigbrunnen zum Pfändlerhof - weiter hoch zum Zwerisberg am 1.8.2005 um 17 Uhr  mehr

Was bedeutet Ostern?

... da gibts Osterhasen

37 % aller Deutschen wissen nicht, was Ostern bedeutet

ARD vom 13.4.2006

 


      
     
Wie lange reichen die weltweiten Energievorräte?

Am 9.10.2006 findet der Energiegipfel der Bundesregierung statt. Schon im Vorfeld des Energiegipfels zeigt sich, dass die Frage der Energieressourcen bei diesem Gipfel eine wichtige Rolle spielen werden. In der Berichterstattung im Vorfeld des Gipfels zeigt sich bisher sehr stark die Dominanz der Werbeabteilungen der Energiekonzerne.  Die absehbare Endlichkeit der Uranreserven spielt in der bisherigen Diskussion beispielsweise fast keine Rolle. Auch aus diesem Grund senden wir Ihnen noch einmal unsere Hintergrundinformation aus dem Frühjahr 2006 zum Thema weltweite Energievorräte.

Im Internet und den Medien finden sich zum Thema weltweite Energievorräte (Uran, Erdöl, Erdgas, Kohle, Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie) die unterschiedlichsten, häufig stark interessengeleiteten Angaben. Wir versuchen hier einige Infos zum Thema weltweite Energievorräte zusammenzutragen. Die aufgeführten, häufig widersprüchlichen Studien über die Endlichkeit von Uran, Erdöl, Erdgas und Kohle zeigen bei allen Widersprüchen die Dimension der kommenden Energiekrise. Sie berücksichtigen häufig nicht ausreichend, dass bei Ressourcenverknappung auf andere Technologien umgestiegen wird, weil die Verknappung zu einem massiven Preisanstieg führt. Dies kann dazu führen, dass einige der alten Energieträger, bei massiv erhöhten Preisen einige Jahre länger vorhanden sind als in den Prognosen erwartet wird. Das ändert aber aber nicht am Grundproblem einer in Kürze drohenden weltweiten, massiven Energiekrise. Steigende Preise für Öl und Uran und Kriege um Öl und Ressourcen sind die ersten Hinweise auf kommende Kriege und Konflikte.

Die Atommlobby, u.a. organisiert im Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, fasst auf ihrer Homepage (am 7. Sept.2005) die heutigen Erkenntnisse zusammen, allerdings ohne die Steigerungsraten des Verbrauchs einzubeziehen.  "Wie lange reichen die Energievorräte der Welt? Teilt man die aus heutiger Sicht technisch und wirtschaftlich abbaubaren Reserven durch den jetzigen Verbrauch, erhält man die so genannte statische Reichweite. Diese beträgt für Erdöl rund 41, für Erdgas 67, für Kohle 192 und für Uran (ohne Brutreaktoren) rund 50 Jahre." Nach den realen Zahlen fließen dann die Zukunftshoffnungen der Atomlobby in den Text der Homepage ein: "Die statische Reichweite ist aber nur bedingt aussagekräftig, da sich einerseits der Verbrauch ständig ändert und andererseits immer noch neue Vorkommen entdeckt werden. Bei steigenden Energiepreisen lohnt sich auch der heute noch nicht wirtschaftliche Abbau von Vorräten."

Die Umweltorganisation Greenpeace hat im Jahr 2006 eine Studie über die Reichweite der Uranvorräte der Welt erstellt. Nach dieser Studie können die heute bekannten Uranvorräte einen steigenden Bedarf nicht decken. "Unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zur weltweiten Entwicklung des Kraftwerkbestandes, scheinen die Uranvorräte etwa zwischen 2026 und 2070 erschöpft. Geht man davon aus, dass Atomkraft tendenziell rückläufig ist, mit Ausbaubemühungen nur weniger Länder, werden die Vorräte nach realistischen Schätzungen bis circa 2050 reichen."

Die Fachzeitschrift Politische Ökologie schreibt in ihrer Ausgabe vom März 2004:
Bei den Steigerungsraten des Verbrauchs, welche die Internationale Agentur des OECD (International Energy Agency, IEA) berechnete, ergibt sich:
ein Ende des Erdöls um 2035,
von Erdgas vermutlich vor 2040,
Kohle reicht bis maximal 2100.
Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt, dass sie die anderen Energieträger ersetzen muss und  gleichzeitig zu einem gesteigerten CO2- Ausstoß führt.
Uran reicht bei der heutigen Förderung nur bis 2040.
Schon 2010 produzieren die OPEC des Nahen Ostens 50 Prozent des Öls. Das verschafft diesen, teilweise politisch instabilen Ländern eine bedeutende Machtposition - nicht nur über die Preise. Ähnlich sieht es beim Erdgas aus, das Deutschland im Jahr 2010 vermutlich zu 90 Prozent aus Russland importieren wird.
Quelle: Zeitschrift "Politische Ökologie 87 - 88" / März 2004

Die teilweise sehr unterschiedlichen, häufig stark interessengeleiteten Zahlen zu den Energievorräten der Welt zeigen dennoch deutlich die Endlichkeit dieser Ressourcen an. Ein plötzliches, abruptes Ende der Förderung von Gas, Öl, Uran und Kohle ist dennoch nicht zu erwarten, eher ein langsames Auslaufen, begleitet von einer massiven Preiserhöhung und sozialen Folgeproblemen. Doch das unlösbare Grundproblem der nicht regenerativen Energiequellen wie Uran, Gas, Öl und Kohle sind nach Ansicht von BUND Geschäftsführer Axel Mayer die Probleme eines unbegrenzten Wachstums und der damit verbunden ständig steigenden Nachfrage nach Energie: Bei einem anhaltenden Wachstum des Energieverbrauchs von 3% verdoppelt sich dieser alle 23 Jahre, bei 5% sogar bereits alle 14 Jahre. Und eine Menge, die exponentiell wächst, vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen Verdoppelungszeit. Dauerhaftes exponentielles Wachstum des Energieverbrauchs ist nicht möglich, auch wenn die Kohle, Öl- und Atomlobby anderes verkünden.
Unser Wirtschaftswachstum ist immer noch nicht abgekoppelt von einem überhöhten Energie- und Rohstoffverbrauch. Das Ende des Öl- und Uranzeitalters ist absehbar und rückt durch den Export unseres Verschwendungssystems nach China und Indien noch näher. Ein Teil des bisher "unterentwickelten" Rests der Welt (insbesondere China und Indien) ist gerade gerade dabei, unser zerstörerisches Modell einer Raubbauwirtschaft nachzuahmen und ähnlich Energie zu verschwenden wir wir. Der beginnende Autoboom in diesen Ländern wird in unseren Medien häufig noch unkritisch bejubelt. Die Folgen dieses Booms für Energievorräte, Ökologie und Weltklima sind nur selte ein Thema. In China und Indien läuft zur Zeit das "spannendste ökologische Belastungsexperiment" der Menschheitsgeschichte. Und ist es den Menschen in Asien zu verdenken, dass sie unserem schlechten Beispiel nacheifern?

Das weltweit knapper werdende Öl löst beim abhängigen Patienten Mensch klassische Suchtsymptome aus. Statt Energie einzusparen und Alternativen zu fördern, rufen wachstumsgläubige Politiker, gerade auch vor dem Energipfel,  nach einer intensiveren Ölförderung und nach der noch härteren und gefährlicheren Energiedroge Atomenergie. Die Abhängigkeit vieler Politiker und Parteien von der Energielobby gefährdet die Demokratie. Nur einen, zugegeben etwas makaberen, positiven Effekt könnte das beginnende Auslaufen der fossilen Energievorräte haben. Die Klimaveränderungen könnten langfristig weniger verheerend ausfallen als bisher angenommen, wenn Erdöl und Gas nicht durch Kohle ersetzt werden.

Das Wachstum im Bereich der Alternativen Energien, gehört zu den wenigen hoffnungsvollen Zeichen der Zeit. Von 1995 bis 2005 haben sich die Preise für atomar-fossile Energien mehr als verdoppelt, während sie sich für erneuerbare Energien halbiert haben. Windstrom ist global die am schnellsten expandierende Energienutzung. In der EU gingen im Jahr 2005 alle zwei Monate 1000 MW neue Windenergie ans Netz. In Kilowatt (Leistung) entspricht dies einem neuen AKW Gösgen (CH), in Kilowattstunden (Produktion) wird damit ein Atomreaktor der Größe Beznau (CH) ersetzt - und dies alle 60 Tage. Der globale Wachstumskurs für Photovoltaik-Anlagen setzt sich auch 2006 fort. Rund eine Million Solaranlagen sind in Deutschland installiert. Damit nutzen über drei Millionen Menschen Solarenergie zur Erzeugung von Wärme und Strom. Allein im Jahr 2005 wurden gut 175.000 Anlagen neu errichtet. Biomasse, Windenergie und Photovoltaik schaffen Strom und Arbeitsplätze. Und genau dieses positive Wachstum der zukunftsfähigen Energien wird von den Anhängern der atomar-fossilen Energiegewinnung massiv bekämpft, denn jede neue Photovoltaikanlage und jedes neu gebaute, privat finanzierte Windrad nimmt den AKW - Betreibern und Atomkonzernen Anteile an der Stromproduktion weg. Widerstand gegen Windräder wegen Vögeln, Fledermäusen und Landschaftsschutz? It´s the economy - stupid!

Die erneuerbare Energien sind Energiequellen, die sich durch natürliche Prozesse laufend erneuern. Sie stehen nach menschlichen Zeitmaßstäben unendlich lange zur Verfügung. Erneuerbare Energien haben drei originäre Quellen: Strahlung der Sonne, Kraft der Gezeiten, Wärme des Erdinneren (Geothermie). Sonne, Mond und Erde stellen diese unerschöpflichen Energien umweltverträglich zur Verfügung. Die Sonne strahlt jährlich in Deutschland auf jeden Quadratmeter so viel Energie, wie in 100 Litern Öl enthalten ist. In der Sahara ist es sogar doppelt so viel. Ein Windrad hat sich nach einem halben Jahr (4- 7 Monate) Betrieb energetisch armortisiert, d.h. nach diesem halben Jahr erzeugt es "netto" Strom. 130.000 Arbeitsplätze waren im Jahr 2004 in Deutschland direkt oder indirekt auf die Nutzung der regenerativen Energien zurückzuführen.

Der derzeitige Weltenergiebedarf liegt bei etwa 400 Exajoule (400 Milliarden Milliarden Joule) pro Jahr. Ein Exajoule entspricht der energetischen Menge, welche die Erde in 6 Sekunden von der Sonne empfängt und den Weltverbrauch an Primärenergie im Jahr 2000 innerhalb von 21 Stunden deckt. In einer Studie aus dem Jahr 2003 mit dem Titel "Energiewandel zur Nachhaltigkeit" prognostiziert der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderungen (WGBU) die Potenziale der erneuerbaren Energien für das Jahr 2100 folgendermaßen:
- weltweite Wasserkraft: Der Wert des Potenzials für Wasserkraft könnte sich bis 2100 auf ca. 15 EJ pro Jahr steigern lassen.
- weltweite Bioenergie / nachwachsende Rohstoffe: "Der Beirat schätzt das globale moderne Bioenergiepotenzial auf etwa 100 EJ pro Jahr, die sich zu 20% aus der Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe sowie zu jeweils etwa 40% aus forstwirtschaftlichen Reststoffen und Energiepflanzen ergeben. Ein derartiger Ausbau ist aber nur innerhalb von Jahrzehnten erreichbar."
- weltweite Windkraft: "Bei der Windenergie kann nur ein gewisser Anteil des berechneten globalen technischen Potenzials als nachhaltig nutzbar angesehen werden. Der Beirat empfiehlt daher global etwa 140 EJ pro Jahr als langfristig erreichbaren Beitrag der Windenergie zu einer nachhaltigen Energieversorgung." Andere Experten sehen hier noch mehr Potentiale.
- weltweite Solarenergie: "Im Gegensatz zu allen anderen Formen erneuerbarer Energien sind die technischen und auch die nachhaltig nutzbaren Potenziale der Sonnenenergie vor dem Hintergrund aller Zukunftsprojektionen menschlichen Energieeinsatzes praktisch unbegrenzt."
- weltweite Erdwärme: "Erdwärme hat ein großes technisches Potenzial und steht im Gegensatz zu Sonnen- und Windenergie kontinuierlich zur Verfügung. Das nachhaltig nutzbare Potenzial wird vom Beirat dennoch bis 2100 nur sehr vorsichtig auf 30 EJ pro Jahr eingeschätzt." 
Quelle: http://www.wbgu.de/wbgu_jg2003.pdf

Den zutiefst zerstörerischen Traum von dauerhaftem, unbegrenzten Wachstum im begrenzten System Erde können allerdings auch die Alternativenergien nicht erfüllen. Wer den American Way of Life mit Energie- und Rohstoffverschwendung, mit Umwelt- und Innenweltverschmutzung auf den Rest der Welt übertragen will, der fährt diesen Planeten mit und ohne regenerative Energiequellen gegen die Wand. Mit Wind- und Sonnenenergie geht das dann nur ein wenig langsamer.

Mehr auf: http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wind/energievorraete.htm

Axel Mayer. BUND Regionalverband, bund.freiburg@bund.net, 6.10.2006




 

 

Auswanderung: Deutschland verliert viele kluge Köpfe

So viele Deutsche wie seit 50 Jahren nicht mehr wandern aus/ Ein Großteil davon gilt als hoch qualifiziert/ Es fehlt an gut ausgebildeten Einwanderern

Die Bundesrepublik erlebt die größte Auswanderungswelle ihrer Geschichte: 145 000 Deutsche kehrten dem Land allein vergangenes Jahr den Rücken — so viele wie seit gut 50 Jahren nicht mehr. Das Brisante daran: Es gehen Spitzenleute. Unionspolitiker und Wirtschaft fordern, diesen Trend zu stoppen. Der wird sich aber fortsetzen, sagt Migrationsexperte Klaus J. Bade von der Universität Osnabrück. Gleichzeitig würden qualifizierte Ausländer abgeschreckt.

Gerade haben die Deutschen bei der WM den Patriotismus wieder entdeckt und Politiker auf dem Integrationsgipfel das Land zum Einwanderungsland erklärt. Auf der anderen Seite verzeichnete das Statistische Bundesamt 2005 nur noch 128 100 Deutsche, die ins Land zogen — davon 31 000 Spätaussiedler. Rechnet man die heraus, ergibt sich ein Migrationsdefizit von fast 50 000 Bürgern, "und das hätte dann den Charakter eines Abwanderungslandes" , sagt Klaus J. Bade. Für den Osnabrücker Experten ist die Entwicklung nichts Neues. "Deutschland war relativ häufig Zu- und gleichzeitig Auswanderungsland."
Die aktuelle Statistik erfasst nicht, warum die Deutschen abwandern und wie viele auf Dauer oder nur eine gewisse Zeit für ihren Arbeitgeber ins Ausland gehen. Fest steht: Während hier zu Lande von Arbeitslosigkeit und Hartz IV die Rede ist, sprechen sich die besseren Arbeitsbedingungen und Zukunftsperspektiven anderer Länder herum. Einer Forsa-Umfrage zufolge seien die Hauptgründe für Auswanderung die Wirtschaftslage, das Jobangebot und das Wetter. Ziele seien vor allem die USA, Großbritannien, Österreich, die Schweiz, die Niederlande und Skandinavien. Fast 40 Prozent der 14- bis 49-Jährigen spielen mit dem Gedanken, auszuwandern, knapp acht Prozent denken ernsthaft drüber nach, 1,5 Prozent wollen es demnächst tatsächlich tun.
Die Zahlen schreckten nun CDU-Politiker und Wirtschaft auf. "Diesen Trend müssen wir stoppen" , forderte Bildungsministerin Annette Schavan: "Deutschland muss wieder eine Talentschmiede werden. Wir brauchen eine Stimmung des Aufbruchs und vor allem ein Klima des Respekts vor neuen zündenden Ideen." Hessens Ministerpräsident Roland Koch mahnt, dass es sich bei den Auswanderern in erster Linie um Menschen handelt, "die Leistungsträger in unserer Gesellschaft werden könnten und müssten: Wissenschaftler, Handwerker, Ingenieure" . Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte ebenfalls, "Hoffnungsträger im Land zu halten" .

Migrationsexperte Bade sieht keinen Grund zur Hysterie: "Die Nation geht nicht unter." Gleichwohl bestätigt er den Verlust gut ausgebildeter Eliten: "Deutschland ist eindeutig ein Brain-Drain-Fall, mehr Hoch- und Höchstqualifizierte wandern ab- als zu." Wer diesen Schritt wagt, sei zudem selbstbewusst, stark und risikofreudig — kurz: ein Unternehmertyp. Zwar handele es sich nicht um eine Massenbewegung, aber die Situation sei prekär. Denn der Abwanderung stünden kaum Migrationsgewinne bei Hochqualifizierten gegenüber. Insgesamt kamen 579 300 Ausländer — die niedrigste Zahl seit der Wiedervereinigung. "Die Zuwanderer kommen zu 80 Prozent unter dem Schutz unserer Gesetze, das heißt, wir können sie uns nicht aussuchen." Sie seien überwiegend nicht direkt auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar. Die Diplome der Qualifizierten würden oft nicht anerkannt. "Wir haben höchstqualifizierte Physiker aus den GUS-Staaten, die fahren Taxi, während an den Schulen Physiklehrer fehlen" , bemängelt Bade. Besonders kritisch sei, dass für die 20 Prozent, die man flexibel steuern könnte, die Instrumente abgeschafft worden seien. "Wir haben nur noch ein Verlockungssystem mit viel zu hohen Hürden" , sagt Bade. Dem Zuwanderungsgesetz zufolge müssen Selbstständige mindestens zehn Arbeitsplätze schaffen und eine Million Euro in Deutschland investieren, Hochqualifizierte 84 000 Euro im Jahr verdienen . Kein Wunder, dass wenige von denen kommen, die Deutschland sich so dringend wünscht: Gerade mal 900 Hochqualifizierte und schätzungsweise 500 Selbstständige waren es 2005. Damit das anders wird, müsse viel passieren, sagt Bade. Die Steuerungsinstrumente wieder einzusetzen, sei nur die Voraussetzung, damit mehr Ausländer mit passgenauem Profil zuwandern. Zudem müssten die Arbeitsbedingungen verlockend sein: "Wir sind ein sehr starres Land mit überreguliertem System, Unternehmer müssen erstmal Formulare ausfüllen lernen, in den USA dagegen müssen sie nur eine Garage mieten."

Badische Zeitung Freiburg
Simone Höhl 19.7.2006 auf www.badische-zeitung.de

 

 

USA - Das rollende CO2

Die US-Amerikaner stellen 5 Prozent der Weltbevölkerung, aber sie fahren ein Drittel aller Fahrzeuge (PKWs und kleine LKWs) und geben damit weltweit mit 45% fast die Hälfte des gesamten CO2-Ausstoßes, der von Fahrzeugen verursacht wird, in die Atmosphäre ab

(Europa hat einen Anteil von 21%, China – zum Vergleich – erst einen von 2%, genau so viel übrigens wie ganz Afrika). Der Bericht "Global Warming on the Road. The Climate Impact of America's Automobiles" der Umweltorganisation Environmental Defense hat erstmals versucht, die vom Verkehr in den USA verursachten Emissionen – das "rollende CO2" - zu bilanzieren, und kommt zu dem Ergebnis, dass die Fahrzeuge in den USA einen unverhältnismäßig großen Beitrag zur Klimaerwärmung spielen, nämlich 314 Millionen Tonnen im Jahr 2004. Es gibt in den USA mit 202 Millionen PKWs nicht nur mehr Autos als anderswo in der Welt, die Fahrzeuge geben auch 15% mehr CO2 ab und fahren jährlich mit 11.000 Meilen ein Drittel mehr als der weltweite Durchschnitt. Da die öffentlichen Verkehrsmittel nicht gut ausgebaut sind und die Städte durch Sprawling immer größer wurden, sind die Amerikaner auch immer größere Entfernungen mit dem Auto gependelt und zum Einkaufen gefahren. Zwischen 1990 und 2001 erhöhte sich beispielsweise die Zahl der Meilen für Shopping-Fahrten um 40%.

Alles von Florian Rötzer vom 3.7.2006 auf http://www.telepolis.de/tp/r4/artikel/22/22999/1.html lesen

 

Der vollständige Verzicht auf Atomenergie ist möglich

Der Waiblinger SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer hat sich der Sonnenenergie verschrieben. Er ist Präsident der gemeinnützigen Europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien Eurosolar, vielfach preisgekrönt, unter anderem mit dem alternativen Nobelpreis. Scheer ist einer der Architekten des Fördergesetzes für erneuerbare Energien der rot-grünen Koalition und ein scharfer Kritiker der Atomindustrie.

BZ: Noch gilt, was die rot-grüne Koalition mit der Atomindustrie vereinbart hat: der Ausstieg aus der Kernenergie.
Scheer: Das hatte internationale Signalwirkung. Erstmals hat ein großes Industrieland die Fixierung auf die Atomindustrie beendet. Aber die Stromkonzerne haben das nie ernst genommen, sie haben taktisch reagiert und darauf gesetzt, dass eine nächste Regierung das wieder rückgängig machen würde. Diese Kalkulation wäre fast aufgegangen.

BZ: Es kam bekanntlich zur großen Koalition und die hält in ihrem Koalitionsvertrag am Ausstieg aus der Atomenergie fest. Hat die SPD damit das wichtigste Projekt von Rot-Grün gerettet?
Scheer: Aus meiner Sicht ist der falsche Weg gewählt worden. SPD und Grüne hatten den Ehrgeiz, einen Zeitplan für den definitiven Ausstieg vorzulegen, heraus kam die Formel vom Ausstieg nach 32 Jahren. Wer einen solchen Zeitplan zum vorzeitigen Abschalten von Reaktoren braucht, muss mit den Betreibern Konsensgespräche führen.

BZ: Hätte man sie nicht per Gesetz zum Ausstieg zwingen können?
Scheer: Dann hätten sie geklagt wegen des Eingriffs in Eigentumsrechte. Das Klagerisiko war hoch. Aber die Bereitschaft zum Konsens kostete einen politischen Preis. Der wurde bezahlt, aber darüber wurde nicht geredet. Das war die weniger schöne Seite.

BZ: Weil der Preis zu hoch war?
Scheer: Es wurde auf eine Regulierungsbehörde für den liberalisierten Strommarkt verzichtet. Das hat den vier großen Stromkonzernen, die praktisch das gesamte Übertragungsnetz kontrollieren, die Möglichkeit gegeben, jahrelang milliardenschwere Zusatzgewinne zu erzielen — zwischen drei und fünf Milliarden Euro jährlich seit 2001. Damit wurde der Konzentrationsprozess finanziert, inklusive des Aufkaufs von Stadtwerken, der Beteiligung an anderen Unternehmen, auch im Ausland. Zudem blieben die Rückstellungen unangetastet ...

BZ: ... die für die Endlagerung gebildet werden sollten ...
Scheer: ... und für den Rückbau von stillgelegten Atomanlagen. Und diese steuerfreien Rückstellungen, rund 30 Milliarden Euro, durften und dürfen die Konzerne beliebig verwenden. Ich habe bereits 1999 einen Gesetzentwurf vorgelegt, dass diese Rücklagen festverzinslich angelegt werden müssten. Denn was ist, wenn das Geld weg und der Atommüll da ist? Über meinen Antrag wurde nie abgestimmt, weil das angeblich die Konsensgespräche gestört hätte. Das andere Ausstiegskonzept wäre gewesen, auf Konsensgespräche zu verzichten, damit auch auf einen Zeitplan für den Ausstieg. Die Privilegien für die Atomkraftwerke hätten gestrichen werden müssen.

BZ: Die Anti-Kernkraftbewegung sprach von einer Mogelpackung. Warum hat sich ihr Vorschlag nicht durchgesetzt?
Scheer: Es ist nirgends darüber abgestimmt worden, weder in der Partei noch in der Bundestagsfraktion. Jedes störende Element für die Konsensgespräche wurde im Keim erstickt.

BZ: War der Preis für die Nennung eines Zeitpunkt für den Ausstieg zu hoch?
Scheer: Ja. Das Verhalten der Atomwirtschaft zeigt doch, dass sie nicht geschäftsfähig ist. Sie versucht jetzt, nachdem sie ihren Teil eingesteckt hat, die Gegenleistung zu verweigern und fordert Laufzeitverlängerungen. Wer kann ihnen dann noch glauben, dass sie nicht weiter nachlegen, noch längere Laufzeiten und sogar neue Reaktoren fordern. Das ist der Beginn des Ausstiegs aus dem Ausstieg.

BZ: Die erneuerbaren Energien — Wasser, Wind, Sonne und Biomasse sind aber doch auf dem Vormarsch. Sie sind ein unleugbarer Wirtschaftsfaktor.
Scheer: Man muss die These praktisch untermauern, dass die erneuerbaren Energien die richtige Lösung sind. Das ist der entscheidende Punkt und selbst viele Befürworter argumentieren mir zu zurückhaltend. Es kann unter Berücksichtigung aller Faktoren bewiesen werden, dass ein vollständiger Verzicht auf Atomenergie möglich ist bei gleichzeitiger Minderung der CO-Emissionen. Wir können bis 2020 die volle Ersatzleistung für alle Atomkraftwerke erbringen und sogar für einige fossil betriebene.

BZ: Mit dem Unfall in Tschernobyl vor 20 Jahren hat das Vertrauen in die friedliche Nutzung der Kernenergie ein Fiasko erlitten. Ist das heute wieder vergessen?
Scheer: Nein. Atomenergie ist eine Frage des politischen Augenmaßes. 100 000 Jahre Atommüll, das ist 50 Mal mehr als die Zeitspanne von Christi Geburt bis heute. Welches politische System kann so lange stabil bleiben?

Badische Zeitung Freiburg
Heinz Siebold mit Hermann Scheer, 26.4.2006 auf www.badische-zeitung.de

 

Regionale Produkte - Spanisches Treibhausgemüse
von Christian Hiß und Uwe Pörksen

Kann man da nichts machen? Warum wir Tomaten auf den Augen haben müssen, im Winter spanisches Treibhausgemüse zu essen

Eine Vorahnung entwürdigender Lagerbaracken findet man in dem berühmten Roman “Onkel Toms Hütte” . Er schildert Mitte des 19. Jahrhunderts die Unterkünfte der schwarzen Sklaven im Süden der USA. Erschöpft und übermüdet, sind sie an das nackte materielle Dasein gefesselt. Was vor drei Wochen unter der Überschrift “Bittere Tomaten” und dem Blickfang einer unendlichen Plastikdächerfläche an der Südküste Spaniens im BZ-Magazin zu lesen war, erinnerte daran. “Was wir hier haben, ist neue Sklaverei”, zitiert der Beitrag eine Menschenrechtsaktivistin, “in ganz Europa isst man Gemüse und Obst, das von Menschen gepflückt wird, die völlig entrechtet arbeiten, gedemütigten Menschen, auf denen man herumtrampelt.”

Geschildert wird das Plastikmeer von Almeria, das bis zu 15 Kilometer ins Landesinnere reicht. Darunter in Reih und Glied an langen Drahtseilen, von Versorgungsschläuchen begleitet, Paprika und Aubergine, Gurkenpflanze und Tomatenstaude - eine endlose Geometrie. Unter den Planen arbeiten bei 50 Grad, in pestizidgeschwängerter Luft, die pflückenden Billignomaden — hier zumeist Marokkaner. Ihre Arbeitgeber, ehemalige spanische Bauern, sind agroindustrielle Kleinunternehmer. Nicht selten werden wegen Überproduktion bis zu mehreren hundert Tonnen des Gemüses vernichtet. Und die Gastarbeiter erleben Rassenhass. Wie lesen wir diese Reportage “Bittere Tomaten” ? Wohl mit dem Stoßseufzer: “Furchtbar, aber da kann man nichts machen.” Wir hören sie oft, diese Formel. Sie ist so geläufig, dass man sich fragen kann, ob eine Werbeagentur daran beteiligt ist, die sich auf Entmutigungsformeln spezialisiert hat. Dass etwas unabänderlich ist, stimmt immer genau so lange, bis jemand das Gegenteil beweist. Es gilt im kleinen wie im großen Maßstab. Die gern bespöttelten Idealisten sind oft die intelligenteren, weitsichtigeren Realisten und die überlegenen “Realisten” nur die bequemeren Betonköpfe.

Man kann gegen die beschriebenen Zustände sehr wohl etwas machen und sollte es tun. Was hier beschrieben wird, ist eine Zukunft, die auch bei uns längst begonnen hat und mit der wir verzahnt sind. Die südspanische Plastikplanenanlage ist ja das Treibhaus der Deutschen. Von den 1000 Lastwagen, die in der Hochsaison mit Paprika, Tomaten, Gurken und Auberginen beladen jenes Gebiet verlassen, sind 70 Prozent für den deutschen Haushalt bestimmt. Manche fahren durch Freiburg, halten vielleicht sogar, und wir kaufen im Netz die roten, gelben und grünen Paprika mit dem Aufkleber “Gärtners Beste” — als habe ein Gärtner mit Gießkanne und grüner Schürze sie gezogen und nicht ein Drei-Euro-Marokkaner. Der Nahrungsmittelmarkt blendet mit einer verlogenen, längst vergangenen Scheinwelt. Eine Hightech-Hallenanlage in Niedersachsen, in der die Hälfte der Hähnchen, die in Deutschland verzehrt werden, einem durchrationalisierten kurzen Lebens- und Sterbeprozess unterworfen sind, nennt sich “Wiesenhof” .

Und auch in der Oberrheinebene gibt es die Entwicklung zum industriellen Anbau von einzelnen Früchten und Gemüsen, die sich entweder besonderer staatlicher Unterstützung oder einer ausgewählten Popularität unter der Kundschaft, wie der Spargel, erfreuen und deshalb im Übermaß mit allen negativen Konsequenzen angebaut werden. Die industrielle billige Massenproduktionen, dort und hier, stützen einander, bedingen und stabilisieren sich gegenseitig. Und dass es sie noch in Südspanien und in der Rheinebene gibt, ist eine Übergangsform. Sie könnten von Spanien nach Nordafrika, vom Oberrhein nach Osteuropa wandern, wo alles noch billiger produziert werden kann. Der technische Fortschritt übergibt die letzte Schwundstufe von Menschenhandarbeit einer zuverlässigeren und präzis steuerbaren Maschine, weil dort die Ackerschläge maschinentauglich sind und das Hundertfache messen.

Was ist dagegen zu machen? Man muss das Ganze ins Auge fassen, den Zusammenhang, und einen Kreislauf durchbrechen, muss den Mut haben, eine Kausalkette umzukehren. Man kann den Strukturwandel für einen schicksalhaften Vorgang halten, der nichts als Anpassung erlaubt, für einen Mythos wie die große Globalisierung, man kann ihn aber auch als Handlung auffassen, in die Hand nehmen und als aktivem Strukturwandel ihm eine bewusste Prägung geben. Produktionsformen sind Lebensformen. Die Frage stellt sich also: Welche Lebensform wollen wir?
Der Breisgau ist ein subtropisch fruchtbarer Landstrich, was wächst hier eigentlich nicht? Auf einem Quadratmeter wächst hier so viel wie auf manchem Zehnquadratmeterstück in der norddeutschen Geest. Aber von dem Obst und Gemüse, das von Freiburger Bürgern gekauft wird, stammen nur fünf Prozent aus dem näheren Umland. Im Winter, wird vielleicht mancher sagen, da ist man doch auf den Süden angewiesen. Ist man? Auch zu Weihnachten gibt es hier noch 35 verschiedene Gemüse und Salate, nur eben keine Tomaten und Gurken. Es gilt nicht das Eine durch das Andere vollkommen zu ersetzen, sondern es geht darum, ein bewusstes Maß zu finden.

Der Kunde ist König, heißt es völlig zu Recht. Warum begreift er nicht seine Macht? Wer kauft, vergibt einen Auftrag. Wer sein Geld dafür ausgibt, was hier erzeugt wird, vergibt einen Auftrag an die eigene Region und — wir übertreiben nicht — er gestaltet ihre Zukunft, entscheidet über sie. Der Wirtschaftstyp prägt die Kulturlandschaft, was bei uns “Natur” heißt, ist größtenteils das Ergebnis des vor 8000 Jahren begonnenen Landbaus, ist menschliche “Kultur” . Die Natur davor war weit eintöniger als sie es heute ist, und sie ist auf dem Weg, durch menschlichen Eingriff wieder eintönig zu werden. Monokultur erzeugt Monotonie, Polykultur Vielgestaltigkeit. Aber es geht uns hier nicht zuerst um den Landschaftseindruck, es geht um Lebensformen, die Herstellung vielseitiger Überlebensbedingungen und insofern um Wertschöpfung. Man kann die Rheinebene in ein Maisfeld verwandeln, auf dem wenig Leute und von Satelliten gesteuerte Maschinen stumpfsinnige Arbeit verrichten und dabei kaum Wertschöpfung stattfindet, und man kann sie als vielgestaltige und vielstufige Landwirtschaft erhalten und ausbauen und dadurch die regionale Wertschöpfung erhöhen.

Ein Hof, der kilometerweit nur Rotkohl erzeugt, macht nicht nur einen monotonen Eindruck, er kommt mit wenig Arbeitskraft aus und beschäftigt nur in der Erntezeit etliche unausgebildete Billiglohnarbeiter. Sein Saatgut kommt etwa aus China, der Stickstoff aus Trinidad. Die Landwirtschaft ist nahezu abhängig von nur noch wenigen Saatgutkonzernen, die auf dem Weg fortwährender Patentierung die Welternährung in der Hand haben, auf Hochleistungssorten reduziert sind und zugleich durch technischen Eingriff (Hybridzüchtung) unterbinden, dass man von der nächsten Generation einer Sorte Saatgut nehmen kann.

Die Arbeit ist einseitig. Der Spielraum der Entscheidungen, der Handgriffe, der Erfahrungen ist schmal. Ein solcher Betrieb erzeugt viel Transport, nämlich die rollenden Lagerhallen auf unseren Straßen; er trägt bei zum Klimawandel, verseucht nicht selten die Böden, weshalb in Holland schon 97 Prozent aller Fruchtgemüse in Mineralwolle und nicht mehr in gewachsenem Boden wachsen, und macht landwirtschaftliche Ausbildung überflüssig, scheinbar überflüssig. Welchen Sinn hätte hier eine landwirtschaftliche Lehre, es gibt schon jetzt kaum noch Lehrlinge und Ausbildung, kaum noch Überlieferung von Fertigkeiten und Fähigkeiten auf dem Sektor Ernährung durch Landwirtschaft. Das könnte einmal teuer werden; das negative Kapital, das auf diesem Sektor produziert wird, kommt in der öffentlichen Rechnung bisher nicht vor.

Die Nebeneffekte des landwirtschaftlichen Produzierens müssen endlich stärker bewertet werden, auch finanziell und betriebswirtschaftlich, also die Ausbildung, die Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen, sinnstiftende anstatt stumpfsinniger Arbeit, die Beschäftigung von Fachkräften, das nachhaltige Wirtschaften, die Bodenfruchtbarkeit, die Krisenfestigkeit durch vielfältige Bewirtschaftung, die Förderung der Region durch regionale Wertschöpfungsketten, die Vermeidung übertriebenen Transports. Es würden andere Höfe entstehen, wenn die Gesichtspunkte eines rationalen Realismus Geltung bekämen. Ein Hof, der fünfzig oder siebzig Gemüsesorten erzeugt oder fünfzehn Obstsorten, macht nicht nur einen vielgestaltigen Eindruck, er beschäftigt Fachkräfte, mehr Arbeitskräfte, schafft Arbeit. Er kann ausbilden, fachlich qualifizieren. Die Arbeit ist vielseitig, anspruchsvoll und abwechslungsreich, hat erhebliche Entscheidungs- und Erfahrungsspielräume und fordert heraus, sie teilt von selbst durch täglichen Umgang und Anschauung, Kenntnisse und Fertigkeiten mit. Er erzeugt wenig Transport und kann, wenn er will, sein Saatgut und seinen Stickstoff selbst erzeugen, in Zukunft vielleicht auch seinen Treibstoff. Ein solcher Hof, genauer gesagt, eine solche Hoflandschaft, zeichnet sich aus durch erhöhte Krisenfestigkeit.
Wie aber kann man hoffen, nachdem in den letzten 20 Jahren die Hälfte der Höfe in Baden-Württemberg aufgegeben hat und eine weitere Welle des Aufhörens bevorsteht, wie kann man erreichen, dass sich dennoch in dem hier aufgezeigten Sinn, eine notwendige Anzahl zum Weitermachen entschließt?

1. Indem man die Gesamtrechung aufmacht, nicht nur die betriebswirtschaftliche, sondern eine, die bedenkt, was der Erhalt unserer Kulturlandschaft, das Gebiet der Arbeit, die Wertschöpfung in der Region, die krisenfeste gesunde Ernährung, die Kontinuität der Sortenvielfalt bedeuten würden und wie eine Landwirtschaftspolitik darauf reagieren kann.

2. Indem der Kunde sich als König begreift, als einer, der sich in einem nicht sentimentalen, sondern in einem nüchternen und klug ökonomischen Sinn für die Region mitverantwortlich fühlt und zeigt. Die Höfe brauchen verlässliche Abnehmer, es lassen sich Verträge mit Institutionen denken. Es lässt sich ein Pakt zwischen Stadt und Land denken. Es lässt sich vorstellen, dass der Kunde bewusst den Markt in die Hand nimmt und nicht der Markt die Kundschaft.

Christian Hiß und Uwe Pörksen am 11.3.2006 in der BZ
Christian Hiß (45) ist Gärtnermeister in Eichstetten am Kaiserstuhl, Demeterhof Hiß
Uwe Pörksen (71) ist emeritierter Professor für Sprache und Ältere Literatur in Freiburg.

Andalusien - größter industrieller Wintergarten der Welt >Ernaehrung1(18.3.2006)

Wir brauchen keine Erdbeeren im Januar - Agrarwesen und Verbraucher
Herzlichen Glückwunsch Herrn Uwe Pörksen und Herrn Christian Hiß. Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen. Ich bin schon lange ein Gegner dieser Anbaumethoden, aber wir Endverbraucher sind unter dem Strich selber schuld. Wir haben das Plastikmeer von Almeria gesehen und uns über die Anbautechniken vor Ort informieren können. Ein Fließband ist ein Nichts gegen diese Arbeitsbedingungen. Was erschwerend dazu kommt, ist, wenn ein Produkt nicht der EU-Norm entspricht oder gerade eine Überproduktion herrscht, zum Beispiel die Tomaten oder die Gurken einfach vernichtet werden, tonnenweise! Aus meiner Sicht muss ein Umdenken in einer umweltbewussten Bevölkerung stattfinden, sonst hat das Elend in Spanien kein Ende. Wir brauchen keine Erdbeeren im Januar oder Kirschen im Feb ruar. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass es so viele Menschen gibt, die Freude daran haben, verseuchtes Obst und Gemüse zu essen, oder doch?

BZ-Leserbrief von 8.4.2006 von Klaus Messing, Maulburg

 

 

Lord Ralf Dahrendorf in Titisee-Neustadt - Öffnung der Welt als Chance

Zuversicht strahlte er aus und Mut machte er, aus den durch die Öffnung der Welt neu entstandenen Möglichkeiten etwas zu machen: Lord Ralf Dahrendorf, laut Frankfurter Allgemeinen Zeitung einer der 16 bedeutendsten lebenden Deutschen. Hier der Schwarzwälder, dort der Weltbürger, war er in seiner Funktion als Berater der Badischen Zeitung der Gastredner bei einer doppelten Premiere: Dem ersten Neujahrsempfang der BZ in Titisee-Neustadt in der ersten Veranstaltung im erneuerten “Neustädter Hof” .

Für den Lord setzt ein Kernthema der gegenwärtigen politisch-gesellschaftlichen Diskussion 1989 an. Das Jahr war für ihn der Markstein, die Öffnung in Deutschland und Osteuropa als Beginn der Globalisierung. Die für eine weltumspannende Verfügbarkeit sorgt, auf der anderen Seite aber viel Vertrautes in Frage stellt und auch in Deutschland manches zerbrechen ließ. Er lässt keinen Zweifel daran, dass diese Öffnung für ihn ein Gewinn ist, weil sie Chancen bietet. Die Frage sei aber, wie kann die Wirtschaft bestehen und doch der Zusammenhalt der Menschen erhalten werden. Passend, dass es hierzu zwei Beispiele aus der Region gibt: Hier die Badische Zeitung, die wirtschaftlichen Erfolg verbindet mit familiärem Charakter und der Einbindung in die Region. Dort die Erfahrungen um Kadus in Lenzkirch, wo weit entfernte Interessen, quasi die Spielregeln der Weltwirtschaft, tief in das soziale Gefüge schnitten.

Globalisierung, hält er inne, bedeute nicht, dass alles nichts mehr wert sei. Vielmehr gelte es genauer als bisher hinzuschauen und genauer zu überlegen als bisher. Es gehe Deutschland, zieht er den Vergleich, immer noch sehr gut. Gäste stellten immer wieder fest, es sei reich und gut organisiert. Und wenn man auf die vergangenen 60 Jahre blicke, könne man gar nicht anders als das auch festzustellen. Wichtig sei es, die günstige Stimmung aufzunehmen und gemeinsam etwas daraus zu machen, ähnlich wie in den Anfangsjahren nach dem Krieg. Man sei auf einem guten Weg, sagt der Lord. Doch man müsse Abschied nehmen von der überkommenen Gemütlichkeit, die eigene Anstrengung sei wichtig. Man dürfe sich nicht nur erinnern, sondern müsse etwas tun - wie es der Region, dem Schwarzwald zumal, “eingeboren” sei.

Peter Spiegel, Doris van Teffelen-Klüttermann, Gustav-Adolf Haas, Klaus Menner und Adrian Ketterer: Ihre Fragen widmeten sich Arbeitslosigkeit und Beschäftigung, Egoismus der Unternehmen und Gewinnmaximierung als Auslöser für die Not von Menschen. Der Lord bündelte seine Antworten und beschrieb, dass die Globalisierung die Systeme auch dadurch kennzeichne, dass es hochqualifizierte und gut bezahlte, jedoch auch einfache und weniger gut entlohnte Tätigkeiten gebe. Er benannte das “deutsche Problem” , dass im Vergleich zu anderen Ländern hier die Bereitschaft der Menschen fehle, einfachere Tätigkeiten anzunehmen. Der Staat beteilige sich bereits daran, Arbeitsplätze zu schaffen. Er sieht aber keinen Anlass, die Aufnahme von Arbeitskräften zu begrenzen, auch die Dienstleistungsrichtlinie “ist nicht der Untergang des Abendlands” , erteilt er Protektionismus eine Absage. Freilich hält er fest, dass es Extremfälle in der Unternehmenspolitik gebe, die nicht akzeptabel seien, führt unter anderem Managergehälter an. Er sieht hier die Anteilseigner in der Pflicht und empfiehlt, moralische Kriterien anzulegen als Teil auch der öffentlichen Diskussion.
Alles von
Peter Stellmach vom 27.1.2006 auf www.bzol.de

 

Staunend Bildung lernen in Freiburgs Bildungslandschaft

Bildung fängt mit Staunen an. Und Grund zu staunen gibt’ s in Freiburgs “Bildungslandschaft” gerade reichlich. Im Herbst 2006 eröffnet das Jugendhilfswerk seine freie Ganztagsschule. Ein Jahr später will die Freiburger Turnerschaft von 1844 mit ihrer Sport-Grundschule im Stadtteil Rieselfeld beginnen. Und nun plant auch der Kinderschutzbund einen eigenen Schulversuch. Gemeinsamer Hintergrund aller drei Angebote ist die Erkenntnis: Das herkömmliche Bildungssystem wird den Kindern und Jugendlichen nicht gerecht, produziert und verfestigt eher gesellschaftliche Ungleichheiten, als dass es junge Menschen mit ihren unterschiedlichen Begabungen fördert. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Als benachteiligte Kinder können dabei die unterforderten Hochbegabten ebenso gelten wie jene überforderten etwas Langsameren, die gleichwohl mit Recht von sich sagen können: Ich bin doch nicht blöd. Dass nun gleich drei private Träger das einzelne Kind als eigenständigen Menschen stärker berücksichtigen und zugleich einen sozialen Ausgleich schaffen wollen, ist - in einem Januar sei das Bild erlaubt - nachgerade Janus-köpfig: ein Hoffnungsschimmer am tristen Bildungshorizont und ein Armutszeugnis fürs staatliche Schulsystem. Das von Privatinitiativen staunend Bildung lernen kann.

BZ-Münstereck am 4.1.2005

 

Millionär fordert Millionärssteuer und Gerechtigkeitsdebatte - Peter Krämer

Er hat für gehöriges Aufsehen gesorgt: Der millionenschwere Hamburger Reeder Peter Krämer hat zusammen mit 21 weiteren wohlhabenden Deutschen in einem offenen Brief an Angela Merkel und Franz Müntefering eine gerechtere Besteuerung von Wohlhabenden gefordert. Er ist überzeugt davon, dass schon die Anhebung der Erbschaftsteuer für die zehn Prozent reichsten Deutschen ausreichen würde, die Steuerlöcher zu stopfen. Mit ihm sprachen Mechthild Blum und Bernd Kramer.

BZ: Sie nennen Deutschland ein Steuerparadies für Reiche. Ich nehme an, Sie sprechen aus eigener Erfahrung?
Krämer: Ja. Denn wenn sie den Einkommenssteuersatz ins Verhältnis setzen zum realen Steueraufkommen, werden Sie feststellen, dass er im Vergleich zu den USA erheblich niedriger ist. Das beweist die Statistik.

BZ: Ist das in Deutschland politisch so gewollt?
Krämer: Das will ich nicht sagen. Aber in Deutschland ist das Steuerrecht vor allem hoch kompliziert. Sie müssen sich einmal vor Augen führen, dass 60 Prozent der Weltliteratur zum Thema Steuern in deutscher Sprache und über das deutsche Steuerrecht geschrieben wurde: Unser System ist voller Sondertatbestände und Sonderregelungen, die kein Mensch mehr versteht.

BZ: Vielleicht steckt dahinter nur das Bemühen, jedem gerecht zu werden?
Krämer: Und man erreicht damit das Gegenteil!

BZ: Noch niedrigere Steuern zahlen Reiche in Staaten wie Monaco, der Schweiz oder Luxemburg. Viele setzen sich auch nach dorthin ab. Wollten Sie nie auswandern?
Krämer: Nein, ich liebe mein Hamburg und lebe hier sehr gut. Was mich stört, ist, dass im letzten Jahr in Deutschland 200 Milliarden Euro vererbt worden sind - meist Privatvermögen - und nur drei Milliarden Euro Steuern darauf gezahlt wurden, also nur 1,5 Prozent. Deutschland liegt damit absolut hinten.

BZ: Die Erben wird’ s freuen .
Krämer: Aber der Erbfall ist doch nur ein Zufall. Man ist rein zufällig Sohn oder Tochter eines Reichen.

BZ: Haben Sie das Vermögen Ihres Vaters nicht auch geerbt und sein Unternehmen übernommen?
Krämer: Doch. Mir geht es aber nicht um Firmenvermögen. Ich hätte auf mein Privatvermögen noch gut ein paar 100 000 Euro mehr zahlen können.

BZ: Waren Sie schon damals dieser Meinung oder hat sich diese erst im Laufe der Zeit gebildet?
Krämer: Ich hatte schon damals soziale Ansichten und habe es immer als Privileg empfunden im Bildungsbürgertum und im Wohlstand aufzuwachsen; alle Chancen zu haben, die andere so nicht hatten.

BZ: Haben Sie Ihre soziale Ader Ihren Eltern zu verdanken oder gab es andere Einflüsse?
Krämer: Meine Eltern waren beide evangelisch, aber nicht sehr religiös. Mein Vater hat mich menschlich schon beeindruckt, politisch weniger. Er war wohl eher dem rechten CDU-Flügel zuzurechnen. Die Studentenbewegung indes spielte für mich eine große Rolle, auch Leute wie Marcuse, Böll und Wallraff, um nur einige zu nennen. Ich begann damals nach dem Sinn des Lebens zu fragen, danach, ob er im sozialen Ausgleich oder in der Vermehrung des Wohlstands liegt.

BZ: Und nun wollen Sie den wirklich Reichen einen Teil ihrer Erbschaft abzwacken. Bestimmte Unternehmer behaupten, solche Maßnahmen seien betriebsschädlich und verlassen deswegen Deutschland. Schaden solche Vorschläge den Firmen und der Sicherung von Arbeitsplätzen?
Krämer: Wer wegzieht, würde das so oder so tun wie die Schumachers oder der Müller-Milch-Besitzer. Ich glaube indes nicht, dass eine maßvolle Erhöhung der Erbschaftssteuer auf ein durchschnittliches europäisches Niveau zu einer großen Abwanderbewegung führt. Ich rede von einer Erhebung der Erbschafts- steuer auf das gesamte Privatvermögen von zehn Prozent. Das ergibt etwa 16 Milliarden Euro. Rechnet man eine Progression und die Reduzierung der vielen Freibeträge oder Ausnahmetatbestände hinzu, kommt man auf noch mehr.

BZ: Worauf basiert Ihre Annahme, dass über eine höhere Erbschafts- und eine Vermögenssteuer 35 Milliarden Euro eingenommen werden können?
Krämer: Auf dem OECD-Vergleich, der diese Steuern auf Vermögen weltweit auflistet. Deutschland nimmt 0,8 Prozent, Japan schon drei und Großbritannien gar 4,3 Prozent. Würden wir britische Steuern auf Vermögen zahlen, wäre die deutsche Haushaltslage nicht desolat.
BZ: Die Koalition will eine Reichensteuer einführen. Das ist Ihnen zu wenig?
Krämer: Reichensteuer - dieser Ausdruck ist völlig fehl am Platz und nichts als Kosmetik.

BZ: Gleichzeitig ist Ihnen der neue Mehrwertsteuersatz von drei Prozent aber zu hoch?
Krämer: Er ist vor allem konjunkturpolitisch verfehlt, weil wir so die Binnennachfrage schwächen. Und die ist die Hauptursache für die derzeitige wirtschaftliche Lage. So aber geben die Leute noch weniger aus. Davon abgesehen ist die Mehrwertsteuer-Erhöhung sozial ungerecht. Sie trifft alle, die wenig verdienen, besonders hart, vor allem aber Rentner, Familien und Arbeitslose. Für die Arbeitnehmer sind schon die Reallöhne gesunken sowie die Krankenkassen- und die Rentenbeiträge gestiegen. Die Kosten für die kommunale Infrastruktur haben sich ebenfalls erhöht und da sollen Reiche nur einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent zahlen? Das nenne ich in der Tat ein soziales Ungleichgewicht.
BZ: Volkswirtschaftler gehen davon aus, dass eine hohe Steuerlast den Anreiz, mehr zu arbeiten und zu sparen, mindert. Darunter würde die gesamte Ökonomie leiden. Was halten Sie von dieser These?
Krämer: Genau das meine ich: Wenn sich die Steuerlast für die zehn Prozent der Reichsten erhöht, hat das keinerlei Auswirkungen auf die Konjunktur. Wenn sich die Steuerlast für den Rest erhöht, aber schon.

BZ: Mit Ihren Steuergeldern werden Subventionen und Steuervergünstigungen finanziert. Davon profitieren auch wohlhabende Menschen, die die staatliche Unterstützung nicht unbedingt nötig hätten. Ärgert Sie das nicht?
Krämer: Mich ärgern alle Subventionen, die nicht gerechtfertigt sind. Ich will damit aber keinen Kahlschlag propagieren. Was zum Beispiel die Landwirtschaft angeht, muss man erst Ersatzarbeitsplätze finden, bevor man Subventionen streicht. Aber es gibt ja auch so unsinnige Mehrwertsteuerermäßigungen wie die auf Katzenfutter.

BZ: Aber ich habe zwei Katzen...
Krämer: Und? Würden Sie sie verhungern lassen, wenn das Futter etwas teurer würde? Na, sehen Sie . . .

BZ: Sie kritisieren, dass „ die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht“ , wie Sie sagen. Eine Kritik, die sogar die Globalisierungsgegner von der Organisation attac teilen.
Krämer: Globalisierung heißt für mich nicht ewiger Wettkampf bis aufs Messer. Im Gegenteil: Globalisierung heißt für mich, eine Welt zu werden. Ein Beispiel: Selbst die Amerikaner erkennen mittlerweile, dass Klimaschutz nötig ist. Ein weiteres: Wir Europäer merken, dass Afrika geholfen werden muss. Bei der Abhängigkeit der Staaten untereinander kann es sich auf Dauer keiner mehr leisten, den andern hängen zu lassen. Das ist etwas, was die attac-Leute, die ja gegen Globalisierung sind, ganz falsch sehen. Globalisierung heißt für mich, dass wir aufeinander Rücksicht nehmen müssen.

BZ: Glauben Sie, dass Sie noch ein mehr Reiche als Mitstreiter gewinnen können? Ein Günther Grass an Ihrer Seite - obwohl auch Millionär - spielt ja diesbezüglich nicht in Ihrer Liga, oder?
Krämer: Das ist nicht so entscheidend. Entscheidend ist die öffentliche Debatte, die wir ausgelöst haben

BZ: Wie reagieren Ihre Bekannten, Ihre Kinder auf Ihre Positionen? Werden Sie nicht ausgelacht?
Krämer: Nein. Ich habe einen Sohn, der findet das gut.

BZ: Das sehen nicht alle so.
Krämer: Ich weiß. Ich kannte einen, der das nicht gut fand, weil er meinte, das Geld, was er erben würde, wäre schließlich schon mal versteuert worden. Dem stimmte sein Vater auch zu und sagte: „ Richtig. Deswegen kann ich mit dem Geld auch machen, was ich will. Ich könnte es auch verprassen. Wenn du es aber vererbt bekommst, zahlst du zum ersten Mal Steuern.“ Der Vater stammte übrigens aus Ihrer Gegend.

BZ: Ihre Vorschläge halten sicher viele Bürgerinnen und Bürger für sympathisch. Glauben Sie, dass Sie damit auch politisches Gehör finden?
Krämer: Wenn die Gewerkschaften und die Kirchen reagieren, kriegen wir eine Gerechtigkeitsdebatte und dann muss auch die Politik reagieren.

BZ: Wenn Ihre Steuervorschläge nicht umgesetzt werden - sammeln Sie dann trotzdem bei den Superreichen für einen guten Zweck?
Krämer: Das tue ich schon seit Jahren mit der Kampagne „ Schulen für Afrika“ zusammen mit Nelson Mandela. Es ist ja so: Steuern sind Zwang, Spenden entspringen einer Herzenswärme. Ich möchte nicht allzu schlecht über meine Reichen-Kollegen sprechen, aber die Summe der Spenden von jenen, die viel, viel weniger verdienen, ist größer als das, was die Reichen freiwillig hergeben.

BZ: Sind Sie ein guter Mensch?
Krämer: Mal mehr, mal weniger. Ich bemühe mich jedenfalls.

BZ: Auch heute?
Krämer: Heute Abend halte ich eine Ansprache in der kleinen Trinitatis-Kirche in Hamburg Altona

Peter Krämer: Der 54-Jährige führt seit 1982 die Reederei Marine Service mit 70 Angestellten und 35 Tankern, die der Vater aufgebaut hatte. Krämer engagiert sich für die Unicef-Kampagne „ Schulen für Afrika“ und hat dafür nicht nur selbst 750 000 Euro gespendet, sondern auch versprochen, jede weitere Spende bis zu drei Millionen Euro aus eigener Tasche zu verdoppeln.

Alles vom 10.12.2005 auf www.bzol.de lesen

 

 

Public Private Partnership (PPP) - Privatisierung auf Zeit

Privatisierung auf Zeit schont öffentliche Kasse - ein Modell im politischen Trend

Städte und Gemeinden müssen sanieren und modernisieren, um ihre Leistungen aufrechtzuerhalten. Auf rund 80 Milliarden Euro schätzt das Finanzministerium den Investitionsbedarf baden-württembergischer Kommunen bis zum Jahr 2010. Doch aufgrund fehlender Gelder muss die öffentliche Hand immer öfter passen. Einen Ausweg aus dem Dilemma kann die Kooperation mit privaten Investoren, das so genannte Public Private Partnership (PPP) bieten.
PPP ist eine Form der Teilprivatisierung öffentlicher Leistungen, indem öffentliche Aufgaben befristet an Privatunternehmen übertragen werden. Der Investor verpflichtet sich zu Investitionen beispielsweise in Schulen, Krankenhäusern oder kommunalen Verwaltungsgebäuden und zu deren Betrieb über 15 oder mehr Jahre. Im Gegenzug erhält er ein Nutzungsentgelt. Sinn und Zweck der öffentlich-privaten Kooperation sind: 1. der zügige Abbau des Investitionsstaus; 2. die Einsparung von Kosten; 3. mehr Wachstum und Beschäftigung und 4. ein positiver ordnungspolitischer Effekt.
"PPP kann der Bauwirtschaft und dem Mittelstand neue Chancen eröffnen", betont der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister. In Baden-Württemberg seien in den vergangenen zehn Jahren die Umsätze der Bauwirtschaft um 27 Prozent zurückgegangen und 44 Prozent der Arbeitsplätze weggefallen. "Die öffentliche Hand läuft Gefahr, ihre Vorbildfunktion für das Bauen und die Baukultur zu verlieren", gibt dagegen Eckart Rosenberger, Vizepräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, zu bedenken. Das Bundesgutachten "PPP im öffentlichen Hochbau" konstatiert fünf Voraussetzungen für die erfolgreiche Realisierung: 1. ein verändertes Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand; 2. ein Lebenszyklusansatz, der neben den Baukosten auch die späteren Betriebs-, Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten in die planerische Konzeption mit einbezieht; 3. sachgerechte Verteilung der Projektrisiken, auf denjenigen Partner, der sie am besten managen kann; 4. leistungsorientierte Vergütungsmechanismen mit entsprechenden Anreizsystemen und 5. Wettbewerbe auf Bieterseite, um innovative und kostenoptimierte Lösungswege zu generieren.

Die Finanzierung der Projekte erfolgt entweder aus dem Haushalt über monatliche so genannte Verfügbarkeitsentgelte oder über Einnahmen von privaten Nutzern, etwa in der Art von Maut-oder Wassergebühren. PPP ist also keine neue Art der Finanzierung, sondern eine andere Beschaffungsvariante der öffentlichen Hand. Die Kooperation ist daher auch kein Allheilmittel zur Sanierung maroder kommunaler Haushalte. Kernstück vieler Finanzierungen ist ein Forderungsverkauf, Forfaitierung genannt. Hierbei handelt es sich um ein kreditähnliches Geschäft, das von der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt werden muss und daher eine entsprechende Kreditbonität voraussetzt. Zudem lohnen die hohen Transaktionskosten während der Vertragserstellung nur ab einem größeren Investitionsvolumen. Die Rentabilitätsuntergrenze von PPP-Projekten sehen Experten bei einer Bausumme von zehn bis 15 Millionen Euro und einer zu bewirtschaftenden Fläche von 30 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Das Anfang Juli verabschiedete PPP-Beschleunigungsgesetz öffnet den PPP-Markt nun auch für Finanzmitteln von offenen und geschlossenen Immobilienfonds. In Freiburg könnte ab 2006 ein PPP-Modell die Sanierung und Betreuung von zehn Schulen und die Erweiterung und Sanierung der Hauptfeuerwache ermöglichen. Das Investitionsvolumen beträgt 60 Millionen Euro. Hinzu kommen die Kosten für den Unterhalt.

Alles von Gabriele Bobka vom 13.8.2005 auf www.bzol.de lesen
  

 

 

Europa kann nicht auf den Ruinen der Nationen errichtet werden  

Nach dem Tod der Verfassung ist es neu zu erfinden. Ein Aufruf zur Diskussion / Von Ulrich Beck und Anthony Giddens
von Ulrich beck/Anthony Giddens

Der europäische Verfassungsentwurf ist tot. Das Urteil haben die Franzosen und Niederländer gefällt. Letztlich zwingt uns das Nein, Europa neu zu begründen. Die Europäische Union ist das originellste und erfolgreichste Experiment der politischen Institutionenbildung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie hat das zuvor Undenkbare vollbracht und nach dem Fall der Berliner Mauer Europa geeint; sie hat den politischen Wandel jenseits ihrer eigenen Grenzen bis hin in die Ukraine und die Türkei befördert - nicht, wie in der Vergangenheit, mit militärischen, sondern mit friedlichen Mitteln. Durch ihre jahrzehntelang prosperierende Wirtschaft hat sie Millionen Menschen zu mehr Wohlstand verholfen - auch wenn die Wachstumsraten in der jüngsten Zeit enttäuschend sind. Nur als Mitglied der Europäischen Union konnte eines der einst ärmsten Länder Europas, Irland, zu einem der reichsten werden. Sie hat dazu beigetragen, daß die früheren Diktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland sich in Demokratien verwandelten.
Einige ihrer Verteidiger vertreten zuweilen die These, die Europäische Union habe mehr als fünfzig Jahre den Frieden in Europa gesichert. Zwar stimmt diese Behauptung so nicht. Für die Aufrechterhaltung des Friedens waren die Nato und die Anwesenheit amerikanischer Truppen weit wichtiger. Doch was die Europäische Union erreicht hat, geht weit darüber hinaus, gleicht einem Wunder. Sie hat den unheilvollsten Strömungen in der europäischen Geschichte - Nationalismus, Kolonialismus, militärisches Abenteurertum - ein für allemal ein Ende gesetzt.

Nicht das Versagen der Europäischen Union, sondern ihr Erfolg verstört die Menschen. Noch vor nicht einmal zwanzig Jahren galt eine Wiedervereinigung des westlichen mit dem östlichen Teil Europas als ein unrealisierbarer Traum. Doch sogar in den neuen Mitgliedstaaten wird die Frage gestellt: "Wo soll das alles hinführen?" Selbst in den Augen der Menschen, die am meisten von ihr profitiert haben, schrumpft die Europäische Union häufig auf ein reines Instrument der Globalisierung und wird von ihnen nicht als beispielhaftes Forum zu deren Umformung und Neugestaltung gesehen.
Solche Gefühle veranlassen viele, sich nach der eigenen Nation als dem sicheren Hafen zurückzusehnen. Doch wenn sich, plötzlich, von einem Tag auf den andern, die Europäische Union auflösen würde, dann wären die jeweiligen kulturellen und nationalen Besonderheiten wirklich bedroht. Angenommen, die Euroskeptiker gewönnen in Großbritannien die Oberhand und das Vereinigte Königreich verließe formell die Europäische Union. Besäßen die Briten danach eine klarere Vorstellung ihrer Identität? Verfügten sie über mehr Souveränität, um ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln? Die Antwort auf beide Fragen lautet: Nein. ... Diese Paradoxie gilt es zu verstehen: In der gegenwärtigen Welt kann der nationale Blick und das isolationistische Denken zum schlimmsten Feind des Nationalstaats und seiner Interessen werden. Mit der Europäischen Union ist die Möglichkeit Wirklichkeit geworden, formale Souveränität preiszugeben, um nationale Macht zu gewinnen, die Traditionen zu stärken und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.
Die Europäische Union sollte allerdings nicht länger als eine "unfertige Nation" oder als "unvollständiger Bundesstaat" betrachtet und mißverstanden werden. Vielmehr als ein historisch neuartiges kosmopolitisches Projekt. Viele fürchten sich zu Recht vor einem Super-Bundesstaat. Ein Europa, das beflügelt, kann nicht auf den Ruinen der Nationen erbaut werden. Der Fortbestand der unterschiedlichen Staaten ist die Voraussetzung eines kosmopolitischen Europa - aus den genannten Gründen gilt zugleich auch das Umgekehrte: ohne ein kosmopolitisches Europa sind die Nationalstaaten zum Untergang verurteilt

Wenn Europa auf der Weltbühne über eine Stimme verfügen und als Partner anerkannt werden soll, können wir weder weiteren Staaten prinzipiell die Aufnahme verweigern noch das politische System in seiner jetzigen Form unverändert beibehalten. Die Erweiterung ist das wichtigste außenpolitische Instrumentarium der Union, mit dem sie die Ausbreitung von Demokratie und Frieden sowie uneingeschränkte Wirtschaftsbeziehungen befördern kann. Ähnliche Überlegungen gelten auch für die politischen Strukturen. Die Europäische Union kann nur dann wirklich nach innen und außen Gestaltungsmacht gewinnen, wenn sie sich auf neue Regierungsformen verständigt. Der Vorschlag, die Europäische Union solle sich auf einen gemeinsamen Außenminister einigen, ist durchaus sinnvoll. Die Möglichkeit, auf politischem und diplomatischem Weg in internationalen Institutionen die eigene Position zur Geltung zu bringen, beruht unmittelbar auf der wirtschaftlichen Stärke. Vor allem auf diesem Gebiet müssen, darin sind sich alle Verfechter eines kosmopolitischen Europa einig, die Europäische Kommission und die Regierungschefs der Mitgliedstaaten sofort und umfassend aktiv werden. Trotz ihrer Erfolge in anderen Bereichen: Die Wirtschaftkraft der Europäischen Union ist am erlahmen. Die Wachstumsraten sind niedriger als die der USA, von den Zuwächsen in ehemaligen Entwicklungsländern wie Indien und China ganz zu schweigen. Europa hat keine andere Wahl als die des Wandels. Bei den notwendigen Reformen darf jedoch das Bestreben nach sozialer Gerechtigkeit nicht auf der Strecke bleiben, ja soziale Gerechtigkeit muß zum Schlüssel für Europas Zukunft werden. Wir zählen zu den Verfechtern der Europäischen Verfassung - auch wenn die vorgeschlagene Version viel zu unübersichtlich und langatmig ist. Doch ihre Ablehnung eröffnet den Europäern die Möglichkeit - und zwingt sie vielleicht sogar dazu -, die elementaren Realitäten wahrzunehmen und darauf eine Antwort zu finden. Dann könnte die Europäische Union zu einem, wenn nicht dem wichtigsten Akteur auf der globalen Bühne im 21. Jahrhundert werden. Auf dieses Ziel sollten wir Europäer uns verständigen - und es einlösen.

Der Offene Brief wurde im September/Oktober 2005 in führenden Tageszeitungen der 25 EU-Staaten veröffentlicht.
Diese gekürzte Fassung
erschienen am Sa, 1. Oktober 2005, in www.welt.de

Ulrich Beck lehrt als Sozialologe an der Universität München und an der London School of Economics and Political Science. 
Antony Giddens war bis 2003 Direktor der London School of Economics. Als Berater von Tony Blair hat das Programm von New Labour mit formuliert.

Europa-Aufruf
Die Star-Soziologen Anthony Giddens und Ulrich Beck wollen, dass ein Ruck durch Europa geht - und veröffentlichten am 1.9.05 in allen Staaten der EU
(und darüber hinaus) einen Aufruf. Nationalstaat und Europäische Union, so ihre zentrale These, schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: "Die Europäische Union sollte allerdings nicht länger als eine 'unfertige Nation' oder als 'unvollständiger Bundesstaat' betrachtet und missverstanden werden. Vielmehr als ein historisch neuartiges kosmopolitisches Projekt. Viele fürchten sich zu Recht vor einem Super-Bundesstaat. Ein Europa, das beflügelt, kann nicht auf den Ruinen der Nationen erbaut werden. Der Fortbestand der unterschiedlichen Staaten ist die Voraussetzung eines kosmopolitischen Europa. Aus den genannten Gründen gilt zugleich auch das
Umgekehrte: Ohne ein kosmopolitisches Europa sind die Nationalstaaten zum Untergang verurteilt."
Quelle: Politik maillist vom 7.10.2005 -  Politik@mailman.bildung.hessen.de
http://komm.bildung.hessen.de/mailman/listinfo/politik

  

 

 

Wie lange reichen die Energievorräte?

Bei den Steigerungsraten des Verbrauchs, welche die Internationale Agentur des OECD ( International Energy Agency, IEA) berechnete, ergibt sich:

  • ein Ende des Erdöls um 2035,
  • von Erdgas vermutlich vor 2040,
  • Kohle reicht bis maximal 2100. Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt, dass sie die anderen Energieträger ersetzen muss und gleichzeitig zu einem gesteigerten CO_2 -Ausstoß führt.
  • Uran reicht bei der heutigen Förderung nur bis 2040.

Schon 2010 produzieren die OPEC des Nahen Ostens 50 Prozent des Öls. Das verschafft diesen, teilweise politisch instabilen Ländern eine bedeutende Machtposition - nicht nur über die Preise. Ähnlich sieht es beim Erdgas aus, das Deutschland im Jahr 2010 vermutlich zu 90 Prozent aus Russland importieren wird.
Quelle: Zeitschrift "politische Ökologie 87 - 88" / März 2004

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