Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest

     
Themen zur Zukunft
im Hochschwarzwald und Breisgau

   

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Beim Stadttor in Burkheim am Kaiserstuhl im April 2004


 

Das deprimierende Märchen von den sieben Zwergen

Es waren einmal sieben Zwerge, die lebten hinter den sieben Bergen. Tag für Tag suchten sie im Bergwerk nach Gold. Jeder der Zwerge war rechtschaffen, fleißig und achtete den Anderen. Wenn einer von ihnen müde wurde, so ruhte er sich aus, ohne dass die anderen erzürnten. Wenn es einem von ihnen an etwas mangelte, so gaben die anderen bereitwillig und gerne. Abends, wenn das Tagewerk geschafft war, aßen sie einträchtig ihr Brot und gingen zu Bett. Am siebten Tage jedoch ruhten sie.

Doch eines Tages meinte einer von ihnen, dass sie so recht nicht wüssten, wie viel denn geschafft sei und begann, die Goldklumpen zu zählen, die sie Tag für Tag aus dem Bergwerk schleppten. Und weil er so mit Zählen beschäftigt war, schufteten die anderen für ihn mit. Bald nahm ihn seine neue Arbeit derart in Anspruch, dass er nur noch zählte und die Hacke für immer beiseite legte. Nach einer Zeit hob ein Murren an unter den Freunden, die mit Argwohn auf das Treiben des Siebten schauten. Dieser erschrak und verteidigte sich, das Zählen sei unerlässlich, so sie denn wissen wollten, welche Leistung sie vollbracht hatten, und begann, den anderen in allen Einzelheiten davon zu erzählen. Und weil er nicht erzählen konnte, während die anderen hackten und hämmerten, so legten sie alle ihre Schaufeln beiseite und saßen am Tisch zusammen. So entstand das erste Meeting.

Die anderen Zwerge sahen das feine Papier und die Symbole, aber schüttelten die Köpfe, weil sie es nicht verstanden. Es dauerte nicht lange und der Controller (denn so nannte er sich fortan!) forderte, die Zwerge, die da Tagein, Tagaus schufteten, mögen ihm ihre Arbeit beweisen, in dem sie ihm Zeugnis auf Papier ablegten über die Menge Goldes, die sie mit den Loren aus dem Berg holten. Und weil er nicht verstehen konnte, warum die Menge schwankte, so berief er einen unter ihnen, die anderen zu führen, damit der
Lohn recht gleichmäßig ausfiele. Der Führer nannte sich Manager und legte seine Schaufel nieder.

Nach kurzer Zeit arbeiteten also nur noch fünf von ihnen, allerdings mit der Auflage, die Arbeit aller Sieben zu erbringen. Die Stimmung unter den Zwergen sank, aber was sollten sie tun? Als der Manager von ihrem Wehklagen hörte, dachte er lange und angestrengt nach und erfand die Teamarbeit. So sollte jeder von ihnen gemäß seiner Talente nur einen Teil der Arbeit erledigen und sich spezialisieren. Aber ach! Das Tagewerk wurde nicht leichter, und wenn einer von ihnen krank wurde, wussten die anderen weder ein noch aus, weil sie die Arbeit ihres Nächsten nicht kannten. So entstand der Taylorismus.

Als der Manager sah, dass es schlecht bestellt war um seine Kollegen, bestellte er einen unter ihnen zum Gruppenführer, damit er die Anderen ermutigte. So musste der Manager nicht mehr sein warmes Kaminfeuer verlassen. Leider legte auch der Gruppenführer, der nunmehr den Takt angab, die Schaufel nieder und traf sich mit dem Manager öfter und öfter zu Meetings. So arbeiteten nur noch vier.

Die Stimmung sank und damit alsbald die Fördermenge des Goldes. Als die Zwerge wütend an seine Bürotuer traten, versprach der Manager Abhilfe und organisierte eine kleine Fahrt mit dem Karren, damit sich die Zwerge zerstreuten. Damit aber die Menge Goldes nicht nachließ, fand die Fahrt am Wochenende statt. Und damit die Fahrt als Geschäftsreise abgesetzt werden konnte, hielt der Manager einen langen Vortrag, den er in fremdartige Worte kleidete, die er von einem anderen Manager gehört hatte, der andere  Zwerge in einer anderen Mine befehligte. So wurden die ersten Anglizismen verwendet.

Eines Tages kam es zum offenen Streit. Die Zwerge warfen ihre kleinen Schaufeln hin und stampften mit ihren kleinen Füßen und ballten ihre kleinen Fäuste. Der Manager erschrak und versprach den Zwergen, neue Kollegen anzuwerben, die ihnen helfen sollten. Der Manager nannte das Outsourcing. Also kamen neue Zwerge, die fremd waren und nicht recht in die kleine Gemeinde passten. Und weil sie anders waren, musste auch für diese ein neuer Führer her, der an den Manager berichtete. So arbeiteten nur noch Drei von ihnen.

Weil jeder von ihnen auf eine andere Art andere Arbeit erledigte und weil zwei verschiedene Gruppen von Arbeitern zwei verschiedene Abteilungen nötig werden ließen, die sich untereinander nichts mehr schenkten, begann, unter den strengen Augen des Controllers, bald ein reger Handel unter ihnen. So wurden die Kostenstellen geboren. Jeder sah voller Misstrauen auf die Leistungen des anderen und hielt fest, was er besaß. So war ein Knurren unter ihnen, dass stärker und stärker wurde.

Die zwei Zwerge, die noch arbeiteten, erbrachten ihr Tagewerk mehr schlecht als recht. Als sich die Manager und der Controller ratlos zeigten, beauftragten sie schließlich einen Unternehmensberater. Der strich ohne die geringste Ahnung hochnäsig durch das Bergwerk und erklärte den verdutzten Managern, die Gründe für die schlechte Leistung sei darin zu suchen, dass die letzten beiden im Bergwerk verbliebenen Zwerge ihre Schaufeln falsch hielten. Dann kassierte er eine ganze Lore Gold und verschwand so schnell, wie er erschienen war.

Währenddessen stellte der Controller fest, dass die externen Mitarbeiter mehr Kosten verursachten als Gewinn erbrachten und überdies die Auslastung der internen Zwerge senkte. Schließlich entließ er sie. Der Führer, der die externen Mitarbeiter geführt hatte, wurde zweiter Controller. So arbeitete nur noch ein letzter Zwerg in den Minen!

Tja, und der lernte in seiner kargen Freizeit, die nur noch aus mühsam errungenen abgebummelten Überstunden bestand, Schneewittchen kennen, die ganz in der Nähe der Mine ihre Dienste anbot. Dann holte er sich bei ihr den Siff und verreckte elendig. Die Firma ging pleite, die Manager und Gruppenführer und Controller aber fanden sich mit großzügigen Summen gegenseitig ab und verpissten sich, um
der Anklage wegen Untreue zu entgehen, ins Ausland, und dieses deprimierende, aber wahrheitsgetreue Märchen ist aus.

14.4.2005

  

 

 

Immler-Großfamilien-Stiftung Isny - Mietpreis ein Euro für Kinderreiche

Eine „Großfamilien-Stiftung“ wurde am 24. Dezember 2004 von einem deutschen Geschwisterpaar gegründet, wie die „Schwäbische Zeitung“ meldete. Jakob und Karl Immler wollen mit der „Immler-Großfamilien-Stiftung“ kinderreiche Familien unterstützen, die im drei Generationen umfassenden Familienverbund leben. 30 Millionen Euro stellen die Brüder – Inhaber einer Immobilienfirma in Baden-Württemberg – dafür zur Verfügung. In den nächsten zehn Jahren wollen sie damit in Isny 50 Häuser bauen, wo Familien mit mindestens vier Kindern leben können sowie deren Großeltern.

Ein Euro pro Monat und ehrenamtliche Arbeit
Zielgruppe seien „Leute, die gerne Familie haben und sich um die Großeltern kümmern“ und Familien, die sich diesen Platz nie leisten könnten, weil sie kein entsprechendes Einkommen haben. Für einen symbolischen Euro im Monat sollen solchen Familien künftig Einfamilienhäuser zur Verfügung gestellt werden. Inkludiert sind eine Wohnung für die Großeltern, soziale Infrastruktur sowie ein individuelles Wohnambiente. Es solle „eine Art kleines Dorf“ entstehen, erklärt Jakob Immler. Pro Familie und Monat seien außerdem 20 Stunden ehrenamtlicher Arbeit zu leisten. Dies könne im Fußballverein oder der Musikkapelle sein, sagt Karl Immler. Zweck der Übung sei, „dass auch etwas zurückgegeben wird. Dass es ein Geben und Nehmen ist.“

Eine Generation schaut nach der anderen
Die Philosophie hinter dem Unternehmen ist einleuchtend. Es sei volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, viel Geld für Wohnheime für Alte auszugeben oder für die Tagesbetreuung von Kindern. „Wenn alle unter einem Dach leben, Großeltern und Kinder, kann die eine Generation immer nach der anderen schauen“, erklären die Unternehmer. „Erst die Alten nach den Jungen. Und wenn die Jungen groß sind, sind sie an der Reihe, zu versorgen.“  Die Politik erschwere das Zusammenleben im traditionellen Drei-Generationen-Verband, bedauern Karl und Jakob Immler. Sie wollen „einen Anfang machen und den Stein ins Wasser werfen“.
www.kolping.de vom 23.3.2005

Immler Großfamilienstiftung - Lebensfreude im Familienverbund
Zweck der Stiftung ist insbesondere die Förderung der Großfamilie als Voraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen durch die Überlassung von preisgünstigem Wohraum für Großfamilien mit mindestens vier Kindern und zwei Senioren. Durch eine entsprechende Ausgestaltung des Wohnraums soll ein Zusammenleben von mindestens drei Generationen unter einem Dach ermöglicht werden. Um diesen Zweck zu verwirklichen ist geplant, große Reihenhäuser und Einfamilienhäuser mit Einliegerwohnungen für Großfamilien mit Senioren zu errichten
www.rp-tuebingen.de

Im Allgäu machen die Immler-Brüder jungen Familien ein Angebot
Die Brüder Karl und Jakob Immler sind gewiss keine Sprücheklopfer. Aber es gibt Lebensweisheiten, die sie nicht für sich behalten möchten. "Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern was du für den Staat tun kannst", ist so ein Motto. Kennedy hat den Satz mal gesagt, und Immlers haben ihn in Stein meißeln lassen - auf die Wand der neuen Realschule von Isny, leicht verändert, "Staat" ersetzten sie durch "Stadt". Das konnte als Seitenhieb verstanden werden und war ihr gutes Recht, finden die beiden Immobilienunternehmer aus dem Allgäu. Schließlich hatten sie der Stadt Isny das vier Millionen Mark teure Schulgebäude 1999 komplett und zinslos vorfinanziert - eine Einmaligkeit in der Geschichte der Bundesrepublik.
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Sie sagen: "Wir dachten, ein Handschlag zählt etwas." Aber bei der Einweihung war der Wandspruch zugehängt. Und von dem "Neidhammelfest" war auch keine Rede mehr. Dabei hatten die Brüder der Stadt als Bedingung für ihr Engagement das Versprechen abgenommen, dass jedes Jahr ein ausgestopfter Hammel öffentlich verbrannt werden sollte - damit in Isny die Neidhammel aussterben. Insbesondere die, die den wirtschaftlichen Erfolg der Gebrüder Immler nicht ertragen.
Jetzt wollen Karl und Jakob Immler wieder bauen. Wieder in Isny, wieder für Isny, wieder auf eigene Kosten - trotz der Enttäuschung. Mit einer Unterstützung seitens der Stadt rechnen sie nicht. "Aber wir bauen schließlich nicht, damit man uns den roten Teppich ausrollt", sagt Karl Immler. Dabei vereint ihr Vorhaben Eigeninitiative, Verantwortung fürs Gemeinwohl, neue Arbeitsplätze - alles, was auf dem Wunschzettel von Politikern an Unternehmer gemeinhin ganz oben steht. Eine ganze Siedlung, 50 freistehende Häuser à 200 Quadratmeter Wohnfläche plus Gärten, Straßen, Plätze, wollen die Brüder in den kommenden 15 Jahren mit ihrem privaten Kapital nach Isny zaubern - und für einen symbolischen Euro pro Monat an kinderreiche Familien vermieten.
Wer seit drei Jahren in Isny lebt,
vier Kinder hat oder mehr und
bereit ist, diese nach Schulschluss selbst zu betreuen,
zugleich die Großeltern bei sich zu Hause pflegen möchte und
zusätzlich noch 20 Stunden ehrenamtliche Arbeit pro Monat leisten kann,

soll einziehen dürfen.
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Seit ihrer Firmengründung vor bald 30 Jahren haben die Brüder und die Stadt Isny 37-mal vor Gericht gestanden. Mal klagten die Geschäftsleute, mal die Vertreter der Verwaltung. Mal ging es um die Farbe eines Fassadenanstrichs, mal um die Neigung eines Dachs. 36-mal entschieden die Gerichte für die Immlers, einmal kam es zum Vergleich. Die CDU ist traditionell die stärkste Partei in Isny. Ihr anzugehören kann in der Geschäftswelt von Vorteil sein. Die Immlers dachten das auch mal. Vor 15 Jahren traten sie aus. Zu lebensfern erschienen ihnen die Parteioberen: "Die hatten doch noch nie in ihrem Leben richtig gearbeitet, die wussten doch gar nicht, wovon sie sprachen."
Irgendwer aber, finden sie, muss die drängenden Probleme der Gesellschaft lösen, doch der Staat ist der Letzte, dem sie diese Aufgabe zutrauen. "Denn was tut der Staat gegen Kinderlosigkeit?" Jakob Immler ruft die Frage aus, er ist der Impulsivere, und angesichts der Zornesröte in seinem Gesicht errät man, dass es nur das Falsche sein kann, was der Staat unternimmt, um seine Bevölkerung zu mehren. Er schreit fast: "Ein Reparaturbetrieb ist der Staat!" Subventioniert teure Kindergärten, Schulspeisungen und Hausaufgabenbetreuung. Ermöglicht so manchen Frauen, dass sie auch arbeiten, na schön. Aber zu welchem Preis? Zum Preis von Schlüsselkindern, Rauschgiftsüchtigen, Alkoholabhängigen. Und man soll ihm, Jakob Immler, bloß nicht kommen mit Einwänden. .....
Alles vom 22.3.2005 auf www.bzol.de

  

 

"Nette Toilette" - Aalener Modell auch für Freiburg?

Was ein stilles Örtchen ist, weiß jeder. Was aber ist eine "nette Toilette"? Die wenigen öffentlichen Toiletten in Freiburg wohl kaum. Anders in Aalen, deren Gastronomen ihre Toiletten nicht nur ihren Gästen, sondern auch der Öffentlichkeit öffnen. Wenn die Passanten in Wirtschaften, die entsprechend gekennzeichnet sind, ihr Geschäft verrichten dürfen, dann ist das für die Wirte ein Geschäft. Jedem von ihnen überweist die Stadt 100 bis 150 Euro pro Monat und beteiligt sich so an den Reinigungskosten. Dies kommt die Stadt günstiger, als in eigene Toiletten zu investieren. 130 000 Euro kostet ein nämlich automatisches Klohäuschen nämlich. Für Wartung und Reinigung müssten jährlich noch einmal 15 000 Euro bezahlt werden.
Was im Schwäbischen initiiert wurde, können Kommunen nun für sich umsetzen. Die geistigen Väter in der Ostalbmetropole ließen sich ihr Modell schützen. Wer sie samt Logo übernimmt, muss die Lizenzgebühr (800 Euro) für die "nette Toilette" berappen.
3.2.2005

  

 

Zukunft der Arbeit - Maschinen besteuern statt menschliche Arbeit

Dr. Jost F. Noller sprach auf Einladung der VHS Schopfheim

Hauptproblem sei nicht die Vermittlung von Arbeit, sondern vielmehr, dass immer mehr Arbeit wegrationalisiert oder in Billiglohnländer verlagert werde. Dies habe natürlich etwas mit den Arbeitskosten zu tun. Nur seien Lohnkürzungen oder Arbeitszeitverlängerung nicht geeignet, das Problem in den Griff zu bekommen, weil sie erst mal Arbeitsplätze kosteten. Laut Noller müsse die Politik das Problem bei den Abgaben für menschliche Arbeit anpacken.
Menschliche Arbeit dürfe finanziell nicht stärker belastet werden als die Arbeit von Automaten oder Robotern, für die bekanntlich keine Sozialabgaben anfielen.
Darüber hinaus müssten arbeitsintensive Bereiche wie Dienstleistungen, handwerkliche Anfertigungen und Bauleistungen steuerlich besser gestellt werden als Maschinenarbeit. Dass dies die Politik noch nicht erkannt habe, müsse ihr als Versagen angekreidet werden. Ganz konkret hieße das, dass die Sozialabgaben, die die Arbeitgeber zu entrichten haben, wegfallen und über Steuern finanziert werden müssten. Nur brächte eine geringe Verringerung der Abgabenbelastung um beispielsweise ein Prozent herzlich wenig; da sei eine grundsätzliche Änderung vonnöten. Als eine mögliche Lösung, diese Abgabenlast von den Arbeitskosten zu nehmen, schlug Noller ein dreistufiges Mehrwertsteuermodell vor, bei dem industriell gefertigte einschließlich importierter Güter mit einem hohen, Dienstleistungen inklusive Reparaturen, handwerkliche Einzelanfertigungen und Bauleistungen mit einem mittleren, und Lebensmittel, wie jetzt schon, mit einem niedrigen Mehrwertsteuersatz belastet werden sollten. Dies würde wie eine Maschinensteuer wirken und menschliche Arbeit wieder billiger machen. Da das Wirtschaftswachstum den Rationalisierungsfortschritt längerfristig nicht mehr ausgleichen könne, sei hier die Politik gefordert, wolle sie nicht eine immer dramatischer werdende soziale und politische Krise in Kauf nehmen. Bislang jedoch hätten unsere Politiker das Problem entweder noch nicht erkannt, oder sie scheuten sich vor den Konsequenzen einer tief greifenden Reform. Aber irgendwann müssten sie begreifen, dass die alten Rezepte aus dem Industriezeitalter nicht mehr taugten
Ganzen Text vom 14.1.2005 auf www.bzol.de lesen

 

Freiburg-Schwarzwald.de wünscht Euch ein gutes Neues Jahr 2005

Papua New Guinea: Bikpela hamamas blong dispela Krismas na Nupela yia i go long yu
Iroquois: Ojenyunyat Sungwiyadeson honungradon nagwutut. Ojenyunyat osrasay.
Pennsylvania German: En frehlicher Grischtdaag un en hallich Nei Yaahr!
Romanche: (sursilvan dialect): Legreivlas fiastas da Nadal e bien niev onn!
Trukeese: (Micronesian) Neekiriisimas annim oo iyer seefe feyiyeech!
Frisian: Noflike Krystdagen en in protte Lok en Seine yn it Nije Jier!
Rapa-Nui (Easter Island): Mata-Ki-Te-Rangi. Te-Pito-O-Te-Henua
Singhalese: Subha nath thalak Vewa. Subha Aluth Awrudhak Vewa
Russian: Pozdrevlyayu s prazdnikom Rozhdestva is Novim Godom
Polish: Wesolych Swiat Bozego Narodzenia or Boze Narodzenie
Chinese: (Mandarin) Kung His Hsin Nien bing Chu Shen Tan
Hausa: Barka da Kirsimatikuma Barka da Sabuwar Shekara!
Eskimo: (inupik) Jutdlime pivdluarit ukiortame pivdluaritlo!
Bulgarian: Tchestita Koleda; Tchestito Rojdestvo Hristovo
Latvian: Prieci'gus Ziemsve'tkus un Laimi'gu Jauno Gadu!
Czech: Prejeme Vam Vesele Vanoce a stastny Novy Rok
Tagalog: Maligayamg Pasko. Masaganang Bagong Taon
Hawaian: Mele Kalikimaka ame Hauoli Makahiki Hou!
Chinese: (Cantonese) Gun Tso Sun Tan'Gung Haw Sun
Samoan: La Maunia Le Kilisimasi Ma Le Tausaga Fou
Pushto: Christmas Aao Ne-way Kaal Mo Mobarak Sha
Irish: Nollaig Shona Dhuit, or Nodlaig mhaith chugnat
Dutch: Vrolijk Kerstfeest en een Gelukkig Nieuwjaar!
Armenian: Shenoraavor Nor Dari yev Pari Gaghand
Low Saxon: Heughliche Winachten un 'n moi Nijaar
Serb-Croatian: Sretam Bozic. Vesela Nova Godina
Japanese: Shinnen omedeto. Kurisumasu Omedeto
African/ Eritrean/ Tigrinja: Rehus-Beal-Ledeats
Gaelic: Nollaig chridheil agus Bliadhna mhath ùr!
Flemish: Zalig Kerstfeest en Gelukkig nieuw jaar
Columbia: Feliz Navidad y Próspero Año Nuevo
Cornish: Nadelik looan na looan blethen noweth
Peru: Feliz Navidad y un Venturoso Año Nuevo
Turkish: Noeliniz Ve Yeni Yiliniz Kutlu Olsun
Slovak: Vesele Vianoce. A stastlivy Novy Rok
Faeroese: Gledhilig jol og eydnurikt nyggjar!
Slovene: Vesele Bozicne. Screcno Novo Leto
Swedish: God Jul and (Och) Ett Gott Nytt År
Sardinian: Bonu nadale e prosperu annu nou
Hungarian: Kellemes Karacsonyi unnepeket
Lausitzian:Wjesole hody a strowe nowe leto
Slovakian: Sretan Bozic or Vesele vianoce
Farsi: Cristmas-e-shoma mobarak bashad
Rhetian: Bellas festas da nadal e bun onn
Hebrew: Mo'adim Lesimkha. Chena tova
Brazilian: Boas Festas e Feliz Ano Novo
Breton: Nedeleg laouen na bloavezh mat
Latin: Natale hilare et Annum Faustum!
Catalan: Bon Nadal i un Bon Any Nou!
Manx: Nollick ghennal as blein vie noa
Tami: Nathar Puthu Varuda Valthukkal
Arabic: Idah Saidan Wa Sanah Jadidah
Jiberish: Mithag Crithagsigathmithags
Vietnamese: Chung Mung Giang Sinh
Bahasa Malaysia: Selamat Hari Natal
Ukrainian: Srozhdestvom Kristovym
Iraqi: Idah Saidan Wa Sanah Jadidah
Scots Gaelic: Nollaig chridheil huibh
Norwegian: God Jul, or Gledelig Jul
Basque: Zorionak eta Urte Berri On!
Choctaw: Yukpa, Nitak Hollo Chito
Duri: Christmas-e- Shoma Mobarak
Afrikander: Een Plesierige Kerfees
Occitan: Pulit nadal e bona annado
Crazanian: Rot Yikji Dol La Roo
Yoruba: E ku odun, e ku iye'dun!
German: Fröhliche Weihnachten
Lettish: Priecigus Ziemassvetkus
Alemannisch: A guets nies johr
Indonesian: Selamat Hari Natal
Azeri: Tezze Iliniz Yahsi Olsun
Afrikaans: Gesëende Kersfees
Yugoslavian: Cestitamo Bozic
Cree: Mitho Makosi Kesikansi
Esperanto: Gajan Kristnaskon
Urdu: Naya Saal Mubarak Ho
Italian: Buone Feste Natalizie
Estonian: Ruumsaid juulup|hi
Lithuanian: Linksmu Kaledu
Philipines: Maligayan Pasko!
Maltese: LL Milied Lt-tajjeb
Bengali: Shuvo Naba Barsha
Macedonian: Sreken Bozhik
Hawaiian: Mele Kalikimaka
Rumanian: Sarbatori vesele
Greek: Kala Christouyenna!
Korean: Sung Tan Chuk Ha
Albanian:Gezur Krislinjden
Marathi: Shub Naya Varsh
Bohemian: Vesele Vanoce
English: Merry Christmas
Argentine: Feliz Navidad
Navajo: Merry Keshmish
Papiamento: Bon Pasco
Hindi: Shub Naya Baras
Serbian: Hristos se rodi
Maori: Meri Kirihimete
Welsh: Nadolig Llawen
Thai: Sawadee Pee Mai
Spanish: Feliz Navidad
Portuguese:Feliz Natal
Croatian: Sretan Bozic
Icelandic: Gledileg Jol
Finnish: Hyvaa joulua
Corsian: Pace e salute
Sami: Buorrit Juovllat
French: Joyeux Noel
Danish: Glædelig Jul
Chile: Feliz Navidad
Galician: Bo Nada

Freiburg-Littenweiler, den 31.12.2004

 

Moraltheologe Schockenhoff bei Kadus- Profit um jeden Preis?

Moraltheologe Schockenhoff spricht vor dem Bündnis für Kadus über die Globalisierung / Freien Fluss des Kapitals besser steuern

LENZKIRCH. Idyllisch liegt die Gemeinde im Haslachtal - weit entfernt von der Hektik großer Geschäftszentren. In Traditionsunternehmen gehen die Menschen ihrer Arbeit nach. Heile Welt also ? Nein ! Im Zeitalter der Globalisierung entscheiden Menschen auf anderen Kontinenten über ihre Schicksale. "Profit um jeden Preis ?" lautete der Vortrag des Moraltheologen Eberhard Schockenhoff, zu dem das "Bündnis für Kadus" am Donnerstag ins Kurhaus eingeladen hatte. 65 Zuhörer verfolgten den Vortrag.

Die Globalisierung, Unternehmenskultur und Geschäftsprinzipien aus Sicht der katholischen Sozialethik, bildeten den Grundstock für den Vortrag Schockenhoffs, der Professor an der katholischen theologischen Fakultät in Freiburg, Berater der katholischen Bischofskonferenz und Mitglied des nationalen Ethikrates ist. Komplex sei das Thema, sagte Schockenhoff: Einerseits wecke die Globalisierung Ängste, andererseits würde man die Vorteile aber nutzen. In den Industrieländern gehe die Angst vor Arbeitsverlust um, andererseits freue man sich über billige Produkte. Emotional sei deshalb die Diskussion. Die Globalisierung stehe für einen großen Umbruch und sei kein Schicksal, sondern könne mitgestaltet werden.
Um sie zu einer positiven Entwicklung für arme und reiche Länder werden zu lassen, müsse man sich an den Prinzipien kirchlicher Soziallehre orientieren, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht. Wirtschaft und technologischer Fortschritt stellen keinen Selbstzweck dar, sondern haben auch eine soziale und kulturelle Funktion. Zu beachten sei, dass man für die eigenen Interessen, aber auch für die Interessen der ganzen Gesellschaft eintreten müsse und das möglichst viele Entscheidungen auf lokaler Ebene fallen sollten. Nach der Erfahrung der Diktatur der Nationalsozialisten und der schon immer zu Rücksichtslosigkeit neigenden Wirtschaft, habe man sich in Deutschland bewusst für sozial gebändigte Marktwirtschaft entschieden.

Heute stehen Aktionäre den Managern näher als die Mitarbeiter
Die Sicht vieler Unternehmenslenker habe sich aber gewandelt, erläuterte Schockenhoff: Während sich Unternehmer früher der sozialen Verantwortung bewusst gewesen seien, zähle heute der Gewinn. Als ihre Partner sehen die Manager die Aktionäre und nicht die Mitarbeiter. Aber weil nach dem Krieg die Arbeitskraft Vorrang genoss vor dem Know-how und dem Kapital, habe in Deutschland so lange sozialer Frieden und ökonomische Sicherheit geherrscht.
Wichtig sei heute bei weltweit tätigen Unternehmen nicht mehr ein Standort, sondern der Zugang zum Markt, den ein amerikanischer Konzern etwa mit dem Kauf einer deutschen Gesellschaft bekomme. Der Logik der Globalen Akteure folgend, ist deshalb nicht der traditionelle Standort, etwa Kadus in Lenzkirch, mehr wichtig. Weil das Kapital vom internationalen Finanzmarkt angezogen werde, entziehe es sich zunehmend der nationalen Steuerung - die Schaffung von Arbeitsplätzen trete in den Hintergrund, weil die Investition in internationale Finanzmärkte schnellere und größere Gewinne versprechen, als die Investition etwa in eine Fabrik. Weil der nationale Staat Einfluss auf die Steuerung wirtschaftlicher Abläufe verliert, gewinne das Kapital zunehmend an Macht. Dabei sei es eigentlich Aufgabe der Politik gleiche Rahmenbedingungen und Regeln für alle aufzustellen. Diese Aufgabe drohe durch die Globalisierung ausgehebelt zu werden. Die Sozialpolitik kann nicht mehr richtig greifen und die Arbeit nicht mehr wirkungsvoll geschützt werden. Kosten der Gesellschaft können immer weniger finanziert werden. Aus der Konsensgesellschaft der Nachkriegsjahrzehnte entwickle sich eine Konfliktgesellschaft.
Der praktizierte soziale Kapitalismus könne aber auch der Globalisierung nützen. Reiche Staaten müssten dafür akzeptieren, dass großes Wirtschaftswachstum künftig in armen Ländern stattfinde. Die Globalisierung könnte zu einer internationalen sozialen Gerechtigkeit führen.

Mit kirchlicher Soziallehre Globalisierung positiv beeinflussen
Wie soll man die Entwicklung beeinflussen? Falsche Unternehmensentscheidungen müssten auch von der Politik angesprochen werden, der freie Fluss des Kapitals müsse etwa durch eine Besteuerung gelenkt werden, damit es nicht einfach dort eingesetzt wird, wo die schnellsten Gewinne locken. Es dürfe nicht mehr sein, dass Vorstandsbezüge steigen, weil nach Entlassungen die Aktienkurse steigen.
Damit nicht wieder eine aus sozialethischer Sicht zu verurteilende Entscheidung, wie bei Kadus, Lenzkirch trifft, sollte man mit den örtlichen Unternehmensleitungen im Gespräch bleiben.
Weil aber zur Zeit "eher missionarische Prophetie als ökonomischer Sachverstand" in der Kirche zu Hause sei, könne die kirchliche Soziallehre nicht mehr glaubhaft vermittelt werden. Dass müsse sich ändern, damit die Globalisierung positiv beeinflusst werden kann.
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Sebastian Barthmes am 11.12.2004 in der  BZ

  



Das imperiale Europa

Der folgende Text erschien heute in der "Welt". Ist das unsere alte europäische Idee oder Neo-Imperialismus?
 

Statt auf das Konzept eines Superstaates zu setzen, muß sich die EU als eine Macht mit globalem Einfluß begreifen. In ihren Anfängen war die Einigung Europas als Überwindung des Nationalstaats konzipiert; inzwischen nimmt sie sich wie dessen ins Gigantische vergrößerte Kopie aus. Nun haben politische Projekte im Verlauf ihrer Realisierung schon häufig die Richtung gewechselt. Wichtig ist freilich, daß solche Richtungswechsel nicht hinterrücks und unbemerkt, sondern beabsichtigt und geplant erfolgen. Das Gegenteil scheint sich in Europa seit ein bis zwei Jahrzehnten zu ereignen, wo das Zusammentreffen weltpolitischer Dynamiken und tiefsitzender kultureller Mentalitäten zu Konstellationen geführt hat, in denen sich eine tiefe Krise des Integrationsprozesses andeutet. Die Debatte über den EU-Beitritt der Türkei und die Verfassung der Europäischen Union sowie die Kontroversen über die Werte des designierten Brüsseler Kommissars Buttiglione sind Vorboten dieser Krise.

Gebilde ohne Begriff
Das ursprüngliche Europaprojekt, wie es unter dem Eindruck der kriegerischen Selbstzerstörung des Kontinents in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konzipiert worden war, beruhte auf der Entflechtung von Grenzziehungen. War der Nationalstaat dadurch gekennzeichnet, daß er politische, wirtschaftliche, sprachliche und kulturelle Grenzen gebündelt hatte, um auf diese Weise homogene Politikräume zu schaffen, so setzte das Europaprojekt von der Montanunion bis zur EWG auf das genaue Gegenteil: auf die Trennung politischer und wirtschaftlicher Grenzen voneinander und auf die allmähliche Diffusion politisch-kultureller Räume. Will man darin mehr sehen als die Bändigung Deutschlands, dessen nationalstaatliche Einigung das europäische Gleichgewicht verschoben hatte, so ging es hier um die Abkehr von einem politischen Ordnungsmodell, das seit dem 16./17. Jahrhundert auf den Staat als eine von außen undurchdringliche Einheit gesetzt hatte. Durch die Verbindung von Staat und Nation im Gefolge der Französischen Revolution ist diese Einheit noch geschlossener geworden. Dies sollte durch die Europaprojekte der Nachkriegszeit überwunden werden, und die staatenübergreifende Verflechtung von Kohleförderung und Stahlindustrie war der erste Schritt dazu. Doch das Ordnungsmodell des Nationalstaats steckte den Europäern offenbar zu fest im Kopf, als daß sie so einfach davon ablassen konnten: Seit Ende der 1970er Jahre wurde verstärkt über eine neuerliche Grenzbündelung nachgedacht, freilich nicht mehr an den alten Staaten-, sondern an den neuen Außengrenzen der Europäischen Gemeinschaft. Die dissoziierten Grenzen, in deren Folge die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Räume verschoben und überlappend aufeinandergelagert waren, wurden nun als etwas Provisorisches und im Prinzip Unordentliches angesehen. Das Projekt eines einheitlichen Wirtschaftsraums, der Durchsetzung einheitlicher Sozialstandards, schließlich die politische Vollendung des Integrationsprozesses wurde auf die europäischen Fahnen geschrieben, und unmerklich wurde die Überwindung des staatlichen Ordnungsmodells durch die Wiederherstellung von Staatlichkeit auf größerer Ebene abgelöst. Ganz offenbar hatten die Europäer, politische Praktiker wie intellektuelle Stichwortgeber, für die Perspektivierung der europäischen Entwicklung kein anderes Ordnungsmodell zur Verfügung als das des Staates. Weil sie sich dies jedoch nicht eingestehen wollten, sprachen sie von Europa als einem "Gebilde sui generis", was eigentlich bloß hieß, daß sie keinen Begriff für das hatten, was sich entwickelte und was sie politisch wollten. Obendrein war an den Rändern des neuen Wirtschaftsraumes zwischenzeitlich eine solche Dynamik entstanden, daß die Wirtschaftseuropäer mit immer neuen Beitrittswünschen konfrontiert wurden: Im Norden kamen diese aus Skandinavien, im Nordwesten aus Großbritannien und Irland, im Süden aus Spanien, Portugal und Griechenland und im Osten nach dem Ende der Blockkonfrontation aus ganz Mitteleuropa. So oszillierte die Entwicklung zwischen Vertiefung und Erweiterung, und spätestens jetzt hätte den Europäern klarwerden müssen, daß das Staatenmodell kaum geeignet war, diese Erweiterungsdynamik zu verkraften. Zumal diese mit jeder erfolgreichen Beitrittsrunde immer neue Räume an der jeweiligen Peripherie erfaßte. Imperial wider Willen Eher unbemerkt wurde der europäische Entwicklungsprozeß seit Anfang der 90er Jahre, als mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion politische Vakuen entstanden, durch Elemente von Imperialität überlagert. Das zu reflektieren war dem politischen Europa jedoch unmöglich, weil das Ordnungsmodell des Imperiums durch die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts als politisch nicht anschlußfähig galt. Ihrem Selbstverständnis nach waren und sind die Europäer antiimperial, die einen, weil sie unter imperialer Herrschaft gelitten, die anderen, weil sie die Überwindung imperialer Praktiken als politisch-kulturellen Lernprozeß verarbeitet haben. Tatsächlich aber trat die EU an ihrer Peripherie längst als ein imperialer Akteur auf. Das Insistieren auf der Einhaltung von Menschenrechten, die Forderung nach schrittweiser Demokratisierung angrenzender Länder und schließlich die wirtschaftliche Durchdringung dieser Räume sind klassische Formen, in denen sich Imperien zu ihrer Umgebung verhalten. Imperien unterscheiden sich von Staaten vor allem darin, daß sie den von ihnen erfaßten Raum nicht einer einheitlichen Administration und Kontrolle unterwerfen, sondern daß sich von einem Zentrum her die Durchdringungsdichte und wirtschaftliche Integration in Kreisen und Ellipsen nach außen hin abflacht. Infolgedessen haben Imperien auch keine so scharf ausgeprägten Grenzen wie Staaten, vielmehr verlaufen die Grenzen eher unmerklich im Raum. Dabei muß die imperiale Ordnung die der Staaten keineswegs ersetzen, sondern kann sie auch überlagern, um zusätzliche Ordnungskomponenten einzubringen. Im Gefolge der ökonomischen Imperialismustheorien haben wir uns daran gewöhnt, Imperien mit Unterdrückung und Ausbeutung zu identifizieren. Genauso lassen sich Imperien aber auch als Friedensgaranten, Aufseher über politische und kulturelle Werte und Absicherer großräumiger Handelsbeziehungen und Wirtschaftsstrukturen begreifen. Deswegen ist auch der Zusammenbruch eines Imperiums nicht immer gleichbedeutend mit der Befreiung der in ihm lebenden Völker. Der Zusammenbruch des Römischen Reiches im Westen wurde nicht als das Aufbrechen eines Völkergefängnisses
verstanden, und selbst das Ende der Donaumonarchie hat den neu entstandenen Staaten nicht unbedingt Frieden und Wohlstand beschert. Gelegentlich
entstehen Imperien auch durch einen von der Peripherie ausgehenden Sog. Mißwirtschaft und Korruption, innere Konflikte, die sich bis zu Bürgerkriegen steigern können, Menschenrechtsverletzungen, der Aufstieg kleiner Diktatoren und schließlich politische und wirtschaftliche Entwicklungsblockaden können ein Eingreifen des imperialen Zentrums nahelegen. Häufig erfolgt dieses Eingreifen auf fortgesetzte Bitten von Akteuren aus der Peripherie.

Fließende Grenzen
Im Norden und Westen sind die europäischen Grenzen von der Geographie vorgegeben. Nicht so im Osten und Süden. Seit der Antike war das Mittelmeer weniger eine Grenze als ein Verbindungsglied, und vieles spricht dafür, daß es dazu in nächster Zeit wieder werden wird - nicht nur wegen der afrikanischen Flüchtlinge. Die Europäer haben ein vitales Interesse an der Stabilität und Prosperität des nordafrikanischen Raumes wegen der dortigen Energievorkommen, aber auch, um Flüchtlingsströme zu vermeiden, die im Falle eines Ordnungszerfalls von dort nach Europa kämen. Das gilt in ähnlicher Form für die Ostgrenze Europas. Sie ist willkürlich und läßt sich beliebig verschieben, so wie im 18. Jahrhundert, als die Geographen in Reaktion auf die Reformen Peters des Großen die Grenze vom Don an die Wolga verlegten. Seitdem ist die Ukraine geographisch ein Teil Europas. Die wichtigste und zugleich schwierigste Grenze aber ist die südöstliche Peripherie. Nicht nur, weil hier drei Kontinente aneinanderstoßen und dies seit jeher eine Wetterecke der Weltpolitik gewesen ist, sondern auch, weil Europa hier, auf dem Balkan zumal, selbst krisenanfällig und porös ist. Hätte man rechtzeitig damit begonnen, Europa nach dem Modell der vom Zentrum weg verlaufenden Kreise und Ellipsen zu organisieren, so ließe sich nunmehr die Türkei nach Europa eingliedern, ohne daß dies auf eine Vollmitgliedschaft hinauslaufen müßte beziehungsweise die Verweigerung der Vollmitgliedschaft eine politisch hochriskante und für Europa gefährliche Brüskierung der Türkei darstellen würde. Eine Position wie die der Schweiz in Europa wird Europa in der Welt nicht einnehmen können. Aber was es kann, ist die Übernahme imperialer Aufgaben ohne gleichzeitige Besetzung einer imperialen Position. Sieht man genau hin, hat es damit längst begonnen. Aber es sollte sich bewußt sein, worauf es sich einläßt, um den eingeschlagenen Weg zielsicher beschreiten zu können.
Herfried Münkler, Die Welt, 29. Oktober 2004
Quelle: Bildungsserver Hessen - http://komm.bildung.hessen.de/mailman/listinfo/politik

  

 

 

Viel Lärm um viel - Kommentar zu Horst Köhler's Lebensverhältnisse-Zitat

"... gab und gibt es nun einmal überall in der Republik große Unterschiede in den Lebensverhältnissen. Das geht von Nord nach Süd und von West nach Ost. Wer sie einebnen will, zementiert den Subventionsstaat und legt der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf."
Bundespräsident Horst Köhler, Anfang September 2004

Ein Präsident wird "politisch" und folgt damit seinem Versprechen. Dass Horst Köhler mit der von Gesetz und Verfassung vollkommen gedeckten Situationsbeschreibung so grotesk überinterpretiert werden konnte, hat aber weniger mit ihm, als mit der politischen Hysterie zu tun, die in Europa längst einen Namen hat: "German Angst". Nein, Köhler hat das Richtige angetippt. Darüber muss endlich diskutiert werden: Die krasse Ungleichheit, also die Arbeitsmarktmisere, die im Osten kulminiert und dort nur noch mit dem Hassbegriff "Hartz IV" assoziiert wird, hat ihre Wurzeln im verpfuschten Aufbau Ost, der heute als Chefsache im Kanzleramt vor sich hinschnarcht. Wer das mit weiteren Subventionen kurieren möchte, was ja letztlich in der Intention der Montagsdemonstrationen liegt, der führte das ganze Land in den Bankrott.
Es ist also nicht viel Lärm um nichts, was da über die politische Wahlkampf-Schaubühne rattert. Sondern Lärm, der die falschen Gefühle statt den Kopf bedient. Denn die Aufregung redet über das eigentliche Problem hinweg, dass der Osten nicht mehr neue Kläranlagen und Straßen, sondern bessere Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze braucht. Die mangelnde Führung des Bundes, die sogar der Sprecher des Regierungsarbeitskreises Ost, Klaus von Dohnanyi, zornig anmahnt, ist die offene Wunde in diesem Geschehen, Hartz IV nur der Druckverband. Vielleicht reden wir mal darüber. Köhler wär's recht.
Manfred Fritz am 14.9.2004 auf www.rnz.de

  

 

Muslimische Parallelgesellschaften in Deutschland

An die 30 000 junge Tuerkinnen und Tuerken kamen im Jahr 2003 nach Deutschland, um hier zu heiraten, oft einen ihnen unbekannten Partner. Ihre Ehe wurde von
den Eltern arrangiert und gar erzwungen, die jungen Paare fuegen sich, denn fuer einen hier lebenden Tuerken bedeutet eine aus der Tuerkei kommende Ehefrau ein Stueck Heimat, gemeinsam mit ihr will er seinen Glauben, seine Traditionen und Werte verteidigen. Die hohe Zahl der arrangierten Ehen ist nur ein Indiz dafuer, dass sich Muslime in Deutschland mehr und mehr von der deutschen Gesellschaft abgrenzen. Wie kam es zu dieser Entwicklung und wie kann man das Entstehen einer Parallelgesellschaft verhindern?
http://www.swr.de/swr2/sendungen/wissen-aula/manuskripte/index.html

Freitag, 3. September 2004, 8.30 Uhr
Susanne Babila, "Wir bleiben lieber unter uns", SWR2: Wissen/Aula

  

 

Sozialsystem - Die Zeitbombe lässt sich nicht mehr entschärfen

Wiesloch (pen) Einen international anerkannten Rentenexperten konnte Wolfgang Wagner, Leiter der Heidelberger MLP-Geschäftsstelle, im Hörsaal der Corporate University in Wiesloch begrüßen. Professor Bernd Raffelhüschen ist nicht nur ein renommierter Finanzwissenschaftler, sondern auch ein kritischer Beobachter der politischen Entscheidungen. Raffelhüschen, Jahrgang 1957, ist Direktor des Instituts für Finanzwirtschaft und Volkswirtschaft in Freiburg. Außerdem hat er einen Lehrstuhl am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Bergen (Norwegen). Er war Mitglied der Kommission für die Nachhaltigkeit bei der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme.

Der Freiburger Professor ist auch bekannt dafür, dass er die Missstände im Rentensystem schnörkellos anspricht. Er tut dies eloquent und unterhaltsam, so dass seine Vorträge stets kurzweilig sind. Auch an diesem Abend in der MLP-University, wo er über das Thema "Die demografische Zeitbombe - Auswirkungen auf Sozialsysteme und die private Vermögensplanung" spricht, kann er seine Zuhörer über zwei Stunden in den Bann ziehen.

Gleich am Anfang stellt er klar: Die Zeitbombe lässt sich nicht mehr entschärfen. Er zeigt dann in einer Powerpoint-Präsentation das "wahre Bild des Sozialsystems" auf. Das größte Problem stellen die geburtenstarken Jahrgänge da, die jetzt zwischen 35 und 45 Jahre alt sind und die die Bevölkerungspyramide wie einen Dönerspieß aussehen ließen. Mit ihnen gibt es gleich ein doppeltes Problem bei der Rente: Es sind zu viele und sie haben zu wenig Kinder, die ihre Rente später finanzieren können. "Sie haben kein Problem, Sie sind es", meinte Raffelhüschen zu den Zuhörern im Audimax.

Das Problem lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Rechnet man auf der Grundlage der heutigen Beitragssätze, ergibt sich ein Fehlbetrag von drei Billionen Euro. "Ab dem Jahr 2050 wird der Bürgermeister für die Überreichung von Blumensträuße an 100-jährige Jubilare zwei Planstellen brauchen", so der Referent. Die Lebenserwartung steige nämlich ebenso. Am höchsten ist sie im übrigen bei Pastorenehefrauen und den Frauen von Beamten. Das Problem des doppelten Alterungsprozesses resultiere in der fehlenden Nachhaltigkeit. "Wir müssen etwas ändern, damit wir als Rentner gut leben können", so Raffelhüschen. Den heutigen Rentnern gehe es am besten. "Es sind die reichsten Rentner, die Deutschland jemals gehabt hat und auch haben wird", meint der Experte.

Was ist also zu tun? Die Vorschläge der Herzog-Kommission, das Rentenalter auf 67 Jahre zu erhöhen, nennt der Professor "populistischen Unsinn, der nichts bringt". Wer zwei Jahre länger arbeite, der habe ja auch wieder einen höheren Rentenanspruch.

Diese Maßnahme bringe vielleicht viel für den Arbeitsmarkt, aber nichts für die Rentenkasse. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", erklärt Raffelhüschen. Durch die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors werde die Rente um 0,99 Prozent gekürzt. In der Politik werde von einer "Dämpfung" gesprochen, doch sei es tatsächlich eine Kürzung - und zwar jedes Jahr. Rechne man dies hoch, ergebe sich eine Kürzung von 14 bis 15 Prozent. Die betreffe aber erst die Rentner ab 2020. Bis dahin rechnet er mit nochmaligen Rentenkürzungen. Sein Fazit am Ende des ersten Vortragsteils: "Die Rente ist sicher - sie ist sicher um 20 Prozent weniger."

In der Pause gibt es für die Besucher bei MLP eine besondere Verköstigung. Statt der bei solchen Vortragsveranstaltungen üblichen langweiligen Pausenfüller mit Wein und Brezeln serviert der Gastgeber frisches Obst und gesunde Säfte - passend zum zweiten Teil des Vortrags, der sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt. Welche Kosten verursacht der Normalbürger in welchem Alter? Als Säugling steigt er schon mal hoch ein. Denn die Geburt im Krankenhaus kostet im Schnitt um die 3000 Euro. Dann kommen noch die Vorsorgeuntersuchungen hinzu, die teuer sind. Doch dann ist es erst mal Schluss mit den Ausgaben. Bis zum 18. Lebensjahr kostet der Normalbürger etwa 800 Euro im Jahr. Dann wird es etwas mehr, aber noch nicht dramatisch viel. Bis zum 60. Lebensjahr zahlen die meisten mehr in die Krankenversicherung ein, als sie an Kosten verursachen. Erst dann werden aus den kleinen "Zipperlein" größere Krankheiten. Den 40-Jährigen von heute fehlen aber dann auch wieder die Beitragszahler, da sie ja zu wenig Kinder in die Welt gesetzt haben, führte der Referent aus.

Die Kommissionen haben zur Lösung dieses Problems zwei Vorschläge gemacht, über die immer noch diskutiert wird. Zum einen die Bürgerversicherung. "Klingt gut, bringt aber nichts", meint Raffelhüschen. Die Idee, alle mit ins Boot zu nehmen, also auch die Beamten und Freiberufler, bringe den Kahn nur noch schneller zum Sinken. Beamte seien im Durchschnitt älter als der Rest und sie lebten laut Statistik länger. "Sie zahlen also wenig und bekommen viel." Wie sieht es mit der "Kopfpauschale" aus? "Klingt schlecht, ist aber gut", urteilt der Experte. Krankheit habe längst nichts mehr mit dem Lohn zu tun. Früher, zu Zeiten von Bismarck, sei dies so gewesen. Da waren 80 Prozent der Auszahlungen Krankengeld und das wurde lohnabhängig ausgezahlt. Jetzt ist das Krankengeld abgeschafft, also kann man auch neue Wege gehen. Die Kopfpauschale hält er für eine gute Lösung. "Wir haben alle die gleichen Risiken, deshalb sollten wir auch alle das gleiche zahlen", ist seine Meinung. Wer mehr verdiene, werde ja nicht häufiger krank. Allerdings werde die Nachhaltigkeitslücke durch dieses Modell auch nicht geschlossen.

Auch in der Pflegeversicherung wurde "alles falsch gemacht", urteilt Bernd Raffelhüschen. Sie wurde zu einem Zeitpunkt eingeführt, als schon absehbar gewesen sei, dass der Pillenknick komme. Auch die Pflegeversicherung habe mit dem Lohn nichts zu tun. Sie müsse so schnell wie möglich abgeschafft werden. Das Fazit von Wolfgang Wagner nach dem Vortrag: "Der Staat gibt die Verantwortung ab. Übernehmen Sie diese Verantwortung."

www.rnz.de vom 16.8.2004

  

 

Demografische Zeitbombe - Rente erst ab 67

Bernd Raffelhüschen warnt vor drastischen Folgen für die Sozialsysteme
Rente erst ab 67

Heidelberg. Das deutsche Rentensystem bewegt sich auf einen Supergau zu. Unaufhaltsam. Und unumkehrbar. Denn die demografische Zeitbombe lässt sich nicht mehr entschärfen. "Kinder, die wir gestern nicht geboren haben, können morgen auch keine Beiträge bezahlen", macht der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen klar. Ein Blick auf die Altersstruktur der Deutschen verdeutlicht dies. Die Entwicklung entspricht längst nicht mehr dem Idealbild einer Pyramide, sondern "neudeutsch gesagt eher einem Dönerspieß: In der Mitte breit und an den Rändern schmaler", so Raffelhüschen.

Der Freiburger Professor, ein gefragter Experte mit kommunikativem Talent, spricht im Heidelberger "Marriott" auf Einladung der RNZ und der Heidelberger MLP-Geschäftsstelle II über die Zukunft der Sozialsysteme. Manfred Fritz für die RNZ und Dr. Axel Knoblauch, Geschäftsführer der Geschäftsstelle des Finanzdienstleisters, können 300 Gäste quer durch alle Altersstufen begrüßen. Es betrifft sie ja auch - fast alle. Es geht um eine Zukunft, die wenig erfreulich ist.

Die Ursache ist in allen Fällen dieselbe: Die Deutschen haben zu wenig Kinder. Und das schon seit 40 Jahren. Das wird sich etwa ab dem Jahr 2025 auch im Rentensystem bemerkbar machen. Ab dem Jahr 2035 finanziert jeder Beitragszahler einen Rentner. Rechnet man dies auf der Grundlage der heutigen Beitragssätze um, ergibt sich ein Fehlbetrag in der Rentenversicherung von drei Billionen Euro - eine Zahl mit zwölf Nullen. Um einen Anstieg des Rentenbeitrags auf über 30 Prozent zu verhindern, sind Reformen also unerlässlich. Den Anfang machte die Einführung der so genannten Riester-Rente, in deren Folge das Nettorentenniveau bis zum Jahr 2009 von 70 Prozent auf 65 Prozent sinkt. Doch ist dies nur ein erster Schritt.

Für Vorschläge zu weiteren Reformschritten setzte die rot-grüne Koalition die Rürup-Kommission ein, der auch Raffelhüschen angehörte. Diese schlug zwei Maßnahmen vor, um die Rente zukunftssicher zu machen: Die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre und die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors. "Leider hat die Regierung nicht den Mut gehabt, beide Schritte zu verwirklichen", bedauert der Berater.

Nur der Nachhaltigkeitsfaktor wird zum 1. Juli 2005 eingeführt. Dieser führt laut Raffelhüschen dazu, dass die Rentner nur noch 99 Prozent der Vorjahresrente mit einem Aufschlag in Höhe von 99 Prozent des Bruttolohnzuwachses erhalten. Die Rente sinkt de facto also jedes Jahr um etwa ein Prozent. "Im Durchschnitt ergibt dies eine Rentenkürzung um 14 bis 15 Prozent", rechnet Raffelhüschen vor. Dieser Wert treffe aber erst die Rentner vom Jahr 2020 an aufwärts. Und damit genau die Richtigen. "Betroffen sein werden die Generationen, die zuwenig Kinder in die Welt gesetzt haben".

Die Rente mit 67 ist nach Raffelhüschens Überzeugung allerdings nur aufgeschoben. "Das wird noch kommen. Spätestens im Jahr 2010", ist er sich sicher. Denn dieser Schritt sei nicht nur notwendig, sondern auch gerecht. Die geburtenstarken Jahrgänge der so genannten "Baby-Boomer" würden im Schnitt vier Jahre länger leben als die heutigen Rentner. "Die Rente ab 67 verteilt diese vier zusätzlichen Jahre gleichmäßig auf die Erwerbs- und die Rentenbezugsphase." Dies komme allerdings einer nochmaligen Rentenkürzung um 7,2 Prozent gleich.

Um seinen Zuhörern dann doch noch eine positive Nachricht zu präsentieren: "Wenn die Rente erst mal um 20 Prozent gekürzt ist, ist sie nachhaltig gestaltet." Mit anderen Worten: Die gekürzte Rente ist sicher.

Weniger optimistisch ist Raffelhüschen in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. Auch diese seien letztlich Generationenverträge. Und auch diese bewegten sich auf den Kollaps zu. Aufgrund der Kostensteigerung im Gesundheitswesen werde in der GKV sogar einmal eine Lücke von vier Billionen Euro klaffen. Daran würden auch die vorgeschlagenen Reformmodelle nichts ändern.

Die von der Regierung angestrebte Bürgerversicherung verfahre nach dem Motto: "Wir holen alle, die schon in den Rettungsbooten sind, auf die sinkende Titanic zurück." Dies werde die Lage der GKV aber nur verschlimmern, weil etwa die Beamten älter seien als der Durchschnitt der Bevölkerung und deshalb ein höheres Krankheitsrisiko hätten. "Man packt zu Kranken noch mehr Kranke hinzu." Auch die Kassenbeiträge auf Kapitalerträge seien nicht vielversprechend, da nur drei Prozent der Kapitalerträge in Deutschland versteuert würden. Letztendlich werde es darauf hinauslaufen, das Kapital, das nicht weglaufen kann, also Immobilien, zu belasten.

Die von der Union vorgeschlagene Kopfpauschale hält Raffelhüschen für gerechter, da jeder das Gleiche zahle. "Wer mehr verdient ist ja nicht automatisch mehr krank." Die Nachhaltigkeitslücke werde durch dieses Modell aber auch nicht geschlossen. Stattdessen plädiert der Wissenschaftler dafür, die Ausgaben im Gesundheitswesen zu reduzieren, etwa durch eine Kostenerstattung mit Selbstbehalten und echtem Wettbewerb zwischen den Kassen

Christian Altmeier , Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg vom 8.7.2004, www.rnz.de

  

 

Doppelter Wohlstand bei halbem Energieverbrauch - von Weizsäcker
 
Bundestagsabgeordneter Ernst Ulrich von Weizsäcker zu den Folgen der Globalisierung bei der Bürgerinitiative Umweltschutz Staufen

"Nur noch Kostenkonkurrenz und Wirtschaftlichkeit zählen in den Waagschalen der Politik", sagte Ernst Ulrich von Weizsäcker bei seinem Vortrag in Staufen. Beim Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob die Globalisierung einem Ausverkauf der Umwelt gleich komme, schreckte der SPD-Bundestagsabgeordnete vor einer schonungslosen Analyse nicht zurück.

Nur wenige Industrieländer sind bereit, ihren Energieverbrauch wesentlich zu drosseln. Viele Schwellenländer stehen erst am Anfang einer Technisierung und einem steigenden Energieeinsatz. Das Thema Umwelt hat in der Öffentlichkeit an Stellenwert verloren. Diese Tatsachen stehen im Zusammenhang mit dem aus dem Lot geratenen Machtgleichgewicht zwischen Wirtschaft und Staat, so der Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag. "Viele Staaten rutschen auf den Knien vor den Investoren und tun nicht, was sie dem Volk versprochen haben."
"Die Globalisierung ist gekennzeichnet durch einen gnadenlosen Kostenwettbewerb", stellte von Weizsäcker fest. Der Konkurrenzkampf bedeute für die Umwelt das, was sich für Geldanleger als rentabel erweise. Die Wirtschaft habe eine unglaubliche und undemokratische Macht. Die Demokratie befinde sich in einer verzweifelten Lage.
Der Umweltexperte hat auch positive Nachrichten parat - aber wenige. Luft und Wasser sind in den industrialisierten Ländern in den zurückliegenden Jahren sauberer geworden. China hat es geschafft, in den vergangenen Jahren den Kohlendioxid-Ausstoß trotz großen Wirtschaftswachstums zu senken. Um die Kohlenstoffdioxid-Konzentration weltweit zu stabilisieren, müssten die jährlichen Emissionen um 60 bis 80 Prozent reduziert werden. "Das schaffen wir nicht mit ein paar Windmühlen. Sie bringen zu wenig", so der ehemalige Vorsitzende der Enquete-Kommission Globalisierung. Er beschönigt nichts. Trotzdem macht er den rund 100 Zuhörern im Martinsheim Staufen Mut. Ohne Lösungsansätze ist der von der Bürgerinitiative Umweltschutz Staufen eingeladene Experte nicht angereist:

"Faktor vier" verheißt einen Ausweg aus der Misere und steht für doppelten Wohlstand bei halbem Energieverbrauch. Zwei-Liter-Autos, Passivhäuser und der Verzicht auf holländische Wintertomaten nennt er als Beispiele, wie man diese Vorgaben umsetzen könnte.

Von Weizsäcker fordert mehr Aufklärung und neue partei- und nationenübergreifende Allianzen, um etwas zu bewegen. Er schlägt Richtlinien zu Klimaschutz, Menschenrechten und Mitbestimmung auf internationaler Ebene vor. Die Bürgergesellschaft müsse einbezogen werden. Dabei denkt er gerade auch an nichtstaatliche Organisationen wie Attac, Greenpeace und die Kirchen. "Allein über die staatliche Schiene zu gehen, ist frustrierend." Nur über internationale Netzwerke könnten Wirtschaft und Regierungen unter Druck gesetzt werden. "Die breite Öffentlichkeit muss begreifen, wie ernst die Lage ist", so das Mitglied des Club of Rome.

Eine gewisse Ratlosigkeit, was jeder Einzelne zu einer gerechteren und umweltschonenderen Welt beitragen könne, war bei der anschließenden Diskussion nicht zu überhören. "Die Weltmarktkonkurrenz besteht aus einer Vorteilsnahme durch Nichtberücksichtigen von Ethik, beispielsweise bei Kinderarbeit", fasste von Weizsäcker zusammen. Die Antwort darauf könne nur ein internationaler Kodex sein. "Wir arbeiten daran, dass sich ein Weltgewissen entwickelt."
BZ vom 29.6.2004

Bürgerinitiative Umweltschutz Staufen

  

 

Gen macht aus Mäuse-Casanovas häusliche Ehemänner

Mit Hilfe eines einzelnen Gens haben US- Forscher notorische Mäuse-Casanovas in treue Partner verwandelt. Die Männchen der nordamerikanischen Wiesenwühlmaus, die sich normalerweise mit zahlreichen Weibchen paaren, wurden durch den Transfer eines Gens der eng verwandten Präriewühlmaus monogam und häuslich. Mit dem Gentransfer hatten die Forscher die Zahl bestimmter Hormonrezeptoren in einem Belohnungszentrum des Gehirns von Wiesenwühlmäusen erhöht. Die Studie ist im britischen Fachjournal «Nature» (Bd. 429, S. 754) vom Donnerstag veröffentlicht.

Die Ergebnisse könnten neue Einblicke in die Neurobiologie der Liebe geben, meint das Team um Larry Young von der Emory-Universität in Atlanta (US-Staat Georgia). Darüber hinaus sei bekannt, dass dieselben neuronalen Prozesse wie in der Liebe bei der Drogenabhängigkeit eine Rolle spielten, ergänzte Youngs Kollegin Miranda Lim. «Der Hirnprozess bei der Bindung an einen Partner ähnelt möglicherweise der Entstehung einer Drogenabhängigkeit: Beide aktivieren Belohnungsschaltkreise im Gehirn.»

Die Wissenschaftler hatten das Paarungsverhalten der promiskuitiven Wiesenwühlmaus Microtus pennsylvanicus mit dem der Präriewühlmaus Microtus ochrogaster verglichen, die eine lebenslange Bindung mit einem einzigen Partner eingeht. Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass Präriewühlmäuse in einer Belohnungszone des Hirns mehr Rezeptoren für das Hormon Vasopressin besitzen. Die Forscher erhöhten daher künstlich die Zahl der Vasopressin-Rezeptoren bei den Wiesenwühlmäusen.

Die Studie zeige, dass einzelne Genveränderungen tief in das Sozialverhalten von Tieren eingreifen könnten, betont Young. Bei Menschen seien an der Bildung von Partnerschaften zwar vermutlich zahlreiche Gene beteiligt. «Es ist jedoch ein faszinierender Gedanke, dass individuelle Unterschiede bei den Vasopressin-Rezeptoren möglicherweise eine Rolle in der unterschiedlichen Bildung von Beziehungen spielen.» Früheren Forschungen zufolge seien Vasopressin-Rezeptoren möglicherweise auch mit Störungen der Sozialbeziehungen wie etwa Autismus verknüpft

Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg vom 16.6.2004, www.rnz.de

  

 

Bundespräsident Horst Köhler vor der Bundesversammlung am 23.5.2004

"Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,
allen Mitgliedern der Bundesversammlung, die mich gewählt haben, danke ich für Ihr Vertrauen. Und diejenigen, die mir ihre Stimme nicht gegeben haben, will ich durch meine Arbeit überzeugen.

Ich möchte Bundespräsident aller Deutschen sein, und ein Präsident für alle Menschen, die hier leben. Aus gutem Grund ist das höchste Amt in einem demokratischen Staat niemandem in die Wiege gelegt. Für mich persönlich ist die Entscheidung der Bundesversammlung ein wirklich sehr bewegender Augenblick. Nach sechs Jahren im Ausland kehre ich mit einem Gefühl von Freude und Dankbarkeit in meine Heimat zurück. Deutschland hat mir viel gegeben, davon möchte ich etwas zurückgeben. Ich liebe unser Land.

Wahrscheinlich erwarten Sie jetzt alle von mir, dass ich von Reformen spreche. Tatsächlich halte ich eine grundlegende Erneuerung unseres Landes für notwendig und überfällig. Und als gelernter Ökonom, das werde ich auch weiterhin nicht verstecken, kann ich Ihnen die Feststellung nicht ersparen, dass ich mir Sorgen um den Zustand der deutschen Wirtschaft, die Arbeitsplätze und die soziale Sicherheit in unserem Lande mache. Ich sehe auch neue, unakzeptable Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft.

Viele von Ihnen erwarten vermutlich auch, dass ich etwas zur Globalisierung sage. Globalisierung bestimmt mehr und mehr unser Leben. Sie bedarf, und das ist meine feste Überzeugung, hier stimme ich mit Johannes Rau überein, der politischen Gestaltung. Wenn wir es richtig anpacken, kann Deutschland aus der Globalisierung weiterhin großen Nutzen ziehen. Aber wir müssen auch besonders dafür arbeiten, dass die Globalisierung den Armen dieser Welt zu Gute kommt. Dies wird nur gelingen, wenn sich die Industrieländer, also auch Deutschland, in ihrem Verhalten ändern, und vor allem auch ihre Märkte für die Entwicklungsländer öffnen. Doch das heißt dann eben auch, dass wir Wettbewerb und Strukturwandel annehmen müssen.

Tatsächlich befindet sich die Welt in einem tiefen Umbruch. Wir müssen uns der Wirklichkeit stellen. Deutschland muss um seinen Platz in der Welt des 21. Jahrhunderts kämpfen. Ich denke, wir alle werden deshalb auch mit meiner Mitbewerberin, Frau Professor Gesine Schwan, darin übereinstimmen, dass es gerade in Umbruchphasen auf Vertrauen als Sozialkapital ankommt - und der Begriff Sozialkapital wird sowohl in der Politikwissenschaft als auch in der Wirtschaftswissenschaft benutzt. Und sehr zu Recht hat Bundespräsident Johannes Rau das Thema Vertrauen und Verantwortung in den Mittelpunkt seiner letzten Berliner Rede gestellt.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, sehr verehrte Frau Schwan, für Ihr Engagement für das höchste Amt im Staate danken. Der Wettbewerb von uns beiden Seiteneinsteigern hat dem Land insgesamt sicher nicht geschadet.

Ja, ich werde in meinem Amt zu mehr Entschlossenheit, Tatkraft und auf Stetigkeit bei wirtschafts- und sozialpolitischen Reformen drängen. Doch ich hoffe, ich enttäusche niemanden, wenn ich eine ganz andere Frage voranstelle, nämlich die Frage, was will Deutschland im 21. Jahrhundert sein, was kann es sein, und wo will dieses Land hin? Mit Recht betonen viele in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, vor allem Bildung und Innovation zu stärken. Deutschland ist mir zu langsam auf seinem Weg in die Wissensgesellschaft.

Mein Traum geht aber noch weiter. Deutschland soll ein Land der Ideen werden. Im 21. Jahrhundert bedeutet das mehr als das Land der Dichter und Denker, mehr als Made in Germany, mehr als typisch deutsche Tugenden. Das ist ganz sicher etwas anderes als Großmannssucht und Selbstüberschätzung. Deutschland, ein Land der Ideen, das ist nach meiner Vorstellung Neugier und Experimentieren, das ist in allen Lebensbereichen Mut, Kreativität und Lust auf Neues, ohne Altes und Alte auszugrenzen. Das sind neue Gründerjahre, das ist auch die Kraft, mit Rückschlägen umzugehen und wieder neu anzufangen. Das sind Ideen auch für Europa.

Deutschland, ein Land der Ideen, das ist für mich zuerst und vor allem ein Land für Kinder. Wie kommt es, dass wir in Deutschland immer weniger Kinder haben? Glauben wir nicht mehr an unsere Zukunft? Kinder bedeuten Neugier, Kreativität und Zuversicht. Kinder sind Brücken in die Welt von Morgen. Wir müssen uns alle anstrengen, eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft zu werden.

Dazu brauchen wir konkrete Antworten auf bestimmte Fragen, zum Beispiel: Wie schaffen wir es, Elternarbeit anzuerkennen? Wie kann es gelingen, viel besser gelingen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren? Was sind uns Kinder wert? Wir müssen auf diese Fragen konkrete Antworten finden. Aber genau so müssen wir auch eine konkrete Antwort auf die Frage finden, was uns ältere Menschen wert sind. Um die Zukunft zu gewinnen, brauchen wir auch deren Erfahrung und Weisheit. Wir müssen an Freundschaft zwischen den Generationen schon jetzt arbeiten. Deutschland muss sich also verändern, das ist wahr. Aber wir sollten uns dabei auch unserer kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst sein. Wie schaffen wir es, das abstrakte Wort "Werte" aus Politikerreden in Alltagsgespräche und Alltagsverhalten zu bringen und so lebendig zu machen? Wie schaffen wir es, uns im größer werdenden Europa unserer nationalen Identität zu vergewissern, und zugleich eine europäische Identität zu gewinnen? Ich habe übrigens, meine Damen und Herren, die Erfahrung gemacht: Patriotismus und Weltoffenheit sind keine Gegensätze, sie bedingen einander. Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere. Der heutige 55. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes ist ein guter Tag, uns wieder auf unsere Stärken zu besinnen. Deutschland hat die Kraft, sich zu verändern. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Diese Kraft liegt in den Menschen, ihre Ideen sind der Reichtum unseres Landes. Damit sich diese Kraft entfalten kann, müssen wir Angst überwinden und Selbstvertrauen zurückgewinnen. Wir können in Deutschland Vieles möglich machen. Aber dazu müssen wir uns erst einmal uns selbst mehr zutrauen. Und wir müssen wieder mehr auf die Kraft der Freiheit vertrauen. Es war diese Kraft, mit der vor 15 Jahren die Menschen im Osten unseres Vaterlandes die scheinbar unüberwindliche Mauer zum Einsturz gebracht haben. Einer der großartigsten Momente unserer Geschichte und auch eine stetige Verpflichtung für uns, die innere Einheit wirklich zu verwirklichen. Die Kraft der Freiheit zu stärken, darauf achten, dass es gerecht zugeht in Deutschland, und dazu beitragen, dass wir ein Land der Ideen werden, dafür will ich eintreten und dafür bitte ich um das Mitmachen aller. Ich grüße alle Landsleute nah und fern, unsere Nachbarn in Europa und unsere Freunde in der Welt.
Gott segne unser Land. Vielen Dank."
23.5.2004

 

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