Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Obdachlos
im südlichen Hochschwarzwald und Breisgau
  

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Blick vom Lindenberg nach Westen am 27.12.2007 über Eschbachtal (vorne), Dreisamtal (links) und Rheintal zu den Vogesen
Blick vom Lindenberg nach Westen am 27.12.2007 über Eschbachtal (vorne), Dreisamtal (links) und Rheintal zu den Vogesen  


 

 

 

Jugendliche kochen Marmelade für die Bahnhofsmission



Eine ungewöhnliche Aktion führte Jugendliche in der vergangenen Woche zur Freiburger Bahnhofsmission: Seit Jahresbeginn sammelten die engagierten Jugendlichen in den Räumen des "Jubüs", dem Katholischen Jugendbüro in der Kartäuserstraße, selbstgemachte Marmelade. Die Ausbeute dieser Sammelaktion, rund 40 Gläser, wurde nun an die Freiburger Bahnhofsmission übergeben. Die mehrheitlich wohnungslosen Gäste der Bahnhofsmission können hier morgens und abends ein Marmeladebrot erhalten. Cornelia Reister, eine der beiden Leiterinnen der Bahnhofsmission, und Dekanatsjugendreferentin Daniela Bailer-Schöffmann, lobten das Engagement der sammelnden Jugendlichen und der fleißigen Marmeladen-Köche. Die Gäste der Bahnhofsmission freuten sich und so kam schnell das ein oder andere Gespräch über Gott und die Welt, vor allem aber über Marmelade und Lieblingssorten in Gang. Eine Jugendliche überlegt nun sogar, sich künftig als ehrenamtliche Helferin in der Bahnhofsmission zu engagieren.

26.4.2010

 

Dreisam-Brucke-Advent

Blick nach Norden unter der B31-Brücke am 11.10.2007

Unter de Bruck huckt r,
vor de Kälti duckt r sich furt
in d Naachtschwärzi nii.
Im Erkerfenschter
am Huus hint’rem Haag
sieht r ä Frau am Kamin,
Kueche un Tee.

Wohnung un Wärmi sin Wörter
im Fremdwörterbuech.
Des kann r nit läse.
Mit gschtiffe Händ
druckt r Papier
um Schenkel und Knie.
Packt Reschtwärmi ii.

Sieht’s Fiier flack’re
im warme Kamin.
Suugt an de leere Fläsche.
Suugt an de nasse Kipp’.
Kippt in d Naachtkälti nii.
Un selli Frau hint’rem Fenschter
macht’s Liiecht uss.

Stefan Pflaum, Wunderfitz, 11.12.2009, www.dreisamtaeler.de

 

Sissi Walther-Kligler verstorben - Bürger helfen Bürgern e.V.

Sissi Walther bei "Bürger helfen Bürgern in der Wiehre am 25.12.2007   Sissi Walther bei "Bürger helfen Bürgern" in der Wiehre am 25.12.2007


Sie wird Freiburg fehlen
Das Gemeinwesen Freiburgs ist um einen eindrücklichen Farbtupfer ärmer geworden: Am Sonntag starb Sissi Walther-Kligler im Alter von 66 Jahren. Noch im vergangenen Januar hatte Bundespräsident Horst Köhler der damals schon von ihrer Krankheit gezeichneten Freiburgerin das Bundesverdienstkreuz verliehen. Was der SPD-Bundestagsabgeordnete Gernot Erler "den klassischen Fall einer sinnvollen Ehrung" nannte. In der Tat: Das ehrenamtliche Engagement der Diplom-Kauffrau ist beispielhaft für Freiburg und weit darüber hinaus. Als 1980 in der Stadt der Häuserkampf Schlagzeilen machte, gründete sie mit anderen eine Bürgengruppe, die die Lage erheblich entspannte. Mit ihrem "Politischen Salon" gab sie dem Querdenken in Freiburg Raum. Sissi Walther-Kligler betreute Flüchtlinge und ließ auch schon mal obdachlose Menschen bei sich zu Hause wohnen. Sie engagierte sich in der Hospizarbeit und versorgte Wohnungslose auf dem Stühlinger Kirchplatz im Winter mit wärmenden Decken und heißem Tee. Mit einer Spende ermöglichte sie den Bau eines Blockhauses für Wagenburg-Bewohner. Viele Jahre lang organisierte sie mit der Gruppe "Bürger helfen Bürgern" eine Weihnachtsfeier für bedürftige Menschen in der Stadt......
Alles von Gerhard M. Kirk vom 17.11.2009 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/sie-wird-freiburg-fehlen--22597577.html

Zu Sissis Verein Bürger helfen Bürgern e.V.
Der Artikel mutet nun Geschichte an. Sissi Walther ist im November 2009, ein gutes Jahr nach dieser Veröffentlichung verstorben. Am Freitag, den 20-11-2009 findet um 15 Uhr 30 auf dem Freiburger Hauptfriedhof die Einsegnung statt. Mögen viele Menschen kommen. - Ich selbst erinnere mich noch gut an Sissi. Bei "Armenbegräbnissen" war sie oft die einzige, welche hinter dem Sarg lief. Es war für Sissi wichtig, andere auch dann zu begleiten, wenn niemand da war - oder sich bereit fand.
In herzlichem Gedenken: Theologe Michael M. P. Wittmann, Riegel a. K. und die FREIE INITIATIVE NICHTSESSHAFTENHILFE, Freiburg i. Br.
18.11.2009, BZ-Leserbrief von Michael Wittmann

Gurs in den Pyrenäen
Sissi Walther-Kligler war in der jüdischen Gemeinde Freiburg aktiv. Sie tat auch viel, um das Gedenken an die 361 jüdische Freiburgerinnen und Freiburger wach zu halten, die nach Gurs deportiert worden sind. Neben der Gedenktafel am Gurs-Mahnmal auf der Wiwilí-Brücke ist auch die an der Freiburger Synagoge ihr zu verdanken.

Als ich Sissi Walther-Kligler zum ersten Mal traf,
war sie mir so richtig unsympathisch: Schrill, laut, ganz vorne in der ersten Reihe. Dann dieses betont karierte Outfit - "ab einem gewissen Alter sollte man sich nicht mehr benehmen wie ein junges Mädchen", dachte ich. Erst nach den vielen Begegnungen bei den Weihnachtsfeiern in dem von ihr angemieteten Saal der Christusgemeinde zeigte sie mir, wie falsch doch meine vorschnelle Eintaxierung war - aus der Abneigung wurde Bewunderung. Wie sie mit Obdachlosen, Migranten, Gestrandeten und armen Leuten umging und diesen Mut, Hoffnung und etwas Zuversicht zusprach - vielleicht nur für ein paar kurze, schöne Stunden - dies war echt und tief. Sissi Walther-Kligler tat viel Gutes, auch für Freiburg.
Ekke, 19.11.209

 

Spielnachmittage im Ferdinand-Weiß-Haus (FWH) Freiburg

Eine ehrenamtlich sozial-diakonische Aufgabe 

Kommen beide: S. und B., so ist „Mensch-ärgere-dich-nicht“ dran – oft mit seiner Parole: „heute mache ich dich fertig“. (Denn hier gilt durchwegs: „mit wem ich spiele, den spreche ich mit du an“.) Als er neulich allein kam, brachte er mir „Mau-Mau“ bei und konnte ziemlich ungewöhnlich zum Schluss bemerken: „Auch wenn ich verloren habe, hat es Spass gemacht“. J. spielt sehr gerne „Piraten-Bridge“ und bringt dafür mit ihrer initiativen Art bald eine größere Runde zusammen. Als ich ihr das zweite Mal begegnete, wiederholte sie aufgebracht: „Das ist die Hölle“; war ihr doch im FreiRaum (einem Ort für Frauen in Wohnungsnot) von einer andern Frau Geld geklaut worden, womit sie ihrer kleinen Tochter ein Geschenk zum Geburtstag hatte besorgen wollen. F., ein jüngerer Mann unüberhörbar aus Berlin, war neulich, obgleich er in ein Buch vertieft war, sofort für eine Skat-Runde zu gewinnen, in der sie mir weitere Raffinessen dieses Spiels beibrachten. M. vor über einem Jahrzehnt aus dem Irak gekommen ist offensichtlich gegen Alkohol gefeit; mit ihm war es ein Vergnügen, draußen im Hof Tisch-Tennis zu spielen, was bald auch schwankende Gestalten zum Mitspielen verlockte. J., der sich mit Verkauf des „Frei(e)Bürger“ in der Stadt jeweils etwas Geld verdient, hatte neulich Interesse an einer Runde Schach.

Wie sie kommen viele weitere Menschen ins FWH, der Tagesstätte und Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot, die vom Diakonieverein des Diakonischen Werks Freiburg getragen wird. Leitung und vielfältige Beratung liegt bei zwei Sozialarbeiterinnen und einem Sozialarbeiter. Menschen, die auf Zeit unter dies Dach kommen, finden neben Beratung und Begleitung in ihren Notlagen dort etwa Schließfächer für ihre wichtigsten Habseligkeiten, Dusche und Waschmaschine, etwas zum Trinken und Essen, die Küche, Zeitungen und zweimal die Woche eine ärztliche Sprechstunde. Als ich im Sommer 2007 ins FWH Einblick bekam und in das Konzept dieses „bedachten“ Ortes, wurde klar: regelmäßige Spielnachmittage (jeweils dienstags 13 – 15 h) dort anzubieten, wäre eine willkommene ehrenamtliche Mitarbeit. So startete ich Anfragen für ein Team, das sich ohne weiteres aus der Auferstehungsgemeinde bilden ließ. Zu unserm Team gehören gegenwärtig: Gudrun Herrmann, Hans Martin Marstaller, Ulrich Ploch, Egon Schmidt und ich. So ist jeder etwa alle 4 – 5 Wochen dran bzw. alle 8 – 10 Wochen zwei Dienstag-Nachmittage nacheinander. All Vierteljahr treffen wir uns zu einer Teamrunde, um Erfahrungen auszutauschen – öfters auch mit Personen aus der Leitung des FWH. Finden wir es doch notwendig, einen Blick dafür zu gewinnen, was Wohnungslosigkeit in den verschiedenen Varianten für die Betroffenen ausmacht, wie ihre finanzielle Situation aussieht (weithin mit „Hartz IV“), wie Alkoholismus und Sucht sich auswirken, und für manch weiteres. Bewährt hat sich, dass jede Person im Team prüfen kann, wie lange ihr Einsatz geht – und dies ohne moralischen Druck. Dabei lernen wir (wenn auch freilich nur von außen) Lebenswelten kennen, die uns zuvor (fast) völlig unvertraut waren. Und bei allem, was für diese Menschen zur Bewältigung ihres Alltags notwendig ist, gehört Spielen zum Nicht-Notwendigen des Lebens: sollte ihnen dies aber vorenthalten werden? Dabei ergeben sich mit dem Spielen beiläufig manche Gespräche – bisweilen in erstaunlicher Offenheit.
31. August 2009, Volker Weymann

 

Sozialpsychiatrische Beratung in den Sonntagstreffs der Kirchengemeinden

Die Möglichkeit der sozialpsychiatrischen Beratung in den Sonntagstreffs der Kirchengemeinden bewährt sich. Seit Februar dieses Jahres findet die Beratung bei den von den christlichen Gemeinden Freiburgs ein- bis zweiwöchentlich angebotenen Mittagessen für wohnungslose Menschen statt. Ehrenamtliche in den Freiburger Kirchengemeinden arbeiten mit den Mitgliedern des Vereins „Freunde von der Straße“ und den Fachberatern in diesem Angebot zusammen. Ungefähr ein Drittel aller wohnungslosen Menschen sind psychisch krank. Sie leben in Notunterkünften, Obdachlosenheimen, haben einen Unterschlupf oder „machen Platte“. Meist haben sie schlechte Erfahrungen mit dem psychiatrischen Versorgungssystem gemacht und lehnen es ab. Oft können sie sich gesellschaftlich nicht mehr integrieren. Ist dies Folge einer psychiatrischen Erkrankung, kann diese nach Erkennen und Behandlung nachlassen bzw. ausbleiben. Sie können sich dann besser mitteilen, Kontakte finden und am Leben in der Gemeinde teilnehmen. Sie benötigen unvoreingenommene Begleiterinnen und Begleiter, die in den sozialen Treffpunkten auf sie zugehen und ermutigen, Versorgungsangebote anzunehmen. Das gemeinsam mit den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe (Caritas / Diakonie) der Psychiatrischen Institutsambulanz Freiburg (Universitätsklinik) und dem Sozialpsychiatrischen Dienst (Caritas / Diakonie) durchgeführte Projekt will hier ansetzen und wohnungslose psychisch kranke Menschen durch ein niederschwelliges Angebot beraten und sie ggf. in eine Behandlung vermitteln. Das von den Abteilungen Bildung und Soziale Dienste sowie Menschen mit Behinderung des Caritasverbandes Freiburg-Stadt e. V. getragene Projekt wird von der Aktion Mensch und dem Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e. V. finanziell unterstützt.
28.5.2009, Caritas Freiburg

 

Spende an Pro Caritate: Schlafsäcke gegen Kälte

Gerade noch rechtzeitig zum Beginn des Winters mit Schnee und Kälte sorgte der gemeinnützige Verein Pro Caritate für eine vorweihnachtliche Bescherung und versorgte fünfzig wohnungslose Menschen mit Schlafsäcken. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, ehrenamtlich und im Stillen dort zu helfen, wo Hilfe fehlt. Jetzt eben Menschen, die auch bei Eis und Schnee im Freien übernachten.

5000 Euro hat Pro Caritate für die Schlafsäcke bezahlt, die durch Vermittlung der Firma Sport Bohny billiger als üblich zu bekommen waren. Vorsitzender Manfred Tritschler überreichte die wärmende Gabe an Gäste der Tagesstätte Pflasterstub’, deren Leiterin Mathilde Roentgen und an den Direktor des Stadtcaritasverbandes Egon Engler. Außerdem spendete Pro Caritate noch einen Wäschetrockner im Wert von 2000 Euro für die Pflasterstub’, in der wohnungslose Frauen und Männer nicht nur ein kostenloses Frühstück und ärztliche Versorgung bekommen, sondern auch ihre Wäsche waschen können. Der gemeinnützige Verein arbeitet ausschließlich ehrenamtlich und streng vertraulich. Jeder gespendete Euro kommt nach Angaben von Pro Caritate unmittelbar hilfebedürftigen Menschen zugute.
16.12.2008

Münster in Freiburg am 30.12.2008 vormittags 11.30 Uhr Münster in Freiburg am 30.12.2008 vormittags 11.30 Uhr

 

10 Jahre OFF-Frauen in Freiburg: Hilfe bei verschämter Not

Seit Bürgerinnen den Verein „Obdach für Frauen" (OFF) gegründet haben, nimmt ihre Arbeit immer nur zu: Die Zahlwohnungsloser Frauen ist in den vergangenen Jahren um das Dreifache gestiegen, heute machen sie bereits ein Drittel aller Obdachlosen in Freiburg und der Region aus .Nur gut, dass die Energie und der Ideenreichtum der OFF-Frauen keine Grenzen zu kennen scheint.

Wer die Kellerräume der Sedanstraße 22 betritt, darf sich ein bisschen wie Alice im Wunderland fühlen. Regenhüte aus Luftpolsterfolie, kitschige Porzellanfiguren, geblümte Bettwäsche, Bratpfannen, Perlenketten, sogar ein altes Klavier findet man in der „Boutique LeSac", einer Einrichtung des Fördervereins „Obdach für Frauen". Gegen eine Spende kann man Möbel, Kleidung und Haushaltsgegenstände erwerben. Die Armut wächst, und mit ihr der Bedarf, sich auch mit wenig Mitteln ein schönes Leben zu gestalten. Ein Skandal sei das, sagt Renate Lepach, Vorsitzende des Vereins. „Dass man von seiner Hände Arbeit nicht mehr leben kann, dass Menschen mit einem Regelsatz von 351 Euromonatlich auskommen müssen – das verbrauchen andere Menschen beim Sektfrühstück." Ungleichheiten benennen und kritisieren wollte die „Alt-68erin" schon immer. „Ich bin eine große Nörglerin", gibt sie zu. Aber nörgeln dürfe nur, wer auch etwas tue. Und getan wird bei OFF Einiges. Die Arbeit des Vereins wird von vier Vorstandsfrauen ehrenamtlich geleistet. Unermüdlich mischen sie mit: Im Kuratorium Wohnungslosenhilfe, bei jeder öffentlichen Diskussion, in Gesprächen, immer mit dem Ziel, das Thema Armut und Obdachlosigkeit von Frauen in das Blickfeld der Öffentlichkeit zurücken. Das ist bitternötig, denn weibliche Not sei verschämter und darum verborgener, sagt Elisabeth Armbruster. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins weiß, dass man den betroffenen Frauen ihr Leid oft nicht ansieht. „Viele tun sich schwer, Hilfsangebote anzunehmen". Inga Brosius fügt hinzu: „Dabei können Armut und Obdachlosigkeit jeden treffen. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss." Die Schatzmeisterin des Vereins war selbst zwei Jahre lang arbeitslos und weiß, wie schnell man in eine Notlage geraten kann.

Siebenfache Mutter schläft beim Sohn auf der Couch
Da ist die Frau, die aus einer Gewaltbeziehung ausgebrochen ist und mit ihren Kindern bei Bekannten Unterschlupf gefunden hat. Die gescheiterte Unternehmerin, die aufgrund von Mietschulden ihre Wohnung verloren hat und seitdem im Gartenhäuschen übernachtet. „Erst heute kam eine Mutter von sieben erwachsenen Kindern zu uns, die bei ihrem  Sohn auf der Couch schläft", erzählt Renate Lepach. Hinter jedem Schicksal steckt eine Geschichte, und wenn die Not besonders groß ist, wenn von Ämtern oder unterhaltspflichtigen Partnern nichts zu erwarten ist, springt OFF ein. Ganz unbürokratisch hilft der Verein bei der Suche nach preiswertem Wohnraum, vergibt zinslose Kleinkredite, um Kaution oder Maklergebühren zu bezahlen, oder übernimmt Mietgarantien. Die Projekte werden nur über Spenden finanziert. Die „Schaltzentralen" des Vereins sind die privaten Schreibtische der Vorstandsfrauen. Für so viel Einsatz gab es 2005 verdientermaßen eine Auszeichnung für „vorbildliches bürgerschaftliches Engagement" von Ministerpräsident Günther Oettinger. Einen möglichen Abgesang auf das Ehrenamt in angeblich egoistischer Zeit straft „Obdach für Frauen" Lügen. „Es gibt viele Lücken im System", sagt Schriftführerin Andrea Zipfel. „Jeder sollte sich fragen, was er dagegen tun kann."
Katrin Dreher, 23.11.2008, www.der-sonntag.de

 

Ferdinand-Weiß-Haus wird im neuen Gewerbehof wieder unterkommen

Mit Abriss und Neubau des Stühlinger Gewerbehofes muss auch das Ferdinand-Weiß-Haus umziehen, die Tagesstätte und Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot des Diakonischen Werks Freiburg. Natürlich freue es ihn, aus dem "alten Schuppen" herauszukommen, sagt Klaus Fournell, einer der Sozialarbeiter der Einrichtung - schon wegen der enormen Heizkosten. Zwar bekommt die Tagesstätte neue Räume im neuen Gewerbehof, doch bis dahin hat sie dasselbe Problem wie viele ihrer Gäste: kein Dach über dem Kopf. Abhilfe sollen sechs Wohncontainer schaffen, die während der Bauzeit auf dem Gewerbehof-Gelände aufgestellt werden. Das müsse aber die Diakonie bezahlen, wie auch die übrigen Umzugskosten, so Fournell: "Vielleicht gibt es noch Zuschüsse, aber sicher ist das nicht." Wichtig ist ihm, dass die Einrichtung am stadtnahen Standort bleiben kann. Ein Wegzug wäre schwierig, denn im Gegensatz zum Stühlinger könnte das Ferdinand-Weiß-Haus in anderen Stadtteilen abgelehnt werden, fürchtet der Sozialarbeiter. Roswitha Reinmuth vom Gewerbehof vermutet, dass die Standortsicherung für die Einrichtung durch den Gewerbehof mit ausschlaggebend dafür war, dass der Gewerbehof von Seiten der Stadt und Badenova unterstützt worden sei: "Wir haben der Stadt so viel Geld erspart, weil die Einrichtung nicht verlegt werden muss" , sagt Reinmuth. Nachteilig auf die Vermarktung der Grundstücke habe sich die Tagesstätte nicht ausgewirkt, sie wird auch einen separaten Zugang von der Ferdinand-Weiß-Straße erhalten und nicht überd den Innenhof des neuen Gewerbehofes zugänglich sein. "Das hat sich bewährt" , so Reinmuth. Im Container wird sich die Tagesstätte stark einschränken müssen, sagt Forunell. Besonders hart: Die Zahl der Schließfächer für die Habseligkeiten der Obdachlosen werde eingeschränkt. Dennoch ist sich Fournell sicher, dass viele Besucher des Hauses beim Umzug und beim Aufbau der Container mit anpacken werden.
sm, 23.9.2008, BZ



 

 

Monika Birk von der Heilsarmee - sie kennt menschliches Leid

Morgen ist Karfreitag. Gläubige Christen erinnern sich an die Kreuzigung Jesu. Das Kreuz für seine Hinrichtung musste er selbst zum Berg Golgatha tragen. Es war groß und schwer und der Pfad war schmal und steinig. Schlimmer konnte es nicht kommen. Jener Kreuzgang wurde zur Metapher. "Ich habe ein Kreuz zu tragen", sagten schon die frühen Christen und drückten damit die Bereitschaft aus für den Glauben zu sterben. Heute gilt das "Kreuztragen" manchen Menschen als asketische Übung. Viele allerdings plappern die Worte einfach so daher. Der Pfad zwischen Frömmigkeit und Zynismus ist schmal, findet Monika Birk von der Heilsarmee Freiburg. Denn nicht alle Widrigkeiten im Leben seien "Kreuze" und müssen daher auch nicht aufgeladen oder getragen werden. Die 46-Jährige Mutter von vier Kindern weiß wovon sie spricht. Sie kennt menschliches Leid nur zu gut. Seit 25 Jahren hilft sie Leidenden ihr Kreuz zu tragen.  Konkret wird das jeden Freitag. Spätnachmittags geht sie zur "Insel" , die Anlaufstelle für Bedürftige der Heilsarmee in der Löwenstraße. Die öffnet um 17 Uhr. Es sind vor allem Wohnungslose, die kommen, um Abend zu essen, um sich aufzuwärmen und um nicht allein zu sein. "Die "Insel" ist halt ein Ort, wo sie abends noch hinkönnen" , sagt Monika Birk. Besonders im Winter ist das Angebot gefragt, auch jetzt noch, Ende März sind es bis zu 40 (vor allem) Männer, die regelmäßig die "Insel" aufsuchen, geöffnet ist sie freitags, samstags und sonntags. Mit mindestens 30 Mahlzeiten wird am Freitag Abend auch der Einsatzwagen bestückt. Den schieben Monika Birk und andere Helfer zum Hauptbahnhof, um dort ebenfalls Essen auszugeben. Sie sehen sich in der Tradition des methodistischen Pfarrers William Booth, der erschüttert vom Elend in den Londoner Slums im Jahr 1865 angefangen hat zu helfen, und zwar unter dem bis heute für die Heilarmee weltweit gültigen Motto "Suppe, Seife, Seelenheil" .

Auch Monika Birk erfährt die Relevanz dieser Rangfolge Woche für Woche. "Die Menschen brauchen zuerst etwas zu essen, bevor sie für anderes zugänglich werden" , sagt sie. Das "Andere" ist ihr jedoch genauso wichtig. Gemeint sind Gespräche. "Manchmal dauert es viele Monate, bis jemand einen an sich heran lässt" , erzählt sie. "Denn viele wurden oft enttäuscht und verletzt, so dass sie sich sehr schwer tun, einem zu vertrauen." Es mache sie glücklich zu erleben, wenn sich jemand öffnet, von sich erzählt und damit seine Last mit ihr teilt.

Zur Heilsarmee gekommen waren Monika Birk und auch ihr Ehemann 1983. In der Innenstadt waren sie einem uniformierten Drehorgelspieler begegnet, den sie aus der Hausbesetzerszene kannten. Sie wollten wissen, was mit ihm passiert war. "Ausgerechnet er, niemals hätten wir gedacht, dass er etwas von Gott wissen will" , erzählt sie. Dann aber war das Gleiche mit ihnen beiden geschehen. Beim Besuch eines Gottesdienstes in der "Insel" spürten sie etwas bis dahin Ungewohntes. "Es war so anders als in den Gottesdiensten, die wir kannten. Wie die Leute hier über den Glauben geredet haben. Da habe ich gemerkt, dass die Geschichte von Jesus ja mit mir persönlich und dem wirklichen Leben zu tun hat" , erzählt Monika Birk. Die Idee von der Versöhnung und der Nächstenliebe ist für sie das Entscheidende. "Es ist ja keine Kunst seine Familie und Freunde zu lieben" , sagt sie. Jesus aber habe sich den Ausgegrenzten zugewandt. Und das tut auch Monika Birk.
Silvia Faller , 20.3.2008, BZ

 

Armenspeisung im Franziskanerkloster St. Bonaventura

Die mittelalterliche Tradition der klösterlichen Armenspeisung ist im wohlhabenden Freiburg wieder hochaktuell

Obwohl sie weder Nonnen noch Mönche sind, ist es für sie selbstverständlich, im Kloster zu essen: Jeden Werktag gehört es für einige Dutzend Frauen und Männer, denen es finanziell am Notwendigen fehlt, zu ihrem Tagesablauf, sich von christlichen Ordensgemeinschaften verpflegen zu lassen. Diese selbstverständlichen Armenspeisungen haben eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht — und heute in einer wohlhabenden Stadt wie Freiburg wieder hochaktuell ist. Eine lange Schlange steht in der kühlen Morgenluft vor den Türen des Franziskanerklosters St. Bonaventura an der Günterstalstraße. Das Glasschiebefenster an der Pforte wird zur Seite geschoben, und es kommt Bewegung in die Schlange. Denn Eintopf gibt es nur, solange der Vorrat reicht. Daran kann auch Rosa, die hinter der Durchreiche steht und den heißen Eintopf ausgibt, nichts ändern. "Ich kann nur ausgeben, was ich von der Küche des Klosters bekomme" , bedauert die kleine Frau in der rosafarbenen Kittelschürze. Seit zwölf Jahren steht sie — "bei denen, die hierher kommen heiße ich Rosa, das reicht" — dreimal die Woche ehrenamtlich hinter dem Schiebefenster. Die auf der anderen Seite stehen, kennt sie fast alle. Die Menschen ohne Obdach sind dankbar, wenn sie ihr von ihren Problemen erzählen können. "Wenn ich nach Hause gehe, lässt mir das oft keine Ruhe, und ich bin froh, dass ich was Gutes geben konnte." Werktäglich werden im Franziskanerkloster rund dreißig Essen an Bedürftige ausgegeben. Viele haben sich selbst noch Brot oder Tomatensoße mitgebracht. In dem kleinen Raum mit dem Linoleumboden stehen zwei kleine Tische und vier Stühle. Zu wenige für die vielen Menschen. Die meisten essen draußen auf der Veranda der ehemaligen "Pension Bellevue" , in dem die Freiburger Franziskaner seit 1922 zu Hause sind.

"Mindere Brüder" nannte Franziskus von Assisi die Gemeinschaft, die sich Anfang des 13.Jahrhunderts um ihn scharte. Das heißt: Die Ordensleute wollen allen Menschen und Geschöpfen Bruder sein. Aus diesem Verständnis heraus engagieren sich die weltweit rund 18 000 Franziskaner besonders für obdachlose, suchtkranke und kranke Menschen.
"Das Franziskanerkloster ist Kult", weiß Ulli. Der Mann mit den langen grauen Haaren und der dunklen Lederjacke ist auf dem Sprung nach Südfrankreich. "In Freiburg ist mir das Geld ausgegangen." Doch es gefällt ihm auch ohne hier ganz gut. "Besonders das internationale Publikum", lacht er. Das Wetter sei beständig gut, und man könne draußen schlafen. Täglich hört er den Wetterbericht im Radio. "Wenn du auf der Straße lebst, ist das wichtiger als die Weltpolitik." Im Moment sei für wohnsitzlose Menschen Nachsaison: Die Spendenbereitschaft der Vorweihnachtszeit ist vorbei, die Nächte aber sind noch frostig kalt. "Als wir jung waren, konnten, wir die Kälte gut ertragen, jetzt wird es schwieriger", sagt Wolfgang. Der 45-jährige Hartz-IV-Empfänger kommt jeden Tag zur Armenspeisung ins Franziskanerkloster. Nur sonntags gibt es hier kein Essen. Viele gehen dann zum Sonntagstreff der "Freunde von der Straße", der an dreißig Sonntagen im Jahr jeweils in einer anderen Freiburger Pfarrgemeinde rund 200 Bedürftige mit einem Essen und ein wenig Gesellschaft versorgt. Besonders am Monatsende, wenn das Geld ganz besonders knapp ist, kommen viele zu diesen Treffen - und aufgrund ihrer Erfahrungen auch immer sehr pünktlich. Im Franziskanerkloster geht die Armenspeisung zu Ende. "Der Suppentopf ist leer, und ich muss noch aufräumen." Rosa schließt das Schiebefenster der Essensausgabe wieder. "Zum Dank habe ich schon manchmal Rosen geschenkt bekommen", sagt sie lächelnd.

Verschiedene Ordensgemeinschaften geben in Freiburg werktags insgesamt etwa 65 Essen an Bedürftige aus. Ein warmes Mittagessen gibt es im Franziskanerkloster St. Bonaventura und im Herz-Jesu-Kloster. Mit belegten Broten versorgt werden bedürftige Menschen im Mutterhaus der Vinzentinerinnen und im Mutterhaus der St. Elisabeth-Schwestern. Zudem erhalten werktäglich 50 bis 80 Menschen in der "Pflasterstub’" ein kostenloses Frühstück. Nächster Termin des Sonntagstreffs: 9. März, 13 Uhr, im Caritashaus St. Konrad, Am Kirchacker 4-6.
Markus Sehl, 5.3.2008, BZ

 

Winterhilfen für Wohnungslose in Freiburg

Die Stadt Freiburg bietet zusammen mit freien Trägern auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Dienste für Wohnungslose im Winter an. Das Sozial- und Jugendamt hat ein Informationsblatt erarbeitet, das an Beratungsstellen verteilt wird. Auch Kirchengemeinden können weiterhelfen.

Das neue städtische Übergangshaus Haslacher Straße 11 hält in jeder Nacht ausreichend Schlafplätze bereit (Aufnahme 18 bis 23 Uhr). Während der ganzen Nacht besteht ein Bereitschaftsdienst. Vier Teeküchen mit Kochgelegenheit sind auch tagsüber geöffnet. Frauen finden besonders geschützte Übernachtungsplätze. Für Menschen, die sich nicht von ihrem Hund trennen möchten, gibt es eine begrenzte Zahl von Schlafplätzen.

Weiter ist das Ferdinand-Weiß-Haus des Diakonischen Werks, Ferdinand-Weiß-Straße 9 a, montags bis freitags von 8 bis 11 Uhr sowie montags bis mittwochs von 13 bis 15 Uhr geöffnet, zweimal im Monat samstags von 10 bis 14 Uhr.

In der Pflasterstub des Caritasverbands, Herrenstraße 6, können Wohnungslose montags bis freitags von 7 bis 12 Uhr kostenlos frühstücken und sich beraten lassen. Pflegerische und ärztliche Hilfen gehören ebenso zum Angebot wie die Möglichkeit, sich zu duschen und Wäsche zu waschen.
Die Heilsarmee bietet in der "Insel" , Löwenstraße 1, Hilfen an (freitags 17 bis 22 Uhr, samstags und sonntags 16 bis 21 Uhr).
Die Zentrale Fachberatungsstelle für wohnungslose Menschen, Schwarzwaldstraße 29, vermittelt erste persönliche und materielle Hilfen. Sprechzeiten: montags, mittwochs, freitags 9 bis 11.30 Uhr, Bereitschaftsdienst dienstags und donnerstags von 9 bis 11.30 Uhr.
Speziell an Frauen richtet sich die Tagesstätte und Fachberatungsstelle "FreiRaum" , Schwarzwaldstraße 24 (montags, mittwochs und freitags von 9 bis 11.30 Uhr).

Darüber hinaus finden Wohnungslose, Einsame und Hilfebedürftige in folgenden Einrichtungen Unterstützung: Der Freiburger Essenstreff im Dreikönigshaus, Schwarzwaldstraße 29, bietet montags bis freitags Mittagessen an (montags bis samstags von 10 bis 15 Uhr offen). Die Bahnhofsmission am Gleis 1 des Hauptbahnhofs hilft montags bis freitags von 7.30 bis 20 Uhr, samstags von 7.30 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Die Heilsarmee gibt freitags von 20 bis 22 Uhr gegenüber dem Bahnhof Essen an Bedürftige aus.
31.12.2007, BZ

 

Straßenschule Freiburg: Schwarzwaldstrasse 101 neue Haltestelle

Einen Namen hat sie noch nicht. Doch die von obdachlosen Menschen gemachte Zeitung Der Freie Bürger hat sie gleich zu einem "Schmuckstück im Toskana-Stil" geadelt: die neue Anlaufstelle der Freiburger Straßenschule. Knapp ein Jahr nach Schließung der alten "Haltestelle" in der Schwarzwaldstraße 8 hat dieses Angebot an derselben Straße, Nummer 101, eine neue Unterkunft gefunden.

Was vor einem Jahr noch wie ein schmerzliches Ende aussah, ist nun zu einem Neuanfang geworden — dank dem SOS-Kinderdorf-Verein, mit dem die Freiburger Straßenschule seit Anfang des Jahres zusammenarbeitet. Und der größte von vier Räumen in der Schwarzwaldstraße 101 ist wie ein Sinnbild dieses Miteinanders von alt und neu: An den Wänden verbinden sich rohe Backsteine und glatt getünchte Flächen unter einer Stuck-Decke. Ein Ausdruck auch dafür, dass im Leben von (nach Schätzungen von Hilfeeinrichtungen) 300 bis 400 jungen Menschen unter 27, die in Freiburg kein Dach überm Kopf haben, nicht alles so glatt geht, wie es die Mehrheit der Bevölkerung für selbstverständlich hält. "Wir suchen immer wieder nach neuen Möglichkeiten" , sagt Christoph Götz, Geschäftsführer des Vereins Straßenschule, "wie junge Menschen an der Gesellschaft teilhaben können, ohne ihre Identität aufzugeben." Dem dient auch das Wohnprojekt in der Schwarzwaldstraße 69, das es seit März gibt. Sieben junge Menschen, die auf der Straße lebten, wohnen hier mit ihren Hunden, betreut von drei Sozialpädagoginnen und -pädagogen — laut Christoph Götz ein Sprungbrett, um von der Straße weg zu kommen. Denn das gemeinsame Ziel ist klar, macht Hans-Günter Schäfer vom Kinderdorf-Verein deutlich: "Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, befähigen, ihre Situation selbstständig zu verändern." Dazu will auch die evangelische Friedensgemeinde beitragen, die (wie schon für die "Haltestelle" ) nun auch die Miete für die neue Anlaufstelle zahlt. Sie soll ein Ort für junge Frauen und Männer sein, wo sie sich treffen, aufhalten, Billard spielen, ihre Kunstwerke ausstellen und mit sozialpädagogischer Begleitung nach Lösungen für sich suchen können. Hans-Günter Schäfer vermutet, dass dabei "nicht alles so läuft, wie es den Normen entspricht" . Doch wenn sich auch einiges verändert habe im Vergleich zur früheren "Haltestelle" — "die Straßenschule lebt" und sehe sich als Anwalt der Betroffenen. Eine Parteilichkeit, die sich nach Überzeugung des Leiters des SOS-Kinderdorfs "Schwarzwald" in Sulzburg auf jeden Fall lohnt. Schließlich, erinnert er mit einem alten Sponti-Spruch: "Unterm Pflaster liegt der Strand."
21.8.2007, www.badische-zeitung.de

 

In der Pflasterstub ehrenamtlich wohnungslose Menschen versorgen

Als ich meine Kinderarztpraxis in Eichstetten aufgab, zog ich 1995 nach Freiburg. Schon vorher war mir klar, dass ich weiter mit Menschen zu tun haben wollte. Als ich durch Schwester Edeltraud aus dem Loretto-Krankenhaus von der Pflasterstub’ hörte, hab’ ich mich dort gemeldet und gleich mit der Arbeit begonnen. Zunächst gab ich an der Theke Frühstück aus. Damals kamen jeden Morgen etwa 40 bis 50 wohnungslose Menschen. Heute sind es ungefähr 120 jeden Tag, die in diese Einrichtung kommen, die die Freiburger Ordensgemeinschaften und der Stadtcaritasverband ins Leben riefen. In der Pflasterstub’ bekommen die Frauen und Männer montags bis freitags zwischen 7 und 12 Uhr ein kostenloses Frühstück, können duschen, sich mit frischer Wäsche aus der Kleiderkammer einkleiden und sich medizinisch versorgen lassen. Nach einiger Zeit wechselte ich in die medizinische Ambulanz, wo ich dienstags von 9 bis 12 Uhr wohnungslose Menschen versorge. Ich messe Blutdruck, kontrolliere den Blutzucker, Herz und Kreislauf, kümmere mich um Verletzungen wie Schnittwunden und Prellungen, Erkältungs- und Hautkrankheiten, Magen-Darm-Probleme. Von einer Anamnese, wie ich sie von früher her gewohnt war, hab’ ich mich bald verabschiedet. Jetzt frage ich nur das Allernötigste: Wo tut’s weh? Das ist meine Arbeit, und die ist ganz toll und befriedigend. In der Pflasterstub’ bekommen die Menschen alles kostenlos. Alles ist gespendet, sogar das Hundefutter. Hier arbeiten viele Ehrenamtliche. Zweimal in der Woche hat hier ein Arzt Sprechstunde. Und einmal wöchentlich stehen ein Zahnarzt, eine Friseurin und eine Fußpflegerin zur Verfügung. Von Anfang an war ich erstaunt, wie nett die Leute sind, und ich fand sie auch gut gepflegt. Mit den meisten bin ich per Du. Mit der Zeit kommt man auch miteinander ins Gespräch, und sie erzählen von sich. Die meisten sind nur aus Not auf der Straße gelandet. Nach einer Scheidung. Weil sie arbeitslos wurden. Oder weil sie ihre Wohnung verloren. Dabei habe ich auch erfahren, dass für sie Alkohol oft die einzige Möglichkeit ist, ihre Situation auszuhalten. Und meistens scheitert ihre Unterbringung in einer Wohnung an den Hunden, die sie heiß und innig lieben. Dabei würden fast alle der wohnungslosen Menschen gern in geordneten Verhältnissen leben. Von einem "romantischen" Leben auf der Straße hab’ ich jedenfalls noch nichts gemerkt.
Luise Quarck (81), Kinderärztin und Kinderpsychologin im Ruhestand

7.5.2007, BZ, aufgezeichnet von Gerhard M. Kirk

Übergangswohnheim für Wohnungslose FR-Haslacher Straße - ein Jahr

Seit einem Jahr können Menschen ohne Wohnung im Übergangswohnheim in der Haslacher Straße übernachten. Mehr als 800 Menschen haben bisher davon Gebrauch gemacht. Das Wohnheim soll für sie auch ein erster Schritt zur Rückkehr in ein "normales" Leben sein.

Von außen wirkt das Wohnheim nüchtern und funktional, die Ausstattung der Räume erinnert an eine etwas karge Jugendherberge. 60 obdachlose Menschen können hier regulär übernachten, sogar auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern und Hundebesitzern wurde bei der Einrichtung Rücksicht genommen. Seit der Eröffnung im vergangenen März wurden mehr als 10 00 Übernachtungen gezählt — auch Stefan Berger (Name von der Redaktion geändert) zählt zu den regelmäßigen "Übernachtern". Kurz nach neun sitzt er im Leseraum des Wohnheims auf einem der gebrauchten Sessel, im Regal türmen sich Bücher und Spiele. Berger lobt das Wohnheim — es sei sauberer als die Vorgänger, und angenehm sei, dass nicht mehr als vier Menschen in einem Zimmer schlafen. Ehrenamtliche Helfer vom "Bürgerkreis Notunterkunft" helfen, das Gebäude wohnlicher zu machen, zum Beispiel durch die Einrichtung des Leseraumes. Und dank ihrer Vermittlung darf seit einiger Zeit auch länger geschlafen werden. Anstatt um halb acht müssen die "Übernachter" ihre Zimmer erst um neun Uhr räumen. Trotzdem will Berger nicht hier bleiben, er ist auf Wohnungssuche mit einem Wohnberechtigungsschein vom Arbeitsamt, aber es ist nicht leicht, etwas zu finden. "Man wird gefragt, ob man eine Arbeit und eine Wohnung hat, und dann sagen sie, sie würden sich melden" , erzählt Berger. Vor allem wegen seiner Kinder will er eine Wohnung finden, "die will ich hierher nicht mitbringen, es sind viele Junkies, viele Alkoholiker hier, das ist kein schöner Anblick". Im Augenblick kann er sie nur in der Stadt treffen, "um ins Kino zu gehen oder zu McDonalds" .
Auch Wohnheimsleiter Thomas Rapp sieht Alkohol und Drogen im Wohnheim als großes Problem an. Trotz der Kontrollen würden immer wieder Flaschen ins Wohnheim geschmuggelt, auf andere Drogen "können und wollen wir die Leute auch nicht durchsuchen", sagt Michael Asal, der für Verwaltung und Beratung zuständig ist. Manchmal kommt es zu Schlägereien, oder einer der "Übernachter" liegt bewusstlos im Drogenrausch auf seinem Zimmer. Krankenwagen und Polizei müssen fast jede Woche gerufen werden. Das Übergangswohnheim soll für seine Gäste die Rückkehr in ein "normales Leben" erleichtern. Nach drei Tagen müssen sich die Besucher bei der Fachberatung für wohnungslose Menschen melden. Dort können sie Unterstützung beantragen und sich an eine Suchtberatung wenden. Im Rahmen eines Modellversuches wurde auch im Wohnheim eine Beratungsstelle eingerichtet. Trotzdem schaffen nur wenige der Besucher den Absprung, auf "weniger als fünf Prozent" schätzt Asal, der seit 30 Jahren in der Wohnungslosenhilfe arbeitet, ihren Anteil. Stefan Berger will zu ihnen gehören. Er wird auch an diesem Tag die Wohnungsannoncen nach passenden Angeboten durchforsten. Als Nächstes will er einen Job suchen. Vielleicht kann er sogar wieder in seinem alten Beruf, als Maler und Lackierer, arbeiten.
Kata Kottra , 13.4.2007, www.badische-zeitung.de

 

Wohnungslose in Neustadt fordern Wärmestube

Infostand der Betroffeneninitiative Neustadt zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft

In Zusammenarbeit mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Betroffeneninitiativen wohnungsloser Menschen informiert die Betroffeneninitiative Neustadt Bürgerinnen und Bürger auf der Straße und lädt zum Gespräch ein. Die Aktion findet am Samstag, 31. März, in Neustadt beim E-Center in der Zeit von 9 Uhr bis 13 Uhr statt.
Im Februar und März gab es schon entsprechende Aktionen in Müllheim und Breisach. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach einer neuen Wärmestube in Neustadt. Der Förderverein der AGJ Wohnungslosenhilfe und die AGJ selbst unterstützen diese Aktion. Für Neustadt musste die Wohnungslosenhilfe der AGJ wegen Zuschusskürzungen des Landkreises das Aufnahmehaus für Dauermieter freigeben und die Wärmestube schließen. Als Notlösung wurden in Müllheim und Breisach je zwei Betten mehr in den Aufnahmehäusern eingerichtet. Durchreisenden Berbern bleibt keine Stelle, wo der Tagessatz im Hochschwarzwald ausbezahlt werden kann. Sie übernachten seither gegebenenfalls bei ehemaligen Wohnungslosen, was nicht selten zu Konflikten mit deren Vermietern führt. Leute mit Problemen in ihrer Wohnung drängen sich nun an den zwei verbliebenen Vormittagen im Beratungsbüro, wo es keine eingeplante Zeit mehr für sie gibt. Der Infostand am Samstag am E-Center in Neustadt soll auf "das Ende der Sozialstaatsillusion" aufmerksam machen und über die Situation von Wohnungslosen und auch armer Menschen in Titisee-Neustadt informieren.
wun, 30.3.2007

Für Nachfragen stehen Hannes Heusch von der Betroffeneninitiative Neustadt unter
01520/ 10 29 246 oder die AGJ Wohnungslosenhilfe als Unterstützer, Hermann Assies ( 07651/918170) oder ( 0163/17 58 929) zur Verfügung.

 

 

2 mal Schwarzwaldstrasse: Straßenschule und Kinderdorf-Verein

Während die Stadtverwaltung kräftige Kürzungen bei den städtischen Zuschüssen für Einrichtungen der Obdachlosenhilfe vorhat (wie berichtet etwa ein Drittel weniger), tut sich in der "Szene" was. In dieser Woche werden junge Menschen ohne Dach überm Kopf Zimmer in der Schwarzwaldstraße 69 beziehen. Und vermutlich von April an wird es für junge Menschen auf der Straße auch wieder eine Anlaufstelle geben: in der Schwarzwaldstraße 101.

Beide neuen Angebote macht die Freiburger Straßenschule, die seit einigen Monaten mit dem SOS-Kinderdorf-Verein zusammenarbeitet. Diese Zusammenarbeit hat die Straßenschule sozusagen gerettet, die kurz vor dem Ende war, als sie im vorigen August die "Haltestelle" für Straßenkinder in der Schwarzwaldstraße 8 schließen musste. Doch jetzt wird es hundert Hausnummern weiter östlich wieder eine solche Anlaufstelle geben: drei hohe Räume und eine Küche in dem kurz vor 1900 entstandenen Haus — von privat gemietet, und die evangelische Friedensgemeinde zahlt (wie auch schon bei der "Haltestelle" ) die Miete. Wenn alles gut geht, hofft Christoph Götz, Geschäftsführer des Vereins Freiburger Straßenschule, soll sie bereits im April eröffnen, diese neue Anlaufstelle für Straßenkinder (bis zu 27 Jahren) — von denen nach Schätzungen von Fachleuten in Freiburg 300 bis 400 leben. Doch schon heute öffnet sich ein anderes Haus für sieben dieser jungen Leute, die aus unterschiedlichen Gründen, aber meist nicht aus freien Stücken auf der Straße leben. Eine unbefristete Nutzungs- und Kooperationsvereinbarung mit der städtischen Sozialverwaltung ermöglicht Straßenschule und Kinderdorf-Verein das Wohnprojekt in dem der Stadt Freiburg gehörenden Haus Schwarzwaldstraße 69. Das wurde während der vergangenen Monate hergerichtet — zum Teil vom städtischen Liegenschaftsamt (für 65 000 Euro), zum Teil von der Straßenschule ausgestattet (Böden, Bäder, Küchen). Die Wände in den drei Zimmern im ersten und in den vier Zimmern im zweiten Obergeschoss streichen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst. Sie können hier mit ihren Hunden wohnen und unterschreiben einen Nutzungsverstrag.
Er, erklärt Christoph Götz, regelt unter anderem: Gewalt, Dealen und illegales Mitwohnen sind verboten. Das Mietverhältnis ist auf ein Jahr befristet. Damit zusammenhängend soll es "eine gewisse Zielorientiertheit" (Götz) geben — was so viel heißt wie: Diese Unterkunft, begleitet von drei Sozialpädagoginnen und -pädagogen (die auch in der Anlaufstelle arbeiten werden) soll als ein Sprungbrett dienen, von der Straße weg zu kommen. Jedes der sieben Zimmer hat ein Waschbecken, auf beiden Stockwerken gibt es je eine Küche und einen Gemeinschaftsraum. Mehr als ein Wohnprojekt für sieben junge Frauen und Männer, meint Christoph Götz, nämlich: "Es ist für sie eine Möglichkeit."
19.3.2007, www.badische-zeitung.de

 

Beratung auf der Münstergasse durch Straßensozialarbeiter

"KontaktNetz — Straßensozialarbeit Freiburg Innenstadt" heißt ein Projekt, mit dem seit drei Jahren im Auftrag der Stadtverwaltung die Sozialarbeiterin Evi Jakob und der Sozialarbeiter Marc Disch Kontakt zu sozial benachteiligten, stigmatisierten Einzelnen und Gruppen suchen. Durch ihre regelmäßige Anwesenheit im öffentlichen und halböffentlichen Raum (zum Beispiel rund um den Hauptbahnhof) erreichten die Streetworkerin und der Streetworker bis Ende 2005 fast 650 Menschen in der Innenstadt. Nun verlagern sie ihre üblichen Beratungszeiten zum ersten Mal aus ihrem Büro heraus auf die Straße: Am Mittwoch, 7. Februar, sind sie zwischen 14 und 16 Uhr auf der Münstergasse ansprechbar. Dieser Standort ist auch mit der Geschäftsführung des Kaufhauses Breuninger abgesprochen, die das neue Angebot begrüßt.
6.2.2007, BZ


 

 

Ombudstelle für wohnungslose Menschen - Dieter Purschke

Als Ansprechpartner wird Dieter Purschke bei der neuen trägerunabhängigen Ombudstelle für wohnungslose Menschen seine Erfahrungen in Zukunft ehrenamtlich einsetzen. Dort sollen Betroffene über Schwierigkeiten reden können, die sie in Einrichtungen erfahren haben. Nach Einschätzung von Fachleuten gibt es derzeit in Freiburg zwischen 400 und 700 Menschen, die nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Sie leben auf der Straße, wohnen vorübergehend bei Bekannten oder nutzen Wohnheime oder fachlich begleitete Wohnformen. Die Zahl kann mangels Meldepflicht für Wohnungslose nur annährend beschrieben werden; sie wächst aber stetig, was die Mitarbeiter und die ehrenamtlichen Helfer in den Einrichtungen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit führt. "Die Betroffenen kommen aus allen sozialen Schichten. Nicht verkraftete Schicksalsschläge oder der Verlust des Arbeitsplatzes können die Wohnungslosigkeit auslösen" , erklärt Dieter Purschke. "Dazu kommt, dass die Stellen zunehmend von Menschen aufgesucht werden, die mit dem Arbeitslosengeld (Hartz IV) einfach nicht auskommen." Prekär sei, dass die Stadt wegen der Haushaltslage ihre Zuschüsse verringern muss, was dazu führen kann, dass Hilfestellen ihre Leistungen einschränken müssen.
Bei Dieter Purschke waren die Fäden des Hilfesystems zusammengelaufen, er war Ansprechpartner für andere städtische Behörden, für Betroffene, Einrichtungen der freien Träger und ehrenamtliche Initiativen. Von ihm begleitet haben die Akteure und die Stadt selbst das Hilfenetz in den vergangenen Jahren immer enger geknüpft, um es an die Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen. "Ich habe versucht, an den positiven Stärken von Menschen anzuknüpfen und sie in ihren Fähigkeiten zu selbstständiger und eigenverantwortlicher Lebensführung zu stärken, ihre Autonomie sollte gewahrt bleiben" , erklärt Dieter Purschke sein berufliches Selbstverständnis. Immer wieder habe er die Erfahrung gemacht, dass ein Mann oder eine Frau etwas anderes als gut empfunden hat als das, was er selbst für passend gehalten habe. Er hinterlässt noch ungelöste Herausforderungen: Die Zahl der wohnungslosen Menschen, die von Suchtmitteln abhängig und/oder psychisch krank sind, steigt, weswegen in Zukunft die verschiedenen Dienste stärker als heute zusammenarbeiten müssten. ....

Badische Zeitung Freiburg
29.12.2006, Badische Zeitung

 

Wärmestube in Neustadt muss wieder öffnen

Titisee-Neustadt Obdachlose haben in Neustadt keine Anlaufstelle mehr, seit die AGJ — wie bereits mehrfach berichtet — ihre Tagesstätte an der Schützenstraße aus Kostengründen geschlossen hat. Nun fordern die AGJ, Betroffene und soziale Dienste vom Landkreis die Förderung einer 40-Prozent-Stelle eines Sozialarbeiters für die Einrichtung eines Tagestreffs. An einem runden Tisch, zu dem vor kurzem Bürgermeister Armin Hinterseh geladen hatte, waren sich alle Beteiligten einig, dass man bis März versuchen will, das Problem Durchwanderer und Ortsarme konkreter zu benennen.

Die AGJ, die mit dem Hinweis auf die durch den Kreis nicht gedeckten Personal- und Sachkosten die Tagesstätte im Juli geschlossen hat, verweist auf eine "Stichtagserhebung" der Liga der freien Wohlfahrtsverbände, wonach die Wohnungslosigkeit deutlich gestiegen ist, andererseits aber Angebote fehlen, um von Armut betroffene Menschen rechtzeitig aufzufangen, bevor sie tatsächlich auf der Straße landen. "Die weggebrochene Hilfestruktur in Titisee-Neustadt ist auch in dieser Gesamtsicht kritisch zu beurteilen" , meint Hermann Assies, der Leiter der AGJ-Wohnungslosenhilfe im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Dass diese Angebote für Obdachlose in Neustadt fehlen, dafür sieht Bürgermeister Armin Hinterseh nicht zuletzt die AGJ in der Verantwortung, die aus Kostengründen ihre Struktur geändert habe. Allerdings, fasste Hinterseh das Ergebnis des runden Tisches zusammen, müsse man erst einmal beobachten, ob durch die Schließung der Tagesstätte für Wohnungslose in Neustadt tatsächlich "maßgebliche Probleme" auftauchen. Alle Teilnehmer der Gesprächsrunde, an der unter anderem die AGJ, die Betroffeneninitiative, Diakonie, Caritas und der AGJ-Förderverein Wohnungslosenhilfe beteiligt waren, seien sich einig gewesen, dass man sich im März erneut treffen sollte, um dann eine erste Bilanz zu ziehen.

"So richtig quantifizieren kann man das Problem der Durchwanderer nicht" , erklärt Hinterseh. In der Szene habe es sich schnell herumgesprochen, dass es in Titisee-Neustadt keine Anlaufstelle zur Auszahlung des Tagessatzes gebe. Die Möglichkeit, dass die Stadt die Fahrkarte zur nächsten Auszahlungsstelle im Unterland zahle werde, berichtete der Bürgermeister, "praktisch nicht in Anspruch genommen" .
Anders verhalte es sich bei den so genannten Ortsarmen. Hier, so Hinterseh, sei nach der Schließung der Tagesstätte "nicht auszuschließen, dass ein gewisses Problem besteht" . Dabei sei allerdings auch zu befürchten, dass man mit Angeboten wie einer Tafel die bedürftigen Menschen, die sich schämen, ihre Armut öffentlich zu bekennen, nicht erreiche. Mit dem Landkreis müsste man das Thema grundsätzlich diskutieren. "Die Stadt" , gab der Rathauschef zu bedenken, sei "nicht in der Lage, finanziell in die Bresche zu springen".
Die AGJ tritt jetzt für die Einrichtung eines Tagestreffs in Neustadt ein. "Aber" , erklärt Hermann Assies, "ohne fachliche Begleitung geht das nicht" . Daher beantragte der Caritas-Fachverband jetzt beim Kreis die Förderung für eine 40-Prozent-Sozialarbeiterstelle. Über den Antrag wird am kommenden Montag in der öffentlichen Sitzung des Kreistags entschieden. Unterstützt wird der Antrag von der "Betroffenen-Initiative Neustadt für Ortsarme und Wohnungslose" . Deren Sprecher Hannes Heusch meinte, die Initiative sei bereit, eine Wärmestube und Tagesstätte in Eigenregie mit einem Sozialarbeiter zu führen. In Offenburg werde dies schon seit zehn Jahren mit Erfolg praktiziert. "Unser Vorschlag wäre" , schreibt Heusch an Eva-Maria Münzer, die Sozialdezernentin des Landkreises, "die Stadt stellt die Räumlichkeiten kostengünstig zur Verfügung, ihr Amt stellt den Sozialarbeiter/in und wir machen den Rest" .
AGJ-Referatsleiter Thomas Rutschmann bekräftigt, dass durch den Wegfall der Tagesstätte "den Menschen in Titisee-Neustadt, die in einer Armutssituation leben, ein wichtiger Baustein in der sozialen Infrastruktur fehlt" . Den Bedarf für einen Aufenthalts- und Kommunikationsort sieht auch das Diakonische Werk, das in seiner Kaffee- und Kleiderstube im evangelischen Gemeindezentrum in Neustadt sehr intensiv mit dem Problem Armut konfrontiert wird. "Alles versuchen, dass wieder eine Tagesstätte entsteht" , will der Förderverein der AGJ-Wohnungslosenhilfe, bekräftigt die Vorsitzende Christel Oertlin. Für die bedürftigen Menschen vor Ort wie auch für die Durchwanderer werde dringend ein Ort benötigt, an dem sie ihresgleichen treffen und ohne Hemmschwellen ihre Probleme austauschen können. Zahlreiche Menschen, aber auch Betriebe und Geschäfte vor Ort seien bereit, eine derartige Einrichtung zu unterstützen und hätten dies in der Vergangenheit bereits mit Sach- und Geldspenden getan, weiß Christel Oertlin: "Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr Politiker des Problems annehmen."
15.12.2006, www.badische-zeitung.de

 

Schlimme Zustände im Übergangshaus Haslacher Strasse

Podiumsdiskussion der Freiburger CDU zur Wohnungslosenhilfe offenbart einige Rat- und Hilflosigkeit / Hauptproblem ist die Sucht

Für Unbedarfte ist die Wohnungslosenhilfe ein Aufgabengebiet, bei dem es darauf ankommt, ärgste existenzielle Not zu lindern, etwa mit günstigem oder gar kostenlosem Essen Hunger zu stillen, mit Kleidung ein menschenwürdiges Auftreten zu ermöglichen und im Winter mit einem Schlafplatz im Warmen Menschen vor dem Erfrieren zu bewahren. Mit solchen Angeboten stehe Freiburg vorbildlich da. Sagten jedenfalls einmütig Wolfgang Humpfer vom Stadtcaritasverband, Jürgen Kubzyk-Cavedon vom Diakonischen Werk, CDU-Stadträtin Ellen Breckwoldt und Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach bei einer Diskussion der Freiburger CDU im Dreikönigshaus.
"Einen weiten Satz nach vorne" habe die Stadt zuletzt mit dem Bau des Übergangshauses an der Haslacher Straße gemacht. Ausgerechnet dort herrschen jedoch gut ein Jahr nach der Eröffnung offenbar "schlimme Zustände" , die Sozialarbeiter, Hausmeister und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rat- und hilflos machen. Hierher kämen immer mehr Männer und Frauen, die extrem drogen- oder alkoholabhängig sind und durch ihr Verhalten andere Obdach-Suchende vom Schlaf abhalten, bedrohen oder sogar angreifen. "Ich war seit einer Woche nicht mehr dort, weil ich es einfach nicht mehr aushalte" , erzählte ein Besucher. Angestoßen hatte die Aussprache über dieses Dilemma Podiumsteilnehmer Horst Zahner — mit der Information, dass das Heim nur zu 20 Prozent belegt sei. Fragwürdig sei das angesichts dessen, dass die Stadt zwei Millionen Euro für den Neubau investiert hatte und dort mehrere Mitarbeiter beschäftigt.
Mit seinem Beitrag beendete Zahner, der seit zwei Jahrzehnten in der Freiburger Wohnungslosenhilfe tätig ist, den dreiviertelstündigen vom CDU-Kreisvorsitzenden Klaus Schüle moderierten Austausch von Freundlichkeiten. "Es kann so nicht weitergehen, man stelle sich vor, da kommt jemand, der nicht mehr bei Sinnen ist, und will im Haus übernachten. Wer wollte ihn wegschicken? Man riskiert aber damit, dass andere draußen bleiben." Zwar verbietet die Hausordnung den Konsum von Alkohol und Drogen in der Einrichtung, die Leute versetzen sich jedoch außerhalb in einen Rausch oder leiden in der Nacht unter Entzugserscheinungen. Eine Lösung des Dilemmas ist nicht in Sicht. Es soll jedoch versucht werden, so Wolfgang Humpfer, dass die Mitarbeiter künftig mit den spezialisierten Suchtberatungsstellen zusammen arbeiten. Generell seien diese Einrichtungen noch intensiver als bisher mit der Wohnungslosenhilfe zu vernetzen. "Wir sehen uns von immer jüngeren und immer schwerer abhängigen Menschen angelaufen" , schilderte Humpfer und gestand ein, dass er und seine Mitarbeiter angesichts dessen eine wachsende Ohnmacht fühlten. Die drückte auch der Sozialbürgermeister aus in seiner Antwort auf die Forderung, die Wohnungslosenhilfe von der geplanten Kürzung der städtischen Zuschüsse auszunehmen und sogar neue Stellen einzurichten. Eine Lösung hatte allein Horst Zahner parat. Die wachsende Drogen- und Alkoholabhängigkeit obdachloser Menschen sei Ausdruck dessen, dass viele einsam und ohne Perspektive seien. "Jede und jeder müssten sich deshalb ihren und seinen Nächsten zuwenden" , sagte er unter Beifall.
Silvia
Faler, 27.11.2006, www.badische-zeitung.de

 

 

Sankt Martin Haus in Müllheim - Wohnungslosenhilfe der Erzdiözese Freiburg

Wohnen ist ein Menschenrecht, die Art der Unterkünfte aber nicht immer menschenwürdig. Die Wohnungslosenhilfe in Müllheim hat auf Samstag, dem Martinstag, zum Kennenlernen ins Haus "Sankt Martin" in Müllheim eingeladen.

Leiter der Einrichtung in Müllheim — und als solcher zuständig für den ganzen Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald — ist Hermann Assies. Die Initiative für die Betroffenen leitet Ella Kapitza. Die AGJ-Wohnungslosenhilfe ist eine Einrichtung des Fachverbandes für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg.

Das Haus in Müllheim wurde 1993 eingerichtet, vor drei Jahren renoviert und "Sankt Martin Haus" getauft. Im Haus stehen derzeit fünf Einzel- und zwei Zweibettzimmer zur Aufnahme Obdachloser zur Verfügung. Sie können hier drei Monate, im Einzelfall auch länger, wohnen. Weitere sieben Plätze gibt es im Bereich "betreutes Wohnen" . Diese können für sechs bis acht Monate bezogen werden, informiert Hermann Assies. Eigentlich sind die Kommunen für die Unterbringung von wohnungslosen Menschen zuständig, aber es gibt immer Engpässe und besondere Einzelfälle.

Das "Platte-machen", wie Obdachlose das Schlafen im Freien nennen, ist vor allem in den kalten Wintermonaten ein Problem. Hermann Assies kennt derzeit zwei Männer, die nachts draußen schlafen, wobei einer ein Zimmer suche und von ihm vermittelt werde. Obdachlosen Menschen steht Sozialhilfe oder das Arbeitslosengeld II zu, das gleich hoch ist, nämlich 345 Euro im Monat. Für Wohnungen werden maximal 230 Euro Kaltmiete und Nebenkosten übernommen.

Einige Gäste informierten sich am "Tag der offenen Tür" über die Arbeit der Wohnungslosenhilfe. Im Vorjahr nutzten 1700 Menschen die Tagesstätten in Müllheim, Titisee-Neustadt und Breisach. Wohnsitzlos waren 2005 im Landkreis 478 Menschen, davon in Müllheim 159. Eine weitere Gruppe, nämlich 415 Personen, nimmt Hilfsangebote, wie die drei Tagesstätten oder in Breisach und Müllheim die Aufnahmehäuser und das betreute Wohnen in Anspruch. Von den 151 betreuten Menschen in Müllheim sind 115 Männer und 14 Frauen.

Sigrid Umiger , 14.11.2006, Badische Zeitung

 

Unbezahlbares Obdach

Wenn am Freitag die aktuellen Obdachlosenzahlen erhoben werden, wird sich - so befürchten die Wohlfahrtsverbände - der Negativtrend bestätigen: In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Obdachlosen um 50 Prozent gestiegen, bei Frauen sogar auf das Dreifache.  Gleichzeitig wird immer weniger in sozialen Wohnungsbau investiert,  günstiger Wohnraum ist immer schwerer zu finden. 

Und die Hilfsangebote werden gekürzt: Städte könnten so noch stärker unter Druck geraten. Einen "dramatischen Anstieg" obdachloser Frauen bemerkt Angelika Hägele von der Freiburger Anlaufstelle Freiraum, die speziell für Frauen gegründet wurde. Noch 1998, sagt ihre Kollegin Renate Lepach von Obdach für Frauen, habe es praktisch keine offene Frauenobdachlosigkeit gegeben. Nun machen Frauen ein Drittel aller Obdachlosen aus, in den Nachbarlandkreisen sind es ebenfalls deutlich mehr als früher.
Generell zeigt sich in der gesamten Region ein ähnliches Bild: Obdachlosigkeit ist in den vergangenen zehn Jahren stark angestiegen und stagniert derzeit auf einem Rekordniveau von mehr als 1000 Betroffenen zwischen Emmendingen und Lörrach (die Dunkelziffer soll mindestens noch einmal so hoch liegen). Das wird die jährliche Stichtagszählung, die am 29. September die aktuellen Zahlen bereitstellt, bestätigen. Aber die Zusammensetzung, so ein  Bericht der Stadt Freiburg, ändert sich signifikant: "Es fällt eine deutliche Zunahme bei jüngeren Frauen und jungen Männern auf." Landesweit stieg der Anteil der unter 30-Jährigen binnen weniger Jahre um die Hälfte an und liegt in Baden nun bei über 25 Prozent.   Zugleich stellen viele Unterkünfte fest, dass Obdachlose immer länger verweilen, ihrer Situation also schwerer entkommen.     
Die Gründe sieht etwa Stefan Heinz, Leiter des Lörracher Erich-Reisch-Hauses in der hohen Arbeitslosigkeit, und dem knappen Angebot an günstigem Wohnraum. Im Freiburger Sozialamt vermutet man auch noch den Verlust "tragfähiger Bindungen": Das soziale Gefüge wird brüchiger.
Solche Beobachtungen  können den  signifikanten Anstieg bei Frauen allerdings nicht erklären. Hier bedingen sich offenbar Angebot und Nachfrage in besonderem Maße. Früher hätten mehr Frauen   "verschämt" obdachlos gelebt, sagt Renate Lebach. Häufig gingen Frauen Beziehungen für Wohnraum ein, seien von Mann zu Mann gewechselt, dadurch häufig in sexuelle Abhängigkeit geraten oder Gewalt ausgesetzt gewesen.  Seitdem es mehr spezifische Hilfsangebote für Frauen gibt, werden diese nun auch stärker genutzt, trete Obdachlosigkeit offener zutage.
Zusätzlich verschärft werde die Situation durch jüngste Reformen: der Sozialgesetze, des Gesundheitswesens, der Landesverwaltung. Da Hartz IV den Druck, günstigen Wohnraum zu beziehen, allgemein erhöht hat, finden Obdachlose noch schwerer als bislang eine Wohnung. Und die Verbände fürchten wegen einfacherer Sanktionsmöglichkeiten steigende Zahlen bei Zwangsräumungen: 55 Prozent der Wohnungslosen sind Hartz IV-Empfänger. In Freiburg und Lörrach  sei dies jedoch nicht der Fall, so Arge und AGJ, die in der Erzdiözese Wohnungslosenhilfe anbietet. Nicht zuletzt, weil man sehr früh aufeinander zugegangen sei. Die AGJ etwa hat Delegationsvereinbarungen abgeschlossen: Sie stellt Hartz IV-Anträge für Wohnungslose und zahlt die Gelder auch selbst aus. Die Gesundheitsreform verschlechtere die ohnehin prekäre Situation vieler Obdachloser zusätzlich: Sie müssen bei Zuzahlungen und der Praxisgebühr in Vorleistung treten. Dafür aber fehlt ihnen meist das Geld. Befreit werden können sie erst, wenn sie mit Quittungen beweisen, dass ihnen gemessen am Einkommen eine Befreiung zusteht. Doch ordentliche Buchhaltung ist auf der Straße kaum möglich. Laut einer AOK-Studie sind Arztbesuche von Menschen mit einem Einkommen unter 1000 Euro im Monat um 20 Prozent zurückgegangen.
Seit Auflösung des Landeswohlfahrtsverbandes liegt die Finanzierung der Obdachlosenhilfe in den Händen der Kommunen und Kreise. Und die müssen sparen, besonders der ländliche Raum bekommt das zu spüren: Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald wurden die Mittel um 20 Prozent gekürzt, Einrichtungen mussten geschlossen werden, in diesem Jahr trifft es wohl noch eine Anlaufstelle in Neustadt. Unterstützung muss jetzt mit den Kreisen von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr verhandelt werden.
In Städten wie Freiburg, das bereits jetzt nach Stuttgart die höchste Obdachlosenquote im Land hat, reagiert man auf solche Veränderungen sensibel, schließlich sind Großstädte ein Anziehungspunkt für Wohnungslose. Weil sie auf dem Land eher auffallen und ausgegrenzt werden, suchen sie die Anonymität der Großstadt, so eine Analyse des Sozialamtes. Die Befürchtung: Der Druck auf die Städte werde weiter zunehmen.
raz/dz/jki, 24.9.2006, www.der-sonntag.de

 

Drei Ehrenamtler gesucht für Freiburger Obdachlose

Freiburg (gmk) Die Schätzungen, wie viele Menschen ohne Dach überm Kopf in Freiburg leben, reichen von einigen hundert bis zu gut tausend. Künftig sollen wohnungslose Frauen und Männer ihre Klagen und Beschwerden in einer eigenen Anlaufstelle vortragen können. Die Stadt Freiburg plant, eine Ombudsstelle für Wohnungslose einzurichten.

Drei Frauen und Männer soll das Kuratorium Wohnungslosenhilfe in diese Interessenvertretung berufen. Aufgabe und Ziel der drei Ehrenamtlichen: Beschwerden und Verbesserungsvorschläge aufgreifen, Wohnungslose beraten und bei Konflikten vermitteln, Schwierigkeiten dokumentieren und Probleme in der Struktur der Wohnungslosenhilfe an den entsprechenden Stellen zur Sprache bringen. Dabei sollen alle persönlichen Daten vertraulich behandelt werden.

Hintergrund des Vorstoßes aus dem städtischen Sozial- und Jugendamt ist die Erfahrung: Menschen ohne Wohnung stehen Hilfeangeboten aufgrund ihrer Erlebnisse mit ihnen bisweilen eher misstrauisch gegenüber. Um so größer sei der Bedarf für eine solche zentrale und unabhängige Ombudsstelle. Darüber hinaus, heißt es in einer Vorlage des Sozial- und Jugendamts für den Sozialausschuss des Gemeinderats (dem diese Vorlage während seiner jüngsten Sitzung indes noch nicht ausgereift genug erschien): "In der Auseinandersetzung mit der weit verbreiteten Neigung, wohnungslose Menschen auszugrenzen, soll die Ombudsstelle mit dem institutionalisierten Gremium ein Gegengewicht bilden." Sie soll Ende 2006/Anfang 2007 mit ihrer Arbeit beginnen. Bis dahin werden nun drei geeignete Frauen und Männer gesucht, darunter ein Betroffener, die drei Jahren ehrenamtlich arbeiten. Vorschläge für die Besetzung der Ombudsstelle an das Sozial- und Jugendamt unter Telefon 2013604 und 2013671.
25.7.2006, Badische Zeitung

 

Tagesstätte und Aufnahmehaus in Neustadt sind geschlossen

Lange war es befürchtet worden, alle Diskussionen haben bisher nichts gefruchtet: Seit 1. Juli haben die so genannten Durchwanderer keine Anlaufstelle mehr im Hochschwarzwald. Die Tagesstätte und das Aufnahmehaus der AGJ (Arbeitsgemeinschaft Gefährdetenhilfe und Jugendschutz) in Neustadt sind geschlossen. Nur noch an zwei Vormittagen in der Woche wird an der Schützenstraße eine Sprechstunde angeboten.

Das Aus für die Tagesstätte bahnte sich seit Monaten an. Zehn Jahre lang war das Haus an der Schützenstraße nicht nur Anlaufstelle für Obdachlose, sondern auch Treffpunkt für Arme und ehemalige Wohnsitzlose aus der Wälderstadt. Nachdem der Kreis seine Zuschüsse gekürzt hat, musste die AGJ in einem ersten Einschnitt die Tagesstätte für die so genannten Ortsarmen schließen. Inzwischen zeigte sich immer deutlicher, wie AGJ- Mitarbeiter Hermann Assies auf Anfrage erklärte, dass die Zuschüsse des Landkreises nicht ausreichen, um das volle Angebot an drei Standorten aufrechterhalten zu können. "Aus ökonomischen Gründen" musste man sich dazu entschließen, die Angebote der AGJ auf Breisach und Müllheim zu konzentrieren. In Neustadt wird nur noch donnerstags und freitags, jeweils von 9 bis 11 Uhr, die Fachberatung für Wohnungslose angeboten. Mit zu dieser Einschränkung beigetragen hat auch, dass die bisherige Hausleiterin Claudia Heuer ihr "Babyjahr" genommen hat und ihr Kollege Wolfgang Lipp seit 1. Juli in Müllheim tätig ist. Die Beratungen in Neustadt übernimmt Hermann Assies, der in der AGJ für alle drei Einrichtungen im Kreis verantwortlich ist.

Für die Obdachlosen gibt es im Hochschwarzwald derzeit keine zentrale Anlaufstelle mehr, wo sie sich ihren Tagessatz auszahlen lassen können. Auch die Möglichkeit einer "existenziellen Notversorgung" fehlt nun. Im Haus an der Schützenstraße konnten die Durchwanderer auch duschen, erhielten Lebensmittel und bei Bedarf auch Kleidung aus der Kleiderkammer. Eine neue Lösung für diese Versorgung und die Auszahlung des Tagesgeldes seien, so erklärte die AGJ, noch nicht ausdiskutiert. Landkreis, der Sozialausschuss des Kreistages, die sozialen Dienste im Hochschwarzwald, die Betroffenen-Initiative und der AGJ-Förderverein seien informiert. Mitte Juli ist eine weitere Sitzung geplant, in der neue Leistungsvereinbarungen zwischen Kreis und AGJ ausdiskutiert werden sollen. Auch Bürgermeister Armin Hinterseh wurde von den Kürzungen des AGJ-Angebotes informiert. Dabei habe man, erklärte Assies, die Einrichtung eines runden Tisches, der sich der Problematik der Wohnsitzlosen und auch der Ortsarmen annimmt, angeregt.

Durch die zahlreichen Gespräche und Diskussionen hofft der AGJ-Mitarbeiter, dass das Thema Obdachlose und Tagesstätte "auf die politische Tagesagenda kommt" . Für Assies selbst sind die Kürzungen des Angebots in Neustadt "eigentlich fachlich verkehrt" und er bestätigt im BZ-Gespräch: "Es ist klar, dass im Hochschwarzwald eine Tagesstätte benötigt wird." Er setzt darauf, dass durch die jetzt getroffenen Einschränkungen eine Vernetzung aller interessierten und zuständigen Institutionen und Dienste in Gang kommt und "etwas Neues entsteht" .

Obdachlose, Ehemalige und Arme werden sich künftig wieder in Titisee-Neustadt auf der Straße oder in den Parkanlagen treffen. Durchwanderer müssen sich ihren Tagessatz in Freiburg, Breisach oder Müllheim abholen. Eine Lösung für den Hochschwarzwald ist ebenfalls noch nicht ausdiskutiert, offen ist auch, wer bei Bedarf den Wohnungslosen eine Fahrkarte gibt, damit sie ins Unterland zu den Anlaufstellen kommen.

Grundsätzlich erklärt Martin Vogelbacher, der Sozialdezernent der Stadtverwaltung, sei die Auszahlung des Tagesgeldes Sache des Kreises, der dafür eine Lösung suchen müsse. Vor der AGJ habe diese Aufgabe das Rote Kreuz erledigt. Bei der Unterbringung von Obdachlosen sei die Stadt immer dann in der Pflicht, wenn der Bedürftige glaubhaft versichert, dass er sich in der Gemeinde dauerhaft niederlassen will. Einzelne Durchwanderer könnte die Stadt vor allem im Winter im eigenen Notquartier unterbringen

Thomas Winckelmann, 5.7.2006, www.badische-zeitung.de

 

Apostel der Obdachlosen: Hubert Damm im Ruhestand

Hubert Damm (links) verabschiedet sich,
Kabarettist Martin Schley moderiert die Feier.

Foto: Gerhard Lück

Kirchzarten. So bunt und vielfältig wie sein beruflicher Alltag in den 25 Jahren als Referent für Wohnungslosenhilfe und Hilfen für Langzeitarbeitslose bei der “AGJ — Caritas-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg” war, gestaltete sich auch sein Abschied aus dem aktiven Berufsleben. Der Kirchzartener Hubert Damm, von Weihbischof Bernd Uhl vor zwei Jahren zum “Apostel der Wohnungslosen” ernannt, musste aus gesundheitlichen Gründen seine “Freunde von der Straße” früher allein lassen, als er sich das gedacht hatte.

In einem Dankgottesdienst in St. Gallus mit Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Appel und mit einem bunten Fest ließen viele Weggefährten Hubert Damm spüren, wie wertvoll er ihnen in all den Jahren geworden war. Zum Abschied verteilte die Betroffeneninitiative des AGJ-Ursulaheims Offenburg eine Sonderausgabe ihres Straßenmagazins “Herbstwind” an die nahezu 200 Abschiedsgäste im Katholischen Gemeindezentrum in Kirchzarten, Damms Heimatpfarrei. Sehr klar beschrieben die Betroffenen, was ihnen Damms Arbeit bedeutet hat: “Der Lotse geht von Bord. Der Tanker muss alleine fahren. Das Steuer übernehmen andere. Er, der Tausenden geholfen hat, der Zahlen addiert, der Konzeptionen und Stellungnahmen geschrieben hat; der Aktenberge verarbeitet, Klamotten und Schuhe, Wäsche und Schlafsäcke organisiert hat, er geht. Er, der geführt, der getröstet hat, er geht. Nicht ganz freiwillig, aber er geht.”

Diese Hochachtung vor dem Lebenswerk von Hubert Damm brachte in seinem Dank auch der AGJ-Vorsitzende Kurt Lehr, der als Einziger “eine Rede halten durfte” , zum Ausdruck. Lehr zeichnete den beruflichen Werdegang des 57-Jährigen nach, der nach Stationen in Heidelberg und Bruchsal 1980 zur AGJ nach Freiburg kam. “Mit einer außergewöhnlichen Dynamik baute Hubert Damm das Referat Wohnungslosenhilfe aus” , erinnerte sich Lehr, “und dabei war uns im Vorstand nicht immer ganz wohl.” Damms große menschliche Nähe zu den Wohnungslosen und sein engagierter Führungsstil habe zum Erfolg der zahlreichen Wohnungs- und Arbeitslosenprojekte beigetragen. Er habe ein glückliches Händchen im Anwerben von Ehrenamtlichen und Ehemaligen gehabt. Bundesweit sei Hubert Damms Arbeit anerkannt worden, was sich in zahlreichen Vorstandsposten niedergeschlagen habe: “Sein Wort hatte in Fachkreisen Gewicht.” Hubert Damm übergebe das Referat an seinen Nachfolger Thomas Rutschmann in tadellosem Zustand: “Sie sind ein Mitarbeiter, den man nicht gerne verliert und haben ein bemerkenswertes Kapitel AGJ-Geschichte geschrieben.” In der für ihn kennzeichnenden klaren Art brachte Hubert Damm sein Wirken auf den Punkt: “Ich war der Motor, der was in Bewegung gebracht hat. Um mich herum haben viele engagiert mitgearbeitet.” Dass es nicht immer einfach war, gegenüber dem eigenen Verband, aber auch den Behörden und Politikern, seine Visionen einer gerechten Gesellschaft durchzusetzen, verschwieg Damm nicht: “Niederlagen gehören im Leben zur Reife dazu.” Sein Erfolgsrezept beschrieb er so: “Ich habe immer das Ohr an der Straße gehabt.”

Ein buntes musikalisches und kabarettistisches Programm von Wegbegleitern aus den AGJ-Einrichtungen und aus der Caritas schloss sich an. Martin Schley, Freiburger Kabarettist und Kleinkünstler ohne Berührungsängste zur Wohnungslosenhilfe, war das verbindende Element der Abschiedsfeier. Sehr persönliche Dank- und Sympathiebekundungen löste seine Aufforderung, Hubert Damm “ein Wort” zu sagen, aus. Und der Schlusschor aller Gäste auf der Bühne mit Schley als Dirigent war das geglückte “Amen” unter ein von großer Menschlichkeit geprägten Caritas-Berufsleben. Beim Black-Forest-Ultra-Bike-Marathon des SV Kirchzarten wird sich Hubert Damm auch weiterhin ehrenamtlich engagieren.

Badische Zeitung Freiburg
Gerhard Lück, 13.4.2006 auf www.badische-zeitung.de


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