Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Agrotreibstoffe - Biotreibstoffe
im Breisgau und Hochschwarzwald
  

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Biotreibstoffe, Biodiesel, Agrotreibstoffe, Bio-Benzin, ...

Blick vom Lindenberg über Dreisamtal Eschbachtal(rechts) und Rheintal zu den Vogesen am  27.12.2007
Blick vom Lindenberg über Dreisamtal Eschbachtal(rechts) und Rheintal zu den Vogesen am  27.12.2007

 

Nachhaltigkeitskriterien für Biodiesel in der EU ändern

Im Auftrag der EU-Kommission hat der Forscher David Laborde vom International Food Policy Research Institute in Washington eine Studie über den Verdrängungseffekt der Biodieselproduktion erarbeitet. Ursprünglich sollte der Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen drei Probleme auf einmal lösen: Er sollte die Abhängigkeit vom Öl verringern, den Klimawandel mildern und Europas Bauern eine neue Einkommensquelle erschließen. Nun zeigt sich, dass die Verlagerung auf Biodieselproduktion – nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, Argentinien oder Brasilien – die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lässt und naturbelassene Flächen auffrisst. Die Bauern versuchen die steigende Nachfrage dadurch zu befriedigen, dass sie Regenwaldflächen roden oder Savannenland umpflügen – mit verheerenden Folgen für Klima und Natur. Diese Entwicklung führt nach Labordes Berechnungen dazu, dass in den nächsten zwanzig Jahren die klimaschädlichen Auswirkungen von Biodiesel genauso gravierend sind wie die von Rohöl. Wenn die EU-Kommission die Ergebnisse der Laborde-Studie und die wachsende Kritik von Umweltexperten Ernst nimmt, muss sie die Nachhaltigkeitskriterien für Biodiesel ändern. Damit könnte das Ziel, bis 2020 zehn Prozent Biosprit zu verkaufen, in Gefahr geraten, da nicht genug Sprit hergestellt werden kann, der den strengeren Kriterien genügt.
Alles von Daniela Weingärtner vom 29.6.2011 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/nicht-jeder-biodiesel-hilft-der-natur--46869362.html

 

E10: Wie Umwelt-Guru Al Gore zum Biosprit-Gegner wurde

Die deutsche Debatte um das E10-Benzin hat einen Vorläufer: Jahrelang trommelte der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore für Biosprit. Doch dann vollzog er plötzlich eine radikale Kehrtwende - aus einleuchtenden Gründen. .....
Es scheint fast so, als ob der Klimaschützer Al Gore, der einst Präsident der USA werden wollte, mit dem Biosprit auf Maisbasis nicht allein einen neuen Feind gefunden hat. Lediglich Biosprit der zweiten Generation, also aus Klärschlamm, Stroh oder anderen organischen Abfällen, befürwortet er nun. So wie Indiens Regierung: Sie verfolge eine Politik, wonach Ethanol nur aus den Abfallprodukten von Lebensmitteln hergestellt werden dürfe, "zum Beispiel aus Melasse, einem Nebenprodukt von Zuckerrohr", sagt die Umweltaktivistin Sunita Narain. "Damit wird der Anbau von Gemüse und Getreide nicht verdrängt." Ob überhaupt und wie glaubwürdig Al Gore den Kampf dieses Mal führen kann, wird sich zeigen. .... Alles von Yasmin El-Sharif vom 7.3.2011 bitte lesen auf
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,749482,00.html
 

Keine Biospritpflanzen auf unseren Äckern
Die Ursachen der steigenden Nahrungsmittelpreise sind vielseitig, und nicht alles ist vom Menschen zu beeinflussen. Einen Unsinn könnten wir in Deutschland sofort ausrotten. Es müsste verboten werden, dass auf wertvollen Ackerböden, und auch noch mit Subventionsgeldern, Pflanzen für Biosprit und Biogas angebaut werden. Mehr Weizen, Hafer, Dinkel und Gerste auf unseren guten Böden wäre ein wertvoller, wenn auch bescheidener, Beitrag gegen die Nahrungsmittelknappheit. Vielleicht könnte man dann auch wiedermal den Gesang einer Lerche hören, wenn man mit dem Rad im Breisgau oder im Markgräflerland unterwegs ist. Effektiver als Super E10 ist allemal im Monat 100 Kilometer weniger mit dem eigenen Auto zu fahren.  
9.3.2011, Gerhard Mühl, Freiburg

 

Weltagrarbericht 2008 = Hermann Scheer 2000

Liebe Mitglieder, FreundInnen und GönnerInnen,
bei unserem 2. Aschermittwochsgespräch im Jahr 2000 hat der in dieser Woche verstorbene MdB
Dr. Hermann Scheer die Revitalisierung der Landwirtschaft mit regionalem Vermarktungsvorrang gefordert. Damit meinte der Träger des Alternativen Nobelpreises mehr als nachwachsende Rohstoffe produzieren. Wir fügen zur Erinnerung an diesen politischen Querdenker deshalb die damaligen Presseberichte bei. Wie eine Welt ohne Atomkraft und Öl in Kürze machbar wäre, hat er in seinem soeben erschienenen Buch "Der energethische Imperativ" als Aufforderung hinterlassen.

Weltagrarbericht fordert Landwirtschaft mit Faktor 5
Was Hermann Scheer vor 10 Jahren uns gesagt hat, haben 8 Jahre später über 500 Experten im Weltagrarbericht konkretisiert. Bei unserem Erntedankgespräch hat Benny Härlin uns die Einsichten vorgestellt und erklärt. Dass mit dem Trend zur Industrialisierung der Landwirtschaft mit Gentechnik als Speerspitze die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung nicht zu sichern ist, ist mutig und sollte Schwarzwaldbauern aufhorchen lassen. Dass Länder und Konzerne, die das Heil im Weltagrarhandel suchen und propagieren, in dem kein Schwarzwaldbauern durchhalten kann, aus dem von UNO und Weltbank initiierten Prozess ausgestiegen sind, zeigt das agrarpolitische Spannungsfeld.

Die Botschaften des Weltagrarberichtes sind kurz zusammengefasst:
1. Problemorientiert - weil die Schere zwischen Hungernden und Fettleibigkeit sich öffnet.
2. Kleinbauern sind entscheidend - denn 40 % der Weltbevölkerung sind Bauern - davon 85 % mit
    weniger als 2 ha
3. Frauen machen den Unterschied - denn sie verrichten 70 % der landw. Arbeiten
4. Eine Agrarökologische Revolution mit weniger Energieeinsatz pro erzeugter Kalorie (Faktor 5)
   - wodurch auch Grünland seine Rolle als Erweiterung der Nahrungsbasis wieder bekäme.
5. Multifunktionalität - weil es nicht nur auf die Produktion ankommt, sondern auch auf die damit
    zusammenhängen Dienstleistungen für unser Ökosystem.
6. Mehr öffentliche Forschung mit bäuerlichem Wissen statt industriebezahlter Agrarforschung
7. Ernährungssouveränität - denn je näher Bauer am Konsument - umso besser für beide Seiten


Die deutsche Broschüre über den Weltagrarbericht ist bei der Kontaktadresse erhältlich.
Termine Pro Schwarzwaldbauern:
Sonntag 31. Oktober 2010 von 10 bis 17 Uhr - 43. Weckelweiler Gespräch in Kirchberg/Jagst
"Das Humussphärenkonzept - ein zukunftsweisender Ansatz zu Verständnis und Arbeit nach den Naturgesetzen" mit dem Bodenforscher Herwig Pommeresche aus Oslo, der tags zuvor die Raoul France-Medaille erhält. Weitere Auskunft und Anmeldung bei der Kontaktadresse.

Mittwoch 10. November 2010 um 20:00 Uhr im Freizeitheim Altenburg in Tennenbronn
"Welche Zukunft haben Bauern im Schwarzwald? - Visionen eines Außenstehenden"
Mit dem Landschaftsentwicklungsverband Mittler Schwarzwald haben wir dazu Res Thomet vom Wohn- und Werkheim Dietisberg bei Basel eingeladen. Die Teilnehmer unserer Exkursion haben ihn erlebt und sind von seinem Wirken und seinen Vorstellungen und Visionen begeistert. Die Veranstaltung verspricht regionalwirtschaftliche und soziale Impulse für die Bauern im Schwarzwald.

Herzliche Grüße Siegfried Jäckle, Forum Pro Schwarzwaldbauern e.V.,
18.10.2010, spittelhof@t-online.de


 


 
Die Post-Erdöl-Gesellschaft - sugar economy

Vortrag und Diskussion mit Camila Moreno, Terra de Direitos (Brasilien)
Eine Veranstaltung auf englisch und deutsch
Donnerstag,  11. Dezember, 19h, Caritas International, Karlstr. 40
nächste Strassenbahnhaltestelle: Linie 2 - Tennenbacherstrasse
Es laden ein: Caritas International, Umwelt- und Projektwerkstatt e.V., Kooperation
Brasilien e.V. und Aktive der Initiative "Energie-Hunger - NEIN Danke!"

 
Dass Agrotreibstoffe keine Lösung für die zuspitzende Energie- und Klimakrise sind, ist mittlerweile vielen Menschen bewusst. Die destruktiven Auswirkungen auf der ganzen Welt sind für viele spürbar:
Landvertreibungen, Regenwaldzerstörung, Nahrungsmittelkrise und unmenschliche Arbeitsbedingungen.
Trotzdem wird der Anbau und der Konsum von Energiepflanzen weltweit massiv ausgeweitet. In Deutschland werden beispielsweise Rekordmengen an Palmöl aus subtropischen Gebieten in BHKWs verbrannt.
Die Agrotreibstoffe sind jedoch nur die Spitze des Eisberges einer weltweiten Umstellung auf pflanzliche Produkte, um Erdölprodukte zu ersetzen. Die «Zuckerwirtschaft » oder «sugar economy» soll die kriselnde Wirtschaft der fossilen Brennstoffe ablösen. Dies wird sich noch wesentlich dramatischer auf die Verteilung von Nahrungsmitteln, Klima, Land, Wasser und Biodiversität auswirken, als derzeit die
Agrotreibstoffe. Welche Maßnahmen sollten zivilgesellschaftliche Organisationen und soziale Bewegungen in diesem Kontext ergreifen? Wie könnten diese Entwicklungen aufgehalten werden? Wie können die Ansätze einer wahren klima- und sozialgerechten Post-Erdöl-Gesellschaft aussehen? Über diese Fragen wollen wir am Donnerstag den 11. Dezember mit der Forscherin Camila Moreno von der NGO Terra de Dereitos aus Brasilien diskutieren. Camila kommt zu uns direkt aus Poznan in Polen, wo zur Zeit die UN Klimakonferenz stattfindet und kann aus den aktuellen Diskussionen rund um diese Fragen berichten.  
11.12.2008, Caritas International und die Umwelt- und Projektwerkstatt e.V.

 

CO-Bilanz von Agrosprit ist oft negativ

Systemwechsel bitte, nicht Treibstoffwechsel!

Von wegen Biosprit! Der Inhalt der Diskussion war Bioenergie (oder besser Agro-Energie). Das ist ein bedeutender Unterschied. Wenn schon aus Pflanzen Energie gewonnen werden soll, dann soll doch bitte auch eine effiziente Verwendung dafür gesucht werden. Wenn aus Pflanzen Biogas (Hauptthema in der Diskussion) hergestellt wird, so wird wenigstens die aktuell effektivste Methode gewählt. Mit dem Begriff Biosprit wird vor allem versucht, das Autofahren CO-neutral darzustellen, was es leider auch mit Agro-Sprit mitnichten ist. Die CO-Bilanz ist oft negativ. Extremfall:
Bei Palmöl aus Indonesien muss man zirka 500 Jahre mit diesem Öl Autofahren, bis die Bilanz wieder ausgeglichen ist. (Für Palmölplantagen müssen dort tropische Torfwälder weichen). Das kann nicht die Lösung im Kampf gegen den Klimawandel sein! Wir brauchen einen Systemwechsel, keinen Treibstoffwechsel!
BZ-Leserbrief vom 15.10.2008 von Sabrina Schleier, Freiburg

 


Konfliktherd Agrartreibstoffe - aufgereizte Atmosphäre

Am Dienstag, den 7. Oktober 2008 um 19:30 Uhr laden die Freiburger Initiative "Energie-Hunger -- NEIN Danke!" und das Eine Welt Forum Freiburg zu der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung
"Eine aufgeheizte Atmosphäre: Konfliktherd Agrartreibstoffe" im Vorderhaus in der Fabrik (Habsburgerstraße) ein. Zu Gast sind Sophia Monsalves von Fian International aus Heidelberg und
Susann Reiner vom Regenwald-Institut e.V. in Freiburg.

Sie berichten über die Situation in den Anbauländern (Waldzerstörung, Vertreibung, Agrarpolitik, Arbeitsbedingungen) und diskutieren die ökologischen und sozialen Implikationen des Anbaus von Agrartreibstoffen. *Seit Jahren setzen Länder wie Brasilien, die USA oder Indonesien auf den
Anbau von Energiepflanzen, aus denen Treibstoffe gewonnen werden. Sie können dem mineralischen Diesel und Benzin zugesetzt werden. Die Beimischungsverordnungen in den Industrieländern sorgen für eine ansteigende Nachfrage nach Agrartreibstoffen, die häufig auf ökologisch sensiblen oder intakten Naturflächen in Entwicklungsländern angebaut werden. Die teils enormen ökologischen und sozialen Folgen des Anbaus und Handels mit diesen aufwändig erzeugten Energieträgern sind in der
öffentlichen Debatte um Energiesicherheit bislang weitgehend ignoriert worden. Die Veranstaltung greift diese Thematik auf und stellt sie nach den einführenden Informationen der ReferentInnen zur Diskussion.
6.10.2008. EineWelt Forum Freiburg

 

BBL, BLHV, Germanwatch: Lieber kein Kraftstoff aus Mais
  Die Erzeugung von Biosprit ist teuer, bringt für die Umwelt aber relativ wenig / Junge Bauern diskutieren Folgen der Globalisierung

Jahrelang war die Erzeugung von Getreide ein Zuschussgeschäft. Das hat sich gründlich gewandelt. Der Erlös für Brotweizen hat sich gegenüber 2005 mehr als verdoppelt, auch die Preise für Mais und Raps sind nach oben geschossen. Der Grund liegt in der Knappheit dieser Stoffe, ausgelöst durch Missernten in Übersee und die wachsende Nachfrage nach Bioenergierohstoffen. Weltweit forcieren Regierungen diese Technologien, weil sie sich einen Beitrag zum Klimaschutz erhoffen und die Abhängigkeit von den immer teureren fossilen Brennstoffen verringern wollen. Bis zum Jahr 2015 sollen in Deutschland beispielsweise flüssige Treibstoffe mindestens acht Prozent Biosprit enthalten, auf EU-Ebene wird sogar ein Beimischungsanteil von 20 Prozent diskutiert. Die Nachfrage nach nachwachsenden Energiestoffen erreicht auch die Landwirte in Baden-Württemberg. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes haben im Vorjahr schon 2700 Betriebe auf einer Fläche von 4100 Hektar Mais für Biogasanlagen angepflanzt. Auch der Bund Badischer Landjugend (BBL) und die Arbeitsgemeinschaft Junger Bauern im Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband setzen sich mit der Entwicklung auseinander, offensichtlich sehr differenziert und kritisch und mit Blick auf die Folgen für die globale Landnutzung. Dies zeigte eine Diskussion mit Dörte Bernhardt, Vorstandsmitglied von Germanwatch, in Kirchzarten. Germanwatch setzt sich dafür ein, dass sich weltweit nachhaltige Wirtschaftssysteme entwickeln, in denen die Akteure ökologisch, sozial und ökonomisch sinnvoll handeln. Die Chemieingenieurin war bis 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Enquetekommissionen "Schutz der Menschen und der Umwelt" und "Globalisierung der Weltwirtschaft" des Bundestages und arbeitet derzeit als Dozentin an der TU Kaiserslautern.

In Kirchzarten informierte sie über den Stand verschiedener technischer Verfahren, aus Agrarrohstoffen Energie zu gewinnen, und deren Öko-Bilanz, wobei die Erzeugung von flüssigem Kraftstoff (BtL-Kraftstoff) und Bioethanol der Schwerpunkt waren. "Die Erzeugung von Agrarkraftstoffen sollte eher nicht weiterverfolgt werden, weil die Kosten sehr hoch und günstige Umwelteffekte relativ gering sind" , sagte sie. Wenn in Südamerika beispielsweise für den Anbau von Zuckerrohr Regenwald gerodet würde, kehre sich die CO-Bilanz sogar ins Negative um. Eingerechnet werden in die Bilanz müssten auch der Energiebedarf für den Anbau und vor allem der Verbrauch von mineralischen Düngemitteln, die unter einem hohen Energieeinsatz hergestellt werden.
Abgesehen davon sei fraglich, ob überall in der Welt gewisse soziale Grundstandards, etwa hinsichtlich des Arbeitsschutzes, eingehalten werden. Inakzeptabel sei zudem, wenn in armen Regionen Nahrungsmittel knapp werden, weil die Landbesitzer nun eben vorrangig die Nachfrage der Industrieländer nach Energie befriedigen. Abgesehen davon befürchtet Germanwatch, dass der Anbau von Agrarkraftstoffen zum Einfallstor für gentechnisch veränderte Pflanzen werden könnte oder die Böden auf Dauer verarmen.
Wenn Mais für die menschliche Ernährung angepflanzt wird, verbleibt das Stroh auf dem Acker und wird zu Humus umgesetzt, wenn Mais hingegen zur Herstellung von flüssigem Kraftstoff geerntet wird, räumt der Landwirt die gesamte Grünmasse vom Feld. Dörte Bernhardt ist überzeugt, dass weltweit alle erdenklichen Verfahren — die eher günstigen ebenso wie die eher ungünstigen — praktiziert werden. Germanwatch lehne eine gesetzliche Beimischungsquote entschieden ab, weil diese nur durch Importe zu erfüllen sei. "Es gibt aber noch keine Zertifizierungssysteme, wonach die Akteure entscheiden könnten, unter welchen Bedingungen der Agrosprit erzeugt wurde" , gab sie zu bedenken. Beispielsweise sei es vorteilhafter, Ethanol aus Zuckerrohr oder Zuckerrübe herzustellen als aus Weizen oder Kartoffeln und auch günstiger als die Herstellung von Biodiesel aus Rapsöl. Ihre Ausführungen stimmten die Landwirte nachdenklich. Das ist auch das Ziel von BBL-Geschäftsführer Stefan Vogel und der AG Junger Bauern. "In Zukunft geht es um wirkliche Knappheit auf den Lebensmittelmärkten und noch stärker als heute müssen wir Verantwortung für den Umweltschutz übernehmen, und zwar global. Wir hier in Deutschland können nicht mehr sagen, es geht uns nichts an, was sonst in der Welt passiert" , sagte er.

Energie vom Acker
2006 sind bundesweit knapp zwei Millionen Tonnen Weizen und Mais und damit vier Prozent der Jahresernte in die Produktion von Ethanol geflossen, bei Raps endet drei Viertel der Erntemenge als Treib- oder Schmierstoff. Auch die Verwertung von Mais oder Getreide in Biogasanlagen greift um sich. In Forchheim besteht seit anderthalb Jahren eine Anlage mit einer Leistung von 1,8 Kilowattstunden. Die Badenova plant ebenfalls solche Investitionen. Im Vorjahr wurde in Baden-Württemberg zur Deckung des Bedarfs der bestehenden Biogasanlagen eine Fläche von insgesamt 41 000 Hektar Fläche beansprucht, was einem Viertel der gesamten Silomaisanbaufläche entspricht.

Silvia Faller , 12.3.2008, BZ

 

Palmölanbau - Zerstörung der Regenwälder und Landwirtschaft

Montag, den 3. März 2008 um 19 Uhr
Großer Saal von Caritas international, Karlstraße 40, 79100 Freiburg
Bauern auf der Palme
Zerstörte Regenwälder - Prekäre Plantagenarbeit - Nachwachsende Monopole
Umweltaktivisten aus Indonesien berichten über lokale Konsequenzen des globalen Agrartreibstoffbedarfs
 
Feri Irawan von WALHI (Indonesian Forum for Environment) / Indonesien
Nordin, Gründer von Save Our Borneo (SOB) / Indonesien
Einführung: Wolfgang Hees, Caritas International
Moderation: Martina Backes
 
Die Nachfrage nach billiger Biomasse zur Erzeugung von Strom und Agrartreibstoffen hat weltweit zugenommen. Deutschland ist dabei: Hiesige Kraftwerke verheizen fast eine Million Tonnen asiatisches
Palmöl, das zugleich ein begehrter Rohstoff für die Produktion von Pflanzendiesel ist. Ehrgeizige Beimischungsziele der EU verstärken diese Entwicklung. Allerdings ist dieser "erneuerbare" Treibstoff nur konkurrenzfähig, wenn das Palmöl möglichst billig produziert wird. In Malaysia und Indonesien wird die Ölpalme in agroindustriellen Plantagen angebaut. Profitabel ist der Palmölanbau insbesondere dann, wenn er subventioniert wird oder die Plantagenbetreiber durch die Rodung von Regenwäldern am Tropenholz zusätzlich verdienen. Daher beanspruchen sie für die Ausdehnung ihrer Anbauflächen gerne die verbleibenden Regenwälder. Der Energiebedarf des Nordens für Verkehr und Industrie unterstützt so die Abholzung der Wälder in den Tropen, wo die Ölpalme wächst. Indonesien bezahlt seine Weltmarktstellung als aufstrebender Palmöllieferant mit der Zerstörung von Wäldern, die indonesische
Bevölkerung mit dem Verlust von Nutzungsrechten, Vertreibung und sozialer Unsicherheit. Die Biodiversität geht verloren, Wasser wird verknappt, infolge von Waldbränden und Pestiziden steigen die
Treibhausgase an statt abzunehmen: die ökologischen Konsequenzen des Palmölanbaus bewirken offensichtlich das Gegenteil der erhofften Lösung von Energie- und Klimaproblemen. Darüber hinaus schafft der Plantagenanbau vor allem für die lokale Bevölkerung zusätzliche Probleme und verletzt ihre sozialen und ökonomischen Menschenrechte.  

"Ein Leben in einer gesunden Umwelt ist ein Menschenrecht". Mit diesem Motto wendet sich das Indonesische Umweltforum Walhi gegen große Konzerne und machtvolle Akteure, die auf Sumatra Kleinbauern vertreiben, Regenwald zerstören, prekäre Arbeitsverhältnisse schaffen und neue Monopole aufbauen. Walhi wurde 1980 von zehn Umweltgruppen gegründet und ist heute mit zirka 450 Mitgliedsorganisationen das größte Netzwerk von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen Indonesiens. Feri Irawan, der Leiter von Walhi, kämpft auf Sumatra gegen den illegalen Holzeinschlag und gegen Palmölkonzerne. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass mehrfach illegaler Holzeinschlag in Sumatras Regenwäldern aufgedeckt und von Gerichten verfolgt wurde. Jüngst hat er in der Provinz Jambi gemeinsam mit Kleinbauern erstritten, dass ein großer Konzern Land an die Bauern zurückgeben musste.  

Save our Borneo (SOB) engagiert sich dafür, dass Verhältnisse in Kalimantan zu Gunsten der Bevölkerung verändert werden. Die UmweltaktivistInnen von SOB entwickeln Strategien, wie die natürlichen Ressourcen Borneos nachhaltig und im Sinne der Menschenrechte genutzt werden können. Nordin, Koordinator von SOB, sagt: "Allen Menschen muss die Freiheit gegeben werden, wählen zu können, welche Art von Entwicklung sie wollen. Die Menschen haben ein Recht darauf, ´NEIN!´ sagen zu können, wenn sie mit einem Entwicklungsprogramm nicht einverstanden sind."
 
Infos in Freiburg bei Martina Backes, iz3w, Telefon: 0761 - 74003
E-Mail: redaktion@iz3w.org
Infos über Hintergründe bei: Rettet den Regenwald e. V.,
info@regenwald.org, www.regenwald.org
 
Eine Veranstaltung von: Caritas international, Eine Welt Forum Freiburg, Informationsstelle Peru, informatinszentrum 3. welt, KoBra, Regenwald Institut, Rettet den Regenwald e.V.
29.2.2008

 

Agrar-Treibstoff in großem Stile ist unökologisch

Mit einer ungewöhnlichen Abendveranstaltung will die Umwelt- und Projektwerkstatt auf ein nur scheinbar fern liegendes Problem aufmerksam machen: "Bio oder Business — über den Wahnsinn des Geschäfts mit Agro-Treibstoff" steht als Titel über einem Abend in der KTS, der mit einem Essen in der Volksküche startet, dann einen Vortrag bietet — plus Diskussion. Julia Littmann sprach mit der Botanikerin — Themenschwerpunkt Ökologie — Susann Reiner, die als Referentin des Freiburger Regenwald Instituts auftritt.

BZ: Was als Bio-Treibstoff gepriesen wird, ist nicht ohne ökologischen und sozialen, also auch politischen Zündstoff — wieso?
Susann Reiner: So wie Agro-Treibstoffe in großem Stile vor allem in tropischen Ländern produziert werden, ist es unökologisch — und die angebliche Nullsummenrechnung geht nicht auf. Die Behauptung ist ja, dass Treibstoffe aus pflanzlichen Bestandteilen regenerativ sind, weil man sie einfach anbaut und verbrennt. Das gilt aber wirklich nur für ganz kleinteilige regionale Pflanzung und Nutzung. Wo für riesige Monokulturen oft sogar abgeholzt und immer großflächig angebaut wird, kommen ja erst schon mal herkömmliche Treibstoffe allein für den Anbau zum Einsatz, außerdem Unmengen Dünger und Pestizide.
BZ: Agro-Treibstoffe sind aber ein Wachstumsmarkt — was muss sich also ändern?
Reiner: Bislang gibt es keinerlei Anzeichen, dass der Energieverbrauch in Industrienationen und Schwellenländern reduziert wird. Es gibt in dieser Richtung auch keinen politischen Willen und entsprechend auch keinen Druck. Dabei wäre die Einsparung von Energie ein wichtiger Bestandteil einer Verbesserung. Außerdem ist es natürlich sinnvoll auf grundsätzlich regenerative Energien wie Wind und Sonne zu setzen. Die Agro-Energien jedoch sind nur dann regenerativ, wenn sie kleinflächig und nachhaltig erzeugt und regional verbraucht werden.
BZ: Was genau schädigen Monokulturen?
Reiner: Das lässt sich gut an einem Beispiel sehen — einem von vielen. In Indonesien wird auf einer Fläche, die etwa so groß ist wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen, die Ölpalme angebaut. Die ist sehr ertragreich und wird für "Bio-Diesel" eingesetzt. Dafür werden die Kleinbauern von den bislang von ihnen bewirtschafteten Flächen verdrängt, die Versorgung vor Ort wird schwieriger und teurer — und vom Pestizid- und Düngereinsatz für den Ölpalmenanbau ist das Grundwasser extrem belastet.
BZ: Hat diese Entwicklung irgendwas mit Mitteleuropa zu tun?
Reiner: Ja. Und auf längere Sicht immer deutlicher. Sogar die Beschädigungen in den Wasserkreisläufen werden auch uns treffen. Nichtregierungsorganisationen kurbeln seit Jahren sehr gegen diese Entwicklung an, aber bislang halten Agrar- und Industrielobbys kräftig dagegen. Das Regenwald Institut versucht, hier und vor Ort aufzuklären und unterstützt Veränderungen. Und der Einzelne hier kann sich erstens kundig machen und zweitens wieder und wieder: Energie sparen.
"Bio oder Business" , Mittwoch, 30. Januar, 20 Uhr im Café Révolté, KTS, Baslerstr. 103,

 

Bio oder Business? Der Wahnsinn des Geschäfts mit Agro-Treibstoff
 
Mit Susann Reiner des Regenwaldinstituts Freiburg, AktivistInnen aus dem Vorbereitungskreis zum Klima Aktionscamp 2008 und einem Filmemacher von cine rebelde
 
Vor einigen Wochen wurde mit Gästen aus Wirtschaft und Politik die erste Bioethanol Tankstelle des Freiburger Mineralölunternehmens Extrol am Güterbahnhof feierlich eröffnet. Vertreter aller regionalen Medien waren vor Ort und haben den Werbeslogan von Extrol kommentarlos übernommen: "Umwelt schonen -- CO2 neutral Autofahren". Angeblich um der Energieversorgungskrise und dem Klimawandel entgegen zu wirken, haben die USA, die EU und weitere Industrieländer Richtlinien und minimale Ziele für die Beimischung von "Biotreibstoffen zum Sprit festgelegt. Die plötzliche und gewaltige Nachfrage nach Feldfrüchten wie Mais, Zuckerrohr oder Weizen, die zu Ethanol destilliert und Ölfrüchten wie Soya, Ölpalmen und Canola, die zu "Biodiesel umgewandelt werden, hat einen riesigen, boomenden Markt entstehen lassen. Dieser Markt bezieht seine Ressourcen hauptsächlich in den tropischen Gebieten,
jenseits der europäischen Grenzen. Doch die Behauptungen "Bio"-Kraftstoffe seien eine Lösung für den Klimawandel oder würden neue Möglichkeiten für arme Länder anbieten, entpuppen sich derzeit zunehmend als zynische Heuchelei. Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass sie die Klimakrise und die sozialen Missstände weltweit verschärfen werden. Die Vorsilbe "Bio", die vom griechischen Wort "Leben" stammt, ist völlig unangebracht für eine solche Zerstörung von Leben. Agrotreibstoffe ist ein viel zutreffenderes Wort um das zu beschreiben, was tatsächlich passiert:  Weltweite Landenteignungen in einem beispiellosen Ausmaß. Millionen Menschen werden oder sollen aus Flächen der Größe ganzer
europäischer Länder vertrieben werden. Tropische Regenwälder und wichtige CO2-Senken wie die indonesischen Torfwälder werden in atemberaubendem Tempo zerstört und durch Monokulturen ersetzt.
Wassermangel und steigende Lebensmittelpreise sind nur einige der daraus resultierenden Konsequenzen. Die haupttreibende Kraft hinter dem Geschäft mit dem Agrotreibstoff ist einerseits eine mächtige Allianz von Erdölmultis, Biotechfirmen, Agrarunternehmen, Autokonzernen, Großgrundbesitzern und Investoren und andererseits auch das grüne, klimaschonende Image des "Ökosprits". Der Markt der Agrotreibstoffe befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Obwohl die gesamte NGO Welt von Rettet den Regenwald bis Caritas das Geschäft mit dem Ökosprit scharf verurteilt, wird diese Entwicklung ohne massiven Widerstand und einer starken Bewegung, eine soziale und ökologische Verwüstung verursachen, die schnell irreversibel sein könnte. Im Jahr 2007 haben in Brasilien 2.000 Frauen von der bäuerlichen Bewegung Via Campesina eine Eucalyptus Baumschule mit einer Million Setzlinge des Zelluloseriesen Aracruz mitsamt Forschungslabor verwüstet. Zuckerrohrfabriken wurden ebenfalls besetzt. Die Vervierfachung des Tortillapreises in Mexiko innerhalb weniger Wochen hat wütende Massenproteste ausgelöst. Grund dafür war der plötzliche Mais-Importeinbruch aus den USA, weil dieser in immer größeren Mengen für die Treibstoffproduktion (Ethanol) verwendet wird. In den Industrieländer erleben wir möglicherweise die Anfänge einer Klimabewegung.  
Am Mittwoch Abend werden wir über diese Hintergründe informieren und diskutieren. Zu Gast ist Susann Reiner des Regenwaldinstituts Freiburg, die uns unter anderem über die Konsequenzen des Palmölanbaus in Indonesien und Kolumbien berichten wird. Außerdem sind AktivistInnen aus dem Vorbereitungskreis zum Klima Aktionscamp 2008 da, sowie ein Filmemacher  von cine rebelde, der von seiner Recherchearbeit für einen Dokumentarfilm zum Thema Agrartreibstoffe berichten wird. Mehr Informationen:
http://klimacamp.org
http://biofuelwatch.org.uk
http://regenwald-institut.de
http://cinerebelde.org

10.1.2008, EineWelt-Forum-Freiburg

Unglaublich schlechte Ausbeute bei Energiepflanzen

Neben dem — zu wenig wirksamen — ethischen Aspekt, dass der Anbau von Energiepflanzen in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln diese verteuert und damit für einen Teil der Weltbevölkerung unerschwinglich macht und so den Hunger vermehrt, gibt es in unserer überwiegend nur dem Profit hörigen globalisierten Welt auch ein starkes wirtschaftliches Argument gegen die Förderung des Anbaus von Energiepflanzen: Die Ausbeute ist unglaublich schlecht. Wir werden das Energieproblem so nicht lösen.
So können auf einem Ar Fläche 3560 Kilo Pflanzen für Biogas geerntet werden. Daraus lassen sich bei optimaler Umwandlung 25 250 Kilowattstunden gewinnen. Die Ernte durch Solarzellen auf der gleichen Fläche beträgt demgegenüber rund das 40-Fache in Mitteleuropa, und zwar nicht auf landwirtschaftlich wertvoller, sondern auf landwirtschaftlich nicht nutzbarer Fläche.
Vielleicht denkt die Bundesregierung noch einmal nach, ob die EU-weit beschlossene Zumischung von Biotreibstoffen sinnvoll ist. Klüger wäre es, die Entwicklung von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, insbesondere von Speichern für elektrische Energie zu fördern — und die elektrische Energie ohne Emissionen von Kohlendioxid oder anderen Stoffen bereitzustellen. Wie sagt die Physikerin, die die Richtlinien der Politik bestimmt: "Korrigieren, reformieren in ganz kleinen Schritten." Manchmal muss man aber auch einen entschlossenen Schritt tun, denn schon ihr Vorvorgänger wusste: "Wer zu spät kommt"
BZ-Leserbrief vom 4.1.2008 von Dr.-Ing. Eberhard Blaum, Oberried

Zuerst den Energieverbrauch senken 

Es wäre eine fatale Entwicklung, nur nach neuen Energieformen zu suchen. Auch wenn diese vermeintlich regenerativ, ökologisch verträglich oder nachwachsend sind. Sobald sie in großen Mengen zur Verfügung stehen müssen, treten ihre Nebenwirkungen und Gefahren zu Tage. Sei es, wie von Ihnen kommentiert, der "Bio" - Diesel oder die Solarzelle, zu deren Herstellung wertvolle Rohstoffe notwendig sind und die irgendwann auch wieder entsorgt werden müssen.
Eine gewisse Menge Energie dürfen und müssen wir verbrauchen, um existieren zu können. Die entscheidende Frage ist die Menge! Hier warten Aufgaben auf jeden Einzelnen von uns. Den Energieverbrauch zu senken, scheint mir eine der großen Herausforderungen unserer Zeit zu sein. Dass sich dies auf unsere Lebensgewohnheiten auswirken wird, bleibt für mich ohne Zweifel. Wir "zivilisierten" Erdenbürger der westlichen Welt haben anderen Bevölkerungsgruppen lange genug die Vorzüge unseres Lebensstils vorgelebt. Wir haben sogar großes Interesse am wirtschaftlichen Aufschwung bisheriger Schwellenländer, sind die importierten Waren doch so günstig und die Anlagebedingungen so vielversprechend. Nun wären die west lichen Zivilisationen an der Reihe, vorzuleben, wie es mit weniger Energie geht. Schlaue Menschen mit guten Ideen sind wohl dringend nötig.

Interessant, dass diese Gedanken zu Energie, Klima und Globalisierung nicht aus der Politik oder der Forschung, sondern vom Leiter der Caritas stammen. Bei so manchem Mandatsträger würde sich durch den Besuch eines Vortrags von Herrn Müller der Horizont zu diesem Themenkomplex sicher etwas erweitern.
BZ-Leserbrief vom 4.1.2008 von Manfred Saile, Ettenheim

 

 

Agrotreibstoffe sind der falsche Weg

Dr. Oliver Müller, Leiter von Caritas International, warnt davor, den Hunger nach Energie mit nachwachsenden Rohstoffen zu stillen

Erdöl, das schwarze Gold, ist in absehbarer Zeit Geschichte. Die Zukunft soll dem grünen Gold gehören: Biomasse. So sehen es die Propheten eines neuen Energiezeitalters. Vorgerechnet wird, dass die Erde ohne weiteres in der Lage wäre, unseren Hunger nach Energie aus nachwachsenden Rohstoffen zu stillen. Damit wären wir zwei unserer größten Sorgen, den Klimawandel und die Energieknappheit, für immer los. Selbst unsere größten Ressourcenverschwender, die Autos, ließen sich problemlos weiterbetreiben. Agrotreibstoffe machen’s möglich. Und das grüne Gold soll sprudeln. Die Europäische Union möchte bis 2020 den Anteil von Agrotreibstoffen auf zehn Prozent erhöhen. Deutschland ist dabei der Musterknabe. Bereits 1,13 Millionen Hektar Rapsflächen sind für die Agrodieselgewinnung im Anbau. In den USA boomt dank staatlicher Förderung Ethanol, das aus Mais gewonnen wird. In Brasilien sollen die Anbauflächen für die Ethanolproduktion bis 2013 auf 18 Millionen Hektar verdreifacht werden — zehn Prozent der Ackerfläche. Indonesien und Malaysia setzen auf Palmöl. Dabei wird nicht nur auf den Absatzmarkt Europa, sondern auch auf Indien und China geschielt, die sich selber ehrgeizige Agrotreibstoffziele gesetzt haben. Der weltweite Agrodieselmarkt verspricht jährliche Wachstumsraten von 30 Prozent, und selbst in Afrika gilt das geflügelte Wort von der "grünen Opec", zusammengesetzt aus Staaten wie Äthiopien, Mali oder Kamerun, die künftig auf dem Weltenergiemarkt eine starke Rolle spielen sollen. Die Antreiber dieser Entwicklung sind die Vereinigten Staaten und die EU, die — aller Förderung zum Trotz — aus geographischen Gründen ungeeignet sind für den Anbau von Energiepflanzen. Etwas besser sieht diese Bilanz in tropischen Gefilden aus. Doch dort stehen die benötigten Landflächen nicht zur Verfügung. In Lateinamerika hat der Verdrängungswettbewerb bereits eingesetzt — auf Kosten des Regenwaldes und auf Kosten von Kleinbauern, die Land und Lebensgrundlage verlieren. In Indonesien ist die Entwicklung noch bedrohlicher. Hier verschwinden die Urwälder im Rekordtempo. Die Folgen sind verheerend. Die durch die Entwaldung frei gesetzten Treibhausgase machen Indonesien, ein Entwicklungsland, heute zum drittgrößten Kohlendioxid-Emittenten weltweit. In Äthiopien, wo europäische Firmen dabei sind, im großen Stil Energiepflanzen anzubauen, hungern vier Millionen Menschen. Weltweit sind es über 850 Millionen, und es ist zu befürchten, dass sich deren Zahl bald noch drastisch erhöht. Denn die 800 Millionen Autofahrer sind finanzkräftiger als Hungernde. Gerade in den Ländern der dritten Welt klettern die Preise für Grundnahrungsmittel weit schneller als hierzulande. Seit der Jahrtausendwende sind die Lebensmittel-Importkosten in den Entwicklungsländern um 90 Prozent angestiegen.

Es ist eine unbequeme Wahrheit: Agrotreibstoffe sind der falsche Weg. Denn sie machen alles nur noch schlimmer. Seien wir ehrlich: Wir stoßen mit unserem Lebensstil kollektiv an Grenzen. Es sind nicht mehr nur die Grenzen des Wachstums, wie es der Club of Rome formulierte. Es sind Grenzen, die uns die Natur setzt. Der Raubbau an Natur und Mensch muss aufhören. Agrotreibstoffe sind nichts anderes als eine Fortsetzung dieser Ausbeutungspolitik. Das heißt nicht, auf die Nutzung von Energie aus Pflanzen ganz zu verzichten. Es gibt sinnvolle Anwendungen, etwa in Biogasanlagen. Doch zur Aufrechterhaltung unserer individuellen Mobilität ist jeder Maiskolben einer zu viel.

Nötig ist weniger Mobilität mit motorisierten Fahrzeugen. Das wird nicht ohne Folgen für unseren Lebensstil bleiben. Es wird jene treffen, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln. Es wird auch bedeuten, die Transportwege zu verkürzen, den Fernhandel einzuschränken auf jene Produkte, die über den täglichen Bedarf hinaus Verwendung finden. Das globale Dorf wird schrumpfen auf ein verträgliches Maß. Diese Maßnahmen werden uns näher zu unseren Wurzeln führen, zu einer auf regionalen Produkten und regionaler Produktion orientierten Wirtschaftsweise, zu einer Gesellschaft, die sich ihrer beschränkten Ressourcen bewusst ist. Das ist kein Unglück. Es ist, über kurz oder lang, der einzige Weg. Er gibt unseren Mitmenschen in den unterentwickelten Ländern die Chance zur maßvollen Entwicklung, die nicht die Kopie unserer Lebensweise sein kann, sondern die herausführen muss aus Armut und Elend.
Oliver Müller, 30.11.2007

Oliver Müller, 42, ist Leiter von Caritas International, promovierter Theologe und Politikwissenschaftler

 

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