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Tele-Blick von Urberg im Hotzenwald nach Süden zu den Alpen am 21.12.2007
Tele-Blick von Urberg im Hotzenwald nach Süden zu den Alpen am 21.12.2007
Dampfwolke des AKW Leibstadt/CH - schööööööön, aber nur die Wolke




Nutzung von Kernenergie: Ein Staat zerfällt, das Atomkraftwerk bleibt

Kernenergie für die ganze Welt? Das fordern ausgerechnet die Marktradikalen, die so viele Länder ins Verderben gestürzt haben. Eine Außenansicht von Erhard Eppler

Als Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses hatte ich vor 40 Jahren dem Bundestag die gemeinsame Position aller Parteien zum Atomwaffen-Sperrvertrag zu erläutern: militärische Nutzung nein, friedliche ja. Damals gab es nur einen einzigen Abgeordneten, der Zweifel an der "friedlichen Nutzung" hatte. Er hieß Karl Bechert, gehörte der SPD an und war Professor für Atomphysik an der Universität Mainz. Er war im Bundestag genauso isoliert wie in seiner Zunft. Eines seiner Argumente war, es sei gar nicht so einfach, die friedliche von der militärischen Nutzung zu trennen.
Genau dies wird uns gegenwärtig im Fall Iran vorgeführt. Nicht einmal der tüchtige El-Baradei, Leiter der Internationalen Atomenergie-Agentur in Wien, kann uns definitiv sagen, wer recht hat: die Amerikaner, die behaupten, Iran bastle an der Bombe, oder die Iraner, die dies bestreiten? Wie soll dies werden, wenn, wie George W. Bush dies will, der Globus mit Hunderten Atomkraftwerken bepflastert wird? Muss man in dem Fall auch hinnehmen, dass irgendwann Atombomben zum Standardarsenal von Dritte-Welt-Staaten gehören werden? Das wäre wohl kaum zu verantworten. Aber es wäre noch nicht einmal das Gefährlichste. Auch die radikalsten Verfechter der Atomenergie räumen ein, dass Atommeiler einen funktionierenden Staat brauchen, ja voraussetzen. Und der ist im 21. Jahrhundert alles andere als selbstverständlich. Die Welt ist voll von failing states, die sich manchmal in failed states verwandeln, also voll von zerfallenden und zerfallenen Staaten. Was wird aus den Reaktoren, wenn die Staatsmacht zerbröselt? Die Stiftung "Entwicklung und Frieden" hat schon 2005 festgestellt, der Zerfall von Staaten sei zum schwierigsten Problem internationaler Sicherheitspolitik geworden. Was geschieht, wenn in einem Land, in dem Atomreaktoren stehen, erst einmal die Korruption solche Ausmaße annimmt, dass auch Plutonium verhökert wird?  Und was wird aus dem Reaktor, wenn das staatliche Gewaltmonopol, das in vielen Staaten ohnehin brüchig ist, zerbröselt, wenn die Gewalt sich privatisiert und kommerzialisiert, wenn also diverse Söldnerbanden das Land durchstreifen, ausplündern und jeden Widerstand niederknallen? Der Einwand, wer ein Atomkraftwerk plant, wisse schließlich, was ein stabiler, was ein wackliger Staat und was gar keiner mehr sei, sticht nicht. Noch vor wenigen Jahren galten zum Beispiel Kenia und die Elfenbeinküste als stabile, geordnete Staaten. In der Côte d'Ivoire kam es zum Bürgerkrieg, den nur französische Soldaten begrenzen konnten, Kenia hat einen Gewaltausbruch erlebt, den niemand für möglich gehalten hat. Ruanda galt vor dem Massenmord als verlässlicher Partner in der Entwicklungszusammenarbeit. Und so fort.

Eine marktradikale Ideologie
Ähnliches gilt für Zentralasien. Oft sind, wie im Kongo, gerade Diktaturen nur ein Vorspiel zum Gewaltchaos. Und auch Lateinamerika ist für Überraschungen gut. Wer hätte vor zehn Jahren prophezeit, dass Bolivien möglicherweise auseinanderfällt? Was die Franzosen "entité chaotique ingouvernable" (chaotische, unregierbare Einheit) nennen, ist weltweit möglich. Es war marktradikale Ideologie, exekutiert von der Weltbank und noch mehr vom Internationalen Währungsfonds (IWF), die in den vergangenen zwanzig Jahren die ohnehin schwachbrüstigen Staaten des Südens durch ihre Anpassungsprogramme - für die Staaten waren es Hungerkuren - nicht zu schlanken, sondern zu schwindsüchtigen Gebilden gemacht hat. Und jetzt kommen ausgerechnet dieselben Marktradikalen, die dies zu verantworten haben - es reicht der Name George W. Bush - und wollen die ganze Welt mit Atommeilern beglücken. Christliche Theologen, vorzugsweise solche, die in der Tradition Martin Luthers stehen, haben schon lange ihre Zweifel angemeldet, ob denn die Menschen, wie sie nun einmal sind - manchmal übermüdet, zornig, eifersüchtig, depressiv, psychisch krank, betrunken, leichtsinnig oder rachsüchtig - auf Dauer in der Lage sein werden, mit einer so gefährlichen Energie so umzugehen, dass Katastrophen sich wirklich vermeiden lassen.

Atomarer Terror
Christliche Demokraten, die gerne vom christlichen Menschenbild reden, haben ihnen geantwortet, deshalb gebe es für Atommeiler doch äußerst strenge Gesetze und Regeln, die Sicherheit garantierten.
Wenn nun aber diese Gesetze und Regeln, zusammen mit den Staaten, die sie erlassen haben, sich plötzlich auflösen? Wenn dann Warlords oder einfach die Bosse krimineller Banden das Kommando im Umkreis des Meilers übernehmen? Schon heute steht der atomare Terror weit oben auf der Agenda unserer Geheimdienste. Vorläufig sorgen sie sich um "schmutzige Bomben", aber auch um Flugzeugentführer, die auf ein Atomkraftwerk zielen. Warum sollten es, bis die geplanten neuen Reaktoren laufen, nicht auch nukleare Sprengsätze sein? In den Unionsparteien gab es in letzter Zeit Stimmen für den Wiedereinstieg in die Atomenergie, die sogar als ideale Öko-Energie gepriesen wurde. Daraufhin habe ich angeregt, die SPD könne über Restlaufzeiten mit sich reden lassen, falls die Union dem Ausstieg endlich zustimme und dies mit der SPD im Grundgesetz festschreibe. Erst hat die Union meine Bedingung einfach überhört, dann, urplötzlich, hat sie in einer Telefon-Schaltkonferenz, in der sonst nur Unvorhergesehenes, Taktisches entschieden wird, beschlossen, sie wolle keine neuen Atomkraftwerke haben. Aber sie wolle auch nichts ins Grundgesetz schreiben, da gehöre so etwas nicht hin. Darüber ließe sich reden, würde die Union dafür andere Verfahren vorschlagen, die den Ausstieg definitiv und unwiderruflich machen. Ist die Entscheidung, keine neuen Meiler zu planen, ernst gemeint, könnte und müsste sie dies tun. Weigert sie sich, muss man vermuten, dass sie für den Fall einer neuen Machtkonstellation eine Hintertür für den Wiedereinstieg offen halten will. Dann schließt sie jeden Kompromiss über Restlaufzeiten aus.

Die entscheidende Frage ist, ob das größte Industrieland Europas in der Lage ist, ein unübersehbares Zeichen gegen die Renaissance einer Energie zu setzen, die heute noch weniger verantwortbar ist als vor 40 Jahren. Ist Deutschland dazu fähig, dann sind Restlaufzeiten zweitrangig. Gelingt dies nicht, dann muss der Wähler über Ausstieg oder Wiedereinstieg entscheiden.
Erhard Eppler, 21.7.08, www.sueddeutsche.de

Der Sozialdemokrat Erhard Eppler war Mitglied des Deutschen Bundestags und Minister in drei Bundeskabinetten. Die Grundwertekommission der SPD leitete er von 1973 bis 1992.




68 Prozent wollen kein AKW, auch wenn Strom umsonst wäre

Wieder eine Meinungsumfrage zur Atomenergie: 68 Prozent der Bundesbürger würden den Bau eines neuen Atomkraftwerks in ihrem Wohnort selbst dann ablehnen, wenn sie dafür lebenslang kostenlosen Strom bekämen. Das geht aus einer am Mittwoch (16. Juli) veröffentlichten Emnid-Umfrage für das Magazin "Vanity Fair" hervor. Unter dem Eindruck der Unfälle im US-Atomkraftwerk Harrisburg (Three Miles Island) 1979 und Tschernobyl 1986 lehnen die Deutschen die Atomkraft weiterhin offenbar mit großer Mehrheit ab. Anfang Juli kam es in Frankreich zur Freisetzung von Radioaktivität aus der französischen Atomanlage Tricastin. Für öffentliche Aufmerksamkeit sorgte auch eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), wonach das Krebsrisiko von Kindern mit zunehmender Nähe ihres Wohnortes zu deutschen Atomkraftwerken ansteigt. Nur knapp ein Drittel der 1000 von Emnid Befragten würden danach den Bau eines Kraftwerks im eigenen Wohnort akzeptieren, um in den Genuss kostenloser Energielieferungen zu gelangen. Ein Prozent konnte sich zu keiner Antwort durchringen und ein weiteres Prozent lebt bereits mit einem Atommeiler in der Nachbarschaft. Gespalten zeigten sich in der Umfrage die Geschlechter: Während 43 Prozent der Männer auf den Deal eingehen würden, sind es bei den Frauen nur 21 Prozent.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte derweil deutlich, dass er trotz der Terrorgefahr an der Kernenergie festhalten will. Schäuble sagte der Wochenzeitung "Die Zeit": "Ich kann nicht wegen des internationalen Terrorismus sagen, dann machen wir die Lichter aus, weil wir die Kraftwerke nicht mehr schützen können." Zwar werde die Menschheit hoffentlich "bald ausreichend andere Energie n entwickeln". Solange es "nichts Besseres" gebe, müsse man aber "für einen vernünftigen Mix sorgen".
17.7.2008 , www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?Nr=18370

FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.
Unterstützt von der Ärzteorganisation IPPNW
www.atommuell-lager.de,
c/o
Raimund Kamm  (Vorstand), kamm at gmx.de
Spendenkonto des FORUM e.V.: Nr 2 11 99, Raiffeisenbank Aschberg  BLZ 72 069 113

 


 

 

Atomausstieg selber machen - zu Ökostromanbieter wechseln

Angesichts der neuesten Diskussion über ein Revival der Atomkraft (oder auch hier, hier und hier) ruft ein Bündnis diverser Umweltorganisationen, Verbraucherschutzverbände und Anti-Atomkraftinitiativen die Verbraucher und Gewerbetreibende dazu auf, den großen Stromkonzernen den Rücken zu kehren. Der massenhafte Verlust von Kunden sei die einzige Sprache, die die Chefs der dominierenden Energieunternehmen verstünden. Das Bündnis wirft den Energiekonzernen vor, faktisch den im Jahre 2000 unterschriebenen Vertrag über den Ausstieg aus der Kernenergie aufgekündigt zu haben. Besonders kritisieren sie, dass ausgerechnet eine Laufzeitverlängerung für "alte und störanfällige Atomkraftwerke" gefordert wird. Die Behauptung der Unternehmen, die Stromabnehmer entlasten zu wollen, sei unglaubwürdig angesichts der Tatsache, dass sie den Verbrauchern den Preis der nahezu kostenlos erhaltenen CO2-Zertifikate in Rechnung erstellen. Mehrere Milliarden Euro Zusatzgewinn wurden so bereits seit Einführung des Emissionshandels gemacht, und die Initiativen rechnen damit, dass sich diese bis zum Ende der gegenwärtigen Handelsperiode im Jahre 2012 auf "rund 35 Milliarden Euro" aufsummieren könnten. Die Verbraucher werden daher aufgefordert, ihren eigenen kleinen Atomausstieg zu machen, indem sie zu einem Ökostromanbieter wechseln. Auf der Internetseite des Bündnisses findet sich dazu einen Anleitung. Interessant am Rande: Dort ist auch eine Kritik an dem Anbieter Lichtblick zu finden, weil dieser Atom- und Kohlestrom zur Abdeckung von Spitzenlast an der Strombörse zukauft.
14.7.2008, http://www.heise.de/tp/blogs/2/110688
www.atomausstieg-selber-machen.de

 


So bleiben Sie Atomkraftgegner

Atomkraft ist Teufelszeug. Davon sind Sie überzeugt, seit Sie politisch denken können. Natürlich sehen das Ihre Freunde genauso, und selbst Ihre kreuzbrave Tante und Ihren stockkonservativen Schwiegervater konnten Sie auf Ihre Seite bringen. Mit guten Argumenten: Harrisburg und vor allem
Tschernobyl haben Sie in der Überzeugung gestärkt, dass die Risikotechnologie der Atomspaltung keine Zukunft hat. Zumal die Entsorgung ungelöst ist. Doch plötzlich ändert sich etwas. Menschen, die Sie immer für mündig und intelligent hielten, denken plötzlich darüber nach, dass man vielleicht
doch die Laufzeiten der Atommeiler in Deutschland verlängern könnte. Manch einer, der bislang klare Ansichten zum Thema Atom hatte, beginnt plötzlich zu zweifeln. Und Sie fragen sich: Haben sich einige Ihrer Freunde durch die Werbekampagnen der Atomlobby gehirnwaschen lassen? Kapitulieren sie
vor den hohen Strompreisen? Oder ist am Ende etwas dran an den Argumenten der Atomkraftbefürworter? Doch Sie können beruhigt sein. Die taz erklärt Ihnen, wie Sie standhafter Atomkraftgegner und standhafte Atomkraftgegnerin bleiben.

Energie wird immer teurer. Da könne die Atomkraft helfen, denn die abgeschriebenen Atomkraftwerke liefern besonders preiswerten Strom. Fakt ist: Der Strompreis wird an der Strombörse gemacht. Dort bestimmt nach Börsenlogik immer das teuerste Kraftwerk im Mix den Marktpreis, und das sind derzeit Erdgaskraftwerke. Abgeschriebene Atomreaktoren erzeugen zwar in der Tat billiger Strom als Gaskraftwerke, doch das wirkt sich auf den Börsenstrom nicht aus, denn die AKW-Betreiber verkaufen auch ihren Atomstrom zum Einheitspreis, der von den Gaskraftwerken bestimmt wird. Die Betreiber machen riesige Gewinne mit ihren Meilern, doch den Stromkunden bringen die günstigeren Erzeugungskosten nichts. Zudem können RWE, Eon, Vattenfall und EnBW den Atomstrom nur deshalb
billiger erzeugen als den Strom aus Erdgas, weil sie die Kosten des Atomstroms nicht in vollem Umfang selbst tragen. So sind die Schäden, die ein Unfall verursachen kann, nur zu einem Bruchteil versichert. Müsste ein AKW-Betreiber eine Versicherungspolice vorlegen, die alle denkbaren materiellen Unfallschäden abdeckt, wäre (sofern sich überhaupt eine Versicherung fände) die Prämie so hoch, dass der Atomstrom unrentabel würde. Hier haftet also die Gemeinschaft für den vermeintlich billigen Atomstrom. Auch für die Entsorgung wird der Steuerzahler herangezogen - heute und vor
allem in Zukunft. Müsste eine Atomfirma Rücklagen bilden, um den Atommüll für Jahrtausende zu sichern, wäre die Kilowattstunde unbezahlbar. Billiger Atomstrom kann also immer nur heißen, dass der Steuerzahler den Strom billig macht.

Die neuen AKW sind billiger. Im Gegenteil, beim Neubau wird es noch deutlicher, dass die Meiler unter rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht realisierbar sind: Nirgendwo auf der Welt wird ein neuer Atommeiler gebaut, wenn nicht der Staat dafür geldwerte Vergünstigungen oder sogar direkte Zuschüsse gibt.

Ohne Atomkraft sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Die Stromerzeugung durch Atomkraft senkt den CO2-Ausstoß in Deutschland überhaupt nicht - vorausgesetzt, der Emissionshandel funktioniert. Denn Deutschland hat im Rahmen des Kioto-Protokolls ein bestimmtes Kontingent an CO2, das es in den kommenden Jahren ausstoßen darf. Unabhängig von den Atomkraftwerken. Und dieses Limit wird zwangsläufig eingehalten, sofern der Handel nicht unterlaufen wird. Würden die Laufzeiten der Atomkraft verlängert, würden deswegen die CO2-Kontingente nicht gekürzt. Somit würde nach der Logik des Emissionshandels die gleiche Menge an CO2 emittiert. Eine Laufzeitverlängerung würde nur den Druck vermindern, die fossilen Energien effizienter einzusetzen. Wirklich helfen würde dem Klima eine Senkung des Energieverbrauchs.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ja schön und gut, aber Atomkraftwerke sind als Grundlastkraftwerke unverzichtbar. Dahinter steckt ein veraltetes Denken. Bislang gibt es Grundlastkraftwerke, die rund um die Uhr laufen, das sind vor allem Atomkraftwerke, aber auch Kohleblöcke. Sie decken den Bedarf ab, der zur schwächsten Stunde des Tages herrscht. Um die Tagesschwankungen der Nachfrage abzubilden, werden zudem Mittellastkraftwerke eingesetzt, was
die Kohle übernimmt. Die Spitzenlast wird schließlich von Gas oder auch speicherbarer Wasserkraft abgedeckt. Nachdem die Windkraft in Deutschland inzwischen von ihrer Anschlussleistung her die Atomkraft überschreitet, ergibt sich die Situation, dass die bisherige Grundlast an stürmischen Tagen nicht mehr gebraucht wird. Dann nämlich, wenn die Windkraft den Atomstrom komplett ersetzt. Erkennbar ist das an der Strombörse, wenn die Preise bei null liegen. Heute ist Grundlast daher etwas anderes als noch vor zehn Jahren: Die Grundlast setzt sich zunehmend zusammen aus einerseits den schwankenden  Erzeugern (derzeit vor allem die Windkraft) sowie flexiblen Kraftwerken, die jeweils gegenläufig zur Windstromerzeugung gefahren werden. In der Summe muss dann eine konstante Leistung garantiert werden. Eine solche Form der modernen Grundlast aber kann kein Atomkraftwerk leisten, weil diese Technik zu träge ist. Damit zeigt sich, dass gerade durch den Ausbau der erneuerbaren Energien die Atomkraft immer weniger sinnvoll ins Stromnetz integriert werden kann.

Es bringt nichts, wenn Deutschland aus der Atomkraft aussteigt. Dann wird Atomstrom aus dem Ausland importiert. Deutschland ist weiter denn je davon weg, zu einem Stromimportland zu werden. Selbst im vergangenen Jahr, als durch Stillstand mehrerer Atomkraftwerke 26 Milliarden Kilowattstunden weniger an Atomstrom erzeugt wurden als im Jahr zuvor, hat Deutschland in der Gesamtbilanz noch immer den Strom aus zwei Atomkraftwerken exportiert. Deutschland könnte folglich fünf Atomkraftwerke dauerhaft abschalten und wäre noch immer nicht auf Stromimport angewiesen. Und mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien dürfte Deutschland in diesem Jahr eine noch größere Strommenge exportieren. Und was die Kraftwerke im Ausland betrifft: Wenn Deutschland als ein  führendes Industrieland es schafft - woran kein ernsthafter Zweifel bestehen kann -, ohne Atomkraft auszukommen, wird das in einigen anderen Ländern Nachahmer beflügeln. Schon beim Ausbau der erneuerbaren Energien haben sich Dutzende von Länder weltweit ein Beispiel an den deutschen
Einspeisevergütungen genommen.

Deutschland ist mit dem Ausstieg weltweit isoliert. Überall sonst entstehen neue Atomkraftwerke.Der Schein trügt. Zum einen gibt es auch in Europa einige Länder, die keine Atomkraftwerke haben und an dieser Position festhalten. Österreich und Dänemark etwa. Zum anderen spiegelt die Berichterstattung in vielen Medien die realen Verhältnisse nicht wider, weil über Neubauten immer viel mehr berichtet wird als über die Abschaltungen. Anfang 2007 zum Beispiel wurden in Europa auf einen Schlag sieben Atommeiler vom Netz genommen, ohne dass dies von vielen Menschen wahrgenommen wurde. Viel häufiger wird über die einzigen europäischen Neubauten in Finnland und Frankreich berichtet.

Die AKW werden immer sicherer. Die dritte Generation von Reaktoren sorgt gegen eine Kernschmelze vor, und bei der nächsten Generation wird der größte anzunehmende Unfall ausgeschlossen sein. Die angebliche Sicherheit der neuen Reaktoren stützt sich immer nur auf die Aussagen der Atomlobby. Vor Tschernobyl wollte sie auch die Möglichkeit einer solchen Katastrophe nicht wahrhaben. Zudem geht es beim deutschen Atomausstieg nicht um neue Kraftwerke, sondern vor allem um uralte Meiler. Die in den nächsten zwei Jahren anstehenden Abschaltungen betreffen Reaktorblöcke aus den Siebzigerjahren,
die auf der Technik der Sechzigerjahre basieren. Diese haben, zum Beispiel was Flugzeugabstürze betrifft, deutliche Sicherheitsmängel

Für den Atommüll wird man schon eine sichere Lösung finden. Das Problem mit dem Atommüll ist mitnichten gelöst. Bislang gibt es  nirgendwo auf der Welt ein sicheres Endlager für hochradioaktiven Müll. Welche Probleme schon nach wenigen Jahrzehnten auftreten können, bestätigen die aktuellen Vorgänge im Bergwerk Asse, wo bis in die Siebzigerjahre hinein Fässer mit mittelradioaktiven Abfällen eingelagert wurden. Dort gefährdet nun Wassereinbruch die Umwelt, und noch ist völlig unklar, wie man mit der Atomkloake weiter verfahren wird. Halten wir uns vor Augen: In Asse hat man es nicht einmal geschafft, die Abfälle über drei Jahrzehnte hinweg sicher zu lagern. Faktisch jedoch muss hochradioaktiver Müll für Jahrtausende sicher gelagert werden. Man stelle sich vor, in der letzten Eiszeit hätte es schon Atomkraftwerke gegeben, dann müssten wir heute noch über die Abfälle wachen. Kein Mensch kann garantieren, dass ein geologischer Untergrund, welcher Art auch immer, den Müll über so lange Zeiträume sicher einschließen kann.
Bernward Janzing, 11.7.2008 taz , www.taz.de, www.taz.de/digitaz/2008/07/11/a0164.nf/text
Weiterleitung über: erhard-schulz at t-online.de

 

 

AKW Fessenheim soll sicherer werden: EDF investiert 10 Mio Euro

Im Zusammenhang mit der dritten Zehnjahresinspektion der beiden Reaktoren des AKW Fessenheim ab Herbst 2009 investiert der Stromversorger Electricité de France (EDF) zehn Millionen Euro in die
Erdbebensicherheit. Direktor Jean-Philippe Bainier sagte bei einer Pressekonferenz, seit der Inbetriebnahme hätten sich die Standards kontinuierlich erhöht. Die Anlage sei regelmässig kontrolliert und den Vorschriften angepasst worden. Dennoch bessert EDF bis 2010 die Erdbebensicherheit an Frankreichs ältestem, bis heute produzierendem Atomkraftwerk nach. Eingebaut werden soll ein besseres Brandschutz- und Alarmsystem. In den nicht nuklearen technischen Bereichen werden Betonpfeiler und Zwischenwände hinzugefügt, um den Druck im Falle von Erschütterungen gleichmässig auffangen zu können, und das Belüftungssystem wird besser gesichert. Die beiden Reaktoren gelten als ausreichend geschützt. Als Massstab diente bei der Bauplanung vor mehr als 30 Jahren das historische Beben von Basel (1356). Eine Studie von Genfer Wissenschaftlern, die 2007 veröffentlicht wurde, wirft EDF allerdings vor, das Basler Beben sei als Richtschnur bei einer Stärke der Magnitude 6,2 zu optimistisch und daher zu schwach eingestuft worden. Wenn nun in den kommenden beiden Jahren einzelne, nicht nukleare Bereiche des AKW gegen Beben besser geschützt werden, bleibt nach wie vor ein zentrales Argument der Atomkraftgegner unbeachtet: Warum ein Atomkraftwerk im Erdbeben gefährdeten Oberrheingraben errichtet wurde. Allein, dass heutige Messmethoden auch die potenzielle Gefahr weit entfernter Beben genauer berechnen können, ändert nichts daran, dass sich das Epizentrum des Basler Referenzbebens in einiger Entfernung befand. «Das AKW Fessenheim übersteht möglicherweise ein Beben von der Stärke des Basler Bebens, wenn dieses sein Epizentrum 30 km vom AKW-Standort entfernt hat. Wer aber sagt, dass sich dieses Beben nicht direkt unter Fessenheim abspielt?», kritisiert Axel Mayer vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Ohnedies lässt sich aus heutiger Sicht der Zuwachs an Sicherheit kaum beziffern. Jean-Philippe Bainier zufolge würde das AKW heute einem starken Beben, wie es zugrunde gelegt wurde, problemlos standhalten. Dennoch genügt die jüngste Generation der Reaktoren (EPR), wie Frankreich einen in der Normandie errichtet, höheren Anforderungen. Während Fessenheim im Falle eines Bebens auf eine Beschleunigung der Bodenwellen von 0,2 Gramm ausgelegt ist, muss der EPR einer Beschleunigung von 0,3 Gramm standhalten. Was laut Bainier unter anderem daran liegt, dass der EPR aus Exportgründen für Länder konzipiert sei, die ein grösseres Erdbebenrisiko besässen.
Bärbel Nückles, 2.7.2008, Basler Zeitung. www.baz.ch

 

 

Manipulation von BUND-Atomseiten bei Google und Wikipedia?

Machtkampf um die Vorherrschaft im Netz / Das Online-Lexikon Wikipedia und die Umweltorganisation BUND streiten über ihre Texte zur Atomenergie

Wie frei ist Wikipedia? Laut BUND Freiburg ist die Online-Enzyklopädie von der Atomlobby unterwandert. Kritik sei unmöglich. Doch was sich wie eine Verschwörung anhört, entpuppt sich als Strukturschwäche des Lexikons. Denn auch dort geht es um Macht, um die Macht über einzelne Artikel und Wikipedia selbst. Dabei wird der Kampf um Texte zur Atomenergie besonders hart ausgefochten.

Monatelang befand sich Axel Mayer, Geschäftsführer von Bund Freiburg, mit der Wikipedia-Community im Krieg. Monatelang kämpfte er in einem so genannten Edit-War um die Souveränität über die Verlinkung von Lexikonartikeln mit den AKW-kritischen Seiten der Ortsgruppe. Mayer stellte dafür eigens einen Zivildienstleistenden des Bund ab, der allein die Aufgabe hatte, auf Wikipedia Links zu setzen. Das Problem: Kaum war er am Ende der langen Liste angelangt, konnte er gleich wieder von vorne beginnen. "Manchmal wurden die Links binnen Stunden, manchmal binnen Minuten wieder gelöscht"
 berichtet Mayer. Der Grund: Viele Wikipedia-Nutzer stuften die verlinkten Seiten als unseriös ein. Zu reißerisch erschienen ihnen Passagen wie "Der Krebskamin und das radioaktive Abwasser" , zu hetzerisch wirkten auf sie die Grafiken — etwa der Vergleich der Atomkraft mit einer Zeitbombe. "In der derzeitigen Aufmachung verstößt die Bund Seite gegen die internen Richtlinien", sagt Wikipedianer Rainer Lippert. "Sie sind einfach nicht neutral." Lippert hat den Edit-War rund um den Bund-Link verfolgt. Der 35-Jährige aus Unterfranken gehört zu den aktivsten Autoren von Wikipedia. Sein Hauptbetätigungsfeld ist jedoch nicht die Kernenergie. Als Administrator kümmert er sich vor allem um die Pflege des Online-Lexikons und war daher in den Edit-War involviert. Er führt alle AKW-Texte auf einer Beobachtungsliste. Sobald etwas verändert oder gelöscht wird, bemerkt er es. Lipperts Einschätzung nach wurde der umstrittene Link knapp 100-mal eingefügt und von wechselnden Personen wieder gelöscht. Mayer vermutet dahinter ein ausgeklügeltes System — und die Unterwanderung von Wikipedia durch die Atomlobby. Die massenhafte Verlinkung verteidigt er mit martialischen Worten: "Wir müssen Waffengleichheit herstellen. Wir dürfen das Feld nicht der Atomlobby überlassen." Nur auf diesem Weg könne ein Gegengewicht geschaffen werden. "Wir haben nicht das Personal, um ganze Texte ins Netz zu stellen."

Schon vor mehr als 30 Jahren war Mayer als Wyhl-Aktivist aktiv. Damals sei es um die Besetzung des AKW-Geländes gegangen. Heute gehe es um die Besetzung des Netzes. Die Atomlobby habe dabei einen personellen und monetären Vorteil. "Die Konzerne waschen sich mit Hilfe von PR-Agenturen grün" , kritisiert Mayer. "Auch bei Wikipedia." Dass es solche Fälle gab und womöglich noch gibt, zeigt ein Bericht von Focus Online aus dem vergangenen Sommer: Darin wurde enthüllt, dass der Wikipedia-Artikel über das Kernkraftwerk Biblis von einem Rechner des Reaktor-Betreibers RWE um einige Sätze ergänzt worden war. Sätze wie: "Das Kraftwerk Biblis ist ein Meilenstein in puncto Sicherheit." "Es liegt in der Natur von Wikipedia, dass jeder Artikel einstellen oder verändern kann" , sagt Christian Pentzold, Doktorand der Professur Medienkommunikation an der TU Chemnitz. Schon lange beschäftigt er sich intensiv mit dem Lexikon. "Anders als es dessen Offenheitsideologie jedoch glauben macht, existieren im Hintergrund subtile Machtstrukturen." Die Enzyklopädie vereine Züge von Anarchie, Demokratie und Diktatur. "In Wikipedia gibt es ein regelrechtes Regime von Artikelbesitzern" , sagt Pentzold.

Eine dieser eingeschworenen Gruppen ist die der AKW-Autoren, ein Kreis von rund 25 Personen. Wer auf deren Spielwiese herumtollt, wird oft als Eindringling empfunden. "Wir werden gemobbt" , glaubt Mayer von Bund Freiburg. Das hören die Wikipedianer nur ungern. Sie seien stets um Neutralität bemüht. Und tatsächlich findet sich in nahezu jedem AKW-Artikel eine kritische Stimme: ein Link zu Greenpeace hier, ein Nebensatz da. Doch der Vorwurf Mayers ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, zumal sich die Autoren der Texte auf ihren Profil-Seiten offen zur Atomkraft bekennen. "Warum Kernenergie die Zukunft ist" , referiert darin etwa Dirk Egelhart, der unter dem Pseudonym TZV zahlreiche Texte zur Atomkraft verfasst hat. Doch ob diese Autoren auf eigene Initiative oder im Auftrag der Atomlobby Artikel anlegen und bearbeiten, lässt sich kaum feststellen. Einträge können anonym oder unter falschem Namen erfolgen. "Bestand hat, was von der Gemeinschaft akzeptiert wird" , sagt Pentzold. Mayers Link-Offensive in Wikipedia hatte keinen Bestand. Die atomkritischen Seiten wurden schließlich sogar auf die sogenannte schwarze Liste verbannt. Seither können sie nicht mehr eingefügt werden. Lippert zufolge ist dieser Schritt vorher von den Wikipedia-Nutzern intensiv diskutiert worden. Die Mehrheit habe sich für die Sperrung ausgesprochen. Für Umweltschützer Mayer nur fadenscheinige Argumente. Er geht sogar noch weiter: Seiner Meinung nach besteht ein Zusammenhang zwischen der Ankündigung des Schweizer Stromkonzerns Atel, im Juni nahe der deutschen Grenze ein neues AKW zu bauen und der Sperrung des Links im April. "Die Atomlobby hat bereits vorgesorgt" , glaubt Mayer. Doch Lippert widerspricht: "Der Ausschluss des Links hat in keiner Weise mit dem Bau irgendeines Kraftwerks zu tun." Allein der Edit-War habe dazu geführt. Ein Edit-War, der bereits vor einem Jahr begonnen hat, als der Neubau des Schweizer AKW noch nicht öffentlich diskutiert wurde. Das beweisen die internen Verlaufsprotokolle auf Wikipedia. Mayers Argumentation gerät dadurch ins Wanken. Für den Bund Freiburg ist besonders bitter, dass die Homepage seit der Sperrung nicht mehr von Google gefunden wird. Die Klickzahlen des Verbandes, die sich vor allem aus der Suchmaschine speisen, sind eingebrochen: Hatte die Seite am 4. Juni noch 2230 Besucher, waren es zehn Tage später nur noch 882.
Doch wer einen Großangriff der Atomwirtschaft auf Wikipedia und die Internetsuchmaschine vermutet, ist voreilig. Laut Google-Experte Sebastian Erlhofer besteht kein Zusammenhang zwischen schwarzer Liste und Suchmaschine. Er vermutet , dass einer der beteiligten Wikipedianer Google einen Spam-Report geschickt hat. "Wikipedia ist wohl Auslöser, nicht aber Verursacher", sagt Erlhofer. Bei der Enzyklopädie setzt nun auch Axel Mayer an. Er hat sich an das Schiedsgericht von Wikipedia gewandt. Er will durchsetzen, dass der Bund-Link von der schwarzen Liste verschwindet. Doch solange sich der Auftritt der Seiten nicht ändert, hat das kaum Aussicht auf Erfolg. Doch diesen Gefallen will Mayer den Wikipedianern nicht tun: "Wie soll ich es anders machen, wenn es doch so ist."
Alexandra Sillgitt , 25.6.2008, www.badische-zeitung.de

 

Verein "Nie wieder Atomkraftwerke" wird Referendum gegen Atel ergreifen

NWA verurteilt die menschenverachtenden Atompläne der Atel. Der NWA wird gegen alle neuen Atomkraftwerke das Referendum ergreifen und startet noch in diesem Jahr eine neue Informationskampagne über die Risiken der Atomenergie mit Auftritten auf Strassen und Plätzen in der Deutschschweiz.

Die Unfähigkeit, aus dem Unfall von Tschernobyl die Lehren zu ziehen, zeugt von geistiger und moralischer Dekadenz in den Chefetagen der Stromkonzerne. In Tschernobyl sind mehr als eine Million Opfer zu beklagen: Kranke, Tote und Invalide. Die Atomlobby bemüht sich krampfhaft, diese Schäden und die tägliche Gefährdung der Bevölkerung zu verharmlosen. Doch die immer wieder auftretenden Unfälle zeugen von den Unsicherheiten dieser unakzeptablen Technologie und lassen ein Volksmehr für neue Atomkraftwerke in weite Ferne rücken. Neue Atomkraftwerke sind unnötig, zu teuer und von den Risiken her untragbar. Windenergie ersetzt derzeit weltweit jeden Monat ein Atomkraftwerk (Zubau 2007: 20'000 MW weltweit). Bis zum Abstimmungstermin werden Wind und Sonne auf industriellem Niveau weiter stark zulegen und den Kraftwerksmarkt mit einem Marktanteil von über 90 % in Europa dominieren. In diesem Umfeld des Aufschwungs von erneuerbaren Energien ist der Kampf gegen neue Atomkraftwerke zu gewinnen. Erneuerbare Energien können auch die Schweiz voll versorgen. Der Verein NWA  wird bis zuletzt dafür kämpfen.

11.6.2008
Dr. Rudolf Rechsteiner 079 785 71 82, Co-Präsident und Nationalrat 
Prof. Dr. Jürg Stöcklin 079 817 57 33 Co-Präsident und Grossrat
neue Texte: http://www.rechsteiner-basel.ch/index.php?id=9 
Homepage: www.rechsteiner-basel.ch
Tschernobyl-Filme: http://www.nwa-schweiz.ch/Tschernobyl-Filme.8.0.html
Trinationaler Atomschutzverband: www.atomschutzverband.ch

Stromkonzern Atel stellt Bauantrag für zweiten Reaktor in Gösgen

Vier von fünf Schweizer Atomkraftwerken stehen an der Grenze zu Deutschland. Jetzt wurde der Bauantrag für ein weiteres eingereicht: Der Stromkonzern Atel will einen zweiten Meiler am Standort Gösgen im Kanton Solothurn bauen. Auch zwei andere Energieversorger planen neue Atomkraftwerke - als Ersatz für bestehende Anlagen im Aargau und bei Bern.

Schon länger ist bekannt, dass Atel an Plänen für einen zweiten Gösgen-Reaktor arbeitet. Aus dem jetzt vorliegenden Bauantrag geht hervor, dass ein Leichtwasserreaktor mit einem 60 Meter hohen Hybridkühlturm geplant ist. Für die Investitionen von rund vier Milliarden Euro sucht das Unternehmen aber noch Finanzierungspartner. Dass Atels Wahl auf Solothurn fällt, hat mehrere Gründe. Zum einen bietet es sich an, einen vorhandenen Kraftwerkstandort auszubauen, weil die Anbindung an Stromnetz und Kühlwasser schon vorhanden ist. Zum anderen hatte im Herbst das Solothurner Parlament die eigene Kantonsregierung damit beauftragt, sich für den Bau eines neuen Reaktors einzusetzen. Dabei dürften die rund 25 Millionen Euro, die ein Atomkraftwerk durchschnittlich im Jahr an Steuern bringt, ein wichtiges Argument gewesen sein. Zudem lassen sich die Einwohner, die seit 1979 an den bestehenden Meiler gewöhnt sind und die von den neuen Arbeitsplätzen profitieren, eher von dem Neubau überzeugen als etwa die Menschen in den Basler Kantonen — wo die Verfassungen ohnehin nukleare Anlagen verbieten. Im benachbarten Aargau unterstützt die Kantonsregierung in Grenznähe zu Deutschland ebenfalls den Bau eines neuen Reaktors. Hier könnten die Stromkonzerne Axpo und BKW zum Zuge kommen, denn beide planen gemeinsam zwei neue Atomkraftwerke für die alten Anlagen Beznau im Aargau und Mühleberg in Bern. Die Konzerne wollen noch in diesem Jahr ihre Bauanträge beim Bundesamt für Energie einreichen. Der Reaktor in Gösgen könnte frühestens 2025 ans Netz gehen. Nach Berechnungen von Atel soll der Bau acht Jahre dauern. Der Oltener Stromkonzern geht davon aus, dass eine Referendumsabstimmung über die Rahmenbewilligung des Reaktorbaus 2012 oder 2013 stattfinden könnte.
Die Ursache für den Bauboom in der Atombranche ist eine prognostizierte Lücke in der Schweizer Stromversorgung. Bis 2020 laufen die Betriebsgenehmigungen der bestehenden Meiler aus, zudem enden die Stromlieferverträge mit Frankreich. Überdies sparen die Schweizer nicht an Strom: ihr Verbrauch steigt. Die Kernkraftpläne stoßen keineswegs nur auf Zustimmung. In der Schweizer "Allianz Stopp Atom" haben sich 28 Parteien und Organisationen, darunter Grüne, Sozialdemokraten, Umweltverbände, Friedens- und kirchliche Gruppen, zusammengefunden. "Durch den Bau neuer Atomkraftwerke wird die Entwicklung einer sicheren Stromversorgung mit erneuerbaren Energien behindert und Anreize zur Energieeffizienz unterbunden" , kritisiert das Bündnis die Atel-Pläne. Dabei sei die Versorgungslücke nach 2020 eine Chance. Denn nur eine Energiepolitik, die auf Effizienz und regenerierbaren Quellen basiere, könne langfristig Versorgungssicherheit bei minimaler Umweltbelastung bieten. Wegen fehlender Uranvorkommen bleibe die Schweiz durch die Atomenergie vom Ausland abhängig. Die Atomgegner streben ein Referendum an, damit das Volk entscheidet. Die Schweizer Bundesregierung hat dagegen ihr grundsätzliches Ja schon vor einem Jahr gegeben: Sie hält den Ersatz oder den Neubau von Atommeilern für notwendig — obwohl noch ungeklärt ist, wo deren radioaktiven Abfälle gelagert werden sollen.
Andrea Drescher , 11.6.2008, BZ


 

 


Tschernobyl strahlt im Schwarzwaldboden weiter

Radioaktive Wildschweine - Wildschweine wühlen nach belasteten Pilzen und nehmen Radioaktivität auf.

Tschernobyl und kein Ende: Die Folgen des Reaktorunglücks vor mehr als 20 Jahren in der heutigen Ukraine sind immer noch zu messen: Wildschweine im Südwesten sind teilweise massiv radioaktiv belastet. Gefahr für die Verbraucher bestehe nicht, beteuern die Jäger. Ihren Nasen entgeht nichts. Wenn Wildschweine mit ihren mächtigen Rüsseln den Waldboden durchpflügen, stoßen sie auf so manche Delikatesse. Etwa auf den Hirschtrüffel, einen unterirdisch wachsenden Pilz, der für den Menschen ungenießbar ist. Die Trüffel bestehen aus einer harten, gummiartigen Rinde mit warzenähnlicher Struktur. Wildschweine wühlen die Trüffel aus und fressen auch das Pilzmycel, das die Fruchtkörper umgibt, sowie den anhaftenden Boden. Das Problem: Hirschtrüffel und Myzel sind relativ hoch verseucht mit Radio-Cäsium-137. Eine der Nachwirkungen des Reaktorunglücks von Tschernobyl. Zwar ernähren sich Wildschweine nicht allein von Hirschtrüffeln. Auch Maiskörner, Eicheln und Bucheckern stehen auf dem Speiseplan der Tiere. Doch es ist der unterirdische Pilz, der besonders viel von dem gefährlichen Cäsium gespeichert hat. Dieses war in den vergangenen Jahren im Boden immer weiter nach unten gesunken. "Daran sieht man, wie lange die Schatten des Reaktorunglücks wirklich sind", sagt Maria Roth, Amtsleiterin im Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart. Speisepilze könnten mittlerweile gesammelt und ohne Sorge verzehrt werden. Die Folgen für die Wildschweine werden im Labor sichtbar. Von Tausenden erlegten Exemplaren im Südwesten nehmen die Experten Proben. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es bereits 240, davon wiesen 51
einen erhöhten Cäsiumwert auf, das heißt mehr als 600 Becquerel pro Kilogramm. Diese Tiere müssen in den Tierkörperbeseitigungsanlagen des Landes entsorgt werden. In manchen Regionen, so zum Beispiel im Kreis Freudenstadt, waren 53 Prozent der genommenen Wildschweinproben radioaktiv verseucht, im Kreis Calw lag die Zahl bei 50 Prozent. Dies belegen neueste Untersuchungen des Landwirtschaftsministeriums. Es sind Höchstwerte, die sich seit dem Jahr 2005 kaum verändert haben.
"Für viele Menschen ist Tschernobyl schon wieder sehr weit weg", sagt Bernd Schott vom Bund für Umwelt und Naturschutz, "aber die Natur vergisst nicht so schnell." Es könne noch bis zu 240 Jahre dauern, bis das angereicherte Cäsium komplett zerfallen sei. Um der Gefahr durch radioaktiv belastete Naturprodukte zu entgehen, empfiehlt Schott, auf Wildschweinfleisch und selbst gesammelte Pilze ganz zu verzichten. "Man müsste eigentlich seine Nahrungsgewohnheiten ändern", sagt der
Umweltschützer.
Ganz so rigoros will Ulrich Baade vom Landesjagdverband nicht vorgehen. Schließlich würden die Jäger auf die Unbedenklichkeit von Wildschweinfleisch achten. Finde sich in einem Tierkörper ein Cäsiumwert
von mehr als 600 Becquerel, würde er vernichtet und gelange nicht in den Handel. Darauf könnten sich die Verbraucher verlassen. Für jedes entsorgte Wildschwein erhalten die Jäger eine Ausgleichszahlung aus Berlin. "Weil diese Zahlung ausreichend ist, besteht überhaupt kein Anreiz, verstrahltes Fleisch zu verkaufen."

Erhard Schulz
Mitglied im Sprecherkreis der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen, 18.5.2008

 


Der Mythos Kaiseraugst - Rückblick nach 20 Jahren

Nach starker Opposition beerdigten bürgerliche Parlamentarier vor 20 Jahren das AKW Kaiseraugst. Man dachte, auf Schweizer Boden würde nie mehr ein AKW gebaut. Jetzt siehts wieder anders aus.


Und dann flog Michael Kohns Audi in die Luft. Ein Sprengstoffanschlag. Das nächste Mal werde Kohn drinsitzen, liessen die Attentäter über die Medien ausrichten. «Es gab auch einen Brandanschlag auf meine Wohnung», erinnert sich der heute 82-Jährige. Seither ist seine Wohnungstür gepanzert. Michael Kohn, Initiant des Atomkraftwerks Kaiseraugst und Präsident der Kernkraftwerke Gösgen AG, von Gegnern «Atompapst» genannt, legte sich Leibwächter zu. Es war Mai 1979, der Höhepunkt der Kaiseraugst-Krise, drei Monate zuvor war schon der Informationspavillon des AKWs Kaiseraugst in die Luft gejagt worden. Auch Atomkraft-Gegner Hansjürg Weder, damals für den Landesring im Nationalrat, erinnert sich: «Vor der grossen Debatte im Nationalrat durchsuchte man bei uns Atomkraft-Gegnern die Pulte nach Sprengstoff.» Bundesrat Willi Ritschard drohte mit Rücktritt, falls das Militär gegen AKW-Demonstranten eingesetzt würde, sagt sein damaliger Berater, der Schriftsteller Peter Bichsel.
Kaiseraugst spaltete ab den siebziger Jahren die Gesellschaft und brachte das Land an den Rand einer Staatskrise. «Damals glaubten wir, es könne in der Schweiz nie mehr ein AKW gebaut werden», so Weder. Und das glaubt er heute noch. Er könnte sich täuschen. Kaiseraugst wurde zwar letztlich durch den Widerstand verhindert, hing aber schon vorher am Tropf, wie eine Doktorarbeit des Zürcher Historikers Patrick Kupper zeigt (siehe «Weitere Infos»). Der Widerstand wird überschätzt - er entzündete sich an einem Kadaver. Kaiseraugst war das falsche Projekt am falschen Ort. Leibstadt und Gösgen konnten schliesslich in der gleichen Zeit gebaut werden.

Schlimmster Nuklearunfall der Schweiz
Blenden wir ins Bundeshaus zur Beerdigung am 2. März 1988. Ins Grab gebracht hatten Kaiseraugst eine Handvoll bürgerlicher Parlamentarier um Georg Stucky (FDP), Ulrich Bremi (FDP), Christoph Blocher (SVP) und Gianfranco Cotti (CVP) mit einer bis zuletzt geheim gehaltenen Blitz-Eingabe. Sie forderte, auf Kaiseraugst zu verzichten und die Initianten «angemessen» zu entschädigen. Die Badener Firma Motor-Columbus, mit der Projektleitung von Kaiseraugst beauftragt, war vorgängig informiert worden. «Die wollten eine Entschädigung, weshalb wir diese in den Motionstext einbauten», sagt Georg Stucky heute. Das war der grosse Unterschied zu früheren Kaiseraugst-Verzichtseingaben. «Keine lustige Übung», erinnert sich Ulrich Bremi: «Wir waren schliesslich alle Kernenergiebefürworter.» Doch mit der Leiche Kaiseraugst im Keller liess sich kein Kampf mehr für ein anderes neues Kraftwerkprojekt gewinnen. Sie musste endlich entsorgt werden. Und die Bauherrin konnte zufrieden sein, sie wurde mit immerhin 350 Millionen Franken aus der Bundeskasse entschädigt. Kaiseraugst kostete alles in allem rund 1,3 Milliarden Franken. Welch Kontrast zur freudigen Geburt fast ein Vierteljahrhundert vorher! 1966 gab die Motor-Columbus die Absicht bekannt, im aargauischen Kaiseraugst, nur zehn Kilometer von Basel, ein Atomkraftwerk zu bauen. Der Gemeinderat atmete auf, denn damit verzichtete das Technologieunternehmen auf das ursprünglich geplante konventionelle thermische Kraftwerk am Ort. Die Atomkraftwerke Beznau, Mühleberg, Leibstadt und Verbois waren bereits angekündigt worden. 1965 war Spatenstich in Beznau, 1967 in Mühleberg.
Nur noch das Wettrennen auf den Mond übertrumpfte damals das Wettrennen um das erste AKW. Es gab keine nennenswerte Opposition, Sicherheit war kaum ein Thema, nicht mal, als sich im Versuchsreaktor der Nationalen Gesellschaft zur Förderung der industriellen Atomtechnik in Lucens 1969 ein schwerer Unfall ereignete. Die Anlage wurde dabei vollständig zerstört. Doch weitere Gesellschaften kündigten weitere AKW-Projekte an. «In erster Linie kämpfte jedes Projekt gegen alle anderen», schreibt Historiker Kupper. Was sich als fatal für die Atomwirtschaft erweisen sollte, weil jede Unternehmung das Lehrgeld für Planung und Bewilligungsverfahren selber zahlen musste. Das Feindbild einer miteinander verwachsenen und verklumpten «Atomwirtschaft» lässt sich im Nachhinein kaum mehr aufrechterhalten. Von einer gemeinsamen strategischen AKW-Planung jedenfalls kann nicht die Rede sein.

1971 verbot der Bundesrat die Flusswasserkühlung an Aare und Rhein. Gewässerschutz war damals das Top-Umweltschutzthema. Alfred Schaefer, Verwaltungsrat der Motor-Columbus und Präsident der Schweizerischen Bankgesellschaft, war der Ansicht, «dass wir die Hoffnung auf eine Verwirklichung von Kaiseraugst aufgeben müssen». Kaiseraugst, ohne Kühltürme geplant, war faktisch erledigt. Doch Motor-Columbus-Direktor Michael Kohn verbiss sich in sein Lieblingsprojekt. «Wenn es hier nicht geht, geht es auch an einem anderen Ort nicht.» Mit dem Domino-Effekt hatten schon die Amerikaner ihr Eingreifen in Vietnam begründet: Der Feind musste am ersten Kriegsschauplatz gestellt und zurückgeschlagen werden. Kohn stilisierte Kaiseraugst zum Vietnam der Schweiz, zum Pro oder Kontra Atomkraft. Das war wahrscheinlich sein grösster Fehler.
In der gleichen Zeit erlebte Kaiseraugst einen brutalen Akzeptanzverlust. Aber nicht wegen atomarer Ängste, sondern weil die beiden Basel bei der Projektierung übergangen worden waren, vor allem auch in steuerlichen Fragen. Dieses verlorene Vertrauen liess sich in der Region nie mehr zurückgewinnen. Kaiseraugst war in einer Sackgasse gelandet. Erst zu diesem Zeitpunkt, 1975, besetzten AKW-Gegner das Baugelände. An Demos marschierten bis zu 20'000 Leute auf. Der Kabarettist Franz Hohler zog eine Gasmaskenbrille und ein Paar Eishockeyhandschuhe an und rezitierte seine Moritat vom Weltuntergang. Junge Leute wie der damalige Student der Umweltökonomie und spätere Fernseh-Chefredaktor Filippo Leutenegger brachten das Thema Sicherheit und Abfall auf: «Ich war als junger Student nach der Veröffentlichung des Club of Rome besorgt über die Zukunft der Menschheit und fragte mich: Droht uns die kollektive Vergiftung?» Erst nach über zwei Monaten zogen die Besetzer, nach Verhandlungen mit dem Bundesrat, ab. Es ging fortan nicht mehr nur um ein konkretes Atomkraftwerk, sondern um die Zukunft der Menschheit, um die Grenzen des Wachstums. Dieser Knoten sollte nie mehr gelöst werden.

Die Verbissenheit der Bauherren
Während Militante mit Brandanschlägen auf Infopavillons und Autos von Vertretern der Atombranche die Schweiz durchschüttelten, ignorierte das Baukonsortium weitere Warnlichter: Finanzierung, Bauprogramm und Bewilligungsverfahren liefen aus dem Ruder. Bei den Banken verlor das Projekt jegliche Kreditwürdigkeit. Pech auch, dass die Knappheitsszenarien der Stromwirtschaft aus den sechziger Jahren nicht eintrafen. (Auch heute redet man bereits wieder von einer «Stromlücke» in ferner Zukunft, siehe Box «Neue AKW-Pläne».) Der Leiter der Sicherheitsabteilung des Bundes schrieb 1979 zuhanden des Bundesamts für Energiewirtschaft: «Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten sich einig sind, dass das Kernkraftwerk Kaiseraugst nicht realisiert wird, auch wenn niemand das offen sagen kann, da er dann den schwarzen Peter in der Hand hält.» Der Bund hoffte, dass die Initianten von sich aus auf Kaiseraugst verzichten würden. Doch dann hätten sie die Chance auf eine Entschädigung verwirkt.
Dann spielte der Zufall. Im März 1979 geriet das AKW Three Mile Island in Harrisburg (USA) ausser Kontrolle. Dies nutzten die Bundesbehörden, um in Kaiseraugst strengere Vorschriften bezüglich Notfallplanung durchzusetzen. «Es könnte nun aber sein, dass die Kernkraftwerk Kaiseraugst AG dann, wenn die Kommission für die Sicherheit der Kernanlagen, die hier am Zug ist, ihre Forderungen hart auf den Tisch legt, das Handtuch wirft und das Projekt aufgibt», zitiert Historiker Kupper ein internes Behörden-Memo. Trotzdem glaubt Michael Kohn noch heute: «Ohne Tschernobyl (1986) hätten wir das Projekt vielleicht doch noch durchziehen können.» Aus historischer Sicht eine völlig surreale Einschätzung. Sie illustriert, wie realitätsfremd und verbissen die Bauherren am Schluss agierten. Nach der Annahme des zehnjährigen AKW-Baumoratoriums 1990 wurde die Debatte um die Atomtechnologie von einer Art Endlagerstimmung umwölkt. Die zehn Jahre sind vorbei - und der Geist ist wieder aus der Flasche, wie Ankündigungen neuer AKW-Projekte zeigen. Franz Hohler ist «erstaunt über die Selbstverständlichkeit» - «als ob es Kaiseraugst nie gegeben hätte». Würde er wieder die Gasmaskenbrille hervorholen für einen allfälligen Widerstand? Nein, wehrt er ab, das würde er diesmal den Jüngeren überlassen.

Neue AKW-Pläne
a.. 1988 Bürgerliche Politiker beerdigen das Projekt Kaiseraugst mit einer Eingabe im Parlament. Der Bund bezahlt eine Entschädigung von 350 Millionen Franken an die Initianten.

b.. 1990 Volksabstimmung: Es dürfen zehn Jahre lang keine neuen AKWs gebaut werden (Moratorium).

c.. 2003 Das Stimmvolk verwirft die Ausstiegsinitiative, die eine schrittweise Stilllegung der AKWs forderte. Auch ein neues Moratorium wird verworfen.

d.. 2004 Revidiertes Kernenergiegesetz: Der Bau neuer AKWs wird dem fakultativen Referendum unterstellt. Faktisch heisst das, dass ein neues AKW die Hürde der Volksabstimmung nehmen muss.

e.. 2004 Die Bernischen Kraftwerke BKW (Mühleberg) ziehen den Bau eines neuen AKWs in Betracht. Auch der Atel-Chef (Gösgen) spricht von der Notwendigkeit eines neuen AKWs.

f.. 2005 Die Axpo (Beznau) spricht von einer «Versorgungslücke»: Es brauche ein neues AKW.

g.. 2007, Februar  Energiepolitik des Bundesrats: Grosskraftwerke werden als einer von vier Pfeilern genannt. Darunter explizit Atomkraftwerke.

h.. 2007, März  Das Aargauer Kantonsparlament befürwortet ein neues AKW als Ersatz für Beznau I und II.

i.. 2007, Oktober  Die Mehrheit des Solothurner Kantonsrats befürwortet ein neues AKW als Ersatz für Gösgen.

j.. 2007, Dezember  Axpo und BKW planen, in Beznau und Mühleberg je ein neues AKW zu bauen. Atel gibt Pläne für Gösgen bekannt. Bis Ende 2008 sollen die Gesuche eingereicht werden.

Christoph Schilling, 6.3.2008, über BUND Südlicher Oberrhein

 

Uranabbau in Niger: Schwerwiegende Folgen für Volk der Tuareg

Es häufen sich seltsame Krankheiten

Weisweil. Uran ist der Rohstoff für die Atomkraft. Die staatliche französische Uranbaufirma Areva, an der Siemens beteiligt ist, baut den Stoff in Niger ab. Arbeiter und Anwohner der Minen klagen über gesundheitliche Schäden. Annemarie Rösch sprach darüber mit Almoustapha Alhacen. Der Tuareg, der bei Areva arbeitet, ist Präsident der Umweltorganisation "Aghir in Man". Auf Einladung der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen war er in Weisweil.

BZ: Welche Probleme haben die Menschen im Umfeld der Minen?
Alhacen: Sowohl bei Menschen wie auch bei Tieren haben wir merkwürdige Krankheiten beobachtet. So haben viele Schwangere wahnsinnig riesige Bäuche, die Kinder, die geboren werden, sind aber ganz winzig oder tot. Im Krankenhaus, das Areva gehört, erfahren wir nichts über die Todesursache. Wir bekommen die Kinder auch gar nicht zu Gesicht. Wir wissen also nicht, ob sie Missbildungen haben oder nicht. Uns fällt nur auf, dass sich seltsame Krankheiten häufen. Bei ganz vielen Todesfällen stellen die Ärzte die Diagnose Aids. Wir haben aber unsere Zweifel daran, ob es nicht oft auch Krebs ist, verursacht durch radioaktive Strahlung. Wir haben eine Nichtregierungsorganisation gegründet, um uns mit diesen Problemen auseinanderzusetzen.

BZ: Wie sind die Arbeitsbedingungen in den Minen?
Alhacen: Seit 40 Jahren wird in Niger Uran abgebaut. Bis in die 80er Jahre wussten die Menschen bei uns in der Gegend überhaupt nicht, was Radioaktivität ist. 60 bis 70 Prozent von ihnen sind Analphabeten. Wie hätten sie sich da informieren sollen. Ihnen war gar nicht bewusst, dass sie mit einem gefährlichen Stoff arbeiten. Ohne groß nachzufragen, haben sie getan, was die Arbeitgeber verlangt haben. Viele hatten auch keine andere Wahl. Sie sind so arm, dass sie auf die Arbeit angewiesen sind.

BZ: Inwieweit versucht das Unternehmen, die Arbeiter vor den radioaktiven Stoffen zu schützen?
Alhacen: Nationale und internationale Regeln, die für den Abbau des zum Teil radioaktiven Rohstoffs existieren, wurden in unseren Minen lange nicht eingehalten. Als ich angefangen habe, trugen wir weder Masken, Handschuhe oder Schutzanzüge. Niemand hat uns gesagt, dass wir uns die Hände waschen müssen, um den uranhaltigen Staub zu beseitigen. Mit der Kleidung haben wir den Staub mit nach Hause getragen. Erst nach dem Atomunfall von Tschernobyl bekamen wir Schutzkleidung. Mit der Kleidung, die Arbeiter in Atomkraftwerken tragen, ist aber auch die nicht zu vergleichen. Sie ist einfacher.

BZ: Inwieweit sind neben den Arbeitern auch Anwohner von den Folgen des Uranabbaus betroffen?
Alhacen: Die Region um die Stadt Arlit, wo unsere Minen liegen, ist sehr trocken, heiß und windig. Überall gibt es riesige Abraumhalden. Immerhin werden bei uns 3000 bis 4000 Tonnen Uran pro Jahr gewonnen. Dabei sind in 40 Jahren etwa 45 Millionen Tonnen Abraum angefallen, die immer noch 80 Prozent der ursprünglichen Radioaktivität enthalten. Ein neues Bergwerk soll jetzt noch dazukommen. Auf einem Territorium, das bisher Weidegebiet von uns Tuareg-Nomaden war, sollen bald Probebohrungen gemacht werden. Auch chinesische oder kanadische Unternehmen wollen sich daran beteiligen. Der Gesteinsstaub auf den Abraumhalden wird vom Wind in alle Richtungen getragen. Die Menschen atmen diesen Staub ein. Wir haben Angst, dass wir so radioaktiv verseucht werden.

BZ: Gibt es zur Verseuchung Untersuchungen?
Alhacen: Wissenschaftler von der unabhängigen französischen Umweltinstitution CRIIRad sind vor zwei Jahren bei uns gewesen. Sie haben bei ihren Untersuchungen festgestellt, dass zum Beispiel die radioaktive Belastung des Trinkwassers in der Umgebung von Arlit den von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Wert um das 7- bis 110-fache überschreitet. Wir brauchen aber noch genauere Untersuchungen, zumal die Leute von der CRIIRad ziemlich behindert wurden bei ihrer Arbeit. Am Zoll wurde ein Teil ihrer Geräte beschlagnahmt.

BZ: Was will ihre Organisation weiter unternehmen?
Alhacen: Wir fordern von Areva eine unabhängige Studie, die auch die Gesundheit der Menschen in Augenschein nimmt. Wir wollen wissen, ob tatsächlich so viele an Aids sterben oder ob nicht etwa Krebs die Todesursache ist. Der nigrische Staat hat zu einer Untersuchung nicht Nein gesagt. Wir haben im April 2006 auch eine Anfrage an die französische Regierung gestellt. Bisher haben wir noch keine Antwort erhalten. Aber wir werden weiterkämpfen.
4.3.2008, BZ

 

 

Bedrohliches Wachstum der Risse im AKW Mühleberg/CH

1990 meldete die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen HSK erstmals Risse in einer Schweissnaht des Kernmantels des AKW Mühleberg. In der Folge wurden auch in anderen Nähten Risse festgestellt, welche von Jahr zu Jahr grösser wurden. Andere Atombetreiber begannen daraufhin den Kernmantel ihres AKW zu untersuchen: das "Phänomen" wurde weltweit in verschiedensten Siedewasserreaktoren mit ähnlichen Stählen gefunden. Obwohl der Kernmantel ein sicherheitstechnisch relevanter Einbau ist und solche Risse ein neues Problem darstellten, wurde General Electric - der Hersteller des AKW Mühleberg - erst nach etwa drei Jahren Verzugszeit angewiesen, das Phänomen zu bewerten und kritische Grössen für Unfälle zu berechnen. Mitte der Neunziger Jahre wurden international auf dem Markt verschiedenste Nachrüstmassnahmen angeboten, wobei die aufwändigste der Austausch des ganzen Kernmantels war. Japan und Schweden entschlossen sich vorwiegend für diese Variante. Im AKW Mühleberg wurden 1996 vier senkrechte Klammern über den ganzen Kernmantel eingebaut, welche den Zylinder stabilisieren sollen. Kurz darauf wurde vom Departement UVEK der Technische Überwachungsverein TÜV Süddeutschland/Rheinland mit einem Gutachten beauftragt, welches im Januar 1998 veröffentlicht wurde.

Risikopoker der Behörden

Um die Aussagen der HSK zu bewerten, lohnt es sich, die verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen in den letzten fünfzehn Jahren zu verfolgen.

Vortäuschung wissenschaftlicher Genauigkeit
Die HSK führt in der Öffentlichkeit immer wieder das Argument ins Feld, dass die kritische Grösse für den Kernmantel ohne Zuganker ein vollständiger Durchriss einer einzigen Rundnaht von 2,8 Metern sei. Diese Länge wurde 1993 von General Electric berechnet. Hierzu gibt es aber einige Fragen:
Wie kommt die HSK dazu, diese 2,8 Meter so punktgenau zu beziffern? Messungen und erst recht Prognosen sind prinzipiell mit Fehlern behaftet. Zu diesen findet man in keinen Unterlagen der Behörden irgendwelche Hinweise. Auch der TÜV hat 1998 Belastungsrechnungen angestellt. Er ist zum Ergebnis gekommen, dass der Kernmantel ohne Zuganker einen Durchriss von 2 Metern Länge aushält. Das bedeutet eine Abweichung von nicht weniger als 30% zu den Resultaten von General Electric. Diese massive Differenz wird nirgends diskutiert. Auch der TÜV berechnet den kritischen Wert ohne Angaben einer Fehlerbandbreite. Dies lässt sehr an der Wissenschaftlichkeit des Gut­achtens zweifeln.
In der HSK-Stellungnahme von 2007 zur PSÜ Mühleberg wird die Summe der Risse in der hauptsächlich betroffenen Rund­­naht (so genannte Naht H11) für heute auf nahezu 2,9 Meter geschätzt. Auch die Kombination der Teilrisse, für welche Ende 2006 erstmals kritische Werte berechnet wurden, hat ein gefährliches Mass erreicht. Doch die HSK macht keine Anstalten, dass jetzt etwas unternommen werden muss.

Vortäuschung von Sicherheit
Der TÜV hatte seinerzeit vor allem den Auftrag, die Resistenz des Kernmantels bei einem grossen Unfall - Erdbeben und Rohrleitungsbruch bei voller Reaktorleistung -, durchzu­rechnen.
Der Kernmantel mit den Rissen von damals würde gemäss Rechnungen diesem Unfall standhalten. Unterstellt wurden aber nur zwei rissige Nähte (Stand 1995), obwohl damals schon Risse in anderen Nähten existierten. Heute sind die Risse um ein Vielfaches länger und wesentlich tiefer. Die Rechnungen sind somit völlig überholt. Der TÜV zeigte, dass die Zuganker beim Kernmantel mit einer einzigen vollständig durchgerissenen Rundnaht der Belastung bei einem grossen Unfall nicht mehr standhalten könnte. Die Prognosen gingen allerdings von viel zu kleinen Kräften aus. Im Juni 2007 publi­zierte nämlich die HSK die Kurzfassung einer Erdbeben­studie für die Schweizer AKW-Stand­orte (Risikostudie PEGASOS). Diese zeigte, dass man mit mindestens doppelt so grossen Kräften rechnen müsste.

Vortäuschung von verlässlichen Prognosen
Der TÜV musste auch eine Prognose für das Risswachstum machen. Dieses sollte maximal 2 Zentimeter pro Jahr und Rissbereich betragen. Für die drei damals bekannten Risse bedeutet das aufsummiert 6 Zentimeter. Heute gibt die HSK an, dass in den letzten Jahren die drei Bereiche durchschnittlich 7,5 Zentimeter gewachsen seien. Damit hat der TÜV die Realität um 25% unterschätzt. Die HSK rühmte 2002, dass die besagten Bereiche nur noch 4,3 Zentimeter gewachsen seien und wertet dies als möglichen Erfolg wasserchemikalischer Massnahmen. Aber gleichzeitig sind zwei neue, je 9 Zentimeter lange Risse entstanden. Abgesehen davon ist es naiv, eine Abweichung von einem Jahr zum anderen als Tendenz zu interpretieren. Mitte der Neunziger Jahre beispielsweise schwankte das jährliche Risswachstum zwischen 1 und 10 Zentimetern. Die HSK-Angaben sind Augenwischerei: Solange sie die Entstehung neuer Risse nicht zum Wachstum rechnet, handelt sie nicht realistisch und nicht verantwortungsvoll genug. Die Risse in der Haupt-Schweissnaht H11 sind allein zwischen 1999 und 2005 in der Summe 1,1 Meter gewachsen. Das ergibt durchschnittlich 18 Zentimeter pro Jahr, liegt somit weit über dem Wachstum der drei ältesten Risse (7,5 Zentimeter). In der TÜV-Studie wurden auch Überlegungen zum Wachstum der Risstiefe angestellt. Es wurde behauptet, dass die Tiefe sich mit den Jahren ungefähr bei der Hälfte der Wandstärke einpegeln würde. Heute gibt die HSK zu, dass es Stellen mit Risstiefen von 90% der Wanddicke gibt und die mittlere Risstiefe schon bei 50% liegt.

Gefährliches Vorgehen der HSK
In der jetzigen Stellungnahme der HSK zur PSÜ liest man von verfeinerten Rechnungen und Prognosen. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass solche Berechnungen nicht verlässlich sind. Wieder sucht man vergeblich nach Fehlerbandbreiten der Abschätzungen und der Dynamik des Risswachstums. Was noch schwerer wiegt, ist aber der Umstand, dass die HSK seit 2003 nur noch alle zwei Jahre Messungen macht. Aus dem Text geht zudem hervor, dass die kritischen Nähte nur alle drei Jahre im gesamten Umfang gemessen wurden. Je gefährlicher das AKW wird, desto weniger schaut man also hin, um teure Messungen zu sparen.
In ihrer allgemeinen Beurteilung stellt die HSK zwar eindeutig fest, dass die Zuganker-Nachrüstung keine ausreichende Sicherheit gewährleistet, da laufend Messungen und Risikoeinschätzungen an einem zerstörten Einbau gemacht werden müssen. Dies widerspricht der "Sicherheitsphilosophie" der Kerntechnik. Trotzdem wartet die Behörde und fordert erst auf das Jahr 2010 ein Konzept für weitere Massnahmen. Bis dieses Konzept umgesetzt ist, werden etliche weitere Monate vergehen.

Auffällige Häufungen von Rissen
Der Blick über die Grenzen gibt in der Einordnung des Rissphänomens einigen Aufschluss, denn seit die Atombetreiber genauer hinschauen, wurden weltweit fast in allen Kernmänteln der Siedewasserreaktoren, die Ähnlichkeiten mit dem Typ von Mühleberg haben, Risse entdeckt. Das betrifft rund 50 AKW. Der Vergleich mit diesen AKW zeigt, dass die verwendeten Materialien in allen AKW ähnlich sind. Dass die Betriebszeiten bei der Entdeckung der Risse recht unterschiedlich waren, ist sicher davon abhängig, wie genau die Behörden und Betreiber hinschauten. Diese Prüfungen sind im Übrigen erst gemacht worden, nachdem in etlichen Siedewasserreaktoren die Rohre für die Umwälzung des Kühlwassers ("Umwälzschlaufen") angerissen waren. Mühleberg musste diese 1986 austauschen. Man merkte, dass der verwendete Stahl (vor allem der so genannte SS 304 und 304L) ungünstig war und begann nachzuforschen, welche anderen Einbauten aus diesem Stahl von Rissen befallen sein könnten. Interessant ist, dass zur Materialphysik und zum Rissphänomen unzählige Studien­programme am Laufen sind, was nur ein Zeichen dafür ist, wie wenig man noch versteht. Andererseits ist es ein Hinweis dafür, dass die Alterung der AKW, besonders der Kern­einbauten, ein akutes Problem darstellt. Kaputte Kernmäntel, das ist heute Allgemeingut, sind ein Killerkriterium für den Betrieb von Altreaktoren. Dies hat die internationale Atomgemeinde tief getroffen, ist sie bis in die Neunziger Jahre doch davon ausgegangen, dass alles in einem AKW austauschbar sei und nur der Reaktordruckbehälter die Lebensdauer begrenze. - Das Problem stellt sich selbstverständlich nicht allein für die bestehenden AKW. Die Gefahr besteht sogar noch akuter bei den neuen AKW. Denn die Risse tauchten bisher in Reaktoren zwischen 355 Megawatt (elektrisch), wie Mühleberg, und rund 1000 Megawatt auf. Das sind "Zwerge". Es ist zu erwarten, dass sich mit den Reaktorlinien der 1'600 Megawatt Leistungsklasse durch die höhere Bestrahlung auch grös­­sere Rissgefahr ergibt. Bei Investitionen in Milliardenhöhe eine missliebige Angelegenheit.

Einschätzung der Kernmantelprobleme
Im Gegensatz zu Materialstudien gibt es wenige Untersuchungen über das Risiko eines angerissenen Kernmantels. Auch die HSK, sonst Verfechterin von Risikostudien, hat nie untersuchen lassen, um wie viel wahrscheinlicher eine Kernschmelze im AKW Mühleberg wegen dem kaputten Kernmantel ist. Bedenkt man, dass bei der Beurteilung der Risse sehr viele Einflüsse mitspielen, wäre das dringend notwendig. Schon Ungenauigkeiten beim Messen oder die Unzugänglichkeit verschiedener Stellen sind bedeutsam. Ein früh in den Neunziger Jahren im AKW Mühleberg entdeckter Riss ist wegen der Nachrüstung mit den Zug­ankern 1996 unerreichbar geworden. Die HSK hat keine Ahnung, was dort vor sich geht und führt in ihrem Gutachten die Risslänge nur noch in Klammern auf.
Weitere wichtige Parameter sind die (Un-)Reinheit des Materials, die Rissgeometrie, aber natürlich auch die aktuelle Kernbeladung und Neutronenstrahlung. - Risikokritisch ist der Kernmantel nicht nur, wenn er ein Leck hat, sondern auch bei geringsten Verrückungen der Bleche oder bei Absplitterung von Material. Erschwerend für realistische Einschätzungen kommt die Tatsache dazu, dass es sich bei den AKW mit gerissenen Kernmänteln zum Teil um recht unterschiedliche Baulinien und Materialien handelt. Besonders bezüglich Leistungen (und damit Neutronenfluss) und Laufzeiten existieren erhebliche Differenzen. Einzelne AKW desselben Typs wie Mühleberg haben im Kernmantel keine Risse. Verwundert fragt sich der Betreiber, weshalb dies so sei und lässt diesbezüglich Untersuchungen anstellen.

Stilllegungen und Kernmanteltausch
Seit der Entdeckung der Risse sind weltweit viele Patente auf dem Markt erschienen. Einerseits betrifft dies die komplexen Messapparaturen. Andererseits sind mehrere Nachrü­stungs­methoden mit Neuverschweissung, kleinen Klammern direkt um die Nähte oder mit gros­sen Klammern, wie sie Mühleberg hat, angeboten worden. Parallel dazu laufen aufgrund von Forschungsresultaten verschiedene wasserchemikalische Programme. Zwei AKW, welche dieselben Probleme hatten wie das AKW Mühleberg, wurden relativ kurz nach der Entdeckung der Risse endgültig ausser Betrieb genommen. Es sind dies das deutsche AKW Würgassen (Erbauer AEG/KWU, Kraftwerksunion) und das amerikanische AKW Millstone 1 (General Electric). Bei beiden hatten die Risse letztlich den Ausschlag gegeben, nachdem mehrere Nachrüstungen von Seiten der Behörden gefordert wurden. Letztlich lohnte sich für den Weiterbetrieb der finanzielle Aufwand für einen Kernmanteltausch oder eine andere Reparatur nicht. Mehr als zehn Betreiber von AKW mit kaputten Kernmänteln haben den Zylinder vollständig ausgebaut und durch einen neuen ersetzt. Es sind dies vor allem die Japaner und zwei schwedische AKW (s. nachfolgende Liste). Ein solches Unterfangen ist sehr aufwändig und gefährdet auch die Arbeiter. Innert drei Minuten ist die erlaubte Jahresdosis bereits erreicht. Der Vorgang muss deswegen weitest gehend automatisiert werden.

Risse in Nachrüstungen
Die gleiche Nachrüstung, welche in Mühleberg gemacht wurde, wurde von General Electric auch in vielen US-Reaktoren installiert. Aber die Zuganker sind ebenfalls rissanfällig. 2006 wurden im AKW Hatch 1 Risse in Zugankern entdeckt. Diese sind in den Ankern und den Federn vom selben Werkstoff wie diejenigen im AKW Mühleberg. Die Zuganker-Nachrüstung ist nur ein Spiel mit der Zeit. Es ist zu befürchten, dass weltweit in weiteren AKW auch dort Risse gefunden werden.

Sofortige Ausserbetriebnahme
Seit 18 Jahren sind die Risse im Kernmantel bekannt, und wie gezeigt nehmen sie bedrohliche Ausmasse an. Beängstigend ist angesichts dieser Tatsache das Verhalten der HSK. Immer wieder hat sie neue Berechnungen anstellen lassen, sei es durch den Her­steller General Electric, sei es durch "unabhängige" Gutachter. Es wurden Zahlen und Pro­gnosen herumgeboten, welche kaum etwas mit der Realität zu tun haben. Kritische Fragen wurden nicht geklärt. Erst vor zwei Jahren wurde die konkrete Situation, dass nicht ein einziger langer, sondern mehrere grosse Risse in einer Rundnaht vorhanden sind, beurteilt. Auch hier ist die Lage kritisch.
Noch immer greift die HSK nicht ein. Sie steht im Clinch mit den wirtschaftlichen Interessen der BKW. Diese betrachtet - wie der Stellungnahme der HSK zu entnehmen ist - die Zug­anker als definitive Nachrüstung und will den Reaktor auch nach 2012 am Limit fahren. Dies ist menschenverachtend und zeigt, dass die BKW die Anforderungen, welche international an die Einrichtungen eines AKWs gestellt werden, zu wenig ernst nimmt. Würde es sich um eine andere Komponente handeln, welche den Profit nicht dermassen schmälern würde, wäre der Kernmantel schon längst getauscht. Das Hinauszögern notwen­diger Nachrüstmassnahmen hat die HSK immer praktiziert. Die Vorgehensweise läuft unter dem Motto des "gegenseitigen Vertrauens". Kommt die HSK den Betreibern nicht entgegen, fürchtet sie, dass sie bei Störungen im AKW hintergangen wird. Die oben erwähnten Leitungen zur Umwälzung des Reaktorkühlwassers wurden erst acht Jahre nach der Entdeckung der Risse und bei Risstiefen von 80% der Wanddicke getauscht. Der Tausch kostete 35 Millionen, der Produktionsausfall rund 17 Millionen Franken. Ebenfalls wurde das Notstandsystem SUSAN 1989 erst nach langem Hin und Her mit der BKW "zumutbar" gebaut: Das System erfüllt nicht einmal die damaligen Anforderungen an einen Flugzeugabsturz. Es kostete 106 Millionen Franken. Von offizieller Seite wird immer darauf verwiesen, dass die Bundesexperten eine Atomanlage stilllegen würden, sobald diese die Sicherheitsanforderungen nicht mehr erfüllen würde. Im neuen Kernenergiegesetz wurde eine vorsorgliche Ausserbetriebnahme sogar ausdrücklich in den Text aufgenommen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Die HSK soll demonstrieren, dass sie unabhängig vom AKW-Betreiber handeln kann. Es ist zu offensichtlich, dass die Notsysteme des AKW Mühleberg verheerende Auswirkungen bei grösseren Unfällen nicht verhindern können.

26.2.08
Fokus Anti-Atom, Postfach 6307, 3001 Bern, www.fokusantiatom.ch
mehr auch auf http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/akw-muehleberg.html

 



Atomkraftwerk Beznau: Die Ruhe vor dem Sturm

AKW bei Beznau/CH - auf einer Insel in der Aare AKW bei Beznau/CH - auf einer Insel in der Aare

In der Schweizer Gemeinde Döttingen, knapp acht Kilometer Luftlinie vom deutschen Waldshut entfernt, stehen auf einer Insel in der Aare die ältesten Kern-Reaktoren der Schweiz. Aus Altersgründen werden sie wahrscheinlich in spätestens zehn Jahren vom Netz genommen werden müssen. Die Betreibergesellschaft plant daher den Neubau zweier Reaktoren an gleicher Stelle. Die Bevölkerung scheint das noch wenig zu beschäftigen. Den Willen zum Widerstand, wie vor 30 Jahren in Wyhl, sucht man hier vergeblich.

Schloss Böttstein ist malerisch ruhig gelegen. Man hat eine tolle Aussicht auf eine Insel im grünen Tal am Fluss Aare, knapp acht Kilometer jenseits der deutschen Grenze. "Hier werden sogar Hochzeiten organisiert. Viele Touristen kommen, um ein paar Tage auf dem Land zu verbringen, ohne es zu bemerken! Leise, sauber... das ist ideal!", erklärt die Führerin. "Es"? Das Kernkraftwerk Beznau. Diese lobenden Worte über das älteste Kernkraftwerk der Schweiz fallen nicht bei einer Stadtführung, sondern bei der Besichtigung der beiden Druckwasserreaktoren, die mitten auf der Insel in der Aare in der Gemeinde Döttingen im Aargau stehen. Jeden Tag führen die Besuchsbegleiter neugierige Gruppen und viele Schulklassen durch das labyrinthische Maschinenhaus des Kraftwerks. Beznau gehört der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK), die in die Axpo Holding eingegliedert ist, das größte Schweizer Energiedienstleistungsunternehmen. Die beiden Reaktoren der Anlage stehen seit mehr als 40 Jahren auf der Insel. 1969 ging Block 1 ans Netz; knapp drei Jahre später Block 2. Beznau ist ein echtes Oldtimer-Kernkraftwerk, dessen Zeitgenossen fast alle schon vom Netz genommen wurden. Von den zehn weiteren Reaktoren, die nach Beznau-Muster in den sechziger Jahren gebaut wurden, laufen nur noch zwei: Mihama 1 und 2, in der japanischen Provinz Fukui. Der letzte deutsche Reaktor dieser Generation, im Kernkraftwerk Obrigheim am Neckar, wurde 2005 stillgelegt. "Niemand kann adäquat einschätzen, wie groß die Gefahr ist, die von einem so alten Kernkraftwerk wie Beznau ausgeht", sagt Leo Scherer von Greenpeace Schweiz. Er arbeitet dort an der Kampagne gegen Atomgefahren. "Es ist eine grobe Selbstüberschätzung und Fehleinschätzung der Betreiber im Hinblick auf die Risiken, ein Spiel mit der Wahrscheinlichkeit." Trotzt unbefristigter Betriebsbewilligungen rechnet auch Axpo mit dem Ende der beiden historischen Reaktoren in naher Zukunft: Man erwartet maximal 50 Jahre Laufzeit. Deshalb gründete Axpo zusammen mit dem Stromkonzern BKW im Dezember vergangenen Jahres die Resun AG, eine Planungsgesellschaft, deren alleinige Funktion darin besteht, bis Ende dieses Jahres zwei Rahmenbewilligungsgesuche für zwei neue Reaktoren am Standort Beznau einzureichen. Diese sollen je bis zu 1600 MW Leistung erbringen und 2020 ans Netz gehen. Ob die Reaktoren letztendlich gebaut werden, werden die Schweizer Bürger in einer Volksabstimmung entscheiden, und zwar frühestens 2012.

Geliebtes AKW
2012, das sind gerade einmal vier Jahre. Und doch ist in Döttingen keine Dringlichkeit zu spüren. In diesem Dorf mit etwa 3.400 Einwohnern lebt man im Takt des AKW, das 400 Arbeitsplätze schafft. Generationen sind wie selbstverständlich damit aufgewachsen, niemand scheint die Anwesenheit der Anlage in Frage zu stellen. Außerdem beschert das Kernkraftwerk der Gemeinde durch die Einnahme von Aktiensteuern niedrige Steuersätze. Während in Deutschland schon vor sechs Jahren der Atomausstieg beschlossen wurde, scheint es hier keine Zweifel an der Sicherheit von Kernkraftwerken zu geben. Auch über mögliche Gesundheitsbelastungen scheint man sich kaum Sorgen zu machen. Eine Mitarbeiterin der Apotheke Döttingen äußert sich zwar, "dass es ja viele Krebsfälle in der Region gebe", aber weshalb, "das sei ja noch nicht bewiesen". Ihre Meinung wird von einer Studie untermauert, die im vergangenen Monat vom Deutschen Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht wurde. Diese hatte ergeben, dass das Risiko für Kleinstkinder an Leukämie zu erkranken zunimmt, je näher ihr Wohnort an einem Kernkraftwerkstandort liegt. Für Leo Scherer von Greenpeace ist die Sorglosigkeit seiner Eidgenossen nicht überraschend. "Bei den Schweizer Atombefürwortern ist die Selbstgefälligkeit weit verbreitet: Das Denken, das wir im Umgang mit Atomkraftwerken die Besten sind - bei den  Deutschen und Franzosen ist dies sicher nicht anders."

"Wir haben keine Wahl"
Die Angst vor Atomkraft ist in der Schweiz sehr viel geringer als die Angst vor der Strom-Versorgungslücke. Denn die Schweiz ist von der Atomkraft abhängig: Der Anteil der Kernenergie im Strommix liegt bei 40%. Die Axpo propagiert, dass der Schweiz ab 2020 eine Versorgungslücke in Sachen Strom drohe, und zwar nicht nur, weil die Uralt-Reaktoren von Beznau früher oder später abgeschaltet werden müssen. Außerdem naht das Ende der Strom-Importe aus Frankreich, die Stromlieferverträge mit "Electricité de France" (EDF) laufen bald aus. Die einzige Lösung sei die Kernenergie. Dem stimmt Peter Hirt (Bild links), Bürgermeister von Döttingen zu: "Da die Lebensdauer der Kernkraftwerke beschränkt ist, muss man sich überlegen, wie die Energie nachher erzeugt werden soll. Die vernünftigste Alternative in Bezug auf die Kosten und Effizienz ist heutzutage die Kernkraft."
Gerade einmal acht Kilometer Luftlinie entfernt, im deutschen Waldshut, scheint die Bevölkerung noch nichts von den Schweizer Plänen zu wissen. Bei den Passanten in der Waldshuter Innenstadt dominiert die Unwissenheit. Doch Bernd Friebe von den Grünen in Waldshut ist bereits seit vielen Jahren besorgt: "Es herrscht die Ruhe vor dem Sturm." Auch Landrat Tilman Bollacher (CDU, Bild rechts) ist dieser Ansicht: "Die Gefahr einer raschen Konkretisierung der Pläne auf administrativer Ebene der Schweiz ist real. Die Kernenergiefrage ist eine schweizerische Bundesangelegenheit. Auf regionaler Ebene gibt es hier keine offiziellen Kontakte oder Gremien. Wir erwarten, dass wir bei der Frage neuer Kernkraftwerke mindestens ebenso einbezogen werden, wie es bei der Endlagersuche der Fall ist."

Eine Erdbebenregion

Axel Mayer (Bild links) vom Trinationalen Atomschutzverband (TRAS) in Freiburg hofft derweil auf die Eidgenossen. "Die Mehrheit der Schweizer lehnt die Atom-Energie ab. Es gibt einige einflussreiche Pro-Atom-Politiker und die Atomkonzerne, die neue Atomkraftwerke wollen. Das ist eine kleine, reiche Minderheit." TRAS hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Region gegen Atomanlagen zu arbeiten und konzentriert sich auf den Widerstand gegen das Atomkraftwerk Fessenheim. "Bei den anstehenden Volksabstimmungen in der Schweiz werden wir uns aber einmischen. Wir werden Inhalte einbringen und auf einer wissenschaftlichen Ebene arbeiten." Auf einen so erfolgreichen Widerstand aus der Bevölkerung wie damals in Wyhl dürfe man nicht hoffen: "Wyhl wird sich nicht wiederholen. Wir
neigen immer ein bisschen dazu, diese alten Konflikte zu glorifizieren. Doch die Durchsetzungsstrategien haben sich geändert. Ein Schweizer Beispiel ist die Kampagne: 'Wir brauchen die Atomenergie wegen der drohenden Klimakatastrophe'. Das ist momentan ein beliebtes Argument für Atomstrom. Seit der Verhinderung der AKW-Standorte Wyhl, Kaiseraugst und Gerstheim hat sich ein neuer Forschungszweig entwickelt: Greenwash. Man sucht neue Durchsetzungsstrategien und gezielt die Akzeptanz in der Bevölkerung." Der Einfluss der Atomindustrie sei nicht zu unterschätzen, warnt Axel Mayer: "Die Spieße in den Abstimmungskämpfen sind ungleich lang, die Industrie hat ganz andere finanzielle Möglichkeiten als die Atom-Gegner. "Soll der Bau neuer AKW verhindert werden, so müsse eines ganz klargestellt werden: Atomstrom sei keine Lösung für den Ausweg aus der Energiekrise. Uranerz ist auch endlich."
13.2.2008,
bund.suedlicher-oberrhein@bund.net


Rekordzahl von Pannen im AKW Beznau

Das bald 40 Jahre alte AKW Beznau musste der Bundes-Atomaufsicht im  letzten Jahr acht «Vorkommnisse» melden, so viele wie kein anderes Werk je zuvor.

2008 hat für die Betreiber der zwei Reaktorblöcke von Beznau nicht besser begonnen als das letzte Jahr aufgehört hat: Mit einer weiteren Panne. Am 31. Januar morgens um sechs Uhr kam es im Reaktorblock II zu einer unvorhergesehenen Schnellabschaltung. Zuvor war die Stromversorgung von mehreren Anzeigeinstrumenten im Haupt-Kommandoraum des AKW ausgefallen. Dadurch fielen auch zur Regelung der Reaktorleistung benötigte Signale aus. Das wiederum führte zu einer automatischen Reduktion der Reaktorleistung. Die Wachmannschaft reduzierte deshalb auch die Turbinenleistung. Weil ihr die dazu notwendigen Anzeigeinformationen fehlten, konnte sie nicht verhindern, dass auch ein automatisches Abblasen von Frischdampf ausgelöst wurde. Um 6.19 Uhr löste die Mannschaft aus Sicherheitsgründen schliesslich manuell eine Schnellabschaltung des Reaktors aus und konnte die Anlage so stabilisieren. Der defekte Anlagenteil wurde lokalisiert und ersetzt. Im Laufe des Nachmittags konnte Reaktor II den Betrieb wieder aufnehmen. Dieser jüngste Zwischenfall in Beznau reiht sich ein in eine Serie von Pannen im Jahr 2007: Von den insgesamt 13 meldepflichtigen «Vorkommnissen» -- so der Fachbegriff -- in den Schweizer Atomkraftwerken, ereigneten sich letztes Jahr 8 allein in Beznau. Das teilte die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) Mitte Januar mit. Noch nie zuvor ist es in einem Schweizer AKW zu einer derartigen Häufung von Pannen gekommen: Bisher hatte Leibstadt mit sechs Vorkommnissen in einem Jahr den unrühmlichen Rekord gehalten.

Vorübergehende Risikoerhöhung
Während sieben der letztjährigen Beznau-Zwischenfälle von der Atomkontrollbehörde als «nicht sicherheitssignifikante Vorkommnisse» eingestuft wurden, klassierte die HSK den vorübergehenden Ausfall eines Notstand-Dieselgenerators im August 2007 auf der internationalen Ereignisskala INES immerhin auf der Stufe 1 als Anomalie, die zu einer vorübergehenden Risikoerhöhung geführt habe. Trotzdem kam die HSK wie in allen Jahren zuvor auch diesmal zum Schluss, dass die nukleare
Sicherheit sowohl in Beznau als auch in den übrigen Werken das ganze Jahr über gewährleistet war.

Zugeknöpfte Atomaufsicht
In ihrem Kurzrückblick auf 2007 nennt die HSK bloss die nackte Zahl der Pannen, ohne Angabe von möglichen Gründen und allenfalls notwendigen Gegenmassnahmen. Auf Anfrage verweist HSK-Mann Georg Schwarz darauf, dass der definitive Bericht zu den Vorkommnissen erst Ende April publiziert und man erst dann genauere Angaben machen werde. Schriftlich antwortet die HSK schliesslich doch auf die vom TA gestellten Fragen. Zu berücksichtigen sei, dass Beznau eine Anlage mit zwei Reaktoren sei, relativiert die Atomaufsicht ihre eigene Statistik. Und aus der Anzahl von Vorkommnissen allein könne weder auf den Zustand der Anlage noch auf eine Verschlechterung der Sicherheit  geschlossen werden. Keines der Ereignisse lasse sich gemäss der bisherigen Beurteilung zudem auf Altersschäden zurückführen. Menschliche Faktoren seien hingegen bei mehreren der Vorkommnisse «mitverursachend» gewesen. Auch dazu werde aber erst der Aufsichtsbericht eine genauere Analyse bringen. Gar nichts mag die HSK zu einer allfällig notwendigen Spezial-Sicherheitskur für Beznau aufgrund der hohen Zahl von Pannen sagen.

Werksleitung nicht beunruhigt
Von der Verschwiegenheit der Bundes-Atomaufsicht unterscheidet sich angenehm die Beznau-Werksleitung. «Tatsächlich hatten wir im letzten Jahr mehr Ereignisse als sonst», sagt Josef Schib, Leiter der Kommunikation in Beznau. «Das beunruhigt uns aber nicht speziell». Die Anzahl der Ereignisse schwanke von Jahr zu Jahr. Und die intern gesetzten Sicherheitsziele seien im letzten Jahr eingehalten worden. Bei der Sicherheitskultur liege jedenfalls nichts im Argen, beteuert Schib. Beznau habe wie Leibstadt seit rund zwei Jahren einen speziellen Sicherheitsverantwortlichen, der auf allen Stufen aktiv sei. «Weitere organisatorische Massnahmen erachten wir deshalb als unnötig». Ob das Alter der Anlage schuld sei an der auffälligen Zunahme der Pannen, sei unklar: Interne Abklärungen hätten zu keinem eindeutigen Schluss geführt, sagt Schib. In zwei bis drei Fällen sei dies aber wohl
der Fall gewesen, meint er in Abweichung von der HSK-Einschätzung. Besorgt reagiert Greenpeace-Atomfachmann Leo Scherer auf die Beznauer Pannenserie. Im Alt-AKW der Axpo im unteren Aaretal sei in den letzten Jahren rund um den eigentlichen Reaktorkern zwar sehr viel nachgerüstet worden und man rühme sich deshalb gerne, wie modern die Anlage sei. Gerade das schaffe aber möglicherweise Probleme. «Zudem ist Beznau inzwischen punkto AKW-Lebensdauer eine eigentliche Testanlage», sagt
Scherer. Weltweit gebe es nämlich kein älteres, noch aktives Werk. In Spanien und im deutschen Obrigheim seien vergleichbare Reaktoren abgeschaltet worden. «Speziell in der Materialtechnik fehlen deshalb schlicht Erfahrungen zur Lebensdauer von Komponenten. Man wiegt sich da
in einer völlig falschen Sicherheit», warnt Scherer.

Felix Maise, 7.2.2008, Tagesanzeiger
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/839837.html


Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet in seiner gestrigen Ausgabe über eine Rekordzahl von Pannen im AKW Beznau. Hier zeigt sich auch eine zielgerichtet veränderte Kommunikation. Langfristig geht es darum Akzeptanz für ein neues AKW in Beznau zu schaffen. Wurden bisher Probleme und Störfälle des AKW Beznau eher "unter der Decke" gehalten so werden diese jetzt "besser" kommuniziert. Doch alte und neue AKW sind gefährlich.
Axel Mayer / BUND Geschäftsführer, 8.2.2008




Atomkraft: Horrende Folgekosten für den Rückbau

Für den Rückbau der vermeintlich preisgünstigen AKW-Anlagen müssen die Steuerzahler Milliarden aufbringen / Mehrkosten für einen WAK-Rückbau übersteigen Fördermittel des Bundes für den Hochschulpakt

Dem deutschen Steuerzahler wird aller Voraussicht nach eine weniger erfreuliche Rechnung präsentiert. In der vergangenen Woche musste das Bundesministerium für Bildung und Forschung einem Antrag des Haushaltsausschusses entsprechen und eine neue Projektkostenschätzung  für den Rückbau der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (13) abgeben. Die WAK ist seit Ende 1991 außer Betrieb und erfordert insbesondere die Verglasung und Entsorgung hochradioaktiver Flüssigabfälle. Nach den neuesten Berechnungen werden die notwendigen Aufwendungen mindestens 2,17 Milliarden Euro betragen und die ursprünglichen Annahmen um mehr als das Doppelte übersteigen. Allein in dieser Legislaturperiode wurde die Kostenplanung erst um 562,1 Millionen Euro (Februar 2006) und nun noch einmal um 239 Millionen Euro aufgestockt, wobei die Kosten für die Endlagerung in den bisherigen Zahlenspielen nicht enthalten sind. Der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss, Klaus Hagemann, und Jörg Tauss, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, wiesen in einer gemeinsamen Stellungnahme (14) darauf hin, dass die Kostensteigerungen von rund 800 Millionen Euro in dieser Legislaturperiode bereits die Summe übersteigen, die der Bund im Hochschulpakt an Fördermitteln für den Kapazitätsausbau und für die Studienanfänger zugesagt hat. Die grüne Bundestagsabgeordnete Anna Lührmann hatte freilich schon vor zwei Jahren ein "vollständiges Konzept mit einer Kostenschätzung für den Rückbau der Anlage" gefordert (15). Erst wenn ein solches vorliege, könne man entscheiden, "in welchem zeitlichen Rahmen, in welcher Höhe und zu welchen Bedingungen der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe eine Zusage auf institutionelle Förderung gegeben werden kann".

Kostenfalle Kernenergie
Karlsruhe ist nur ein Beispiel von vielen. In ganz Europa stehen mehrere Dutzend Anlagen vor der Abschaltung und das nicht nur in Ländern, die den Ausstieg bereits beschlossen haben. Die meisten müssen aus Altersgründen deaktiviert und möglichst umweltfreundlich und kostensparend zurückgebaut werden. Die österreichische Umweltschutzorganisation "Global 2000"' schätzt die Kosten für diese Maßnahmen auf 500 Milliarden Euro (16), und bislang ist keineswegs klar, dass das Verursacherprinzip "Polluter pays" europaweit greifen wird. Vielerorts scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein von den Betreibergesellschaften wurden entweder überhaupt keine Rücklagen gebildet oder bereits anderweitig verwendet, so dass die horrenden Folgekosten der Kernenergie nun vom Steuerzahler beglichen werden müssen, wenn sie nicht ohnehin schon über den Strompreis an die Verbraucher weitergegeben werden.

In den Betreiberländern decken die Rückstellungen für den Abbau und die Lagerung radioaktiven Materials - wenn überhaupt angelegt - oft nur einen Bruchteil der zu erwartenden Kosten. In der Slowakei werden z.B. die bisher 400 Mio. Kosten für die Stilllegung des AKW Bohunice nun
durch einen Aufschlag auf den Strompreis direkt an die Verbraucher weitergegeben. In Großbritannien brauchte die finanziell angeschlagene Betreibergesellschaft die für den Rückbau von Atomkraftwerken an sie gezahlten staatlichen Subventionen vor ihrem Konkurs selbst auf.

Dass der Strompreis in der Slowakei gestiegen und die Europäische Union mit mehreren hundert Millionen Euro am Rückbau des von Experten als hochgefährlich eingestuften Atomkraftwerks Bohunice (17) beteiligt ist, hat auch damit zu tun, dass es vor Ort lange Zeit an vorausschauenden Regelungen fehlte und die nationale Atomindustrie erst seit Mitte der 90er Jahre entsprechende finanzielle Rücklagen bildet (18). Höchst problematisch sieht die Situation auch im Kernkraftwerk Krsko (19) aus, für das Slowenien und Kroatien die gemeinsame Verantwortung übernommen haben. Nach Einschätzung der EU-Kommission, die vor kurzem ihren Zweiten Bericht über die Verwendung der finanziellen Ressourcen für die Stilllegung kerntechnischer Einrichtungen und die Entsorgung
abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (20) vorgelegt hat, fehlen hier die ausreichenden Mittel, weil in Kroatien kein entsprechender Fond existiert. Die mahnenden Worte der Kommission
bleiben allerdings die Ausnahme grundsätzlich scheint in Brüssel wie so oft das Prinzip Hoffnung zu regieren. In vielen Fällen wurde kein eigener Fonds eingerichtet, man geht jedoch grundsätzlich davon aus, dass Barmittel bereitgestellt werden, sobald dies erforderlich ist.
Bericht der EU-Kommission vom 12. Dezember 2007
Telepolis, 23.01.2008, Kompletten Beitrag auf www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27122/1.html lesen

 

Weber ist nicht up-todate in der Atomfrage

Gekürzte Fassung:
Sicher ist Professor Eicke Weber ein hervorragender Solarforscher. Aber nach vieljährigem Wirken in den USA erscheint er nicht up-to-date zum Atomenergie-Ausstieg.

Das ist nicht nur ein Zukunftsbild der Bundesregierung, sondern ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz und ein Vertrag der Bundesregierung mit den Atomkraftbetreibern, die dabei von der Bundesregierung überreichlich "beschenkt" wurden. Deutschland ist keineswegs allein beim Atomenergieausstieg. Verschiedenartige Beschlüsse haben auch Italien, Österreich, Belgien, die Niederlande, Spanien , Schweden und Slowenien. In Dänemark kam es nach einer Volkskampagne 1979 erst gar nicht zum Atomkraft-Bau. Atomenergieausstieg, Klimaschutz und starke Energieeinsparung sind Aufgaben, die alle gelöst werden müssen. Denn was nützt es, wenn Deutschland zum Klimaschutz beiträgt, aber wir durch einen Atomkraftunfall Gesundheit, Kinder, Heimat und Existenz verlieren? Darum müssen Regierung und Parlamente den Atomkraftausstieg unverzüglich durchführen. Ihn zu verzögern, wie Professor Weber und die Landesregierung es vorschlagen, widerspricht den Überlebensinteressen der Bevölkerung., Es ist auch für >Deutschland seit Jahren wissenschaftlich belegt, dass bei sachgerechter Politik die Ziele Atomenergieausstieg, Klimaschutzziele und Ressourcenschonung als Paket volkswirtschaftlich erreichbar sind. Zentrale Stromversorgung mit Atomkraft ist dagegen extrem ineffizient und behindert die Energiewende zu einer effizienten dezentralen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien.
27.1.2008 in www.der-sonntag.de
Georg Löser, Vorsitzender Ecotronova,
Björn Slawik, Geschäftsführer Fesa
Erhard Schulz, Sprecherkreis der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen

Ursprüngliche Fassung:
Sicher ist Prof. Eicke Weber ein ganz hervorragender Solarforscher. Aber nach seinem vieljährigen Wirken in den USA ist er nicht up-to-date zum Atomenergie-Ausstieg.
Erstens:
Der deutsche Atomenergieausstieg ist nicht nur ein Szenarium (Zukunftsbild) der Bundesregierung, sondern ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz und ein Vertrag der Bundesregierung mit Atomkraftbetreibern (so genannter Atomkonsens), die dabei von der Regierung überreichlich "beschenkt" wurden (www.bmu.de/atomenergie/ausstieg_atomenergie/doc/20244.php): Viel zu langsamer Ausstieg im Vergleich zu den Risiken der Atomkraft für die Bevölkerung, Verzicht auf angemessene Haftpflicht für den Fall eines schweren Unfalls (die größte Subvention in Deutschland), Verzicht auf bare Hinterlegung und Versteuerung der Milliarden-Rücklagen für den Atomkraft-Abbau (eine Milliardensubvention), Verzicht der Nachrüstung auf den heutigen Stand der Technik (erspart Investitions-Milliarden und schafft Riesengewinne der Betreiber zu Lasten des Atomrisikos für die Allgemeinheit), politische Rückendeckung für den befristeten Weiterbetrieb mit großen garantierten Atomstrommengen.

Zweitens:
Deutschlands ist keineswegs allein beim Atomenergieausstieg, es wird aber am meisten beachtet. Verschiedenartige schnelle oder langsame Ausstiegsbeschlüsse haben auch Italien (1986), Österreich (dort jeweils vollzogen nach Volksabstimmungen), Belgien, die Niederlande, Spanien, Schweden, Slowenien. In Dänemark kam es nach einer Volksbewegung 1979 gar nicht erst zum Atomkraft-Bau, stattdessen zur ersten Blüte der Windenergie und Kraftwärmekopplung. Selbst in Frankreich besteht laut Umfragen des Industrieministeriums, von Le Monde und EU-Barometer seit einigen Jahren eine Bevölkerungs-Mehrheit, die Atomkraft zu verlassen oder wenigstens zu verringern. Nur 9 von 27 EU-Staaten haben bisher keine Atomausstiegspolitik. Dass Stromkonzerne in einigen Staaten bei liberalisiertem Strommarkt die Ausstiegs-Politik durch Importe unterlaufen, tut dem nur teilweise Abbruch.

Drittens:
Der Atomenergieausstieg, der Klimaschutz sowie die starke Energieressourceneinsparung sind Aufgaben, die alle drei gelöst werden müssen. Denn was nützt es, wenn Deutschland zum weltweiten Klimaschutz viel beiträgt, aber wir derweil oder später durch einen großen Atomkraftunfall Gesundheit oder Leben, gesunde Kinder, Lebensgrundlagen, Heimat und Existenz verlieren, sei es durch Atomkraftwerke in F-Fessenheim, CH-Leibstadt oder D-Philippsburg oder anderswo. Solche Unfälle sind laut deutscher und französischer Regierungsstudien jederzeit möglich. Sie können sich hierzulande sehr viel schlimmer als die Atomkatastrophe bei Tschernobyl auswirken (u.a. Prognos-Studie für das Bundeswirtschaftsministerium). Darum müssen Regierungen und Parlamente, verpflichtet möglichen Schaden vom Volke abwenden, den Atomenergie-Ausstieg unverzüglich durchführen. Ihn zu verzögern wie Prof. Weber und die Landesregierung es vorschlagen, widerspricht dem Sinn des Grundgesetzes und den Überlebensinteressen der Bevölkerung.

Viertens:
Es ist auch für Deutschland durch unabhängige seriöse Studien seit Jahren immer wieder wissenschaftlich belegt, dass bei sachgerechter Politik ein zügiger Atomenergieausstieg, hohe Klimaschutzziele und Ressourcenschonung als Paket gut und vor allem volkswirtschaftlich vorteilhaft erreichbar sind: so das Öko-Institut, Greenpeace, das Wuppertal-Institut oder die Leitstudie 2007 des ebenfalls angesehenen DLR für das Bundesumweltministerium (www.erneuerbare-energien.de/inhalt/38787/20049/). Gemeinsam sind allen die drei Maßnahmen-Säulen, Kraftwärmekopplung und effiziente Energienutzung, Energieeinsparung sowie die erneuerbaren Energien. Das sind übrigens seit Mitte der 80er Jahre die Säulen der Freiburger Energiepolitik, die der Umweltverbände schon Jahre früher! Zentrale Stromversorgung mit Atomkraft ist extrem ineffizient und behindert die Energiewende zu einer effizienten dezentralen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien.

Fünftens:
Überdies haben die Regierungen und Parlamentsmehrheiten den Stromkonzernen dank zu schwacher Regulierung seit Jahren übergroße Milliarden-Gewinne und -Subventionen (s.o.) zukommen lassen, Die Konzerne hatten schon seit jeher aus Steuer- und Kundengeldern und Subventionen genügend Milliarden, eine weitgehende Versorgung etwa Deutschlands mit erneuerbaren Energien voranzutreiben. Sie verweigerten sich bisher bis auf Nebeneffekte oder Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Aber wie Prof. Weber und das Land es vorschlagen, die erneuerbaren Energien von den Stromkonzernen "füttern" zu lassen, kann eine Vereinnahmung durch den wichtigsten Gegner der erneuerbaren Energien bedeuten; durch die Atomstromkonzerne.

27.1.2008
Georg Löser, Vorsitzender Ecotronova,
Björn Slawik, Geschäftsführer Fesa
Erhard Schulz, Sprecherkreis der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen


 

Solarforscher Eicke Weber vom ISE Freiburg: Kernkraft keine Lösung

Noch matt vom Jubiläumsstress will die Uni Freiburg neue Kraft schöpfen und am Dienstag ein "Zentrum für Erneuerbare Energien (ZEE)" eröffnen. Mit dabei: Landesumweltministerin Gönner und die ZEE-Kooperationspartner, darunter die Hochschule Offenburg, das Ökoinstitut und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Mit dessen Direktor, Professor Eicke Weber (57), sprach Stefan Hupka.

BZ: Herr Weber, das Zentrum hat die Uni bereits 2007 bekanntgemacht. Ist der Festakt bloß die nachgeholte Taufe?
Weber: Bislang gab es das Zentrum ja nur virtuell. Insofern ist die Taufe jetzt schon richtig datiert. Nun aber muss das Zentrum mit Leben und Arbeit beginnen.
BZ: Sind alle ZEE-Partner gleichberechtigt, oder ist das mehr eine Abteilung der Universität Freiburg mit einigen illustren Gästen?
Weber: Gewiss ist es zunächst eine Institution an der Universität Freiburg und wurde gegründet, um dort Forschung und Lehre zu erneuerbaren Energien zu stärken und zu koordinieren. Das Fächerspektrum reicht von der Physik über die Ingenieurwissenschaften bis zu den Forst- und Umweltwissenschaften. Sie arbeiten künftig in der Frage, wie stellt man eine Industriegesellschaft auf erneuerbare Energien um, untereinander und mit den Partnern zusammen.
BZ: Was kann man da lernen?
Weber: Zum Beispiel "Renewable Energy Management" — also die Frage: welche neuen Aufgaben kommen auf Politik, Wirtschaft und Verwaltung bei dieser gravierenden Umstellung zu? Natürlich wird es auch Kurse zur Technologie der erneuerbaren Energien geben.
BZ: Was soll das Zentrum leisten?
Weber: Freiburg hat sich ja schon lange profiliert als Solarstadt, Solar-Uni und so weiter. Wenn man aber mal genau hinschaut, war das Lehr- und Forschungsangebot dazu an der Uni bisher relativ bescheiden. Das Zentrum ist also unerlässlich, um auch nach außen hin zu dokumentieren: Hier in Freiburg gibt es ein wichtiges Lehr- und Forschungsangebot zur Zukunft der Menschheit.

BZ: Ein Teil der erneuerbaren Energien ist in Misskredit wegen Nebenwirkungen: Energiepflanzen und Biosprit. Schadet das dem Gedanken insgesamt?
Weber: Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet. Man wird aber solche Nebenwirkungen auf Ökologie und Nahrungsmittelpreise sehr genau beobachten und, wo nötig, korrigieren müssen. Grundsätzlich: Wenn wir unsere Energieversorgung bis 2050 oder 2100 ganz auf erneuerbare Energien umstellen wollen — und das müssen wir! — dann gibt es keine andere Quelle als die Solarenergie. Ich habe überhaupt nichts gegen Wind und Gezeiten, Erdwärme oder Biogas. Aber die damit herstellbaren Mengen reichen nicht, um den Energiebedarf der Welt zu decken.
BZ: Sehen Sie Ihr eigenes Fachgebiet da nicht zu sonnig?
Weber: Ich nenne mal ein paar Zahlen: Die gesamte auf das Festland der Erde eintreffende Sonnenenergie entspricht einer Leistung von 120 000 Terawatt (1 Terawatt = 1 Milliarde Kilowatt, d. Red.). Der Energieverbrauch der Menschheit heute beträgt 13 Terawatt, im Jahre 2020 wird er auf 20 Terawatt steigen. Das ist viel — aber vernachlässigbar im Vergleich zu dem, was die Sonne uns zur Verfügung stellt. Deshalb bleibt uns gar nichts übrig als die direkte Nutzung der Solarenergie, als Photovoltaik oder Solarthermie.
BZ: Es gibt unter dem Vorwand Klimaschutz eine neue Begeisterung für die Atomkraft in Europa, auch in Teilen der deutschen Öffentlichkeit. Ist auch das Atomzeitalter aus Ihrer Sicht erneuerbar?
Weber: Ein heißes Thema, aber ich will mich nicht drücken. Zunächst: Die Kernkraft wird keine Lösung des Weltenergieproblems sein. Sonst müssten wir hundert neue Kernkraftwerke bauen, haben aber keine Ahnung, wohin der Abfall soll. Auch die Uranvorräte der Erde wären schnell erschöpft. Deswegen bin ich auch gegen den Neubau solcher Kraftwerke.
BZ: Auch gegen längere Laufzeiten?
Weber: Nein. Tatsache ist, dass jeder Franzose nur sechs Tonnen CO pro Jahr produziert, jeder Deutsche aber elf — weil Frankreich 80 Prozent seines Strombedarf mit Kernkraft deckt, wir dagegen viel mit Stein- und Braunkohle. Deshalb würde ich, wenn es ans Abschalten sicherer Kraftwerke geht, lieber erst Kohlekraftwerke abschalten. Langfristig aber ist auch die Kernkraft eine Sackgasse.
25.12.2008, BZ


 

Atomlobby hat neues Greenwash-Baby: Laufzeitverkürzung

Sprache ist Macht. Die langsame, harmlos erscheinende Veränderung der Begriffe hat Georg Orwell in seiner "Schönen Neuen Welt" beschrieben und die "Besetzung" der Begriffe ist auch eine langjährige Praxis der Greenwash- und Propagandamaschine der Atomindustrie.

Im Zeitalter der "Entsorgungsparks", wo viele Wikipedia-Seiten von der Atomlobby beeinflusst werden und der AKW-Schornstein zur Abgabe von Radioaktivität verharmlosend "Abluftkamin" genannt wird, wo Katastrophenschutzpläne jetzt Notfallschutzpläne heißen und im Notfallschutzplan die Katastrophe zum "Ereignis" wird, in dieser Zeit gibt es jetzt eine schöne, kleine neue Wortschöpfung der Grünwäscher.
Der Konflikt um den "Atomausstieg" wurde bisher stets als Auseinandersetzung um die Laufzeitverlängerung diskutiert. Mehr als 100 Reaktoren weltweit wurden bisher stillgelegt, bei einer durchschnittliche Laufzeit von etwa 25 Jahren. Die "Regellaufzeit" der bestehenden Atomkraftwerke in Deutschland wurde durch den Ausstiegsbeschluss auf durchschnittlich 32 Jahre seit Inbetriebnahme festgelegt. Jetzt hat die Atomindustrie ihren Lobbyisten ein neues, besser klingendes Wort in den Mund gelegt: Der Atomlobbyist und baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) nennt seinen Kampf für eine längere Laufzeit der AKW jetzt ein "Bekenntnis zur weiteren Nutzung der Kernenergie und damit zur Aufhebung der Laufzeitverkürzung" (u.a. BZ 22.1.2007). Wenn der TÜV ein altes Auto aus dem Verkehr zieht, dann wäre das jetzt auch eine "Laufzeitverkürzung". Das neue Baby der Atomlobby, der geschickt gewählte Begriff "Laufzeitverkürzung" (bisher erst 116 Google-Einträge für "Laufzeitverkürzung Akw") wird sicher Karriere machen, denn beim Streit um Begrifflichkeiten geht es um Geld, um viel Geld. Statt Atomkraft sprechen wir ja auch schon von Kernkraft und statt Entgiftung sagen wir Dekontamination. Die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken bringt uns allen viele Risiken,
den Atomkonzernen dagegen viel Geld: Die Heinrich-Böll-Stiftung hat die satten Gewinne berechnet, welche die Triebfeder der Atomlobby sind: "Für die älteren - und in den nächsten Jahren zur Stilllegung anstehenden - Atomkraftwerke ergeben sich "Zusatz"erträge von durchschnittlich 200 bis 300 Mio. Euro jährlich, für die neueren Anlagen summieren sich die jährlichen Zusatzerträge auf 300 bis 400 Mio. Euro. Über alle (aktuell noch betriebenen) Atomkraftwerke und alle Betreiber summieren sich diese Zusatzerträge für jeweils ein Jahr Laufzeitverlängerungen auf ein Gesamtvolumen von 4,6 bis 6,2 Mrd Euro."  Kein Wunder, dass die RWE sich über Herrn Clement in den hessischen Wahlkampf einmischt und dass die Landesregierung von Baden Württemberg die EnBW-Wünsche umsetzt. Und Sprache ist Macht.
24.1.2008, Axel Mayer / BUND Geschäftsführer

mehr Infos Greenwash:
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/idx-greenwash.html


Katastrophaler französischen Uranbergbau in Niger/Nordafrika

Volk der Tuareg im Niger leidet unter Uranabbau französischer Bergbaufirma / Tuareg Almoustapha Alhacen berichtet am 25. Januar in Weisweil

Die Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen und die Vereinigung MENSCHENRECHTE 3000 e.V. laden am Freitag, den 25. Januar, 20.00 Uhr, in den Bürgersaal im Rathauses der Rheingemeinde 79367 Weisweil/Rhein (Kreis Emmendingen) zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung über das totgeschwiegene Thema über den gesundheits- und Umweltgefährdenden Uranabbau in Nordafrika ein.
Almoustapha Alhacen, Vertreter des Tuareg-Volkes und der Umweltorganisation Aghiri'Man aus Niger/Nordafrika wird über katastrophalen Uranbergbau der französisch-staatlichen Uranabbaufirma AREVA (früher COGEMA) berichten. Ein totgeschwiegenes Thema soll mit dieser Veranstaltung in das öffentliche Bewusstsein gebracht werden, denn die Atomenergienutzung in Europa hinterlässt schon beim Uranbergbau irreversible Schäden.

Uran wird also nicht nur auf dem Land der Indianer oder Aborigines in Australien, sondern auch in Afrika wie z.B. in Niger am Südrand der Sahara abgebaut und führt zu gravierenden Gesundheitsschäden bei den Naturvölkern. In der Region Arlit in Niger/Nordafrika ist französische Bergbaufirma AREVA mit zwei Tochtergesellschaften tätig. Niger ist inzwischen zur drittgrößten Uranproduzenten der Welt aufgestiegen. Wenn es nach dem Willen der nigrischen Regierung geht dann soll der Uranabbau in den nächsten Jahren durch die Erschließung neuer Vorkommen verdoppelt oder gar verdreifacht werden. Der Staatshaushalt finanziert sich schon jetzt zu einem Drittel durch Einnahmen aus dem Uranbergbau.
Die Umwelt- und Gesundheitsschäden, welche durch den Uranabbau verursacht werden sind enorm - aber werden kaum untersucht! Die lokale Bevölkerung sind Tuareg, die in Niger sowieso schon marginalisiert werden.
Die französische wissenschaftliche Umweltinstitution CRIIRad hat vor 2 Jahren eine Untersuchung in der Umgebung der Uranbergwerke von Arlit durchgeführt und dabei eine radioaktive Belastung des Trinkwassers in Höhe des 7 - 110-fachen Wertes des von der WHO festgelegten Grenzwertes gemessen! Die Atemluft ist belastet durch den radioaktiven Staub, welcher in der extrem ariden Region der Süd-Sahara  vom Wind weit verweht wird. Eine Abdeckung der Uranabfallhalden existiert nicht! Der Vortrag erfolgt in französisch und wird in deutsche Sprache übersetzt.
23.1.2008 

Erhard Schulz, Mitglied im Sprecherkreis der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen
Kandelstrasse 51, 79312 Emmendingen, Tel 07641-41252, E-mail: erhard-schulz ät t-online.de


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