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Blick nach Süden übers dunstige Sitzenkirch zu den Alpen am 1.12.2006

 

 

Blick vom Hochblauen nach Süden übers dunstige Sitzenkirch zu den Alpen am 1.12.2006

   

 

Tilidin - die legale Modedroge macht schnell abhängig

Tilidin enthemmt, macht glücklich, ist sexuell anregend - und gilt als "Schlägerdroge"

Tilidin schaltet Schmerz und Angst aus, macht glücklich und wirkt erotisierend -das legale Medikament ist unter Jugendlichen zur Modedroge geworden. Die Gefahren und das Ausmaß der Verbreitung würden unterschätzt, warnen Experten. Als ganz legales Mittel gegen Schmerzen steht Tilidin in vielen Arzneischränkchen der Republik. Unter dem Handelsnamen "Valoron" ist der Stoff einfach auf Rezept zu bekommen. Auf den Straßen von Neukölln oder Kreuzberg hat "Tilly" aber einen ganz anderen Klang: Die Flüssigkeit in kleinen braunen Fläschchen soll die Tür öffnen zu einer Welt, in der das Leben ein bisschen leichter ist als in Wirklichkeit. Von Angstfreiheit, Glücksgefühlen und Enthemmung berichten Konsumenten, von langen Nächten mit ausdauerndem Sex. In der Szene zählen auch noch andere Vorteile - der Stoff ist vergleichsweise billig, er lässt sich in Tropfenform unkompliziert konsumieren, und er fällt nicht unters Betäubungsmittelgesetz. Natürlich ist die Wahrheit über Tilidin eine andere: Das synthetische Opioid macht schnell körperlich und psychisch abhängig. Sucht und Entzug gleichen denen eines Heroinabhängigen. Die Abhängigen zittern, werden von Krampfanfällen geschüttelt, leiden unter Depression und Ängsten und der typischen, verzehrenden Opiat-Gier. Fachleute wie der Präventionsexperte des Berliner Vereins Gangway, Jürgen Schaffranek, beobachten den Konsum von Tilidin etwa seit 2002. Zuerst tauchte der Stoff vor allem unter jungen, männlichen Migranten auf, von denen etliche auch einschlägige kriminelle Karrieren hatten. Wegen der eingegrenzten Konsumentengruppe und der schmerzmindernden Wirkung war bald das Klischee einer "Schlägerdroge" geboren, die von kriminellen Gangmitgliedern vor Prügeleien und Raubzügen eingenommen werde. Aus Polizeikreisen hört man bisweilen, dass die kriminelle Klientel auf Tilidin besonders gewaltbereit sei. Schaffranek sagt jedoch: "Niemand nimmt Tilidin, um sich zu prügeln oder Straftaten zu begehen." Seine Klientel berichtet eher von der sehr entspannenden Wirkung und von der attraktiven Aussicht der sexuellen Stimulation. "Es ist eher so, dass unter den sozial benachteiligten männlichen Jugendlichen auf der Straße eben der Migrantenanteil und der Anteil an Delinquenten hoch ist." Wahr sei allerdings, dass Konsumenten nicht selten leichter reizbar würden. Schaffranek widerspricht auch der Deutung, dass Tilidin vor allem von muslimischen Jugendlichen eingenommen werde, da es im Unterschied zu anderen Drogen keine religiösen Vorbehalte gegen einen Stoff gebe, der ja eigentlich ein richtiges Medikament sei. Im Ostteil der Stadt werde der Stoff von jugendlichen Migranten aus Russland ebenso eingenommen wie von den Arabern und Türken in Kreuzberg. "Religion spielt hier weniger eine Rolle als die leichte Verfügbarkeit." Außerdem lasse sich der Konsum leicht verbergen. "Die Jugendlichen füllen die Tropfen einfach unbemerkt in eine Wasserflasche um und bunkern so ihren Wochenvorrat." Tilidin scheint eine Droge für Arme zu sein. Dazu kommt ein Aufklärungsdefizit: "Viele Jugendliche denken, das kann ja nicht gefährlich sein, wenn man es so ganz normal in der Apotheke kaufen kann." Die Schwelle, das Mittel zu probieren liege für viele noch unterhalb der für Haschisch. Beschafft wird Tilidin über gefälschte Rezepte. Aber auch der illegale Handel auf der Straße scheint zuzunehmen. Statistisch gibt es keine Erhebungen zum Ausmaß des Tilidinmissbrauchs. "Aber es hat sich ausgeweitet und ist lange unterschätzt worden" , sagt der Experte. In Berlin wurden in den vergangenen beiden Jahren jeweils 2000 gefälschte Rezepte entdeckt. Andere Länder erfassen diese Fälschungen gar nicht statistisch. Da die Berliner Apotheken inzwischen sensibilisiert sind, weichen User in andere Bundesländer aus. Auch in Baden-Württemberg sind schon falsche Rezepte aufgetaucht. Alarmiert reagierte die Berliner Justizverwaltung auf ein kürzlich vorgenommenes Drogenscreening im Jugendgefängnis Plötzensee. 25 Prozent der positiven Tests entfielen auf Tilidin - getestet wurden Jugendliche beim Eintritt in die Anstalt. In Berlin wird nun eine Bundesratsinitiative erwogen, damit die Droge in Zukunft unters Betäubungsmittelgesetz fällt. Rezepte für entsprechende Medikamente sind numeriert, farbig und damit fälschungssicherer. Auch erhofft man sich von so einem Schritt, dass die Hemmschwelle für den Missbrauch steige. Schaffranek ist da skeptisch: "Das Betäubungsmittelgesetz hat noch niemanden vom Drogenkonsum abgehalten."
20.9.2008, www.rnz.de

 

 

WHO-Studie zu Alkohol, Cannabis, Kokain

Drogenkonsum und Drogenpolitik beeinflussen sich kaum - die meisten Kokain-Konsumenten kommen ausgerechnet aus den USA, dem Land, das am schärfsten gegen dieses Suchtmittel vorgeht

Was haben die Bewohner so verschiedenartiger Länder wie Kolumbien, Mexiko, USA, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Ukraine, Israel, Libanon, Nigeria, Südafrika, Japan, China und Neuseeland gemeinsam? Dass sie mehr oder weniger oft zu Suchtmitteln greifen. Eine Untersuchung im Rahmen der WHO hat jetzt über 85000 Menschen in diesen Ländern nach ihren diesbezüglichen Gewohnheiten befragt - mit interessanten Ergebnissen, die im Fachmagazin PloS Medicine nachzulesen sind. Als Suchtmittel haben die Forscher dabei speziell Tabak, Alkohol, Cannabis (in Form von Marihuana oder Haschisch) und Kokain abgefragt - zweifellos eine repräsentative Auswahl.

Volksdroge Alkohol
Die Droge Alkohol ist vor allem in den westlichen Ländern vorherrschend. Deutlich über 90 Prozent der Befragten haben hier schon Alkohol konsumiert - Spitzenreiter ist dabei die Ukraine mit 97 Prozent. Im Mittleren Osten, Afrika und China liegt der Alkoholkonsum hingegen deutlich niedriger - wohl ein kulturelles Phänomen.  In Südafrika gehören sogar nur zwei von fünf Befragten zu den Alkohol-Konsumenten. Die ersten Alkoholdosen schluckten die Befragten im Mittel im Alter von 16 bis 19 Jahren. In Deutschland, wo in manchen Gegenden Bier als vollwertige Mahlzeit gilt, hatten allerdings mit 15 Jahren schon vier von fünf Menschen Alkohol konsumiert, das ist weltweiter Rekord.

Tabak vom Marlboro-Mann
Der Marlboro-Mann hat noch immer in den USA seine Heimat - fast drei Viertel der hier Befragten haben Tabak schon in irgendeiner Form geraucht. Anderswo liegt der Prozentsatz meist um die 50. Lediglich Nigeria fällt mit rund 16 Prozent deutlich aus dem Raster.

Verbotene Frucht Cannabis
Was reizt wohl mehr - die verbotene Frucht oder die Auslage im Coffeeshop? Vertraut man den Zahlen der WHO-Forscher, muss die These von der verbotenen, besonders süßen Frucht etwas für sich haben. In den USA haben jedenfalls über 40 Prozent der Befragten schon Cannabis zu sich genommen - in den weit liberaleren Niederlanden nur halb so viele.  Ansonsten muss man sich den Cannabis-Konsum anscheinend auch leisten können - in den westlichen Staaten liegt er jedenfalls deutlich höher als in Entwicklungsländern. Deutschland etwa liegt hinter den USA, Neuseeland, den Niederlanden und Frankreich auf dem fünften Platz.

Harter Stoff
Der Stoff, dem ein braunes Brausegetränk seinen Namen verdankt, besitzt ein hohes Abhängigkeits-Potenzial - und wird denn auch von den in der Studie Befragten weit seltener genutzt. Einsam an der Spitze stehen hier mit 16 Prozent die USA - selbst in Kolumbien als einem der Haupt-Erzeugerländer konsumieren mit vier Prozent deutlich weniger Menschen die Rauschdroge. In Spanien liegt die Quote ungefähr so hoch wie in Kolumbien - das scheint Transportwege abzubilden. Ansonsten ist der Anteil der Konsumenten weltweit deutlich niedriger.

Generell, das gilt für alle hier behandelten Drogen, sinkt das Risiko des Neueinstiegs mit dem Alter - 30 scheint hier ein kritisches Alter zu sein, danach ist der Mensch offenbar zumindest in Bezug auf Drogen "aus dem Gröbsten heraus". Ebenso generell holen Frauen in Bezug auf Drogen weltweit auf - nur für Kokain gilt das nicht so uneingeschränkt. Eine Ausnahme bildet auch der Alkohol: zumindest in Europa gibt es dafür kaum geschlechtsspezifische Unterschiede. Eine interessante Tatsache am Rande: Unverheiratete und nicht mehr verheiratete Männer nutzen Drogen jeder Art mit höherer Wahrscheinlichkeit. Der im Sinne der Statistik perfekte Drogenkonsument ist demnach ein jüngerer, geschiedener Mann mit hohem Einkommen. Ist er gebildet, säuft er - als Volksschul-Absolvent hingegen raucht er eher.
www.telepolis.de , 7.7.2008


 

Realize it: Kiffer werden in kleinen Schritten clean

"Realize it" heißt das neue Programm, das die Suchtberatungsstellen von "Kobra" im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und die Drogenhilfe Freiburg vor kurzem gemeinsam gestartet haben. Mit diesem Projekt soll der steigenden Zahl von drogenabhängigen Menschen, die Cannabis konsumieren, geholfen werden.

Die meisten jungen Menschen, die kiffen, tun es nach Angaben der Suchtberater nur gelegentlich und sie hören nach einer gewissen Zeit wieder damit auf. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder fünfte Cannabiskonsument täglich kifft. Und ein Teil dieser Dauerkonsumenten entwickelt eine psychische Abhängigkeit von Cannabis. "Ein Viertel unserer Hilfesuchenden kommt, weil sie große Probleme mit dem Cannabiskonsum haben", sagt Jeanette Piram, Leiterin der Drogenhilfe Freiburg. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene gehören zu der Gruppe von Abhängigen, die fast täglich Haschisch rauchen. Für sie gibt es jetzt neue Hoffnung, möglichst schnell von der Droge loszukommen.
Wie funktioniert das neue Beratungsprogramm "Realize it" ? Das Programm umfasst fünf Einzelsitzungen und eine Gruppensitzung, die innerhalb von nur zehn Wochen abgehalten werden. Der Vorteil für die Hilfesuchenden: Schon nach etwas mehr als zwei Monaten ist die Behandlung abgeschlossen und der bisher Abhängige kann seinen Konsum deutlich reduzieren oder im besten Fall ganz einstellen. Voraussetzung ist, dass der Betreffende sich während dieser Zeit selbst ganz genau beobachtet. Mit Hilfe eines "Konsumtagebuchs" , einem Handbuch, das er gleich beim ersten Treffen erhält, bekommt er durch regelmäßiges Protokollieren einen Überblick über sein Konsumverhalten. Das Begleitbuch im handlichen Format gibt zudem Tipps zum täglichen Umgang mit Risikosituationen. In kleinen Schritten werden dann mit der Beratungsstelle persönliche Ziele für die Zeit bis zum nächsten Gespräch formuliert und gemeinsam überprüft. Die Ergebnisse des dreijährigen Modellprojekts, das bereits in mehreren Drogen- und Suchtberatungsstellen im Südschwarzwald und in der Schweiz erprobt wurde, zeigen gute Erfolge: Nach drei Monaten verzeichneten 51 Prozent der Teilnehmer des Programms einen deutlichen Konsumrückgang. Dreiunddreißig Prozent der vormals Abhängigen haben es geschafft, ihren Konsum ganz einzustellen. "Wir waren am Anfang auch skeptisch" , sagt Jeanette Piram. Der Erfolg des Konzepts erkläre sich wohl vor allem durch die Übersichtlichkeit während der Beratungsphase. Das sieht Christoph Weber von der Drogenberatungsstelle "Kobra" mit Sitz in Müllheim ähnlich: "Es entsteht ein zeitlich und inhaltlich übersichtlicher Rahmen, der dem Abhängigen hilft, möglichst schnell kleine Erfolgserlebnisse zu haben." Bei der Durchführung von "realize-it" arbeiten die Drogenhilfe Freiburg und "Kobra" Müllheim zusammen. Die Gruppentreffen finden gemeinsam statt. "So wird sichergestellt, dass alle jungen Menschen zeitnah im Rahmen des zehnwöchigen Projekts an einem Gruppentreffen teilnehmen können" , erklärt Katharina Braun, die Leiterin von "Kobra". Die Erfahrungen nach den ersten Beratungen in den beiden Beratungsstellen seien erfolgversprechend, heißt es. Mehrere junge Menschen konnten ihren Haschischkonsum schon nach kurzer Zeit deutlich reduzieren. Einige waren nach mehreren Wochen sogar clean. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts wird mit finanziellen Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit bis 2009 weitergeführt. Danach soll es eine Endauswertung geben.
Christine Speckner, 12.6.2008, BZ

 

 

Auch Haschisch macht abhängig - Kobra legt Jahresbericht vor

Im Hotel "Mama" lebt es sich bequem. Manchmal zu bequem. Große Kinder, denen jede Eigenverantwortung abgenommen wird, rauchen gern mal einen Joint. Kiffen gegen die Langeweile. Katharina Braun, Leiterin der Drogenberatung "Kobra" - des agj-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg - kennt das Problem. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Gespräche mit Angehörigen von Drogenabhängigen.

Verbote, Vorwürfe und Drohungen sind wenig hilfreich. Eltern müssen mit ihren Kindern reden und gemeinsam Lösungen suchen. Kinder, die Haschisch (Cannabis) konsumieren, steigen nicht automatisch auf Kokain um. Aber auch Haschisch macht abhängig, mindert die Konzentrationsfähigkeit und kann Panikattacken und Depressionen hervorrufen. Im vergangenen Jahr gab es in der Beratungsstelle 3500 Kontakte von 840 Klienten. Zu einer längerfristigen Behandlung entschlossen sich 422, darunter 351 Männer. Hauptklientel sind mit 240 Personen nicht Jugendliche, sondern die 25- bis 40-Jährigen. Viele Patienten sind berufstätig. Hauptsuchtmittel ist seit Jahren Heroin, danach Cannabis, das Substitutionsmittel Methadon (Heroinersatz) und Kokain. Problematisch ist außerdem die relativ neue Droge Gamma-Butyrolacton (GBL). Es handelt sich um ein industrielles Lösungsmittel, das nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, aber ein hohes Suchtpotenzial hat. Sechs Patienten haben sich zu dieser Droge bekannt, aber Katharina Braun vermutet eine sehr hohe Dunkelziffer.

Kobra hat seinen Hauptsitz in Müllheim, ist aber zuständig für den gesamten Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Es gibt Außenstellen in Breisach, Titisee-Neustadt und in der Schwerpunktpraxis Dr. Gellert in Freiburg für Methadon-Patienten. Neue Fachkraft für diesen Bereich ist die Sozialarbeiterin Melanie Müller. Rund 300 Klienten gibt es in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg. Für die aufsuchende Suchtberatung im Knast — es geht um illegale Drogen und Alkohol — hat das Justizministerium die Fachkräfte auf zwei volle Stellen erhöht. Das ermöglichte Kobra die Einstellung von Sozialarbeiter Tobias Glas und die Erweiterung der Einzelberatung durch zusätzliche Gruppenangebote im Gefängnis. Demnächst, ab Juni, kann die Betreuung noch weiter ausgedehnt werden. Mit Geld aus der Glücksspirale wird in der JVA eine Gruppe für suchtmittelabhängige Jugendliche eingerichtet, freut sich Katharina Braun. Neu ist seit diesem Frühjahr das Kurzinterventionsprogramm "realize it" auf deutsch "Pack’s an". Zielgruppe sind 15- bis 30-jährige Haschischkonsumenten. Das Programm dauert zehn Wochen und bietet fünf Einzelgespräche und am Ende Erfahrungsaustausch in der Gruppe. Ziel ist, dass die Klienten drogenfreie Kontakte aufbauen, Risikosituationen erkennen und Kontrollstrategien entwickeln — in einem Tagebuch wird jeder einzelne Joint notiert. Das Modell wurde drei Jahre lang in Südbaden und der Schweiz so erfolgreich getestet, dass es jetzt bundesweit eingeführt und vom Bundesgesundheitsministerium wissenschaftlich begleitet wird. "Es ein Weg der kleinen Schritte, der über Erfolgserlebnisse zur nachhaltigen Reduzierung des Cannabiskonsums führt" , sagt Katharina Braun.
Sigrid Umiger , 16.5.2008, BZ

 

Breit. Mein Leben als Kiffer - Drastische Warnung eines 23jährigen

Suchtvorbeugung für die Jahrgangsstufe 11 des Kreisgymnasiums: Amon Barth liest aus seinem Buch "Breit. Mein Leben als Kiffer"

Etwa 15 000 "Kiffer" wenden sich jährlich an Drogenberatungsstellen — fünfmal so viele wie vor zehn Jahren. Die Konsumenten werden immer jünger. Cannabis, die angeblich so harmlose Modedroge dieses Jahrzehnts, ist weitaus gefährlicher als noch zu Hippie-Zeiten. Diese neue Drogenwelle ist ein Thema, das die Schulen aufnehmen. Also organisierte der Suchtbeauftragte des Kreisgymnasiums, Klaus Menner, mit Unterstützung des Fördervereins und der Öffentlichen Bibliothek eine Lesung mit Amon Barth. Amon Barth, zur Zeit auf Lesereise, las vor den Elftklässlern aus seinem im Rowohlt-Verlag erschienen Buch "Breit. Aus dem Leben eines Kiffers". Dieses Buch hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Amon Barth war 14, als er seinen ersten Joint rauchte. In seinem Buch erzählt er aus seinem Leben, über das High-Sein, Beschaffungskriminalität, Schulprobleme und Konflikte mit seiner Familie. Sein Horrortrip endete in der Psychiatrie. Heute ist der 23-Jährige clean. Doch rückblickend sagt er: "Die wichtigsten Jahre meiner Jugend sind, wenn ich mich an sie erinnern will, ein großer, grüner Brei." Das Schreiben über diese Jugendjahre war für Amon Barth ein Stück Therapie, sein Buch klärt auf über die Droge. "Das Problematische ist, dass es so faszinierend ist" , liest man da, "ein Glückshormon in einer Tüte". Mit 14 Jahren hat er zum ersten Mal Cannabis probiert, ab und zu einen Joint zu rauchen, war in Ordnung. Kiffen schien etwas völlig anderes zu sein als Fixen. Mit 17 rauchte er dann täglich und war nur noch "breit" .
Die 15-jährigen Gymnasiasten aus Amons Clique kommen aus großbürgerlichem Haus. Sie rauchen ihre Joints in der sturmfreien Bude von Amons Mutter. Die weiß sogar Bescheid über die Kifferei und macht sich große Sorgen. Amons Konsum wird immer exzessiver, er lebt im Dauerrausch und seine Gedanken werden immer verrückter. Am Ende seiner Kifferkarriere hat sich seine Persönlichkeit stark verändert, er leidet unter Verfolgungswahn und wird in die Psychiatrie eingewiesen. Die Erfahrungen mit der Psychose haben ihn verändert: Mittlerweile hat er das Abitur nachgeholt und ist dabei, die Kraft seiner intellektuellen und kreativen Fähigkeiten ganz neu zu entdecken. Er studiert in Hamburg Filmtechnik und möchte Dokumentarfilmer werden.
Mit seiner Lesung fesselte Amon Barth die Elftklässler des Kreisgymnasiums. Sympathisch, ehrlich und aufmerksam nahm er immer wieder Kontakt zu seinen jugendlichen Zuhörern auf und bezog diese durch Fragen in seine Lesung mit ein. In der anschließenden Diskussion beantwortete er nicht nur die vielen interessierten Fragen, sondern versuchte auch von sich aus mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen. Ohne erhobenen Zeigefinger und in der Sprache der Zuhörer schilderte er den Teufelskreis, den jede Form von Sucht mit sich bringt. Zum Abschluss legte Amon Barth seinen jugendlichen Zuhörern ans Herz, sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinander zu setzen. Er verabschiedete sich augenzwinkernd mit dem Satz: "Ich wünsche Euch ein langes und drogenfreies Leben."

Frank Dreger, 29.4.2008, NZ

 

Drogenhilfe Freiburg: Cannabis "Top-Droge" der Süchtigen 

Die Drogenhilfe Freiburg hat die Arbeit des vergangenen Jahres ausgewertet, und auch sie hat festgestellt: Cannabis ist zur "Top-Droge" geworden. Zum ersten Mal haben die Mitarbeiter der Drogenhilfe mehr Hilfesuchende mit Cannabis-Problemen beraten als solche mit Heroinproblemen. "Unsere Erfahrungen decken sich mit denen der Polizei" , sagt Jeanette Piram, Leiterin der Drogenhilfe.

Jede Menge Zahlen und Daten hatte die Drogenhilfe — die die Jugend- und Beratungsstelle Drobs in der Faulerstraße und den Kontaktladen für Abhängige in der Rosastraße betreibt — ausgewertet. 1561 Personen kamen im vergangenen Jahr zu Drobs, um sich beraten zu lassen. 417 von ihnen sind Suchtkranke, die dauernd betreut werden müssen. Von diesen wiederum sind im Bereich illegaler Drogen 21 Prozent von Cannabis abhängig, 15 Prozent von Heroin. "Die Sensibilität, auch von Eltern, gegenüber Cannabis ist gewachsen" , meint Jack Huttmann, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Freiburg, zu der die Drogenhilfe gehört. Inzwischen habe sich herumgesprochen, dass regelmäßiger Cannabis-Konsum Psychosen auslöse — und Psychosen können ein Leben lang nicht geheilt werden. Übrigens sind immer mehr Mädchen und Frauen (33 Prozent) unter den Süchtigen. Und auch immer mehr Angehörigen kommen: Ihre Anzahl lag mit 240 Personen deutlich über dem Vorjahreswert von 176. "Inzwischen sind Eltern früher bereit, zur Beratung zu kommen" , so Jeanette Piram. "Die Erkenntnis setzt sich durch, dass nicht nur die Suchtkranken ein Problem haben, sondern auch deren Familien." Ein Fünftel der Abhängigen war unter 20 Jahre alt; der jüngste war gerade mal zwölf. 14-jährige Jungen mit exzessivem Alkoholkonsum gehören ebenso zum Klientel der Einrichtung wie 15-jährige Mädchen mit Alkohol- und Nikotinmissbrauch kombiniert mit Ess-Störungen. Doch die Drogenberatung hat Erfolge zu vermelden: Rund zwei Drittel aller Klienten konnten Beratung oder Behandlung planmäßig beendet, und 71 Prozent wurden weniger als ein Jahr lang behandelt. "Ein Super-Ergebnis" , freut sich Jeanette Piram. Dafür zuständig sind Sozialarbeiter, Diplom-Psychologen, eine Ärztin (insgesamt 9,3 Fachkraftstellen) sowie viele Hilfskräfte, Praktikanten und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. "Allen gebührt unser herzlicher Dank" , so Huttmann. Zum Kontaktladen kamen 2007 520 Drogenabhängige, die Mitarbeiter verzeichneten rund 18000 Besuche übers Jahr — eine neue Höchstmarke (Vorjahr 471). Mehr als 44 000 Kanülen und 13 000 Spritzen wurden abgegeben, dabei wurden in den allermeisten Fällen alte gegen neue getauscht. "Das ist gut, denn das heißt, dass die alten Spritzen dann nicht irgendwo herumliegen" , so Huttmann. Piram und Huttmann gehen davon aus, dass die Zahl der Hilfesuchenden in diesem Jahr nicht geringer werden wird — im Gegenteil. Gerade in Freiburg, wo das Thema Jugend und Alkohol öffentlich diskutiert wird, werde die Nachfrage nach Beratung steigen. "Deshalb bräuchten wir auch Projekte wie ’Hart am Limit’ (Halt), wo Suchtberater Jugendliche nach Alkoholexzessen gleich in der Klinik aufsuchen" , so Piram. Doch die Krankenkassen wollen dafür die Kosten von 350 Euro pro Fall nicht übernehmen.
Simone Lutz , 13..2008

 


Kiffen wird zunehmend salonfähig

Eigenanbau von Cannabis nimmt zu/ Gehandelte Mengen werden größer/ Typische Kiffer und Dealer gibt es nicht mehr

Cannabis ist in Freiburg auf dem Vormarsch. Jugendliche fangen früh an und konsumieren viel. Auch unter Älteren ist Cannabis die dominierende Droge, so Ulrich Heffner vom Landeskriminalamt. Laut Polizeistatistik haben sich seit Mitte der achtziger Jahre die Fälle von Besitz und Erwerb von Cannabis vervierfacht (siehe Grafik). Dealer handeln mit immer größeren Mengen und bauen oft selbst an. Anbaumöglichkeiten gibt es viele. Beim so genannten "Indoor-Anbau" , werden mit Infrarot-Wärmelampen Hanfpflanzen zum Beispiel in Kleiderschränken hochgezüchtet. Diese Pflanzen haben es in sich: den Cannabis-Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) nämlich in besonders hoher Konzentration. Immer häufiger wird auch heimlich auf Maisfeldern angebaut. Die Täter roden eine Fläche von 50 Quadratmetern und ziehen ihre Pflanzen auf. Etwa zehnmal im Jahr kommt die Polizei solchen Züchtern auf die Spur. Die Dunkelziffer sei aber enorm, so Manfred Bührer, Leiter des Rauschgiftdezernats der Polizei. Konsumhochburgen, sagt Bührer, sind gemessen an Einwohnerzahlen zum Beispiel der Kaiserstuhl oder die Gegend um Titisee-Neustadt. Dennoch ist die Konsumentenszene gerade auch in Freiburg groß. "Vor allem bei Jugendlichen ist die Akzeptanz der Droge mittlerweile sehr hoch" , sagt Tomas Orschitt von der Staatsanwaltschaft Freiburg. Viele fangen mit 14 oder 15 Jahren an, bestätigen Manfred Bührer und Jeanette Piram, Leiterin der Drogenhilfe Freiburg. "Alle Jugendlichen probieren es aus" , sagt Piram. Bei den meisten bleibt es aber beim gelegentlichen Konsum. Wer abhängig ist, merkt das meist erst nach ein, zwei Jahren. Die Sucht macht sich dann durch Schlaf- und Konzentrationsstörungen bemerkbar. Die Abhängigen sind gereizt und können an nichts anderes mehr denken als ans Kiffen. "Abhängige kiffen schon morgens vor der Schule oder der Arbeit und abends vor dem Schlafengehen" , sagt die Drogenexpertin. Den typischen Konsumenten gibt es übrigens nicht — Junge und Alte sind gleichermaßen vertreten. "Manche ältere Herrschaften, die alles erreicht haben, wollen sich damit an ihre Jugend erinnern" , erklärt Ulrich Heffner.

Besitz und Erwerb von Cannabis haben in Freiburg in den letzten Jahren stark zugenommen. 2003 wurden 300 Fälle erfasst, 2005 waren es schon 784. Für 2007 liegen noch keine Zahlen vor, die Polizei erwartet aber, dass das Niveau gleich geblieben ist. Die gestiegene Zahl der Fälle erklärt die Polizei auch mit vermehrten Kontrollen, vor allem im Straßenverkehr. Immer mehr Autofahrer haben THC im Blut, oft gemischt mit Alkohol oder anderen Drogen. Bekiffte Autofahrer zu erkennen ist aber schwierig, weiß Heinz Siefert, Leiter der Autobahnpolizei in Umkirch: "Die fahren keine Schlangenlinien wie Betrunkene." Die müssen schon in Routinekontrollen erwischt werden. Auch Cannabis-Händler sind auf der Autobahn A 5 unterwegs, die eine wichtige Nord-Süd-Handelsroute ist. Cannabis wird oft aus der Schweiz, noch häufiger aber aus Holland eingeführt. Dabei werden die Mengen größer. "Es gibt keine Hemmungen mehr, auch im Kilobereich zu handeln" , sagt Staatsanwalt Orschitt — und das können dann schon mal 15 Kilo sein. Die meisten Dealer werden mit 200 bis 300 Gramm erwischt. Größtenteils geht der Handel allerdings an der Polizei vorbei, läuft in Wohnungen ab. Einen typischen Dealer gibt es nicht mehr. Alle Altersklassen und sozialen Schichten sind vertreten. Staatsanwalt Tomas Orschitt: "Oft ist es der nette Junge von nebenan."
Verena Schwald, 28.2.2008, www.badische-zeitung.de


 

 

 

Suchtpräventionstheater "Total Normal" in der Schule

Abhängige zeigen Schülern, wie gefährlich Drogen sind - und kommen gut an

"Du bist nicht mal für den Strich gut", brüllt der junge Mann die rothaarige Frau aus voller Kehle an. Todtraurig wirkt sie, wird ganz still und überlegt kurz. Dann kramt sie hastig ein kleines Döschen mit Tabletten aus der Tasche. Verzweifelt schluckt sie eine Pille. Und schon geht es ihr besser. Mit solchen drastischen Szenen will das Suchtpräventionstheater "Total Normal", das gestern in der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule in der Bissierstraße zu Gast war, Schülern zeigen, wie schnell man aus Trauer und Frust zu Drogen greifen kann. Das Besondere: Alle Darsteller sind oder waren selbst süchtig.
Melanie ist 24, hat lange dunkle Haare und ein hübsches Gesicht und lernt jeden Tag — nicht an der Gewerbeschule, sondern in der Drogen-Reha-Klinik Freiolsheim bei Gaggenau: Sie lernt, wie sie ihr Leben ohne Heroin und Kokain auf die Reihe kriegt. Seit drei Monaten ist die Karlsruherin in Therapie. Ein Teil davon ist das Theater "Total Normal" , bei dem sie mit anderen Patienten in Schulen auf der Bühne steht. "Das macht Spaß und man hat Abwechslung von der Therapie" , erzählt sie den Schülern im Anschluss an die Aufführung. In kleinen Gruppen können sich die Jugendlichen mit den abhängigen Darstellern unterhalten und Fragen stellen. Melanie erzählt ihre Geschichte: Mit elf hat sie geraucht, mit 14 gekifft und mit 17 jedes Wochenende Ecstasy genommen. Mit 18 verliebte sie sich in einen Junkie — und fing mit Heroin und Kokain an. Jeden Tag habe sie geschnupft oder gespritzt. Sie saß im Gefängnis. Kriminell sei sie gewesen — klar, sie habe ja 300 Euro am Tag für Drogen gebraucht. Melanie erzählt sehr direkt und offen. Umso mehr geht unter die Haut, was sie sagt. Im Raum ist es ganz still. Keiner tuschelt oder drückt auf dem Handy herum. Einige schauen bedrückt. Alle hören gebannt zu, was die junge Frau erzählt. "Irgendwann denkst du nur noch an die Drogen" , sagt sie. Auch wenn Melanie noch zur Schule gegangen ist — ihre Noten wurden immer schlechter. Zwei Monate vor dem Abi schmiss sie alles hin: "Ich war abgefuckt." Weil kein Lehrer mit im Raum ist, öffnen die Schüler sich. Einer erzählt, dass er schon Heroin probiert hat. Ihm sei aber so schlecht geworden, dass er es nie mehr nehmen würde. Viele geben zu, dass sie regelmäßig kiffen. Der 18-jährige Agit Bulut, der eine Ausbildung zum Fliesenleger macht, findet das Konzept von "Total Normal" gut. "Die Einzelgespräche haben mir richtig die Augen geöffnet." Auch Zimmerer-Lehrling Julien Benz fand das Sucht-Theater gut. "Hier sieht man, wie übel es mit Drogen enden kann" , sagt der 23-Jährige. Er selbst sieht sich aber nicht gefährdet. Ebenso wenig wie die 25-jährige Doris Kurscheidt, die Tischlerin wird: "Ich bin aus dem Alter raus, in dem man durch Drogen cool sein will." Melanie glaubt aber, dass es jeden treffen kann. "Ich komme auch aus einem guten Elternhaus" , sagt sie. Und wer einmal süchtig war, bleibt es ein Leben lang, warnt sie. "Ich darf nicht mal mehr Alkohol trinken." So nämlich sei sie nach ihrer ersten Drogen-Reha wieder rückfällig geworden. Diesmal, sagt sie, will sie es schaffen.
Verena Schwald , 21.2.2008, www.badische-zeitung.de

 

 

Unsoziale Politik: Stellenkürzung bei Schwerpunktpraxis Methadon

Zum Bericht " AWO-Sparpläne treffen vor allem Methadon-Abhängige" , BZ vom 19. Dezember
Mit Bestürzung habe ich den Artikel zur geplanten weiteren Stellenkürzung für psychosoziale Betreuung von Drogenkranken gelesen. Demnach sollen von 10 beziehungsweise 5,5 Stunden pro Woche nur noch jeweils drei für die Schwerpunktpraxis Dr. Gellert und die Praxis Dr. Enderlein übrigbleiben.

Die Schwerpunktpraxis für Drogenabhängige ist als Kooperationspartner auch für andere substituierende Ärzte wichtig, da hierhin sozial schwer integrierbare Abhängige geschickt werden können. Als niedergelassener Allgemeinarzt kenne ich die Problematik und weiß wie schwer es ist, vor allem Problempatienten zuverlässig in externe Beratungsangebote einzubinden. Viele unserer abhängigen Patienten haben bereits in der Kindheit durch Misshandlung und Missbrauch den Kontakt zur Gesellschaft verloren. Als Eltern werden diese Opfer später oft zu Tätern. Nur eine entsprechend mit Sozialarbeitern ausgestattete Praxis kann eine verantwortliche Vor-Ort-Betreuung in folgenden Bereichen gewährleisten: Familie (Schwangerschaft, Kinder, Jugendamt), Gesundheit (AIDS, Hepatitis, Entgiftung , Therapieplatz), Finanzen (Wohn-Kindergeld, Krankenversicherung, Obdach). Mancher wurde durch Arbeitsplatzverlust, Scheidung oder Krankheit in die Abhängigkeit getrieben und konnte durch gezielte Hilfe wieder in die Gesellschaft wieder integriert werden.

Wer die Presse aufmerksam verfolgt, weiß, dass es nicht an der Zeit ist, bei den Schwächsten in der Gesellschaft Betreuungsangebote zu kürzen. Dies ist — meiner Meinung nach — eine falsche, die Folgekosten nicht bedenkende und unsoziale Politik.

BZ-Leserbrief vom 3.1.2008 von Dr. Peter Feil, Gottenheim

 

Drobs schränkt Präventionsarbeit für Kinder und Jugendliche ein

Sparkurs mit Folgen: Die Jugend- und Drogenberatungsstelle "Drobs" wird vom nächsten Jahr an keine Präventionsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche mehr anbieten. Grund dafür ist die Kürzung der städtischen Zuschüsse um 30 000 Euro, die der Gemeinderat im Zuge seiner Sparmaßnahmen beschlossen hatte. "Bei der derzeitigen Diskussion um ein Alkoholverbot in der Innenstadt ist das ein schwer verständliches politisches Signal" , so Jack Huttmann, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, Kreis Freiburg, die Träger von "Drobs" ist.

Seit das Alkoholverbot im Bermudadreieck diskutiert wird, registriert Jeanette Piram, die Leiterin der Drogenhilfe Freiburg, deutlich mehr Anrufe besorgter Eltern und Vereine. "Die wollen wissen, was sie im Vorfeld machen können, damit ihre Kinder nicht abhängig werden" , so Piram. Doch Beratungen dazu kann sie in Zukunft keine mehr anbieten: Präventionsarbeit wird bei "Drobs" ersatzlos gestrichen. Auch die psychosoziale Betreuung von Suchtabhängigen soll eingeschränkt werden. Zudem wird geprüft, die Öffnungszeiten des Kontaktladens in der Rosastraße einzuschränken. Warum? AWO-Geschäftsführer Jack Huttmann rechnet vor: 676 939 Euro braucht "Drobs" für den laufenden Betrieb mit Personalkosten und Miete. 496 620 Euro davon, also rund 73 Prozent, schießt die Stadt zu — 30 000 Euro weniger als im Jahr zuvor. 118 300 Euro bezahlt das Land, die restlichen rund 62 000 Euro kommen mehr schlecht als recht über Spenden und Ähnliches zusammen. "Wir können praktisch nur am Personal sparen" , so Piram. Deshalb wird nun eine Dreiviertelstelle gestrichen, verteilt auf sieben Angestellte. Lange habe man beraten, wie man das anstellen könne. Schließlich, so Piram, habe man sich entschlossen, Präventionsprojekte wegfallen zu lassen — in der Hoffnung, dass andere Institutionen vielleicht einspringen. Was das konkret heißt, zeigt das Beispiel des preisgekrönten Projekts "Wichtig, Stark und Stolz" , das seit zehn Jahren im Stühlinger läuft: Dort informiert "Drobs" zusammen mit Polizei, Jugendzentrum und Sozialarbeitern Schüler der Hebelschule über Suchtmittel, Anlaufstellen, rechtliche Hintergründe. "Alle Kinder der Hebelschule wissen, wenn sie gehen, über Drogen Bescheid" , so Jeanette Piram. Und zwar über alle Arten von Drogen, denn, so Piram, "Prävention kann man nicht nur zu einzelnen Themen wie harten Drogen machen. Sie muss ganzheitlich sein und sich auf das Lebensumfeld der Jugendlichen beziehen." In Zukunft wird "Drobs" bei "Wichtig, Stark und Stolz" nicht mehr vertreten sein. "Angesichts der Steuermillionen, die jetzt wieder in den städtischen Haushalt fließen, ist das schwer auszuhalten" , so Jack Huttmann. Vor den Beratungen zum neuen Doppelhaushalt hatte die Stadtverwaltung vorgeschlagen, die Zuschüsse für "Drobs" nicht zu kürzen; der Gemeinderat hatte dagegen entschieden, bei "Drobs" 30 000 Euro einzusparen und damit Kürzungen bei zwei anderen Suchtberatungsstellen — dem Badischen Landesverband für Prävention (BLV) und der Psychosozialen Beratungsstelle der Evangelischen Stadtmission — abzufedern.

Sparen oder fördern - Münstereck von Simone Lutz?
Blickt man aufs große Ganze, ist die Sache klar: Die Stadt Freiburg hat Schulden und muss sparen. Deshalb hatte der Gemeinderat auch beschlossen, städtische Zuschüsse für Sportvereine, Kultureinrichtungen und soziale Institutionen zurückzufahren. Doch der Teufel steckt im Detail, wie das aktuelle Beispiel zeigt. Beratungsstellen im sozialen Bereich sind notorisch klamm; selbst eine Einrichtung wie "Drobs" mit einem Etat von mehr als einer halben Million Euro trifft eine Kürzung von 30 000 Euro empfindlich. Und weil "Drobs" an dem einen Schwerpunkt der Arbeit, der Hilfe für Konsumenten harter Drogen, nicht sparen kann — hier geht es tatsächlich ums nackte Überleben — , werden nun die Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche eingeschränkt. Doch wie geht das zusammen mit der öffentlichen Diskussion über Alkoholkonsum bei Jugendlichen und über Alkoholverbot in der Innenstadt? Ist das Sparen an der falschen Stelle? Ein Sparen mit teuren Folgen? Eine einfache Antwort auf diese Fragen gibt es leider nicht. Auch Sportvereine und Kultureinrichtungen weisen zu Recht darauf hin, dass ihre Angebote wichtig und Zuschüsse notwendig sind. Sparen mit Blick aufs große Ganze und fördern mit Blick fürs Detail — dieses Dilemma wird die Stadtpolitik noch lange begleiten.
5.12.2007, BZ

 

Drogenhilfe Endingen orientiert sich neu: Prävention, Beratung

Förderverein gibt Versuch auf, die Behandlung Drogenkranker am Kaiserstuhl nach dem Tod von Günther Neufang zu sichern

Das Thema Substitution — die Behandlung Drogenabhängiger mit Ersatzstoffen wie etwa Methadon — hat der "Förderverein Drogenhilfe, Freundeskreis Günther Neufang" ad acta gelegt. "Wir haben lange nach einem Arzt gesucht, der uns dabei unterstützt und entsprechend qualifiziert ist", erklärt Kurt Rembold. Als ein solcher am Kaiserstuhl gefunden war, sprach der Förderverein jedoch ergebnislos bei vielen Apotheken vor, ohne deren Mitarbeit es nicht geht, so der Vorsitzende. Jetzt will der Verein sich verstärkt der Prävention und der Beratung widmen. Über viele Jahre hatte der Arzt Günther Neufang in seiner Endinger Praxis Drogenkranke aus der Region Kaiserstuhl beraten und behandelt. Sein Tod im Dezember 2005 riss eine Lücke, die trotz intensiver Bemühungen auch zwei Jahre danach noch nicht geschlossen werden konnte. Der Verein habe lange nach einem Arzt gesucht, doch als schließlich jemand gefunden war, "scheiterten die Bemühungen bei den Apothekern kläglich" , so der Vorsitzende.

"Die Arbeit ist sicher nicht leicht, teils sehr frustrierend", zeigte Drogenberaterin Lioba Sieron gewisses Verständnis. Ein anwesender Apotheker berichtete, dass die Abgabe der Ersatzmedikamente teils mit viel Ärger verbunden sei. Viele Abhängige arbeiteten mit allen möglichen Tricks gearbeitet, es werde viel gelogen und betrogen. Die Regelung der Substitution sei insgesamt unbefriedigend. "Ich habe bei den Apotheken viel Verständnis gefunden, eine Menge guter Ratschläge bekommen, aber letztlich wurde nach dem St. Floriansprinzip entschieden", so Rembold. In Sachen Substitution sieht der Freundeskreis deshalb "keine Chance mehr, sinnvoll weiter zu machen" . Konzentrieren wird sich die Arbeit deshalb auf die Prävention. "Die liebsten Klienten sind uns die, die es gar nicht gibt", so Rembold. Aktiv will der Verein mit den Schulen zusammenarbeiten und ein Theaterstück anbieten, das von ehemaligen Drogenabhängigen geschrieben wurde und auch aufgeführt wird. Das koste Geld, doch dieses sei bestimmt gut angelegt. Weit schwieriger als die Kostenfrage sei die Problematik, dass die "Begeisterung für die Drogenprävention noch nicht da ist" . Viele, auch an Schulen, wollen die Gefährdung nicht wahrhaben. "Drogenkonsum ist immer noch ein Tabuthema", so Lioba Sieron.

Eng verknüpft mit der Prävention sei aber auch die Beratung in einem sehr frühen Stadium. "Es ist ganz wichtig, dass Eltern möglichst früh reagieren", so Rembold. Eltern sollten auf Verhaltensveränderungen achten und besonders aufmerksam sein, wenn sie einen Interessensverlust bemerken. "Wenn sich der Kreis der Personen, mit denen Kontakt gepflegt wird, einschränkt oder das Interesse an Vereinsgemeinschaften nachlässt", könnten dies Indizien für Drogenkonsum sein. Interessant sei es, dass Eltern ganz selten wegen Alkoholkonsums ihrer Kinder zur Beratungsstelle kommen. Regelmäßig werde das Angebot der Beratung von Betroffenen angenommen. Etwa die Hälfte der bei der Jugend- und Drogenberatung Emma bekannten 50 Drogenabhängigen aus dem Bereich Kaiserstuhl kämen regelmäßig die Endinger Beratung an der Hauptstraße 15. Etwa die gleiche Zahl an Alkohol- oder Medikamentenabhängigen nimmt das Angebot der psychosozialen Beratung wahr, erklärte Dorothea Läer.
Auch die Selbsthilfegruppe werde gut angenommen. Der Anteil der Medikamentenabhängigen sei klein, was Läer auch darauf zurückführt, dass dieses Problem oft von Ärzten direkt angegangen werde. Dass Drogenkonsum, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch aber immer noch sehr tabubehaftet ist, zeige sich daran, dass Betroffene aus der Region lieber Angebote in Emmendingen wahrnehmen und umgekehrt. "Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht auch einen Hintereingang öffnen", so Rembold.

Dass die einzige privat finanzierte Beratungsstelle Deutschlands überhaupt geöffnet ist, bleibt zumindest für ein weiteres Jahr gesichert. Der Lionsclub Breisach-Kaiserstuhl-Tuniberg hat dies für drei Jahre übernommen. Die jährlichen Ausgaben von gut 5000 Euro werden aber von den bisher 38 Mitgliedsbeiträgen des Fördervereins noch nicht gedeckt. "Wir brauchen noch 30 bis 40 weitere Mitglieder, um das Angebot langfristig sichern zu können", betont Rechner Robert Maier. Auch wenn durch Spenden und die angesparten Beiträge mittlerweile eine gute Rücklage gebildet worden sei. Wenn eine Namensänderung des Vereins dazu beitragen könne, dass mehr Mitglieder gewonnen werden, sei diese durchaus denkbar. Nicht nur Freunde von Günther Neufang seien willkommen.

Markus Zimmermann-Dürkop , 22.11.2007, BZ

 

 

Bitte sachlicher, weniger rührselig-bagatellisierend
Sie heben in Ihrem Artikel hervor: "Drogenabhängige haben ein Recht darauf, ein Kind zu bekommen." Leider verwiesen Sie weniger deutlich auf das Recht der Kinder auf Schutz, adäquate Versorgung, Förderung und Unversehrtheit. Kinder drogenabhängiger Eltern gehören zu den Kindern, deren Entwicklung in besonders hohem Maße Risiken ausgesetzt ist. Nicht nur der "harte" Drogenkonsum vor, auch Beikonsum und Rückfälle unter der Substitutionsbehandlung stellen für die betroffenen Kinder, insbesondere für Ungeborene, Säuglinge und Kleinkinder, eine maximale Vernachlässigungs- und Gefährdungssituation dar. Das Leben dieser Kinder weist ein hohes Maß an Beziehungsabbrüchen, instabilen Lebensverhältnissen und Gewalterfahrungen auf. In der Folge sehen wir überdurchschnittlich häufig Kinder mit erheblichen Verhaltensproblemen und Entwicklungsverzögerungen. Es geht in keiner Weise darum, drogenabhängigen Eltern das Recht oder den Wunsch abzusprechen, Kinder zu haben, oft verbunden mit der Vorstellung, damit einen wichtigen Grund gefunden zu haben, aus der Abhängigkeit auszusteigen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um ein Kind ausreichend versorgen und gesund aufwachsen zu lassen. Es bedarf in der Regel einer Vielzahl an begleitenden und langfristigen Hilfen, um drogenabhängige Mütter beziehungsweise Eltern ausreichend zu stabilisieren und Kinder ausreichend zu schützen.
Wir hätten uns eine sachlichere und weniger rührselig-bagatellisierende Darstellung dieses Themas gewünscht.
BZ-Leserbrief vom 12.9.2007 von Isolde Krug und Susanne Piazolo, Freiburg


 


 

Der Mohn in Afghanistan blüht wie nie zuvor

Die Drogenclans in Afghanistan haben ihre Anbaugebiete laut Vereinten Nationen so stark ausgeweitet wie nie zuvor. Die Schlafomhngebiete erstreckten sich nun auf einer Fläche von 104 000 Hektar. Diese Menge entspricht etwa der Weinanbaufläche Deutschlands, wie aus dem am Dienstag in Genf veröffentlichen UN- Jahres-Drogenbericht hervorgeht.
27.6.2007

 

Therapie auf dem Bauernhof für Ex-Junkies

Landluft und harte Arbeit sollen Ex-Junkies fit machen für die Rückkehr in den normalen Alltag

Benjamin steckt mitten in der Scheiße. Mit einem breiten Holzbesen schiebt er sie an den Rand und kehrt sie durch eine schmale Öffnung an der Seite des Kuhstalls. Dann tauscht er den Besen gegen eine Schaufel und verteilt den Mist gleichmäßig im Auffangtrog. Mit seinem gelben, verdreckten Arbeitshandschuh schiebt er sich eine Haarsträhne aus der Stirn. "Das ist echt Knochenarbeit" , sagt er. Seit acht Monaten wohnt und arbeitet der Ex-Junkie Benjamin Gronostay, 27, auf dem Hof der Familie Wenz in Dettenheim, einem Dorf mit sechseinhalbtausend Einwohnern nahe Karlsruhe. Lohn bekommt er keinen. Er macht eine Therapie. Benjamin war drogensüchtig. In der Provinz trainiert er für seinen Wiedereinstieg in ein normales Leben. "Therapie auf dem Bauernhof" (TAB) heißt das Programm. Fünfzehn Höfe nehmen teil. Einen Patienten nimmt jede Bauernfamilie für neun Monate auf.
Um sechs Uhr klingelt Benjamins Wecker. Auch sonntags, denn die 140 Kühe kennen kein Wochenende. Er quält sich aus dem Bett und schlüpft in die Arbeitsklamotten: blaue Hose, Sweatshirt, dunkelgrüne Daunenweste, gelbe Gummistiefel mit Stahlkappen. "Die braucht man unbedingt. Wenn dir eine Kuh auf den Zehen rumtrampelt, ist das schmerzhaft" , sagt er. Seine blonden, schulterlangen Haare nimmt er mit einer Hand zusammen und schiebt sie durch seine Baseballkappe. Seine Augen sind vom Schlaf noch geschwollen. Draußen ist es dunkel. "Wenn mir das früher jemand gesagt hätte, dass ich mal um sechs Uhr morgens zum Kühemelken aufstehe . . ." Er schüttelt den Kopf und lacht. Benjamin spricht schwäbisch und lacht oft. Drüben, in der Melkkammer, wartet Reinhard Wenz. "Morgen, Chef" , brummt Benjamin. Er treibt eine Kuh nach der anderen in die Melkkammer, immer fünf links und fünf rechts. Ihre Kiefer mahlen, sie schnauben lautstark. Ihre Körper wiegen beim Gehen sanft hin und her. "Auf, hopp" , ruft Benjamin und gibt einer Kuh einen Klaps. "Komm, Silvia, auf! Ludwig, was machst du denn da? Auf, Großer, hopp!" Das Melken finde er am schönsten, das Euter fühle sich gut an, die weiche Haut habe ganz zarte Härchen drauf. Benjamin klopft einer Kuh aufs Hinterteil. "Die hier darf heute Auto fahren. Das bedeutet Schlachthof. Das ist halt so." Er zuckt mit den Schultern. Draußen geht die Sonne auf. Kevin, Benjamins Schäferhund, wartet ungeduldig auf sein Herrchen. Er trägt einen Stock hinter ihm her. Aber noch ist keine Zeit zum Spielen. Die Kälber müssen gefüttert werden. Am unteren Rand einer weißen Plastiktonne sind zehn Gummisauger angebracht. Benjamin füllt die Milch aus einer Milchkanne hinein, sofort scharen sich viele hungrige Mäuler um ihn und stoßen gierig gegen die Tonne. Benjamin hilft ihnen, den Sauger in das Maul zu bekommen. "Die Kleinen sind wie Teddys " , sagt er und streichelt eines der Kälbchen. "Das hier ist gerade mal fünf Tage alt. Bei vielen Geburten war ich schon dabei." Er zeigt auf zwei Kälber. "Bei den beiden hier, zum Beispiel, die sind Zwillingsbrüder". Dass Benjamin seinen Hund mit auf den Bauernhof bringen konnte, war für ihn entscheidend. Kevin darf zwar nicht ins Haus, dafür kann er den ganzen Tag herumrennen. "Meine ersten Tage hier waren der Horror" , erinnert sich Benjamin. "Vierzig Grad im Schatten und wir mussten Heu einholen. Ich war voll auf Entzug. Ich dachte, das schaffe ich nie." Benjamin schüttelt den Kopf. "Vom Methadon kommt man nur sehr langsam runter, das dauert Monate. Ich war mies drauf, die Viecher haben mich genervt." Dann lacht er wieder. "Aber von Mal zu Mal sind sie mir sympathischer geworden." Er hat inzwischen eine Lieblingskuh, die er Pünktchen nennt. Halb neun, Zeit für die erste Zigarette. In der Garage hat er Tabak deponiert, er stopft seine Zigaretten selber. "Das hab’ ich im Knast gelernt, dort stopfen alle selbst" , sagt er. Zwei Jahre hat er gesessen, mit 20 wurde er verknackt. Drogenhandel. Drei Tätowierungen hat er als Erinnerung an die Haft behalten, "Knast-Tattoos, die machen die da drin mit Ruß und Rasierklingen" . Ein Skorpion kriecht über seinen linken Oberarm, mit rotem Giftstachel. Außen am rechten Unterschenkel steht mit gotischen Buchstaben "toxic" , giftig. Beides Symbole für die Droge. "Vier Jahre lang war ich auf Heroin, zwei auf Crack. Wenn du an der Nadel hängst, rennst du irgendwann nur noch dem Stoff hinterher, er bestimmt dein ganzes Leben". Jetzt bestimmen die Kühe seinen Alltag. Nach dem Melken ist Frühstück angesagt. In der gemütlichen Wohnküche der Familie Wenz treffen sich Reinhard und Karin, die Chefs, André, der brasilianische Arbeiter, und, wenn Sonntag ist, die fünf Kinder der Familie. Sie sind zwischen neun und siebzehn Jahre alt. Frischer Kaffee, Brötchen, Marmelade, gelb-rote Tulpen in einer Vase. An der Wand hängen zahllose Fotos. Zwischen Hochzeitsbildern und Familienpor-träts hängt, säuberlich gerahmt, Benjamin in blauen Latzhosen. Er lehnt an einem Traktor, Kevin sitzt an seiner Seite. Im Vergleich zu heute sieht er aufgequollen und bleich aus. "Da ging es mir noch total beschissen" , sagt Benjamin. Er lacht. "Im Moment ist es hier das Beste für mich. Nur ein Auto fehlt mir. Aber ich hab’ sowieso keinen Führerschein. Früher bin ich ja lieber geflogen als gefahren." Er grinst und bestreicht sich eine Scheibe Brot mit Marmelade. "Die Therapie würde in der Großstadt nicht funktionieren. Wenn ich schlecht drauf bin und mir der Falsche über den Weg läuft, bin ich schnell wieder beim Stoff. Das kann mir hier nicht passieren. Die Kühe brauchen mich jeden Tag, egal, ob ich Bock hab’ oder nicht. Ich kann sie nicht vernachlässigen, sie können ja nichts dafür." Er gießt Milch in seinen Kaffee, gerade frisch gemolken, und nippt daran. "Das Ganze ist ein Balanceakt" , sagt er. "Wenn ich an meinem freien Wochenende zu Hause in Schwäbisch Hall bin, sehe ich überall User oder Dealer" , sagt Benjamin. "Ich erkenne sie sofort." Zweimal im Monat fährt Benjamin zu seiner Mutter und ihrem neuen Mann nach Schwäbisch Hall. Das Fahrgeld zahlt er von seinen 130 Euro, die er jeden Monat vom Staat bekommt. "Ich brauch’ nicht viel" , sagt er. "Hundefutter, Tabak und die Fahrkarten. Kost und Unterkunft habe ich hier ja umsonst." Die Wochenenden bei seiner Familie sind ihm wichtig. Seine Mutter und der Stiefvater, sagt er, seien die Einzigen, die immer zu ihm gehalten hätten. "Als Jugendlicher zählt nur die Clique, die Eltern lässt man links liegen. Aber wenn man im Knast sitzt, sind die Freunde schnell weg." Benjamin zögert. "Ich hab’ gemerkt, dass meine Eltern halt meine Leut’ sind." Das Frühstück ist beendet, Reinhard Wenz treibt Benjamin an. Die unbeliebteste Arbeit ist angesagt: Futter verteilen, Stall reinigen. Benjamin steht seufzend auf, schiebt seinen Stuhl an den Tisch und räumt das Geschirr in die Küche. "Das Futterschaufeln ist anstrengend" , sagt er und schlüpft in die gelben Arbeitsstiefel. Dafür, dass Benjamin bei ihnen therapiert wird, bekommt Familie Wenz kein Geld. Nur seine Arbeitskraft. Die Hanteln, die Benjamin mitgebracht hat, hat er noch kein einziges Mal benutzt. "Die körperliche Arbeit tut mir gut" , sagt er. "Es ist wichtig, dass ich keine Zeit habe, Blödsinn zu machen. Sogar die fünf Minuten für eine Zigarette muss ich mir erst verdienen." Draußen, bei der Garage, zieht er die Arbeitshandschuhe aus und gönnt sich die zweite Rauchpause. Ein großer, weißer Metalleimer ist bis knapp unter den Rand mit Zigarettenstummeln gefüllt. "Als ich vor sieben Monaten ankam, war der Eimer leer" , sagt Benjamin und spielt mit dem Piercing in seiner Zunge. Kevin kommt angerannt und legt Benjamin seinen Stock vor die Füße. Seit vier Jahren sind die beiden unzertrennlich. Auch während der harten Drogenzeiten war Kevin dabei, als sein Herrchen in Frankfurt und Karlsruhe herumzog. "Zum Glück kann der Hund nicht reden", sagt Benjamin. Er lacht, dann zieht er nachdenklich an seiner Selbstgestopften. "Ich hatte das, was man eine klassische Drogenkarriere nennt" , sagt er. "Haschisch, Ecstasy, Speed, Koks, Heroin, Crack, die ganze Palette. Ich hab’ mit 13, 14 zu kiffen begonnen. Ich war neugierig und wollte Spaß, Party von früh bis spät. Zum Schluss brauchte ich mindestens zwei bis drei Gramm Heroin am Tag, hatte kaum noch Adern." Er zeigt seinen Unterarm, entlang einer Ader reiht sich Narbe an Narbe. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass es so nicht weitergeht. Ich hab’ den Stoff gebraucht, hab’ nix mehr gespürt, kein Hochgefühl mehr." Nach einer Entgiftung war er zwei Monate clean. Und planlos. Als er an der Bushaltestelle saß, zu Hause in Schwäbisch Hall, fuhr ein blauer Audi an ihm vorbei. Das Auto von Bernd Dreger, dem Mann, der "TAB" vor zehn Jahren aufbaute. Darauf war ein Aufkleber mit der Homepageadresse. Er bewarb sich und stellte sich bei Bernd Dreger vor. Der möchte seine Patienten genau kennen lernen, bevor er sie für eine Therapie auf dem Bauernhof akzeptiert. Er prüft, ob jemand sich einlassen kann, ob er bereit ist mitzuarbeiten. Die Durchhaltequote ist nicht schlecht. Weniger als 20 Prozent brechen vorzeitig ab. Benjamin erfüllte die Voraussetzungen und kam nur wenige Wochen später auf den Weidenhof. "Die Therapie hilft mir" , sagt er, "wenn’s mir heute schlecht geht, dann denk’ ich: Den nächsten Tag, den krieg’ ich auch noch ohne Drogen rum." Punkt ein Uhr ist Mittagessen. Karin Wenz hat für alle gekocht, es gibt verschiedene Quiches. Reinhard Wenz spricht das Tischgebet. Alle fassen sich an den Händen und sagen: "Fröhlich sei das Mittagessen, guten Appetit." Benjamin sitzt zwischen seinen Chefs. "Wir hatten am Anfang schon Angst" , sagt Karin Wenz, "wir dachten, Benjamin könnte schlechten Einfluss auf unsere Kinder haben." Doch Therapeut Bernd Dreger hat diese Sorgen zerstreut. "Er machte uns klar, dass Benjamin eher ein abschreckendes Beispiel sein würde." Sie würden wieder einen Patienten aufnehmen, sagen Karin und Reinhard Wenz. Drei Mädchen, 15, 16 und 17, und zwei Buben, 9 und 13, haben die beiden. Inzwischen herrscht ein geschwisterliches Verhältnis zwischen den Kindern und Benjamin — mit allen Vor- und Nachteilen. Die beiden Jungs interessieren sich vor allem für Benjamins PC, die Mädchen und er meiden sich oder necken einander. "Manchmal denke ich, Benjamin holt gerade seine Pubertät nach" , sagt Karin Wenz. Neben der Stallarbeit hilft Benjamin auch Karin Wenz im Haushalt — Bügeln, Staubsaugen, Backen. "Ich habe in den ersten Wochen oft Herrn Dreger angerufen und ihn gebeten, Benjamin wieder abzuholen" , sagt Karin Wenz. "Benjamin diskutiert ständig, ob eine Arbeit wirklich nötig ist oder nicht. Das ist anstrengend. Manchmal bringt uns das aber auch nach vorn, hält uns den Spiegel vor. Er zeigt uns, dass wir Dinge vereinfachen können." Trotzdem glaubt sie, dass er für einen ganz normalen Job noch nicht reif sei. "Er kann sich noch nicht genügend zurücknehmen und einfügen, würde versuchen auszubrechen." Reinhard Wenz sieht aber auch Fortschritte: "Der kann schon was." Es krachte oft zwischen Benjamin und den Wenz’. Kurz nach Weihnachten liehen sich André und er das Auto vom Chef und fuhren in die Disco. "Ich war kurz davor, wieder was zu nehmen. Ich glaube, die nächsten fünf Jahre sollte ich lieber in keine Disco gehen." Um drei Uhr morgens standen sie völlig betrunken vor der Tür. "Es gab Megazoff" , sagt Benjamin. An Silvester blieb er freiwillig zu Hause. Nach der Mittagspause kommt Bernd Dreger zum wöchentlichen Therapiegespräch. Er ist Angestellter beim Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (blv) und leitet "TAB" . Sie ziehen sich dazu in Benjamins Zimmer zurück. Korkboden, ein weißes Metallbett, türkise Stoffvorhänge. Über seinem Schreibtisch lacht seine Mutter von einem goldgerahmten Foto. "Der praktische Landwirt" ist auf einem Buchrücken zu lesen. Benjamin sitzt auf einem niedrigen Sessel in der Ecke, Bernd Dreger ihm gegenüber auf dem Schreibtischstuhl. Er zieht einen Bogen Briefpapier aus seinen Unterlagen und reicht ihn Benjamin. Skeptisch liest er das Dokument, ein Schreiben vom Gericht. Auf einmal reißt er die Arme in die Höhe und jubelt vor Freude. Seine Bewährung wurde aufgehoben. Er ist jetzt ein freier Mann. "Das erste Mal seit ich 18 bin" , sagt Benjamin und jubelt wieder. "Natürlich ist das eine gute Sache" , sagt Bernd Dreger. "Aber auf der anderen Seite ist es schwieriger, sich nichts zu Schulden kommen zu lassen, wenn man keinen Druck mehr hat. Wenn man wieder frei ist." Benjamin möchte dieses Wochenende nach Hause fahren, Bernd Dreger hat nichts dagegen. Doch er soll endlich seine Bewerbung losschicken, ermahnt er ihn. Benjamin möchte sich in der Nähe von Dresden für eine Lehrstelle zum Tierwirt bewerben. "Kuhflüsterer" , sagt Benjamin. Auch den Antrag auf Weiterzahlung der staatlichen Hilfe soll er endlich ausfüllen und abschicken. Er bekommt sonst kein Geld mehr, wenn er sich nicht rechtzeitig darum kümmert. "Der Antrag liegt jetzt schon zwei oder drei Wochen rum" , sagt Bernd Dreger, "du musst schauen, dass du in die Hufe kommst." Benjamin nickt betreten. "Wie geht’s sonst mit der Arbeit hier auf dem Hof?" , will Bernd Dreger wissen. "Naja, gestern gab’s Stress" , sagt Benjamin. "Ich war total gefrustet, André ist irgendwie nicht aufgetaucht und ich musste den ganzen Stall alleine machen." "Ah, und deswegen warst du dann schlecht drauf?" "Ja, mir ging’s auch nicht so gut, war erkältet, und es hat mich halt genervt, dass keiner sich entschuldigt. Es hieß einfach, ich soll den Stall machen. Aber heute Morgen war dann alles wieder in Ordnung." Nächste Woche fahren Karin und Reinhard Wenz eine Woche in Urlaub, das erste Mal seit mehr als 20 Jahren. Benjamin wird den Hof in der Zeit übernehmen, zusammen mit André und dem Großvater, der auch hin und wieder ein Wort mitredet. "Das ist schon eine Herausforderung" , sagt Benjamin. "Wenn du eine falsche Kuh anhängst, ist die ganze Milch vom Tag hin, tausend Liter." Aber Benjamin findet es gut, einmal die volle Verantwortung zu übernehmen. Es ist 17 Uhr, die Kühe müssen zum zweiten Mal gemolken werden. Bernd Dreger verabschiedet sich. "Na, da bin ich mal gespannt, wie es läuft nächste Woche" . "Wird schon gut gehen" , antwortet Benjamin. Und lacht. "Benjamin hat sehr gekämpft in der Therapiezeit" , sagt Bernd Dreger, "und hat sich positiv entwickelt." Einmal die Woche ist bei den Wenz’ Spieleabend. Die Erwachsenen treffen sich zu einer Partie Canasta, André hat das Kartenspiel mit auf den Hof gebracht, Knabbersachen kreisen am Tisch. "Chef, wir wollten doch immer mal einen zusammen trinken" , sagt Benjamin zu Reinhard Wenz, einem überzeugten Antialkoholiker. "Nichts da, du bist hier auf Therapie" , sagt der. Benjamin lacht. "Wenn die Familie nicht wäre, wie sie ist, hätte ich schon meinen Koffer gepackt" , sagt Benjamin. "Es ist wichtig, dass man sich versteht. Auch wenn die nicht nachvollziehen können, wie das ist, wenn man von Methadon entzieht." Der Bauernhof habe ihn verändert, sagt Benjamin. Er sei stabiler geworden, habe gelernt, hart zu arbeiten. Diese Erfahrung will er für sein neues Leben nutzen. "Mich fasziniert es, mit Tieren zu arbeiten, deswegen will ich Tierwirt lernen. Vielleicht werde ich später auch in die Drogenarbeit gehen. Einem Ex-Junkie kann kein Patient was vormachen" . Jetzt will er aber erst mal seine eigene Zukunft auf die Reihe kriegen. "Ich hab’ jetzt Bock auf Leben" , sagt Benjamin. Diesmal lacht er nicht.
Ursel Nendzig, 20.5.2007, www.suedkurier.de

Die Therapie auf dem Bauernhof wurde 1996 als Modellprojekt begonnen. Die ersten drei Jahre wurde das Projekt vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Inzwischen gilt es als anerkannte Therapieform. Für maximal ein Jahr arbeitet dabei ein Drogenabhängiger auf einem Bauernhof. Träger der Einrichtung ist der Badische Landesverband für Prävention und Rehabilitation in Renchen (blv), die Einrichtung hat ihren Sitz in Mosbach.

Therapie auf dem Bauernhof,
Renzstraße 8, 74821 Mosbach, Tel 06261 /4946
eMail: TAB@blv-suchthilfe.de


 

Pilotprojekt HaLT in Villa Schöpflin muss fortgeführt werden

"Es gibt kaum einen Kreis im Land, der so viel für die Suchthilfe tut wie der Kreis Lörrach" , stellt Christian Heise, Geschäftsführer des baden-württembergischen Verbands für Prävention und Rehabilitation, fest. Ein Projekt, das in diesem Suchthilfe-freundlichen Milieu gedeihen konnte, ist HaLT. Das vom Bundesgesundheitsministerium angeschobene Pilotprojekt der Villa Schöpflin zur Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen soll nun möglichst fest und flächendeckend etabliert werden.

Es sei ihr Ziel, HaLT bundesweit "zu implementieren" , so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Bätzing, gestern in der Villa. Geld des Bundes könne es dafür aber nicht mehr geben, so Bätzing weiter. Prävention sei ein "Dreh- und Angelpunkt" der Sucht- und Drogenpolitik, begründet die Drogenbeauftragte ihr Anliegen. "Es macht Sinn, das Projekt fortzusetzen", sagt auch Michael Steiner von Prognos. Das Institut begleitete das Projekt die vergangenen drei Jahre wissenschaftlich und bilanziert "Erfolge" . So werde den Jugendlichen — 60 Prozent sind laut Prognos männlich, 40 Prozent weiblich und zwei Drittel jünger als 16 Jahre — nicht nur frühzeitig Hilfe geboten, sondern "weitergehende Unterstützung" — etwa in lokalen Netzwerken, die Veranstalter und Vereine einbinden. Dass der Ansatz wirkt, belegt Heidi Kuttler, Leiterin der Villa Schöpflin, mit einer schlichten Zahl: Die Rückfallquote im Kreis liegt bei den 66 Fällen, die Prognos dokumentiert hat, mit zehn Prozent deutlich unter dem Bundesschnitt von etwa 25 Prozent. Gleichwohl steht das Projekt finanziell auf wackeligen Füßen. Zwar gewährt das Land für dieses Jahr noch einen Zuschuss von 10 000 Euro, so Kuttler gestern. Zudem sei es gelungen, mit einigen großen Krankenkassen wie der AOK und der Barmer eine Kostenübernahme für die akute Hilfe zu vereinbaren und das soll nun auf weitere Kassen ausgedehnt werden. Die wichtigen präventiven Bausteine des Konzeptes sind damit aber nicht abgedeckt. Dieses Element soll daher kommunalisiert werden und zwar über einen "Präventionscent" , den die Kommunen, die die Leistung für ihre Jugendlichen abrufen möchten, aufbringen. Im Gespräch ist ein Betrag von zehn Cent pro Einwohner. Der Kreis jedenfalls unterstützt den Ansatz, so Sozialdezernentin Elke Zimmermann-Fisicella. Im Juli werde das Thema in der Bürgermeisterdienstbesprechung des Landratsamts erörtert. Einigen sich Kommunen auf das Modell, wäre das ein weiterer Beleg für Christians Heises These, dass der Kreis in Sachen Suchthilfe Vorbildcharakter hat.
alb, 9.5.2007, www.badische-zeitung.de

 

 

Freiburger Ärztin wegen Abgabe von Methadon vor Gericht

Gegen eine 59-jährige Allgemeinmedizinerin mit Zusatzqualifikation in Suchtmedizin wird vor dem Freiburger Amtsgericht verhandelt. Vorwurf: Unvollständige Dokumentation der Abgabe von Substitutionspräparaten wie Methadon und L-Polamidon an Heroinabhängige zwischen 1999 und 2004. Schwarzes Schaf oder engagierte Ärztin, die nachlässig dokumentiert hat?

Was sind die Hintergründe?
Wenn diese engagierte und zutiefst menschliche Ärztin nicht gewesen wäre, hätte ich und meine Familie nicht noch sechs schöne und wichtige Jahre mit meiner Mutter verbringen können. Unsere Oma war von ihr hervorragend behandelt worden. Diese Ärztin macht noch Hausbesuche, begleitet Betagte in Altenheimen und war jahrelang ehrenamtlich in der Pflasterstube ärztlich tätig. Da ich die Praxis kenne und gelegentlich mit Methadonpatienten im Wartezimmer sitze, frage ich mich welches Exempel die Staatsanwaltschaft hier aktuell statuieren will? Sich engagiert, menschlich und ärztlich verantwortungsvoll um eine benachteiligte Patientengruppe zu kümmern kann ja wohl nicht angeklagt werden. Was sind die Hintergründe, wenn von der Justiz dermaßen massiv vorgegangen wird?
BZ-Leserbrief vom 23.3.2007 von Günter Hammer, Freiburg

Eindruck der Kriminalisierung

Dieser Artikel in der Badischen Zeitung erweckt den Eindruck einer Kriminalisierung und Vorverurteilung der betreffenden Ärztin. Wir, die betroffenen Eltern eines suchtkranken Kindes, können es ermessen, wie schwierig und zeitaufwendig für Ärzte die Behandlung von Suchtkranken ist. Gerade diese Ärzte, die auf diesem Gebiet gute Arbeit leisten, bräuchten eine breite Unterstützung. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Besonders in Baden-Württemberg.
BZ-Leserbrief vom 23.3.2007 von Heidi und Ueli Schweizer, Freiburg

 

 

Zahl der Drogentoten in Freiburg deutlich gesunken

Für die Polizei kein Grund zur Entwarnung / Drogenhilfe Freiburg arbeitet weiter daran, beim Einstieg zum Ausstieg zu helfen

Die Zahl der Drogentoten in Freiburg ist deutlich zurückgegangen. 2006 sind fünf Menschen durch Drogenkonsum gestorben, zehn Jahre zuvor waren es noch 21. Seither zeigt die Tendenz, wenn auch mit Schwankungen, nach unten. Eine positive Entwicklung — aber kein Grund zur Entwarnung, sind sich Kripo und Drogenhilfe einig. "Es kann nächstes Jahr wieder ganz anders aussehen" , so die Erfahrung von Manfred Bührer, Leiter des Freiburger Rauschgiftdezernats. 2005 gab es neun Drogentote, im Vorjahr fünf, im Jahr zuvor zehn. Auch im Land entwickeln sich die Zahlen seit den 90er-Jahren insgesamt nach unten, aber ebenfalls schwankend: So starben nach einer vorläufigen Bilanz 2006 in ganz Baden-Württemberg mit 158 Drogenabhängigen zwei mehr an den Folgen ihrer Sucht als 2005. Die Jüngsten mit 19 Jahren an einem Cocktail von Heroin, Medikamenten und Alkohol. Während landesweit unter den Verstorbenen auffallend viele mit "Drogenkarrieren" von mehr als zehn Jahren sind, starb in Freiburg ein Langzeitkonsument. Die zwei Frauen und drei Männer aus Freiburg waren um die 30 Jahre alt. Um die Zahl der Drogentoten zu verringern, hat die Polizei vor allem zwei Möglichkeiten, erklärt Bührer: "Repressiv auf den Drogenmarkt einwirken und präventiv Jugendliche informieren und beraten." Wenn es aber darum gehe, dass es für Abhängige "nicht zum Schlimmsten kommt" , seien andere Einrichtungen wesentlich: Drogenberatung und Substitution, also die Versorgung mit Ersatzdrogen über einen Arzt.
Für die Freiburger Drogenhilfe hat die positive Entwicklung viele Gründe. Vorneweg: "Vor zehn Jahren gab’s in Freiburg noch keinen Kontaktladen und die Substitution hatte erst begonnen" , sagt Leiterin Jeanette Piram. Inzwischen sei viel theoretisches Wissen über die Behandlung von Suchterkrankungen in die Praxis umgesetzt worden. Die Substitution sei flächendeckend, "auch wenn es zu wenig Plätze gibt" . Und der Kontaktladen in der Rosastraße 13 beim Colombipark eine Anlaufstelle für Leute aus der Szene - "auch um Krisen vorzubeugen", sagt Piram. Außerdem habe es auch 2006 eine gute Kooperation mit der polizeilichen Ermittlungsgruppe Innenstadt gegeben. "Und natürlich wünschen wir uns auch, dass unsere Präventionsarbeit beigetragen hat" , sagt die Chefin der Drogenhilfe. Die Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt betreut in der Jugend- und Drogenberatungsstelle "Drobs" , im Kontaktladen und in Schwerpunktpraxen rund 1300 abhängige Freiburger und 200 Angehörige. "Die Zahl steigt seit Jahren" , sagt Piram. Damit bleibt zur Betreuung weniger Zeit. Nicht so gut angenommen wird bislang die 2006 gestartete Internetberatung "quit the shit" , die Jugendlichen beim Ausstieg aus dem Cannabiskonsum helfen soll — anonym und kostenlos. "Da wär’ noch Luft" , sagt Jeanette Piram.

Weniger Drogentote
Entwarnung kann nicht gegeben werden. Dass aber seit Jahren die Zahl der Drogentoten — wenn auch mit Schwankungen — zurückgeht, ist ein Indiz dafür, dass der eingeschlagene Weg in Freiburg erfolgreich sein kann: Unnachgiebigkeit gegenüber Dealern, Aufklärung für Jugendliche, Drogenberatung und Substitution. Vor allem aber dürfte der einst heftig umstrittene Kontaktladen der Arbeiterwohlfahrt mit dazu beigetragen haben, dass weniger Menschen zu tödlichen Opfern ihrer Sucht werden. Mehr als zwei Jahre lang war nach einem Standort gesucht worden, weil stets Nachbarn — verständlicherweise — gegen eine solche Einrichtung in ihrer Nähe protestierten. Seit August 2003 können die Abhängigen in der Rosastraße hinter dem Colombipark ihre Wäsche waschen, duschen, Spritzen tauschen, Gespräche führen. Die Drogenkonsumenten nehmen das Angebot dankbar an. Mehr als 160 Besucherinnen und Besucher kommen täglich in den Kontaktladen — mehr als doppelt so viele wie erwartet. Keine Frage, die Nachbarn müssen einiges ertragen. Vor allem der ehemalige Spielplatz beim Park als Treffpunkt der Junkies ist ein ständiges Ärgernis. Die Anwohner leisten — gezwungenermaßen — einen Beitrag für die Gesellschaft, den Drogenmissbrauch und seine Folgen halbwegs in den Griff zu bekommen. Die neueste Statistik legt den Schluss nahe, dass es nicht umsonst ist.
Uwe Mauch im Münstereck

Badische Zeitung Freiburg
10.1.2006, www.badische-zeitung.de

 

 

Förderverein Drogenhilfe ein Jahr in Endingen

Seit einem Jahr besteht der Förderverein Drogenhilfe in Endingen; jetzt zog man Bilanz der bisherigen Arbeit. Mit der Einrichtung der Beratungsstelle, in der Drogenabhängige an zwei Wochentagen sowie seit Herbst Medikamenten- und Alkoholabhängige einmal in der Woche Ansprechpartner finden, ist ein erstes Ziel erreicht.

Im November 2005 wurde der Förderverein Drogenhilfe Freundeskreis Günther Neufang gegründet. Im Januar fing die Arbeit an, im Februar wurde die Beratungsstelle an der Endinger Hauptstraße 15 eingeweiht. "Es ist ganz ruhig angelaufen" , sagte Kurt Rembold für den Förderverein. Aktuell hat der Verein 37 Mitglieder, zumeist aus dem Freundeskreis von Günther Neufang, der im Dezember 2005 starb. Sein Tod hinterließ eine Lücke in der Betreuung von Drogenabhängigen, die der Förderverein zu schließen versucht.
Der Bedarf ist da, weiß Lioba Sieron von der Jugend- und Drogenberatungsstelle "emma" . Sie begann mit einem Nachmittag Beratung in der Außenstelle Endingen, und dehnte es inzwischen auf zwei Nachmittage (Dienstag und Donnerstag) pro Woche aus. 24 Klienten kommen derzeit regelmäßig zu ihr in die Beratungsstelle. 77 Prozent davon werden substituiert, das heißt sie erhalten unter ärztlicher Überwachung einen Ersatz für die Droge. In der Beratungsstelle gibt es für sie psychosoziale Begleitung, die ihnen durch den Alltag hilft, und Ansätze, die Therapie zu bewältigen und vielleicht sogar zum freiwilligen Entzug zu kommen. Der Vorteil der Außenstelle ist die Nähe: "Damit kommt es in der Beratung zu einer Stabilisierung", sagt Sieron. Seit Herbst diesen Jahres ist auch der Badische Landesverband mit Prävention und Rehabilitation (blv) in Endingen vertreten. Er bietet psychosoziale Beratung für Leute, die von Medikamenten und Alkohol abhängig sind, erläuterte der Leiter Joachim Blank. Dorothea Läer betreut in der Außenstelle Endingen bereits zehn Klienten, womit ihr Montagmorgen gut ausgebucht ist. Zur Beratung gehört auch die Vermittlung zu stationären Therapien oder in Selbsthilfegruppen.
Der Förderverein hatte sich bei seiner Gründung drei Ziele gesteckt. Die Einrichtung der Beratungsstelle ist in die Tat umgesetzt. Schwieriger wurde es mit dem zweiten Schritt, nämlich einen oder mehrere Ärzte zu finden, die im Projekt Aufgaben übernehmen. Jetzt sind
Kurt Rembold und Bernhard Klorer als Vertreter des Fördervereins zuversichtlich, dass sie auch hier in absehbarer Zeit weiterkommen. Drittes Ziel ist die verstärkte Arbeit in der Prävention und die hat sich der Förderverein für 2007 vorgenommen. Dazu gehört der Ausbau in der Zusammenarbeit mit den Schulen vor Ort und mit Elternarbeit. Die AOK Südlicher Oberrhein hat dem Förderverein dafür bereits ihre Unterstützung zugesagt. Außerdem ist ein kleines Informationsblatt in Arbeit, mit dem der Förderverein stärker auf sich und seine Hilfsangebote aufmerksam machen will. Das Infoblatt soll auch dazu beitragen, neue Mitglieder für den Förderverein zu werben. Bisher kommen die meisten der 37 Mitglieder aus dem Freundeskreis von Günther Neufang. Das ist aber keine Voraussetzung für die Mitgliedschaft, betonen Rembold und Klorer.
Auch Spender sind willkommen: In den ersten drei Jahren wird die Beratungsstelle finanziell vom Lionsclub Kaiserstuhl-Tuniberg unterstützt. Am Ende der drei Jahre soll und muss der Förderverein auf eigenen Beinen stehen können.
Ilona Hüge , 18.12.2006, Badische Zeitung

Info: Die Sprechzeiten der Jugend- und Drogenberatungsstelle Emma, Außenstelle Endingen, Hauptstraße 15: Dienstag und Donnerstag von 14 bis 17 Uhr.
Sprechzeit des blv in Endingen: Montag 8.45 bis 12 Uhr. Telefonisch ist die Beratungsstelle unter
07642-926886 zu erreichen.

 

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