Home >Energie >Energiepolitik >Wyhl am Rhein >Wyhl1 Erneuerbare, nachwachsende Energie - Infos ab 20.6.2007
Nai hämmer gsait: Typisch dickköpfig, diese Dreiländer Freiburg - Angefangen hat es wohl Mitte der Siebziger, erinnern sich Axel Mayer und Hubert Hoffmann. Die beiden sind seit den »Kindertagen« der Anti-AKW-Bewegung miteinander befreundet und haben sich zusammen so manches Protestplakat ausgedacht. Mayer ist heute Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND in Freiburg, Hoffmann ist Vorstand einer alternativen Wohngenossenschaft im Freiburger Ökoviertel Vauban und saniert Altbauten. »Gelernter Grafiker bin ich nicht, ich habe aber einige Zeit eine Menge in diesem Bereich gemacht, Plakate, Flugblätter und so«, erzählt er. Sein »Nai hämmer gsait«-Plakat aus den Siebzigern hat nun eine solche Renaissance erfahren, dass es sogar bei AKW-Demonstrationen in Japan gesichtet wurde. »Nai« steht für grenzübergreifenden Protest Der Slogan »Nai hämmer gsait« entspricht so ganz dem halsstarrigen, dickköpfigen Klischee des Badeners, das mancher vielleicht im Kopf haben mag. Dabei geht es hier nicht nur um störrische Schwarzwälder und Kaiserstühler, die mutmaßlich sowieso gegen alles sind. Das »Nai« steht vielmehr grenzübergreifend für Protest und Widerstand, denn der Satz wird im Dialekt der Badener, der Elsässer und der Nordschweizer gleichermaßen verstanden. »Der Hubert hat es wohl zum ersten Mal bei einer Bauplatzbesetzung in Marckolsheim im Elsass Mitte der Siebziger gesehen, der Dialekt ist also eigentlich Elsässerdeutsch«, erinnert Mayer sich. Dort ging es damals gegen den Bau einer Bleichemiefabrik. Die einjährige Besetzung des Bauplatzes verhinderte schließlich das Projekt. In der Folge wurden dann noch drei Atomkraftwerke in Wyhl (Baden), Kaiseraugst (Kanton Baselland) und in Gerstheim im Elsass auf dem Protestweg abgebogen. »Im Grunde war das damals die erste grenzüberschreitende Bürgerbewegung der Nachkriegszeit«, betont Mayer. »Ein vorweggenommener Ausdruck unseres Selbstbewusstseins als trinationale Region. Der Dialekt verbindet uns über die Grenzen hinweg, schafft Identität, verhindert, dass man sich gegeneinander ausspielen lässt. Und alles ohne EU-Fördergelder!« Das »Nai« zur Atomkraft sei auch immer schon das »Ja« der Menschen in der Region zu offenen Grenzen und alternativen Energien gewesen. Etwa 70 bis 80 Prozent der Plakate der grenzüberschreitenden Bürgerprotestler stammten damals von Hubert Hoffmann, der ein »viel beschäftigter, nie bezahlter Hobbygrafiker« gewesen sei, so Axel Mayer. Nicht immer lief das reibungslos: »Das Plakat mit dem ›Nai‹ drauf haben damals viele eher kritisch beäugt und sogar abgelehnt. Über Ästhetik wird halt gern gestritten«, so Axel Mayer rückblickend. Aber durchgesetzt hat sich das Motiv dennoch, es gab sogar Zehntele-Gläser mit dem Satz drauf. »Revolutionskitsch« nennt Mayer sie. Geholfen habe jedoch auch das, zum Beispiel wenn es darum ging, Prozesskosten oder neue Plakate zu bezahlen.Die große – von keinem gewollte – Renaissance des prägnanten Protestsatzes auf Plakaten, Bannern, Aufklebern, Buttons und Fahnen brachte dann in diesem Jahr das Atomunglück in Fukushima mit sich, so Hubert Hoffmann: »Meinem Eindruck nach ist der Slogan erst jetzt wieder neu aufgelebt. Er wurde vor allem von Axel wieder neu belebt.« Der Mundartboom der »Wyhler Zeiten« sei davor ja schon länger abgeflaut gewesen. Es war Mayer, der Hoffmann als Zeichner wieder aktivierte: »Ich hab ihn gefragt, ob er diese dicke Kinderschrift von damals noch hinbekommt«. So entstand das »Atomausstieg jetzt«-Plakat mit den durchgestrichenen Kühltürmen und dem »Nai hämmer gsait«-Design, das der BUND in Freiburg 16 000 Mal drucken ließ und bereits 10 000 Mal kostenlos verteilt hat.5000 neue Plakate auf Lager Seit Mitte Juli hat Mayer 5000 neue Plakate auf Lager Stattdessen setzt Mayer heute auf Newsletter per E-Mail und »Spuckis«. Das sind kleine Protestaufkleber, die wie Briefmarken abgeleckt und aufgeklebt werden. »Es gibt ja kaum noch diese alten Hoftore aus Holz, die wir früher mit Plakaten vollgetackert haben«, so Mayer weiter. Generell sei es schwieriger geworden, in den Städten und Gemeinden Platz zum Plakatieren zu finden. Da müsse man halt mit der Zeit gehen. Dazu gehört auch, dass Mayer in seinem BUND-Büro in Freiburg neuerdings Anti-Atom-Banner zur Miete für 20 Euro anbietet: »Die kann man sich an den Balkon hängen, bis der Vermieter meckert.« Wer das Plakat zum BUND zurückbringt, bekommt sein Geld zurück. »Das Plakat ›Nai hämmer gsait‹ ist wohl ein Klassiker des deutschen AKW-Widerstands«, resümiert Hubert Hoffmann. Weitere Plakate für Beznau und Leibstadt Gedacht hätten weder er noch Axel Mayer dies, als sie damals in Wyhl, Marckolsheim, Gerstheim oder Kaiseraugst mit dabei waren. »Ich finde es nett, dass es immer wieder solchen Anklang findet«, sagt Hoffmann weiter. Persönliche Folgen für seinen Lebensweg habe es aber keine gehabt. Und Mayer würde es im Grunde am liebsten einmotten: »Hoffentlich werden wir zumindest das ›Nai‹ zur Atomkraft auch am Oberrhein in wenigen Jahren nicht mehr benötigen.« Davor werde es aber sicher noch »Nai hämmer gsait«-Plakate für die Reaktoren in Beznau und Leibstadt in der Schweiz geben. Davon ist Mayer überzeugt 2.8.2011, Ralf Deckert, www.schwarzwaelder-bote.de Rolf Böhme: Wyhl - Oberrhein als Modellregion zur Energiewende der EU Vor 40 Jahren begann 1971 der Protest gegen die Planung eines Atomkraftwerkes am Kaiserstuhl, damals noch am Standort Breisach. Die Kontroverse endete mit einer Verlegung des Standortes nach Wyhl. Aber trotz der Zustimmung der Gemeinde Wyhl begann hier der eigentliche Protest gegen die Atompolitik. Wyhl wurde zum Symbol der Ablehnung der Kernkraftwerke. Im Protest gegen Wyhl bildeten sich auch spontan über die Grenze am Rhein hinweg die badisch-elsässischen Bürgerinitiativen. Der Umweltschutz kennt keine Grenzen. Der Kampf um Wyhl ist Geschichte, aber sein Protest "Nai, hämmer g’sait – Kein AKW in Wyhl und anderswo" NAI hammer gsait! 18. Februar 1975" Gedenkstein beim Wyhler Wald am Rhein ging erst zu Ende mit dem Beschluss des Bundestages am 30. Juni 2011
zum endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie. In Wyhl begann dieser Weg. Die
damalige Ablehnung des AKW-Standortes gelang durch den weithin akzeptierten
Protest der Bevölkerung, und zwar diesseits und jenseits des Rheins. Die
regionale Bündelung der Anti-AKW-Bewegung brachte den Erfolg. In der damaligen rheinüberschreitenden Vernetzung lag ein Alleinstellungsmerkmal. Diese Erfahrung
gilt bis heute und kann bei der Umsetzung eines regionalen Verbundes von
erneuerbaren Energien genutzt werden. Das Erbe von Wyhl bleibt so Verpflichtung
und Ansporn, wieder voranzugehen und für die Energiewende eine
europäische
Modellregion zu schaffen. Das Konzept eines solchen Energieverbundes wäre
zugleich eine inhaltliche Alternative und eine politische Antwort auf die
Forderung zur Abschaltung des KKWs Fessenheim. Daraus könnte eine Pro-Bewegung
werden, diesmal für eine Initiative zu besserer Energie-Effizienz, für mehr
erneuerbare Energien und zu einem nachhaltigen Klimaschutz. © by freiburg-schwarzwald.de, Kontakt, Update 09.08.11 |