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Strom - Elektrizität
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Stromnetze schnell ausbauen - Kosten für Erneuerbare begrenzen

Die Stromnetze müssen schnell ausgebaut und die Kosten für die erneuerbaren Energien begrenzt werden, sonst scheitert die Energiewende. Das sagt Hans Kuntzemüller, Aufsichtsratschef des südbadischen Energieversorgers Energiedienst (ED), der ausschließlich Strom aus Wasserkraft erzeugt.
BZ: Deutschland hat 2011 trotz der Stilllegung von acht Atomkraftwerken mehr Strom exportiert als importiert. Selbst in dieser Kältewelle können wir Frankreich mit Strom versorgen. Das zeigt, dass die Kapazitäten der Stromproduktion im Prinzip ausreichen. Warum haben Sie Zweifel, dass die Energiewende gelingt?
Kuntzemüller: Nur auf das Jahresendergebnis zu gucken, ist zu wenig. Es gibt Zeiten, da exportiert Deutschland Strom, zu anderen Zeiten muss importiert werden.
BZ: Wo ist das Problem? Die Schweiz exportiert traditionell im Sommer aus ihren Talsperren und importiert im Winter.
Kuntzemüller: Das ist geplant, darauf sind die Stromproduzenten und die Stromnetzbetreiber eingestellt. Ich spreche von ungeplanten Im- und Exporten. Wenn es stürmt, wird in Norddeutschland viel Windstrom erzeugt. Strom lässt sich nur in sehr geringem Maß speichern. Der erzeugte Strom müsste nach Süden transportiert werden. Hier sitzt die Industrie, die den Strom braucht. Im Süden liegen auch die Atomkraftwerke, die abgeschaltet wurden. Weil es zu wenige Stromleitungen gibt, fließt dieser Strom inzwischen nicht selten in die Netze der Nachbarländer. Das finden Polen, Tschechen, Belgier und Niederländer nicht lustig.
BZ: Wieso? Sie bekommen doch günstig Strom.
Kuntzemüller: Nein. Beim Strom sind die wirtschaftliche und die technische Seite völlig getrennt. Technisch ist es so, dass Strom den Weg des geringsten Widerstandes geht. Wenn er in die Niederlande strömt, weil in Deutschland ungeplant ein Überschuss entsteht, muss dieser Saldo innerhalb einer Woche ausgeglichen werden, weil kein Geschäft zugrunde liegt.
BZ: Aber wenn Strom nach Italien, oder generell ins Ausland exportiert wird, fließt der doch möglicherweise auch durch Netze anderer Länder.
Kuntzemüller: Dann ist das geplant, dann wird auch die Netznutzung bezahlt. Es ist eben ein Unterschied, ob man etwas liefert, das bestellt ist, oder ob man jemandem etwas ungefragt vor die Tür stellt.
BZ: Welche Konsequenzen hat das?
Kuntzemüller: Technisch ist es möglich, dem Strom die Tür zu verschließen. Schrägregler nennt man das. Das werden die Nachbarländer bald machen.
BZ: Und dann?
Kuntzemüller: Dann muss der deutsche Windpark, der überflüssigen Strom erzeugt, vom Netz getrennt werden. Der Witz dabei ist – die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bekommt er trotzdem.
Alles vom 18.2.2012 auf
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/gegenverkehr-in-der-einbahnstrasse--55987721.html

 

 

 


Hochspannungsnetz - regionale Verteilnetze - Ortsnetze - Netzknoten

Schwarzwälder Aussiedlerhöfe pumpen Strom in die Leitungen und am Hochrhein schwitzen die Lotsen des Energieverkehrs

Stromnetze: Bild: EnBW

Die Trafostation in Maulburg ist ein kleines Rechteck auf dem Bildschirm von Peter Detterbeck. Ein Wohngebiet wird von dort  aus mit Strom versorgt und ein Bauernhof. Jahrzehntelang floss die elektrische Energie nur in eine Richtung: von der Station in die Haushalte, zu Melkmaschine oder Heugebläse. Bis der Landwirt  auf die Idee kam, sein Scheunendach zum Solarkraftwerk umzubauen. Seitdem hat Detterbeck ein Problem. „An manchen Tagen kehrt sich die Energierichtung um", sagt der Leitstellenchef des Netzbetreibers Energiedienst. „Aber das Stromnetz ist dafür nicht gemacht." Seine Mitarbeiter überwachen von Rheinfelden aus das Netzgebiet zwischen Bad Krozingen und Radolfzell. Bis vor wenigen Jahren konnten sie sich darauf verlassen, dass der Strom von Großkraftwerken eingespeist und dann über ein sich immer weiter verzweigendes Leitungsnetz an die Verbraucher verteilt wurde. Dessen Aufbau ist deshalb streng hierarchisch: Ganz oben stehen die Höchstspannungsleitungen. Sie transportieren elektrische Energie bis zu Hunderte Kilometerweit, es sind die Autobahnen des Stromnetzes. Umspannwerke an den Knotenpunkten verbinden sie mit der Hochspannungsebene, den Bundesstraßen. Manche Großkraftwerke speisen erst hier in das Netz ein. Energieintensive Industriebetriebe bedienen sich direkt aus dem Hochspannungsnetz, der große Rest wird in das regionale Verteilnetz abgegeben, die Landstraßen. Sie erreichen Umspannstationen in den einzelnen Gemeinden und Stadtteilen. Von dort aus geht es über das Ortsnetz in die Haushalte und kleineren Betriebe, wo der Strom je nach Anschluss mit 230 oder 400 Volt aus der Steckdose kommt.

Der Aufstieg erneuerbarer Energiequellen bereitet den Netzbetreibern,  gerade in ländlichen Regionen wie dem Südschwarzwald, einiges Kopfzerbrechen. Denn sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Strom jedes  Windrads, jeder Solaranlage aufzunehmen – auch wenn es sich um das Scheunendach des hintersten Aussiedlerhofs handelt. Das bedeutet: Gegenverkehr auf den letzten Metern im Stromstraßennetz, den Feldwegen. Etwa in Maulburg: Wenn mittags die Sonne auf die Photovoltaikzellen knallt, kann es passieren, dass sie mehr Energie ins Ortsnetz einspeisen, als dort verbraucht wird. Der Überschuss fließt dann in die übergeordnete Spannungsebene. Aber die Elektroingenieure in der Rheinfelder Netzleitstelle können das auf ihren Bildschirmen nur indirekt erfassen. Denn die Messdaten, die bislang ausreichten, um kleine Trafostationen in den unteren Ebenen des Netzes zu überwachen, sagen nichts über die Richtung des Energieflusses aus, sie zeigen nur seine Stärke an. Die Gefahr ist, dass Netzprobleme wie Überlastungen zu spät erkannt oder keiner eindeutigen Ursache zugeordnet werden können. Regionale Verteilnetzbetreiber wie Energiedienstmüssen in den nächsten Jahren daher massiv aufrüsten: Leitungen verstärken, vor allem aber in neue Mess- und Kommunikationstechnik investieren, damit auch aus den entlegensten Punkten notwendige Informationen in die Leitstelle fließen. „Wir brauchen mehr Daten aus der Tiefe des Netzes", sagt deren Leiter Peter Detterbeck. A
m anderen Ende warten noch größere Herausforderungen: Das Höchstspannungsnetz wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, schon heute stößt es an seine Grenzen. Große Windparks im Norden erzeugen Energie, die bis nach Süddeutschland transportiert werden muss. Insgesamt müssen stärker werdende Schwankungen zwischen Stromerzeugung und -verbrauch ausgeglichen werden, auch über Staatsgrenzen hinweg. Die Voraussetzungen dazu wurden vor über 50 Jahren geschaffen.
In Laufenburg am Hochrhein haben Deutschland, Frankreich und die Schweiz 1958 ihre Stromnetze zusammengeschaltet. Der Stern von Laufenburg, wie der erste europäische Netzknoten in Fachkreisen genannt wird, war nicht nur technisch, sondern auch politisch (nach zwei Weltkriegen) ein Meilenstein. In den folgenden Jahrzehnten hat sich die Schweiz zur Stromdrehscheibe Europas entwickelt. In der Swissgrid-Netzleitstelle direkt neben der zentralen Schaltanlage des Sterns von Laufenburg geht es daher nicht nur um die Stromversorgung der Schweizer. „Wenn Sie hier einen falschen Knopf drücken, kann es in ganz Italien dunkel werden", warnt Andreas John von Swissgrid, der für die Systemführung des Schweizer Höchstspannungsnetzes verantwortlich ist. Seine Leitstelle gleicht der Kommandobrücke eines Raumschiffes. Der Eingang ist mit einer „Vereinzelungsanlage" vor Saboteuren gesichert: zwei Schiebetüren hintereinander, von denen sich die eine erst öffnet, wenn die andere geschlossen ist. In einem Wald aus Flachbildschirmen sitzen rund um die Uhr seine Mitarbeiter, die Stromlotsen. Sie überwachen Leitungen und Schaltstationen. „Das Besondere an Strom ist, dass es eigentlich keine Überschüsse geben kann. Es muss immer so viel elektrische Energie erzeugt werden, wie gerade verbraucht wird", erklärt Andreas John. „Ist zuviel Energie im Netz, steigt die Frequenz des Wechselstroms. Die Maschinenmotoren in den Fabriken würden schneller laufen, auch die Bahnhofsuhren an den Gleisen." Dass Spannung und Frequenz des Stroms innerhalb enger Toleranzbereiche stabil gehalten werden, ist das entscheidende Qualitätskriterium für die Arbeit der Leitstellen – unabhängig davon, ob sie wie in Rheinfelden die unteren Netzebenen oder wie knapp 30 Kilometer weiter in Laufenburg die höchste Ebene im Blick haben. Anders als Einzelanlagen auf Scheunendächern sind große Wind- und Solarparks wie herkömmliche Großkraftwerke direkt an die Höchst- oder Hochspannungsleitungen angeschlossen. Der Ausbau der Erneuerbaren im großen Stil führt zu neuen Problemen für die Lotsender Stromautobahnen. Denn lange Zeit schwankte vor allem der Verbrauch, die Erzeugung  durch konventionelle Kraftwerke konnte relativ gut gesteuert werden. Nun, und in Zukunft noch viel stärker, schwankt auch die Erzeugung.

Eine Idee für die Stromversorgung der Zukunft ist es daher, den Verbrauch zu steuern, ihn der schwankenden Erzeugung anzupassen. In Freiamt bei Freiburg hat der Energieversorger EnBW ein Modellprojekt gestartet. Testhaushalte wurden mit Stromzählern ausgestattet, die zum Beispiel der Tiefkühltruhe signalisieren, wann ein günstiger Zeitpunkt zum Kühlen sei. Die Energie wird dann billiger abgegeben, weil ein Überschuss im Netz ist. Ob sich solche Ideen durchsetzen, ist noch vollkommen offen. Zumal der wirtschaftliche Anreiz für Privathaushalte recht gering ist. Zumindest, solange Strom nicht viel teurer wird und die Abrechnung nur einmal im Jahr kommt. Um die großen langfristigen Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen, genügt die kurzfristige Steuerung des Verbrauchs ohnehin nicht. Wenn im Sommer weniger Windenergie zur Verfügung steht, müssen Energiespeicher genutzt werden, die überschüssigen Strom aus den windreichen Wintermonaten aufbewahren. Forscher suchen nach neuen Möglichkeiten, überschüssige elektrische Energie zu speichern – etwa indem sie in Gas umgewandelt wird. Im großen Stil einsatzbereit ist bislang jedoch nur die Pumpspeichertechnik. Die sehr großen Wasserbecken solcher Kraftwerke stellen jedoch, werden sie künstlich angelegt, einen enormen Eingriff in die Landschaft dar und sind deshalb in Deutschland umstritten. Das im Hotzenwald geplante Pumpspeicherwerk Atdorf ist Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Ein Runder Tisch sollte den Konflikt versachlichen. Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg, der als Experte eingeladen war, stellte dort seinen Ansatz vor, die gigantischen Pumpspeicherpotenziale Norwegens an das deutsche Stromnetz anzuschließen. Hierfür müsse in Norwegen kein einziger neuer Stausee gebaut werden. Diesen Weg schlägt der Sachverständigenrat für Umweltfragen, dessen Mitglied der Professor für Energiewirtschaft ist, der Bundesregierung in einem Gutachten vor. „Die neuen Transportleitungen von Nord- nach Süddeutschland, die dann notwendig wären, werden ohnehin gebraucht," sagt Hohmeyer. „Es sind dieselben, die die Windkraft von der Küste nach Baden-Württemberg und Bayern bringen." Um diese weiten Distanzen möglichst verlustfrei zu überwinden, eigne sich eine Technik, die bislang im Stromnetz der Bahn genutzt wird: die Drittelung der Wechselstrom-Frequenz auf gut 16 statt 50 Hertz. Mit diesem „Tempolimit" auf den Stromautobahnen können weitere Strecken verlustfreier zurückgelegt werden. „Mit der herkömmlichen Technik lassen sich in etwa so viele Kilometer überwinden, wie hoch der Spannungsbetrag in Kilovolt ist. Also 380 Kilometer bei Höchstspannung. Wird die Frequenz gedrittelt, verdreifacht sich dieser Wert auf über 1000 Kilometer", rechnet Hohmeyer vor. Den regionalen Netzbetreibern im Süden, die ihre Verteilnetze aufrüsten müssen, empfiehlt der Energiewirtschaftsprofessor aus Flensburg, den Blick nach Norddeutschland zu richten: „Bei uns sind Netzbetreiber und Planungsbehörden schon einganzes Stück weiter." Die entscheidendere Frage sei, wie die Grundstruktur der Höchstspannungsebene verändert werden muss, so dass eines Tages die vollständige Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen gelingt: „100 Prozent Erneuerbare sind das Ziel. Daher müssen wir vom Ende her denken", fordert Hohmeyer. Stattdessen werde der Ausbau des Stromnetzes noch zu sehr in kleinen Schritten geplant.
Daniel Gräber, 11.1.2012, www.der-sonntag.de

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