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Freiburg Persönlich
- Eine Reihe vom Stadtkurier

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Persönlichkeiten von Freiburg - vorgestellt vom Stadtkurier

Die Schornsteine rauchen: Blick nach Osten zum Schloßberg am 12.1.2009 um 9.30 Uhr - Freiburg im Frost bei -11 Grad
Die Schornsteine rauchen: Blick nach Osten zum Schloßberg am 12.1.2009 um 9.30 Uhr - Freiburg im Frost bei -11 Grad


Der Stadtkurier veröffentlichte im November 2009 erstmals die Beilage Freiburg Persönlich,
in der 14 bekannte Freiburger vorgestellt werden.
Vielen Dank an die Redaktion des Stadtkuriers, diese Beiträge hier archivieren zu dürfen.
Ihnen beim Lesen viel Vergnügen!
 

 

Wolfgang Jäger: Universitäts-Rektor ohne echten Ruhestand

Vielleicht ist das Bild – um nicht zu sagen - Vorurteil des typischen deutschen Professors durch Heinrich Mann geprägt: Ernst, um nicht zu sagen: humorlos, unnahbar, über den Dingen schwebend, nicht von dieser Welt. Und wenn dann ein Hochschullehrer noch Dekan, Prodekan, Prorektor und zwölf Jahre lang Rektor einer ehrwürdigen, weil über 500 Jahre alten Universität war, ja dann muss er eigentlich kaum noch im Kreis seiner Mitmenschen leben. Wolfgang Jäger kann kein typischer deutscher Professor sein. Er liebt Geselligkeit, er ist humorig, lacht gern, Situationskomik ist sein Ding. Er kennt keinerlei Berührungsängste und ist zweifelsohne von einer gewissen Hartnäckigkeit. Dass er nebenbei noch ein ausgezeichneter Politologe ist, das beweist neben seiner  Lehr- und Forschungstätigkeit auch seine Liste der Veröffentlichungen. Eigentlich auch zu erwarten bei einem Mann, der Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes war. Jäger, Jahrgang 1940, ist ein Veränderer. Er liebt es, Dinge zu gestalten, umzugestalten. Das schlägt sich beispielsweise in der Bilanz der universitären Neu- und Umbauten nieder. In den zwölf Jahren Rektorat Jäger wurde exakt so viel für Baumaßnahmen ausgegeben wie in den 38 Jahren zuvor. Da wurde aus dem als Panzerkreuzer" bekannten Gebäude der französischen Militärkommandantur das Rektorat, das Materialforschungszentrum hat nun einige Laborgebäude, angeschlossen an das Zentrum für Biochemie und die naturwissenschaftlich und theoretische Molekulare Zellforschung, das Kollegiengebäude I wurde saniert, das Uniseum" – eine geschichtliche Darstellung der Freiburger Universität durch die Jahrhunderte, die erste Ausstellung dieser Art in Deutschland - im Keller der alten Universität eingerichtet. Und dies sind nur einige der Baumaßnahmen während des Rektorats Wolfgang Jägers. Es wäre aber zu kurz gesprungen, wollte man seinen Hang zur (Um- Gestaltung lediglich im architektonischen Bereich ansiedeln.

Als er 1995 antrat, hatte die Albert-Ludwigs-Universität 15 Fakultäten, die sowohl von der Stadt wie untereinander abgekapselt waren. Als Jäger im März 2008 sein Amt niederlegte, waren es noch elf Fakultäten, schlagkräftig, verzahnt und offen gegenüber Stadt und Regio. Er hält nichts, das gibt er offen zu, von der Heideggerschen Ansicht, dass die „Fakultäten in sich geschlossene Fachhochschulen" sein sollten. Dies, so Jägers Überzeugung, fördere sowohl Abkapselungstendenzen wie zentrifugale Kräfte, machten mithin ein modernes, effektives Universitätsleben unmöglich. Dies war in seinen Augen um so schwerwiegender, als in der modernen Gesellschaft der wissenschaftliche Elfenbeinturm längst ausgedient hat, eine Hochschule heute für sich werben, überzeugen und – mit guten Argumenten – auch „betteln" gehen muss. Verständlich, dass Jäger daher zum Befürworter der Studiengebühren wurde, auch wenn er die Proteste der Studentenschaft dagegen durchaus verstand und ernst nahm. Aber eine Universität, die im deutschen, europäischen, ja weltweiten Wettbewerb mithalten will, die ist heute nicht mehr nur mit staatlichen Zuwendungen zu führen. Institutionen und Unternehmen, Stiftungen und Zuwendungen ehemaliger Studierender gehören zum Fundus, der mit Geschick, Fingerspitzengefühl und Leistungen um finanzielle Zuwendungen angegangen werden muss. Kein Wunder, dass Jäger als „Krönung seiner Amtszeit" die Aufnahme „seiner" Universität in die Exzellenzinitiative einstuft: Hier bewies der Wissenschaftsstandort Freiburg sein Potenzial – das gab Jäger, der sich nicht scheute, spezielle „Fundraiser" einzustellen, also Mitarbeiter, die professionell Drittmittel einwerben, die Chance, die Gelder zu akquirieren, die eine moderne Spitzenuni heute braucht. „Ist der noch Politologe oder schon Manager?", lautete eine oft gestellte Frage in diesem Zusammenhang. Jäger ist als Politologe Wissenschaftler, Forscher, Lehrender. Als Rektor war er der Marketingchef seiner alma mater. Und – auch wenn es der reinen Lehre widersprechen mag – dieser Typ Rektor, der mehr mit einem modernen Konzernlenker gemein hat als mit der verstaubten Magnifizenz längst vergangener Zeiten, scheint heute nötiger denn je. Wolfgang Jäger hat da eine Arbeitsplatzbeschreibung geschaffen, die auszufüllen dem einen oder anderen Nachfolger schwer fallen mag – zumal Jäger auch noch mit einer fulminanten 550 Jahr-Feier der Universität punkten konnte.

Jäger ist hochdekoriert: Bundesverdienstkreuz, Verdienstmedaille des Landes, Prix Bartholdi, Orden des Papstes, Ehrendoktorwürden. Manch einer hätte dies als gerechten Lohn für eine erfolgreiche akademische Laufbahn hingenommen und sich nach der Emeritierung wohlig dem gesellschaftlichen Leben hingegeben. Der Aktionist Jäger kann das nicht. Er, der am liebsten Gespräche auf Spaziergängen führt, wurde Gründungsmitglied einer privaten Hochschule in Freiburg, schreibt in verschiedenen Zeitungen regelmäßige Kolumnen, wendete sich wieder stärker der Lehre zu und liest. „Lesen - das ist meine Leidenschaft", bekennt er, „das war das Einzige, das während meiner Rektoratszeit zu kurz gekommen ist." Und sein Lesehunger ist breit gefächert: Fachbücher, Biographien und – Kriminalromane. Hier ist er, der einst Rufe aus dem Breisgau weg nach Köln, Tübingen und Mainz abgelehnt hatte, gern bodenständig: Er genießt die „grotesk- berzogenen" Freiburg-Krimis von Marquardt/Heyberger sowie die Schwarzwald-Krimis von Ummenhofer/Rieckhoff: „Ich bin in Villingen geboren und die beiden lassen mit einem Augenzwinkern Orte und Gepflogenheiten meiner Jugend wieder erstehen!" Es ist Professor Wolfgang Jäger zu gönnen, dass er sich noch lange Zeit nehmen kann, um sich an den Eigenheiten seiner Heimatlandschaft zu ergötzen. Die Universität wie der Wissenschaftsstandort Freiburg sind ihm für seine Leistungen zu Dank verpflichtet - und das wissen sie auch.
spk, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

Zita Kaiser: Grande Dame der Freiburger Modewelt

Trotz ihres Alters von 85 Jahren trifft man sie noch jeden Tag im Geschäft an. Sie hilft bei der Auswahl der richtigen Kleider für den Verkauf oder bereitet Modeschauen vor. Und unterstützt die Jungen mit Rat und Tat. Die Rede ist von Zita Kaiser, der Grande Dame nicht nur der Freiburger Modewelt. Geboren wurde Zita Kaiser am 1. Oktober 1924 in Küssaberg-Kadelburg am Oberrhein, nahe der Schweizer Grenze. Eineinhalb Jahre später wird ihr Bruder Willy geboren. Zita Kaiser erinnert sich gerne an ihre Kindheit und besonders an Ferientage bei ihrem Großvater Franz-Karl Hiss in Kappel, der einen Krämerladen betrieb. Bald zieht die Familie nach Freiburg um und die jugendliche Zita geht von 1940 bis 1942 auf die Höhere Handelsschule. Von Mai 1944 bis Kriegsende kann die 19-Jährige die Wirtschaftsoberschule besuchen. Kurz nach Kriegsende lernt sie ihren späteren Mann kennen. Der Kriegsheimkehrer Ernst Kaiser beginnt 1946 in der Wohnung seiner Mutter Herrenbekleidung zu verkaufen. Regelmäßig fährt er mit derselben Straßenbahn wie Zita Kaiser. Die beiden kommen ins Gespräch und der junge Kaufmann fragt sie, ob sie nicht samstags als Mitarbeiterin in seinem Geschäft aushelfen wolle. Zita Kaiser nimmt das Angebot an, am 1. August 1950 wird sie im ersten Kaiser-Ladenlokal in der Talstraße als Verkäuferin eingestellt. Ernst Kaiser und Zita Motz, wie sie zu diesem Zeitpunkt noch heißt, kommen sich näher, man verlobt sich, geheiratet wird 1953. Als Hochzeitsgeschenk bekommt Zita Kaiser eine eigene Abteilung für Damenkonfektion. Was sie begeisterte an diesem Beruf, das drückte sie in ihren Erinnerungen aus: „Mode zu verkaufen bedeutet, die Welt des Schönen mit den Anstrengungen und der Akribie des Kaufmanns zu verbinden." Das Geschenk weckt die Aktivität und den Unternehmerinnengeist der jungen Braut. In rascher Folge richtet sie 1959 das „Modehaus der Dame" im Kolonnadenbau an der Kaiser-Joseph-Straße 174 ein, 1968 folgt daneben das „Spezialhaus für Herrenbekleidung" und 1973 die Boutique Avantic in der benachbarten „Schwarzwald-City". Avantic hat sich inzwischen zum Esprit-Shop gewandelt. Drei Jahre später trifft Zita Kaiser ein harter Schicksalsschlag: Ihr gesundheitlich schon einige Zeit angeschlagener Mann stirbt.

Zita Kaiser bleibt alleine zurück und muss erkennen, dass ihr Mancher die alleinige Weiterführung des Hauses Kaiser nicht so ganz zutraut. Mit großem Willen und einer unendlichen Stärke führt sie aber die Modehäuser weiter - und von Erfolg zu Erfolg. Sie erweitert konsequent die eigen genutzten Flächen und nimmt neue, namhafte Marken ins Sortiment auf. Ende der 80er Jahre adoptiert sie Gerhard Kaiser, den Sohn einer Cousine und studierten Betriebswirt und Juristen, der nach einiger Zeit der Einarbeitung 1991 als Mitgeschäftsführer bei Kaiser einsteigt. Aber damit zieht sie sich nicht aus dem Geschäft zurück, im Gegenteil. 1999 wird das Damenhaus nochmals erweitert und 2004 sind die Herren mit einer Neugestaltung der Warenpräsentation an der Reihe. Weiter voller Tatendrang kauft sie 2008 zusammen mit ihrem Sohn das 459 Jahre alte Aussteuerhaus Gotthart an der Schusterstraße und richtet dort das maskuline Lifestylehaus S 1 ein.
So viel Innovation und Unternehmerinnengeist wird belohnt - auch mit einer Fülle an Ehrungen. Sie erhält den Forum-Preis der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft" – auch als Oscar der Modewelt bekannt –, die Staufermedaille und die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden- Württemberg. Trotz ihrer geschäftlichen Erfolge ist Zita Kaiser den Menschen sehr nahe geblieben. Bis heute unterstützt sie zahlreiche soziale Projekte, engagiert sich bei der Sanierung des Münsters, des Augustinermuseums und setzt sich immer wieder für das Stadttheater ein. Sie ist unter anderem Mitglied der Legio Mariens, die sich um alte gebrechliche Menschen oder um Eltern mit Behinderung kümmert, gehört dem päpstlichen Ritterorden des Heiligen Grabes von Jerusalem an und hat jahrelang aktiv für die Fördergesellschaft Tumorbiologie gearbeitet. Für uns Freiburger ist sie eine starke Frau und ein wunderbares Vorbild.
Nils Kickert, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

Bahar Kizil: Popstar mit Erfolgsband Monrose

Wer kennt sie nicht, die strahlende Siegerin der Castingshow „Popstars", die vor drei Jahren über Nacht zum Superstar Deutschlands wurde. Mit einem schüchternen Lächeln, das alle verzauberte. Geboren wurde Bahar Kizil als älteste Tochter einer aus der Türkei eingewanderten Familie am 5. Oktober 1988 in Freiburg. Ihr Verhältnis zu ihrer Mutter ist sehr eng, Bahar Kizil nennt sie „mein Vorbild". Und die Mutter sagte nach dem „Popstars"-Sieg, dass sie traurig sei, Bahar so früh ziehen lassen zu müssen, dass sie aber auch immer davon überzeugt gewesen sei, dass ihre Tochter eine gute Stimme habe und ihren Weg gehen werde. Musik gehörte schon immer zu Bahar Kizils Leben. „Wenn ich morgens aufstehe, fange ich an zu singen und höre erst wieder auf, wenn ich ins Bett gehe", so die ehemalige Schülerin des Droste-Hülshoff-Gymnasiums. Bei jedem Schulkonzert war sie dabei und spielte bereits vor ihrer Entdeckung in vier Freiburger Bands mit. Ihr Metier ist der Gesang, auch wenn sie nebenbei das Gitarrenspiel erlernte. Mit den Mitgliedern ihrer Bands in Freiburg wurde überaus intensiv geprobt, diskutiert, gesungen und auf diversen Freiburger Bühnen gespielt. Bis Bahar Kizil von August bis November 2006 auf der großen Bühne der Castingshow „Popstars" im Fernsehen stand. Eine aufregende Zeit, die viele Freiburgerinnen und Freiburger hautnah miterlebten.

Und dann das große, alles verändernde Ergebnis: Bahar Kizil wurde gemeinsam mit Mandy Grace Capristo und Senna Guemmour zur Musikgruppe
Monrose: Bahar Kizils Traum war in Erfüllung gegangen. Acht Tage nach dem Finale und der Gründung der Gruppe kam am 1. Dezember 2006 die Debütsingle „Shame" auf den Markt, die in Zusammenarbeit mit dem Plattenlabel „Starwatch Music" produziert wurde - „Shame" ist einer von Bahar Kizils Lieblingssongs. Bahar erinnert sich noch gut an die ersten Studioaufnahmen: „Anfangs war ich sehr aufgeregt. Aber die Zusammenarbeit mit den Produzenten war angenehm, die haben es uns leicht gemacht. Jeder brachte seine eigene Geschichte in die Songs ein und das macht sie so besonders." Sieben Tage nach der Single folgte das Debütalbum „Temptation". Der erste große Auftritt der Band fand bei „The Dome" am 1. Dezember 2006 statt. Die Single „Shame" erwies sich als überaus erfolgreich und landete in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich in den Charts auf dem ersten Platz. Bei der zweiten („Even heaven cries") muss die Gruppe von Bahar Kizil kämpfen. Monrose werden mit kritischen Augen beobachtet, müssen immer wieder beweisen, dass sie auch als Band aus der Retorte Bestand haben. Bahar Kizil lebt heute in Hamburg. Sie hat einen 24-Stunden-Tag, der ausgefüllt ist mit Proben und Styling, mit Gesang und Tanz. Aber es macht ihr Spaß, sie geht in dem neuen Leben auf, wird erwachsen. Trotzdem verfolgt sie das Leben in ihrer Heimatstadt Freiburg. Am 12. November 2008 wird sie Patin für einen Kinderspielplatz im Habichtweg in Landwasser und kommt zu dessen Eröffnung nach Freiburg. Zudem ist sie immer wieder sehr gerne bei ihrer Familie im heimatlichen Rieselfeld, wo sie ein großes Zimmer im Keller des Hauses hat. „Ich freue mich immer auf meinen Kleiderschrank und mein großes Bett. Daheim schlafe ich auch viel besser", verrät sie. Nach den Jahren des Erfolgs mit Monrose wagt sich Bahar Kizil im kommenden Jahr auf ein neues Terrain. Im Musical „Die zehn Gebote" spielt sie die Zippora, die Ehefrau von Moses. Im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 veranstalten die Evangelische Kirche im Rheinland und die Evangelische Kirche von Westfalen ein großes Chorprojekt für Sänger aus Kirchenchören, Popund Gospelchören sowie Jugendchören. Mit diesem Projekt denkt Bahar Kizil wohl an ein Leben nach der Band Monrose. Ebenso wie mit der Moderation einer Karaoke-Show für Kinder auf Cartoon Network. Denn die zur selbstbewussten Frau Gereifte weiß: „Irgendwann ist es mit der Band vorbei."
Meike Busson-Spielberger, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

 

 

Eugen Martin: Man muss immer kreativ sein

Ehrenbürger Eugen Martin engagiert sich selbst im Ruhestand zum Wohle der Stadt – Hilfe für junge Menschen

   Im Unruhestand: Eugen Martin. Bild: Kickert

Was man für andere getan hat, das zählt. Eugen Martin hat viel für andere getan, auch wenn er selbst nicht viel darüber reden will. Lieber erzählt der Ehrenbürger der Stadt Freiburg über die vielen kleinen Geschichten, die er erlebt hat. Getauft mit „echtem Dreisamwasser" wurde Eugen Martin am 28. Dezember 1925 in Freiburg. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm aus seiner Kindheit die Ausflüge mit seinem Vater in den Wald. Doch während der Vater versuchte, seinem Sohn die Begeisterung für das Hobby Imkerei zu vermitteln, sammelte  dieser lieber Pilze und wollte anschließend wissen, welche Sorten das wären. Da der Vater nur ein paar Pilze kannte, schenkte er seinem Sohn ein altes Pilzbuch. Noch heute ist Eugen Martin ein begeisterter Pilzesammler. Seine Frau Ingrid lernte über ihn die Leidenschaft für Pilze kennen. „Meine Frau macht die besten Pilzgerichte der Stadt", lobt ihr Mann begeistert. Den Krieg überstand Eugen Martin mit schweren Verwundungen. Ohne Berufsabschluss, an Krücken gehend und nur mit einem am Rotteckgymnasium erworbenen Kriegsabitur war es schier unmöglich, eine Stelle zu finden. „Tristesse pur", erinnert sich Martin an die Zeit damals. Die Stadt lag in Trümmern. „Eine Zeit," so der 84-Jährige, „die man nicht vergisst." Studieren ging damals nicht mangels Fördermöglichkeiten. Heute habe man viel mehr Chancen für eine Existenzgründung, wie der spätere Chef der IHK (1984-1989) genau weiß. Nach dem Schritt in die Selbstständigkeit 1953 ging es stetig bergauf. Das von ihm gegründete Unternehmen Marco-Chemie wurde zum europäischen Marktführer im Hygiene-Großhandel mit mehreren Standorten in Deutschland und Frankreich. Trotz großem Einsatz für sein Unternehmen, während dem er die Welt kennen lernte, blieb er seiner Stadt treu. Mehr als 13 Jahre wirkte er zwischen 1968 und 1981 als Stadtrat der FDP.

Der Träger der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg und des Großen Bundesverdienstkreuzes gründete 1997 die nach ihm benannte Eugen-Martin-Stiftung, die unter anderem die kaufmännische Aus- und Weiterbildung südbadischer Nachwuchskräfte fördert. Als Ehrensenator der Universität Freiburg und Ehrenbürger der Stadt ist sein Engagement für die Region und den beruflichen Nachwuchs aus Südbaden weiterhin sehr groß. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen ist es ihm ein besonderes Anliegen, jungen Menschen behilflich zu sein. „Macht etwas aus eurem Leben!" ist sein Appell an die nächste Generation. Auch für Kinder hat er ein großes Herz. „Kinder haben keine Lobby", lautet seine Begründung für diese Unterstützung. „Nicht reden, sondern machen" ist dabei sein Motto. Seit 2007 unterstützt die Eugen-Martin-Stiftung die Sanierung von Spielplätzen im ganzen Stadtgebiet mit 103.000 Euro. Die Spende war an die Bedingung geknüpft, dass die Stadt den Betrag um die selbe Summe aufstockt. Was zuvor wegen der schwierigen Haushaltslage jahrelang vernachlässigt worden war, konnte endlich wieder stattfinden: Eine Aktion für die Kinder der Stadt. So wie in diesem Fall gelang es ihm oft, weitere Spender und Helfer aufzutreiben. Jedes Jahr leistet die Eugen-Martin-Stiftung einen wichtigen Beitrag zur Sanierung des Freiburger Münsters. „Kultur fängt vor der Haustür an", so Martin. Für ihn war es ein Fingerzeig, dass in der im Krieg zerbombten Altstadt ausgerechnet das Münster äußerlich unversehrt stehen blieb. Und auch wenn der Stiftungsgründer selbst lieber in die Natur als in die Kirche geht, so ist ihm die Leistung der Freiburger Bürger vor 700 Jahren heute eine Verpflichtung. Der Bau wurde damals nicht von der Kirche oder dem Adel finanziert, sondern von den Bürgern der Stadt. Diese Leistung  gelte es zu bewahren. Sich selbst bezeichnet Martin als „Oberbettler fürs Münster". Trotz des Ruhestandes bleibt der Terminkalender durch die Stiftungsarbeit auch weiterhin gut gefüllt. „Man muss immer etwas kreativ sein," sieht Martin mit Tatendrang in die Zukunft. Freiburg selbst ist für ihn die „schönste und liebenswerteste Stadt der Welt, die ich kenne." In welcher Großstadt könne man so schnell ins Grüne? Aber, so Martin, man soll nicht nur schwärmen, sondern auch etwas dazu beitragen, die Schönheit zu erhalten.
Nils Kickert, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

Martina Feierling-Rombach: Braumeisterin, Stadträtin, Bobbele par excellence

Ruhig sitzt sie hinter ihrem Schreibtisch im Büro, gelegentlich fliegt ihr Blick auf den vor ihr stehenden Laptop. Die Unternehmerin Martina Feierling-Rombach (53) ist Freiburgerin par excellence. Hier fühlt sie sich zu Hause und spürt nach einer Reise immer wieder, dass ihre Wurzeln vor Ort ganz tief sind. Den meisten ist sie als Fraktionsvorsitzende der CDU und langjährige Stadträtin bekannt. Bei der letzten Gemeinderatswahl im Juni dieses Jahres ließ sie sich nicht wieder aufstellen. Ein Schritt, den die engagierte Bürgerin bewusst getan hat. „Ich bin froh, dass ich den Absprung geschafft habe. Für mich war es nach 15 Jahren der genau richtige Zeitpunkt", sagt sie fröhlich. „Es gibt so Vieles, für das ich  jetzt wieder mehr Zeit habe". So engagiert sie sich für das Münster, das Augustinermuseum, den Schlossberg und sie ist Stiftungsrätin in der Stiftungsverwaltung Freiburg. Und dann ist da noch die private Stiftung, deren Vorsitz sie soeben übernommen hat.
Doch springen wir zurück. Geboren wurde Martina Feierling-Rombach in der Freiburger Innenstadt, aufgewachsen ist sie in Herdern, wo ihr Elternhaus stand. Als behütete Bürgerstochter erinnert sie sich an viele Freiburger Plätze, die heute genauso sind wie vor vielen Jahren. Beispielsweise der Münsterplatz. „Wir nannten ihn immer ´Place´, trafen uns dort und standen am Fischbrunnen vor der Eisdiele mit einem Eis in der Hand, das Münster hinter uns", erinnert sie sich. In der Innenstadt stand auch die Brauerei ihres Vaters, genauer gesagt an der Grünwälderstraße am  Augustinerplatz. Daher bewegte sie sich in ihren Kinder- und Jugendtagen zwischen Innenstadt, Herdern, Wallstraße – da war ihr Kindergarten – und Schlossberg. Als Martina Feierling und ihre beiden Schwestern in das Jugendalter kommen, engagiert sie sich in der katholischen Jugendarbeit St. Urban. „Das war eine tolle Zeit, wir haben Hüttenfreizeiten organisiert, nette Jugendliche kennen gelernt und unseren inoffiziellen Jugendtreff gehabt. Wir nannten ihn den ´Keller´, da konnten wir uns lokker treffen."

Bereits mit 16 Jahren stand für die junge Martina Feierling fest, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte und die Bierbrauerei erlernen würde. Nach dem Abitur am Droste-Hülshoff-Gymnasium folgten die Lehr- und Wanderjahre  mit einem Praktikum bei der Lasser Brauerei in Lörrach - und dann ging´s nach Bayern: Aufenthalt bei der Paulaner Brauerei sowie der Löwenbrauerei in München und anschließendes Studium an der Technischen Universität in Freising- Weihenstephan vor den Toren der bayerischen Hauptstadt. Nach drei Jahren hatte sie ihren Abschluss als Diplom-Braumeisterin in der Tasche und machte sich auf nach Westfalen in eine mittelständische Brauerei, in der sie eine Assistentenstelle der Geschäftsführung inne hatte und sich weitere betriebswirtschaftliche Kenntnisse erwarb. 1980 kehrte sie nach Freiburg zurück. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass der elterliche Standort mit der Brauerei am Augustinerplatz keine Zukunft haben würde. Der Vater suchte nach einer wirtschaftlichen, aber sozial verträglichen Lösung. Als klar war, dass es eine Kooperation mit der Ganter-Brauerei geben würde, sollte die Tochter in der Übergangszeit die Feierling-Kundschaft im Außendienst betreuen. Martina Feierling willigte ein – mit dem Hintergedanken, nach dieser Zeit nach San Francisco in eine Brauerei zu gehen. Der Vertrag mit der kalifornischen Brauerei war schon unterschrieben, da starb der Vater. Ein harter Schlag für die Familie. Martina Feierling gab ihre Pläne mit San Francisco auf und begann mit der Verwaltung, Restaurierung und Renovierung der Feierling-Häuser, die im Eigenbesitz bleiben sollten. Eine Bedingung ihrerseits: Eine eigene kleine Hausbrauerei. Innerhalb zweier Jahre baute sie zwischen 1987 und 1989 eine Hausbrauerei und ein ganz neues Gebäude auf. In der Zwischenzeit hatte sie an der Universität berufsbegleitend ein Studium zum Betriebswirt (VWA) drauf gesetzt und fühlte sich für das Unternehmerinnen- Dasein gewappnet. Zum unternehmerischen gesellte sich in dieser Zeit das persönliche Glück, indem sie ihren Mann kennen lernte, der als gelernter Diplom-Volkswirt bei einer Privatbank in Frankfurt eine gute Position inne hatte. Die gab er für seine Frau mit den Worten auf: „Ich baue das gerne mit Dir auf!" Und so wurde aus Martina Feierling Martina Feierling-Rombach. Heute, nach 20 Jahren und viel Arbeit neben zwei Kindern und dem Wirken im Gemeinderat, hat sich die Feierling-Brauerei gut am Markt positioniert und Martina Feierling-Rombach formuliert es so: „Wenn die Sonne lacht, lachen wir auch." Denn dann sitzen die Menschen im Biergarten und lassen sich das Feierling-Bier schmecken.
Meike Busson-Spielberger, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

Wolfgang Schäuble: Student an Uni Freiburg, SC-Fan

In Freiburg warteten immer wieder entscheidende Stationen auf seinem Lebensweg / Uni-Mensa als Start ins Glück

Als Innenminister hat Wolfgang Schäuble mit den Gesetzesinitiativen seines damaligen Ministeriums viele Gesprächsrunden bereichert und sich auch in Freiburg mehrere teils von Auseinandersetzungen seiner Gegner begleitete Diskussionen geliefert. In seinen vielen Interviews ist noch klar hörbar, wo der Politiker seine Wurzeln hat. Wolfgang Schäuble ist Badener und wurde am 18. September 1942 inmitten des Zweiten Weltkrieges in Freiburg geboren. An den Krieg selber habe er aber, so Schäuble, keine Erinnerungen mehr. 1944 rettete sein fünf Jahre älterer Bruder dem anderthalb Jahre alten Wolfgang das Leben, als er ihn aus einem von Brandbomben getroffenen Bauernhof heraus holte. Nach dem Krieg wuchs der junge Wolfgang in Hornberg auf. Sein Vater war Steuerberater, seine Mutter Kauf- und Hausfrau. Zusammen mit seinen beiden Brüdern erlebte er eine insgesamt unbeschwerte Kindheit im Schwarzwald. Nach der Einschulung 1948 kam der Junge aufs Gymnasium, wo er 1961 sein Abitur machte. Das Zeugnis war beeindruckend, vor allem in Mathematik, den naturwissenschaftlichen Fächern und auch in Geschichte galt Wolfgang Schäuble als unschlagbar. Da ihm das Lernen eher leicht fiel, fand sich noch Zeit für den Vorsitz der Schülerverwaltung und die Gründung und Herausgabe einer Schülerzeitung. Gleichzeitig war der spätere Politiker ein begeisterter Tennisund Fußballspieler. Als Lokaljournalist arbeitete Wolfgang Schäuble zudem für den Schwarzwälder Bote. Im Jahre 1961 wurde mit dem Eintritt in die Junge Union Südbaden ein wichtiger Schritt in die Zukunft getan. Gleichzeitig begann das Rechts- und Wirtschaftswissenschaftsstudium in Hamburg, wo er Vorsitzender des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) wurde. Das Studium wurde dann in Freiburg fortgesetzt.
Nach dem Studium und einer kurzen Zeit als Assistent an der Albert- Ludwigs-Universität und Beauftragter des Rektors für politische Bildung arbeitete Schäuble zwei Jahre als Gerichtsreferendar in Freiburg. Im Jahr 1969 heiratete der 27-Jährige Ingeborg Hensle, mit der er vier Kinder bekam. Seine Frau soll er in der Mensa der Uni Freiburg kennen gelernt haben. Nach der Promotion 1971 begann er, in der baden-württembergischen Steuerverwaltung unter anderem als Regierungsrat beim Finanzamt Freiburg zu arbeiten. Seit 1972 war er für den Wahlkreis Offenburg im Bundestag vertreten. Von 1978 bis 1984 war Schäuble zudem als Rechtsanwalt in Offenburg zugelassen. Unter der Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl vollzog der protestantische Christdemokrat seine weitere politische Laufbahn. 1981 erhob man Schäuble zum Parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer. Ein Jahr später wurde er zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. In der Regierung Kohl wurde er zum Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes. Als enger Berater Helmut Kohls war Schäuble insbesondere für deutschlandpolitische Fragen zuständig. In den nächsten Jahren traf er sich als innerdeutscher Experte mit Erich Honecker und dem Außenminister der DDR, Oskar Fischer. Dieses Engagement führte zu der heute mitunter verwendeten Bezeichnung „Architekt der Einheit".

Am 12. Oktober 1990 passierte dann etwas, was Schäubles Leben veränderte. Am Ende einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau zückte ein geistig verwirrter Zuhörer eine Pistole und schoss auf den damaligen Innenminister. Zwei Kugeln trafen den Minister, eine dessen Personenschützer. Schwer verletzt wurde er in die Freiburger Uniklinik geflogen. Als Folge ist Wolfgang Schäuble für den Rest seines Lebens zum großen Teil gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Das wirre Motiv des Attentäters: Er wollte sich am Staat rächen. Sechs Wochen später stürzte sich Wolfgang Schäuble wieder in die Arbeit. In den 90er Jahren wünschte Helmut Kohl sich Schäuble als Nachfolger im Kanzleramt - der Freiburger galt als der Kronprinz. Gerhard Schröders Wahl zum Bundeskanzler 1998 verhinderte dies. Erschüttert wurde das Ansehen Schäubles durch den Spendenskandal der CDU 1999, an deren Ende Schäuble erklärte, nicht mehr als Partei- und Fraktionsvorsitzender kandidieren zu wollen. Nach vier Jahren als Bundesinnenminister ist er seit der Bundestagswahl im Herbst diesen Jahres Bundesfinanzminister.
Auch als Autor machte sich der Politiker und Jurist einen Namen. Zuletzt erschien 2003 sein Buch „Scheitert der Westen? - Deutschland und die neue Weltordnung". In seiner raren Freizeit hört Wolfgang Schäuble gerne klassische Musik und liest moderne Literatur. Er spielt gern Schach und fährt bei jedem Wetter Handbike, um sich fit zu halten. Auch sein Bruder Thomas Schäuble war politisch aktiv - als Innenminister des Landes Baden-Württemberg und von 2004 bis 2009 Vorstand der Badischen Staatsbrauerei Rothaus. Mehrmals absolvierte Schäuble in den letzen Jahren Wahlkampfauftritte in Freiburg. Sehr erfreut zeigt er sich stets, wenn bei solchen Auftritten das Badnerlied erklingt. Nur über Schleichwege geriet er 2007 in die Uni. Der damalige Innenminister sprach in der Universität zu Vertretern der Industrie über das Thema „Reformen sind nötig – Die Notwendigkeit politischer Führung". „Ich komme so oft nach Freiburg. Wer mit mir diskutieren will, der kann das gerne machen. Wenn Sie mir gewährleisten, dass wir da richtig diskutieren können, dann können wir gerne eine Veranstaltung nur mit Studenten machen", war seine Aussage gegenüber einem Journalisten nach der gestörten Veranstaltung. Solche Zwischenfälle können Wolfgang Schäubles Verwurzelung aber nicht trüben: Sein Fußball-Herz gehört dem SC Freiburg. Das letztjährige Saisonfinale der Zweiten Liga kommentierte er gar für den SWR. „Wolfgang Schäuble ist es besonders wichtig gewesen, zum SC Freiburg zu kommen", so eine SWR-Sprecherin. Über dessen Besuch werden sich an der Dreisam auch weiterhin fast alle freuen - auch wenn er nun Finanzminister ist
Nils Kickert, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

Til Schweiger: Und täglich läuft Til Schweiger

Freiburgs vielleicht bekanntester Sohn hat als Schauspieler und Regisseur große Karriere gemacht

Freiburgs vielleicht bekanntester Sohn dürfte derzeit wohl Tilman Valentin Schweiger sein. Als Til Schweiger lockt der Freiburger inzwischen mit jedem seiner Filme ein Millionenpublikum in die Kinosäle zwischen Freiburg und Flensburg. Geboren wurde der kleine Til am 19. Dezember 1963 in der Breisgaumetropole. Sein Vater arbeitete als Geschichtslehrer, seine Mutter als Deutschlehrerin.

Bereits nach drei Jahren zogen seine Eltern mit ihm von Freiburg weg nach Gießen, wo er seine Rest-Kindheit verbrachte. So oft der bald 46-Jährige auch auf der Leinwand zu sehen ist, so wenig ist doch über die Details seiner Kindheit bekannt. In seinem Geburtsjahr war in Freiburg noch wenig zu spüren von den bald beginnenden Studentenunruhen. Die Eltern arbeiteten beide als Lehrer. Das Leben am Schlossberg war in den 1960ern eher beschaulich. Auch wenn die ersten Langhaarigen, Hippies und Miniröcke kritisch beäugt wurden, die großen Skandale blieben in der Zeit in Freiburg aus. Es herrschte Vollbeschäftigung und das ärgste kommunale Problem war die Wasserversorgung. Zentrum größerer Veranstaltungen war damals die Stadthalle, in der erfolgreichsten Messe „Schalten und Walten der Hausfrau" stand besonders die technische Entwicklung vor allem in den USA im Vordergrund. Zu Ostern 1962 fand in Freiburg die erste Demonstration gegen die Atomkraft statt, die in den nächsten Jahren langsam anwuchs. Politisch interessiert waren die Schweigers damals schon. Seine Eltern seien, so Til Schweiger in einem Interview, „SPD-Mitglieder und politisch linksgerichtet". Ihre drei Söhne Nick, Flo und Til wurden „schon als Fünfjährige auf Ostermärsche und Demos zum 1. Mai mitgeschleppt." Die Kinder hätten kochen, waschen und bügeln gelernt, der Fernsehkonsum wurde jedoch rationiert und kontrolliert. „Wir durften die Sesamstraße angucken, Robbi Tobbi und das Fliewatüüt und Flipper, aber natürlich nicht Rauchende Colts oder Bonanza", erinnert sich Schweiger später. Nach dem Abitur begann der junge Til zunächst seinen Wehrdienst, verweigerte dann aber und arbeitete als Zivildienstleistender in einem Gießener Krankenhaus weiter. Sein Ziel war es zunächst, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten und ebenfalls den Beruf des Lehrers zu ergreifen. Er begann ein Germanistikstudium, wechselte jedoch nach vier Semestern zur medizinischen Fakultät. Im Verlauf seines Studiums machte er erste Erfahrungen mit der Schauspielerei, lernte Schauspieler kennen, brach schließlich sein Studium ab und besuchte ab dem Jahr 1986 die Kölner Schauspielschule. Nach dem erfolgreichen Abschluss spielte er ab dem Jahr 1989 an Bonner und Kölner Bühnen. 1991 wird Schweiger für die Fernsehserie Lindenstraße entdeckt, kurz darauf gibt es in Manta Manta (mit Tina Ruland) die erste Hauptrolle. Die Karriere läuft - und sie geht steil nach oben. Vier Jahre später heiratet er Dana Carlsen, mit der er vier Kinder bekommt, von der er sich aber zehn Jahre später trennen wird. 1998 führte Til Schweiger auch zum ersten Mal Regie - in dem deutschen Film Der Eisbär. Mit seinem Freund und Mentor Bernd Eichinger drehte er ein Jahr später Der große Bagarozy. Nach Stationen in den USA, Hamburg und später Berlin erfolgte am 11. November 2000 die Rückkehr nach Freiburg zu einer Premiere: Erstmals wurde die Sendung „Wetten, dass…" live aus Freiburg ausgestrahlt. Mit dabei waren nicht nur Madonna, Ulrich Wickert und die Backstreet Boys, sondern auch Til Schweiger. Nach der von den Freiburgern begeistert verfolgten Show stand der Star noch im Online-Chat nach der Sendung Rede und Antwort. Auch heute ist Til Schweiger wieder Stammgast in Freiburg - zumindest in gewisser Hinsicht. Gleich in zwei Filmen, in Männerherzen als Produzent und in Inglorious Bastards als Schauspieler, taucht sein Name auf der Leinwand auf. Dass er in Barfuß mit der Freiburgerin Johanna Wokalek zusammen gespielt hat, ist aber eher Zufall gewesen. Ab Dezember folgt dann der bereits groß angekündigte Film Zweiohrküken als Fortsetzung des erfolgreichen Vorgängerfilms Keinohrhasen. Vielleicht wird das Bobbele in Zukunft auch einmal einen Film in Freiburg drehen. Seine Fans würden sich freuen - vor allem die weiblichen...
Nils Kickert, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

Adolf Seger: Das Umfeld stimmt hier einfach

Ringer Adolf Seger schlug Angebote anderer Vereine und Verbände zu Gunsten Freiburgs aus – Auto als Markenzeichen

Adolf Seger 2009 - Bild: Nils Kickert

Da wohnen, wo andere Urlaub machen – wem würde das nicht gefallen. Adolf Seger hat sich ganz bewusst entschieden, in Freiburg zu bleiben. Auch in all den Jahren seiner sportlichen Karriere ist der Ringer Seger - von den Reisen zu den Wettkampforten abgesehen - seiner Heimat treu geblieben.

Adolf Seger ist während seiner Zeit als aktiver Wettkämpfer unter anderem mehrfacher Weltmeister im Ringen, Europameister, Olympiasieger, Seniorenweltmeister und Erfinder des „Adolf-Seger- Griffes" geworden. Um die tausend Kämpfe habe er sicherlich hinter sich, erzählt Seger. Er erblickte am 2. Januar 1945 in Freiburg das Licht der Welt. Es wäre verwunderlich gewesen, wenn Adolf Seger nicht Ringer geworden wäre. Sein Vater war damals ebenso wie seine fünf Brüder Ringer. Zusammen dominierten die Seger-Brüder die deutsche Ringer-Szene. Der große Bruder Edmund war für Adolf das größte sportliche Vorbild. Ständig bemühte sich der Jüngere, den Älteren zu übertrumpfen. Mit Anfang 20 zwangen Rückenprobleme und andere Beschwerden das junge Talent zu einer zweijährigen Behandlung in der Freiburger Uniklinik. Noch heute erinnert sich Adolf Seger dankbar an den damaligen behandelnden Arzt Armin Klümper, der zu der Zeit noch gänzlich unumstritten war. „Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft", ist sich der erfolgreiche Sportler sicher. Während Segers Ausbildung beim Elektrogroßhandel Zander war der Besuch der Handelsschule obligatorisch. Zu seinem großen Leidwesen blieb für das Training aber keine Zeit mehr übrig. Als er dann zwei Wochen lang nicht zur Schule ging, sondern jeden Tag stattdessen das Training aufsuchte, stellte ihn sein damaliger Chef vor die Wahl. „Du musst wissen, was Du willst: Arbeiten oder trainieren." Adolf Seger entschied sich für Letzteres.

Die Arbeit bei der Deutschen Post als Briefträger, die er dann in Zähringen begann, ermöglichte ihm bis zu seiner Pensionierung im Januar diesen Jahres, den Beruf mit seinem Hobby zu vereinbaren, und machte es so möglich, an Wettkämpfen teilzunehmen und Geld zu verdienen. Einer seiner ersten internationalen Erfolge war 1969 der dritte Platz bei der Europameisterschaft in Sofia im Weltergewicht. Neben dem Gewinn der deutschen Meisterschaften von 1971 bis 1980 in Folge gelangen eine Reihe weiterer Erfolge bei renommierten Turnieren. So wurde Seger 1972 bei den Olympischen Spielen in München Dritter. Überhaupt das Talent. Nur hartes Training, nicht das Talent hätten die Erfolge ermöglicht, meint Seger heute. Das Mitglied des AV Germania Freiburg St. Georgen trainierte anfangs in einer Halle in St. Georgen, später dann im neu errichteten Olympiastützpunkt an der Schwarzwaldstraße. Regelmäßig lief er selbst bei strömendem Regen den Schönberg hoch, um die Kondition zu verbessern. „Das Umfeld stimmt hier einfach", lobt Seger die Sportstadt Freiburg. Das war neben seinen Freunden ein wichtiger Grund, die folgenden Angebote anderer Vereine auszuschlagen und seiner Geburtsstadt treu zu bleiben. Als Dank für seine Loyalität zur Stadt Freiburg erhielt Seger das Haus des ehemaligen Oberbürgermeisters Eugen Keidel in der Gartenstadt, wo er noch heute wohnt. „Ich hab hier alles, was ich brauche." Der zweite Grund in Freiburg zu bleiben, war die Show um den Sport herum, die andernorts immer mehr aufkam. Noch heute lehnt der 64-Jährige alles ab, „was den Sport kaputt macht", und engagiert sich lieber für soziale Projekte. Ein einschneidendes Erlebnis war der Wunsch eines krebskranken Jungen, der ihn einmal sehen wollte. Nach dem Besuch des Jungen in der Uniklinik entstand eine Freundschaft zur Familie, die auch nach dem Tod des Jungen anderthalb Jahre später anhielt. Diese Begegnung und das Leid, dass er während seiner vielen Auslandsaufenthalte weltweit sehen musste, haben ihn geprägt. Als Schirmherr des Fördervereins für krebskranke Kinder Freiburg e.V. versucht Adolf Seger seine Erfolge zum Wohle anderer zu nutzen - wie bei den „Veteranen- Masters". Dort kämpfen regelmäßig die älteren Jahrgänge um den Titel des Weltmeisters im Ringen. Das versprochene Preisgeld für zehn Titel in Folge wollte er seinem Verein spenden, doch wegen einer versteckten Zusatzklausel im Vertrag hat Seger das Geld bis heute nicht erhalten. Doch auch wenn dieses Erlebnis eher enttäuschend war, gibt Seger nicht auf und setzt sich weiter für die krebskranken Kinder ein. Das nächste Projekt ist ein Benefizkonzert am Sonntag, 20. Dezember, bei der Alemannischen Bühne zugunsten des Vereins für krebskranke Kinder in Freiburg, für das gerade die Sponsoren gesucht werden. Nach wie vor gehört das regelmäßige Training zum Tagesablauf dazu. Sein früheres Wettkampfgewicht konnte Seger daher auch fast problemlos halten. Mit dem Fahrrad geht es bei jeder Gelegenheit zusammen mit einem Freund in die Berge. Und sobald der erste Schnee da ist, sollen in diesem Winter die Langlaufkenntnisse aktiviert werden. Auch an der „Tour der Hoffnung" und der „Tour der Asse" nimmt der dreifache Familienvater regelmäßig teil. Demnächst wird es gar ein kurzes Engagement als Trainer der albanischen Ringernationalmannschaft geben. Wenn der 64-Jährige einmal nicht gerade im Fitnessstudio „California" trainiert oder für den guten Zweck unterwegs ist, kann man Adolf Seger auch in seinem Markenzeichen, einem alten Opel, durch Freiburg fahren sehen. Für seinen Sport wünscht sich der Profi mehr Chancen für den heimischen Nachwuchs. „Wenn jemand alles geben würde, den würde ich kostenlos trainieren", verspricht Seger. Schweiß und Sport ist seine Welt, nicht das große Spektakel. Solange er fit ist, wird man den „kräftigsten Postboten Deutschlands" (so titulierte ihn die ZDF-Sportreportage) wohl auch in Zukunft an seinem Lieblingsort antreffen. Das ist das Strandbad in Freiburg, wo er regelmäßig mit seiner Clique Tischtennis spielt. Und Urlaub? „Ich geh nie in Urlaub, nie im Leben."
Nils Kickert, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

 

Peter Unmüssig: Bau-Tycoon mit Sinn für Geschichte

Peter Unmüssig mit der Büste des Firmengründers - Bild Stadtkurier

Man sagt ja gerne Architekten und Bauingenieuren mitunter einen gewissen Hang zur Destruktivität nach. So erklärte nach dem Zweiten Weltkrieg ein englischer Architekt, es sei ja gar nicht so schlimm, dass deutsche Bomben große Teile der britischen Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt hatten: Man habe die Abrisskosten gespart und könne nun etwas Neues, Modernes bauen. Peter Unmüssig würde es angesichts einer solchen Haltung wohl das Herz brechen. Seine Bauträgergesellschaft, 1976 entstanden, zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich bemüht, Geschichte und Geschichtliches zu erhalten – es ist also nichts mit dem wohlfeilen Bild des „bösen Bau-Tycoon", der rasch etwas hinklotzen will, egal ob es nun ins Gesamtbild passt oder ob es auf Kosten alter Substanz geht. Unmüssigs Bauten am Predigertor / Unterlinden sowie der Erhalt und die Neugestaltung des Vauban´schen „Breisacher Tores" an der Rempartstraße belegen dies. „Das Gebäude", so Peter Unmüssig, „ist ein einzigartiges Dokument Freiburger Geschichte, das erhalten werden muss!" Klar, dass die Erneuerung dann in engster Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz stattfand. Dass Unmüssig dabei auch daran gedacht hat, dass das „Breisacher Tor" bei aller Liebe zur Historie auch vermarktbar sein muss, macht den Erfolg seines Unternehmens aus. Der Diplom- Kaufmann ist als Projektentwickler im Bereich des Wohn- und Gewerbebaus in ganz Süddeutschland aktiv, hat Partner in vielen Städten und eine Dependance in Karlsruhe, wo er neben den 50 Freiburger Mitarbeitern fünf weitere Angestellte beschäftigt. Er sagt ganz offen, dass er „anspruchsvolle Büro- und Gewerbeprojekte" entwickelt – anders wäre seine erhaltende Art wohl auch kaum finanzierbar. Aber noch etwas anderes steckt dahinter:

Als Fachmann vom Bau - als er 1976 das Familienunternehmen übernahm, schulterte damals die bereits dritte Generation die Verantwortung für den Betrieb - will er auch Qualität liefern, die Zuverlässigkeit und lange Nutzungsdauer garantiert. Konkret in Zahlen: Sein Unternehmen, die Unmüssig Bauträgergesellschaft Baden mbH, die neben der Projektentwicklung auch als Bauträger und Bauherrenstellvertreter agiert, hat allein in der jüngsten Vergangenheit 500.000 Quadratmeter Nutzfläche für rund eine Milliarde Euro erstellt – in den Bereichen Hotel, Einzelhandel, Büro, Dienstleistung, Wohnen und Freizeit. Was natürlich auch Auswirkungen auf Beschäftigung und Kaufkraft in der Regio mit sich bringt: Jede Mark, die in ein Projekt gesteckt wird, vervielfacht sich durch die Nachfolgeinvestitionen. Jüngster Unternehmensteil ist Wärme Kontor Freiburg GmbH (WKF), die sich mit der Planung, Lieferung und Inbetriebnahme von geothermischen Wärmepumpen und Energiezentralen in Gebäuden befasst. Mag das „Breisacher Tor" nur ein größeres Haus gewesen sein, so ergeben sich aus den Aktivitäten Peter Unmüssigs beinahe zwangsweise auch städtebauliche und stadtplanerische Weiterungen. Die Bebauung des alten Bakola-Geländes am Predigertor, am Nordende des Rotteck- Ringes, bekommt im Zuge der Nordplanung dieser Achse wichtige Bedeutung: Es soll Menschen anziehen und diese Ecke des Alten Freiburg, einst an der Stadtmauer gelegen, beleben. Klar, dass auch hier, zusammen mit dem Partner Sparkasse, zuerst die Archäologen zum Zuge kamen und erst nach deren einjähriger(!) Arbeit mit dem Neubau begonnen wurde. „Geschichte schreiben wir jeden Tag", sagte Unmüssig mit einem selbstbewussten Schmunzeln in seiner Rede anlässlich der Grundsteinlegung.

„Zwei historische Daten: Am 30. August 1238 wurde das Prediger- Kloster gegründet. Am 8. Mai 2009 war die Grundsteinlegung des Quartier Unterlinden!" Wahrlich ein Unternehmer, der sich historischer Kontinuität bewusst ist! Weniger historisch, aber städtebaulich ähnlich wichtig ist die jüngste Planung, die Bebauung des Brielmann-Areales an der Ecke Berliner Allee / Lehener Straße. Auch hier geht es nicht nur um das merkantil-erfolgreiche Füllen eines innerstädtischen Filetstückes, sondern um den gerechten Ausgleich zwischen den ökonomischen Interessen des Projektentwicklers einerseits, dem städteplanerischen Gesamtplan andererseits und der Abwägung von Interessen der näheren und weiteren Nachbarn auf der dritten Seite. Ein diffiziler Spagat, der Zeit, Nerven, viele Gespräche und ein gerüttelt Maß an Diplomatie kostet. Auch hier bringt Peter Unmüssig Herzblut ein, liegen doch die geplanten „West-Arkaden" in unmittelbarer Nähe jener Gegend, wo er aufgewachsen ist und wo sein Unternehmen seinen Ausgangspunkt hatte. Wie muss man sein, um solche Bauten zu errichten, solche Summen zu bewegen, solche Wirkungen aufs Gemeinwesen zu erzielen? Ernst? In sich gekehrt? Gedrückt von der Last der Verantwortung? Peter Unmüssig macht eher den gegenteiligen Eindruck: Offen geht er auf die Menschen zu, hält gerne mal ein „Schwätzle", lacht gern und viel, hört geduldig zu und gehört wahrlich nicht zu jenen, die von der eigenen Bedeutung überwältigt sind. Auch wenn er seinen Beruf liebt und die daraus erwachsende Verantwortung sehr ernst nimmt, gehört er doch zu jenem Menschenschlag, die eine gewisse Leichtigkeit und Lebensfreude vermitteln. Beweis: Seine Absicht, zusammen mit der Bellini GmbH – sie betreibt auch eine Gaststätte im „Breisacher Tor" - am Fuße der „Blauen Brücke" in seinem Projekt „Wentzinger Hof" Freiburgs „schönsten Biergarten" entstehen zu lassen. Bayerisch, mit Radi, Hax´n und Weißwürsten. Was belegt, dass Peter Unmüssig weder den kulinarischen Seiten des Lebens abgeneigt ist noch landsmannschaftliche Vorurteile kennt spk, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

Robert Zollitsch - Der Erzbischof will überzeugen statt belehren

Freiburg ist seit 1827 Sitz des Erzbischofs und Geschichtskundige halten es nicht für unwahrscheinlich, dass die damalige Verlegung des Bischofssitzes von Konstanz in die Breisgaukommune eine Verbeugung des badischen Großherzogs vor seinen ehemals vorderösterreichischen Untertanen war. Kaum jemand hätte sich damals vorstellen können, dass Freiburg einmal Sitz jenes Bischofs sein würde, der den deutschen Oberhirten vorsitzt. Freiburg also wenigstens im theologischen Sinne eine Metropole?  Nein. Denn der „Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz", die seit Februar 2008 vom Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch geleitet wird, ist weniger „Erster unter Gleichen" denn „Einer unter Gleichen". Zollitsch ist damit weder ein deutscher Papst und somit auch nicht Oberhaupt der rund 25 Millionen deutschen Katholiken. Er ist Mittler, Vermittler, Sprachrohr und Impulsgeber. Wenig? Nicht, wenn man Robert Zollitsch ist. Wer ihm böse wollte – und das fiele bei seiner humorig ausgleichenden Art wahrlich jedem schwer – der könnte den Freiburger Diözesan-Chef als kirchlichen Spätzünder ansehen, als Mann ohne Ehrgeiz. Das ist sicher falsch. Natürlich machte er sich eher als „Finanzminister" einen Namen, da er pragmatisch und ruhig die Seelsorgeeinheiten des Freiburger Bistums reformierte und die Finanzen ordnete – eine Fähigkeit, die ihm 2004 die Leitung des Verwaltungsrates des „Verbandes der Diözesen Deutschlands" einbrachte, der die deutschen Bischöfe in rechtlichen und finanztechnischen Fragen berät. Natürlich, er wurde erst 2003 zum Bischof geweiht und trat die Nachfolge Oskar Saiers ohne die Zwischenstation des Weihbischofs an. Natürlich kann man ihn, den 69-Jährigen als eine Zwischenlösung sehen, einen Mann, der im Sinne Kardinal Lehmanns das Amt des obersten deutschen Bischofs ausübt, aber ansonsten aufgrund seines Alters kaum für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehen wird. „Der Übergangshirte" hat ihn der Spiegel anlässlich seiner Wahl genannt. Und damit bewiesen, dass man in Hamburg den Freiburger Oberhirten nicht recht kennt. Denn offensichtlich verwechselt man leise Beharrlichkeit mit Schwäche und sieht in lautstarker Selbstdarstellung – wie sie einigen Mitbischöfen durchaus nicht fremd ist – Stärke und Durchsetzungskraft.

Zollitsch bezeichnet sich gern als „konservativ im guten Sinne", was heißen soll, dass er nach eingehender Prüfung gerne Überliefertes erhalten und weitergeben will. Was aber auf keinen Fall heißt, stur an einer Sache festzuhalten. Damit gehört er nicht zu jenen, die gestrig orientiert sind. Seine Haltung zur sozialen Marktwirtschaft ist hierfür bezeichnend. Er mahnt die CDU, sie habe sich „stärker neoliberalen Thesen" angenähert und sei dabei „in der Gefahr, die soziale Marktwirtschaft und das Soziale nicht mehr genügend im Blick zu haben", weshalb die Nähe zwischen CDU und katholischer Kirche „geringer geworden sei". Ist dies schon erstaunlich, dass ein hoher katholischer Würdenträger die Partei mit dem „C" im Namen, der einstmals natürlich politische Verbündete sozusagen, rügt, so geht Zollitsch noch einen Schritt weiter: Andere politische Gruppierungen wie etwa SPD oder Grüne nähmen heute „Dinge, die uns wichtig sind, stärker auf als früher". Stehen also, unausgesprochen, dem Denken und Wollen des Freiburger Oberhirten näher. Zollitsch riskiert auch durchaus Streit im eigenen Haus, wenn er beispielsweise das umstrittene Zölibat als nicht „theologisch notwendig" bezeichnet, diese Lebensform aber als freiwillige Lebensplanung für wünschenswert hält. Ähnlich unangenehm fiel er seinen reaktionären Mitbrüdern auf, als er Homosexualität als „Veranlagung" einstufte und  als unleugbare „Realität" – weshalb der Staat für diese Gruppe auch gesetzliche  Regelungen schaffen solle, eine Lebenspartnerschaft ermöglichen. Und er blieb der konservativ Denkende, als er diese Bezeichnung bevorzugte: Der Begriff „Ehe" sei dafür aber falsch, „weil damit suggeriert wird, dass da etwas mit der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt wird".

Zollitschs Wahlspruch als Bischof lautet „In der Gemeinschaft des Glaubens" - und das Wort „Gemeinschaft" ist dabei ein wesentlicher Teil. Er ist der felsenfesten Überzeugung, dass glauben, ja, dass leben nur sinnvoll in einer Gemeinschaft möglich ist – einer Gemeinschaft jedoch, in der es keine Denkverbote geben dürfe. „Glaube braucht Gemeinschaft", sagte er einmal und deshalb drängt es ihn auch, die Ökumene weiterzubringen – nicht eben zur Freude einiger Mitbischöfe. Die weist er dann, wenn es sein muss, zurecht. Nicht aufbrausend, nicht harsch. Mit Sachargumenten, aber deswegen nicht weniger deutlich. Bei der Diskussion um Kinderkrippen, die Ursula von der Leyen in Gang gebracht hatte, waren einige Bischöfe geradezu ausfallend geworden. Zollitsch behielt die Ruhe und fertigte sie wie folgt ab: „Begriffe wie Gebärmaschinen oder Herdprämie gehören nicht zu meinem Wortschatz und machen jede Diskussion im Ansatz kaputt. Wir brauchen Kinderkrippen, weil viele Eltern sie einfach benötigen!" Dr. Robert Zollitsch ist ein Glücksfall, für das Bistum Freiburg, für die deutsche Bischofskonferenz und letztlich für den Glauben an sich. Seine ruhige, pragmatische Art, die keiner Diskussion aus dem Wege geht und nicht belehren, sondern überzeugen will, ist der richtige Ansatz, die Erosion des christlichen Glaubens in Deutschland aufzuhalten. Man sollte ihm viel Erfolg wünschen. Er hat ihn verdient.
spk
, 16.11.2009, www.stadtkurier.de

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