Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Stefan Pflaum
Vum Wunderfitz - Alemannische Texte  52 - ...
 

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Rechtenbach bei Stegen

"Vum Wunderfitz"
Die auf dieser Seite wiedergegebenen Texte von Stefan Pflaum sind im Dreisamtäler ab dem 9.9.2004 erschienen.

 

Sauhitze! - 65

Wärmerekordmeldungen aus Südeuropa. Niedrigste Wasserstände seit Menschengedenken. Hitzeopfer in nie gekannter Zahl in den Großstädten.

Alle wettern wieder übers Wetter. Aber was kann das Wetter dafür, dass es Wetter gibt? Wehen, Wind und Wedel waren in frühester Zeit die Bedeutungen von Wetter. Jetzt, während der Hitzewelle, wie dankbar wären wir für kühles Wehen! Das Wetter kann’s den Menschen wirklich selten recht machen. Zu wenig Regen, zu viel Regen. Zu trocken, zu feucht. Zu kalt, zu warm. Von der konkreten Bedeutung Lufthauch, Wind, entwickelt sich das Wort zur „Gesamtbezeichnung aller Witterungsvorgänge“. Jedenfalls nach Auskunft der Sprachgeschichtler. Wetter wird jedoch auch gleichgesetzt mit Donner, Regen und Sturm. Mit Unwetter. Gegen Unwetter gab es den volkstümlichen Brauch gegen, wider, für das Wetter oder zu dem Wetter läuten. Bei dem 1546, (1547?) in Straßburg geborenen Johann Fischart, einem der bekanntesten Autoren seiner Zeit, findet man in seiner Gargantua- Übersetzung die Empfehlung, man solle die Glocken läuten lassen „damit...das wetter besser zertheylet werde“. Wie schön, wenn man das in den heißen Sommern, die wir zu erwarten haben, bewerkstelligen könnte, die Hitze zu teilen und damit auf ein erträglich Maß abzuschwächen. Vielleicht wird es ja deshalb immer wärmer auf der Welt, weil die Menschen zu selten in die Kirchen gehen und deshalb die Glocken zu wenig läuten. Zugegeben keine sehr wissenschaftliche Erklärung für den Anstieg der Temperaturen auf der Welt.

Bis heute gibt es keine menschenfreundlichen Wetterhexen, die ihren Bannfluch gegen die „unmenschliche“ Hitze sprechen würden und keine Wettergeister, die einen kühlen Lufthauch herbeibeschwören könnten. Geschweige denn Wettermaschinen, mit deren Hilfe es möglich wäre, die heiße Brut in der Luft zu verjagen und dafür Abkühlung anzusaugen. Auch die Ratschläge alter Wetterkalender helfen uns nicht weiter als dies Wetterhähne und Wetterfrösche tun.

Alles liegt am Wetter. Unfälle, Krankheiten, Verbrechen. Diese nehmen besonders jetzt, in der Hitze, zu. Bei jeder Sauhitze sehnen sich die Menschen wieder nach Sauwetter. Kälte und Niederschlägen gegenüber zeigen die Menschen mehr Geduld. Über Hitze stöhnen die meisten schon nach drei Tagen. Auch wenn sie zuvor wochenlang nach Sommer gelechzt haben. In der ersten Hitze übertreiben dann Hitzköpfe maßlos mit ihren heißen Attacken gegen die Hitze. „Sauhitze!“, wird dann geflucht, als ob die Hitze irgendetwas mit einer Sau zu tun hätte. Oder umgekehrt die Sau mit dem Wetter in „Sauwetter“. Da kommt doch der Verdacht auf, die Sau müsse noch mehr zum Sündenbock für menschliches Unbehagen aller Art herhalten als das Wetter. Arme Sau!!

Stefan Pflaum am 30.6.2005 auf www.dreisamtaeler.de

  

 

Odr? (Für meine Schweizer Freunde) - 64

Äpfili
odr
Öpfeli
odr
Äpferl
odr
Appelche
odr
Äbbelche
odr
Äpfelchen:
Alli schmecke,
odr?
Alli schmecke gliich,
odr?
Alli schmecke gliich guet,
odr?
Alli schmecke gliich guet odr schläächt.
Odr?
Odr nit?
Hä doch!
Odr?

Stefan Pflaum, 16.6.2005 www.dreisamtaeler.de

  

 

Schöner Mai, komm doch... - 63

So beginnt ein Lied aus dem frühen 14.Jh.
Meyie scone, kum io tzü
du ne mochtest nicht tzü vrü den luten
De vrowen slezen ere cleyt,
daz ist mir von hertzen leyt.
In der Übersetzung:
Schöner Mai, komm doch,
du könntest für niemand zu früh da sein
Die Frauen tragen hochgeschlossene Kleider,
das tut mir von Herzen leid.

Der Dichter der Zeilen kann es also kaum mehr erwarten, endlich wieder Mädchen und Frauen blühen zu sehen, war doch im Winter deren Schönheit allzu lange unter den schweren Winterkleidern versteckt. Ein späterer Dichterkollege, Goethe nämlich,  ist  bereits verliebt, wenn er 1775 in seinem Mayfest schwärmt: Wie herrlich leuchtet / mir die Natur! und schon sechs Strophen weiter dann:
O Mädchen, Mädchen, / wie lieb ich dich! / Wie blinkt dein Auge! / wie liebst du mich!

Vier Ausrufezeichen in sechs Zeilen. Wenn das kein Beweis ist für die Kraft des Maien, die Lebens- und Liebesgeister zu wecken! Im Maimorgengang (1869) von J. Victor Scheffel heißt der Refrain der fünf Strophen: Sieh! Es ist alles neu geworden. Der Mai erweckt. Der Mai erneuert. Der Mai erinnert - an glückliche Zeiten: Wie einst im Mai, heißt es im Gedicht Allerseelen des Tirolers Herrmann von Gilm (1812-1864). Der Mai ermahnt. So Schiller in seinem Gedicht mit dem Titel Resignation, wo er beklagt: Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder / mir hat er abgeblüht. / Der stille Gott - o weinet, meine Brüder -  / der stille Gott streckt meine Fackel nieder, / und die Erscheinung flieht.

Wir stehen im Mai des Lebens nur für kurze Zeit. Ist diese vorbei, kann sie nimmermehr nachgeholt werden. Schon im Mittelalter galt der Mai als wunnemānōt, als Wonnemonat, allerdings noch in der Bedeutung ‚Weidemonat’, zu ‚Wonne’ in der alten Bedeutung ‚(Laub)Weide’. Zum Mai gehören der heilige Florian, Schutzheiliger der Feuerwehr, die Eisheiligen Pankratius, Servatius und Bonifatius sowie die ‚kalte Sophie’, die uns allerdings immer seltener zum Frieren bringt. Im Mittelalter wurde Papst Urban, meist dargestellt mit Weintrauben, zum Schutzheiligen der Winzer erhoben. Seinen Namenstag begeht man am 25. Mai. In den Mai fallen Pfingsten und Fronleichnam. Vor dem ersten Mai feiern immer öfter „fastnächtliche Hexengruppen“ Walpurgisnacht. Und zum Mai gehören auch „harmlose Streiche und nächtlicher Schabernack“ wie „Fensterläden aushängen, Bänke wegtragen oder Einfahrten blockieren“. Die Sprache kennt Maienbaum, Maienblüte, Maienbutter, Maienduft, Maienfrost, Maienhimmel, Maienlust, Maiensonne, Maientanz, Maikäfer und Maikirsche. Und den Maiwein, den man über Waldmeister gießt und trinkt. Wohl bekomm’s!

Stefan Pflaum, 4.5.2005

  

 

Briefmarke - 62

0801338745 het de Senfle Heiner gwählt. „Ja bitte, hier Telekom-Technik-Service-Point-Team, was kann ich für Sie tun?“ „Do isch Senfle, Senfle Heiner. Ich hab’ ä Problem, also, des heißt nit ich, miner Computer het eins“. „Welches Problem denn?“ „Wenn i des wüsst, bricht i nit bi Ihne aalitte, oder?“ „ Aalitte? Was bedeutet das denn?“  „Telefoniere!“ „Sie haben Schwierigkeiten mit Ihrem Telefon?“ „Nei, ich krieg mini E-Mails nimmi rin!“ „Was heißt nimmi rin?“ „Zu mir dooher, heißt des, was solls denn sunsch heiße? Zu mir dooher! Sage Sie mol, wo hen Sie Ditsch glehrt, im Kongo, oder was? „Ach so, zu Ihnen kommen keine Mails mehr.“ „Doch, kumme schun, aber i kann si nit abhole!“ „Haben Sie keine Kurzanleitung von uns bekommen?“ „Nei!“ „Was heißt nei?“ „Nei heißt nei, was sunscht?“ „Was haben Sie für ein Betriebssystem und welches Modem?“ „Ja, hab’ ich!“ „Wie, hab’ ich?“„Ä Modem hab’ ich!“ „Ja welches?“ „Ha, Sie frooge mich ball meh wie ich Sie. Wer isch jetz do eigentlig de Service?“ „Gut, wo steht denn ihr Router?“ „Was isch des?“ „Ja, ein Router eben, sie müssen doch einen Router haben und der muss auch wo stehen.“ „Sie, höre Sie mol, erschtens mueß ich ä Schissdreck un zweitens goht Sie des ä Pfurz aa, wo der schtoht, verstande!!“ „Ja, wollen Sie Hilfe von mir oder nicht? Wie holen Sie Ihre Mails denn normalerweise ab?“ „Die bruch ich nit abhole, die sin normalerwiis do, aber jetz ebe nitte!“ „Gehen Sie über Outlook Express?“ „Ja! Aber s isch nix kumme.“ „Dann schließen Sie das Fenster und probieren Sie es über Internet Explorer Brouser.“ „Wo?“ „Wandern Sie mit der Maus auf der Task-Leiste zum zweiten Symbol neben der Start-Schaltfläche, so ein hellblaues e.“ „Ha, des hab i au no nie gmacht, mit ere Muus wandere, aber guet, mach i! - Dued sich aber nix!“ „Haben Sie Funk-Netz?“„Ja.“ „Dann schaun Sie mal auf dem grünen Feld ganz rechts, wie hoch die Übertragungsrate ist.“ „Aauugeblick! 18%.“ „Ja, das reicht natürlich nicht.“ „Un näbedraa heißt’s LAN-Leitung entfernt.“ „Aha!“ „Was, aha? Mit aha kann I mini Mails nit rinbekumme!“ „Haben Sie ihre Kundennummer parat?“ „Ja.“ „Geben Sie mal, ich will schauen, ob bei Ihnen externe Störungen vorliegen.“ „Was für Sterne?“ „Nicht Sterne, externe, ob bei Ihnen externe Störungen vorliegen.“ „Ob bi mir Störunge vorliege?? Ich sag, miner Computer het Mucke un Sie frooge, ob bi miir Störunge vorliege? Ha, Sie sin jo obergschuckt! Schwätze mir ä Loch in de Buch, dass i Schädelweh krieg un hen erscht nix gsait, un no were Sie noch kiebig. Wisse Sie was? Sie könne sich un ihr ganzes Service-Team de Hase fuettere. Un der ganz Computerschrott kummt uf de Mischt. Schluss mit Luschtig. Schluss mit Maile. Morge kaufe i widder Briefmarke!“ 
Stefan Pflaum am 21.4.2005 in www.dreisamtaeler.de

  

 

D’Zit isch d0 - 61

 „D’Zit isch do!“, zwitschert der Buchfink im gleichnamigen Gedicht des Elsässers Adolf Stoeber (1810-1892) zum Winter. Der Winter möge sich verabschieden und gehen. Und der Dichter selbst bittet den Vogel:
„Drum gib dem Alte (Winter), lieber Fink,
Nur druff unn druff den Abschiedswink,
Ruef stärker noch: „Din Zit isch do!
Din Bündel mach enanderno, ...“.

Bei J.P. Hebel finden wir in seinem bekannten Gedicht Sonntagsfrühe mit den wunderschönen Anfangszeilen „Der Samstig het zum Sunntig gseit: / ‚Jetz hani alli schlofe gleit;“ die gleiche Redeweise, wenn der Sonntag der Sonne zuruft: „D Zit isch do!“ Die Sonne antwortet: „I chumm enanderno“. Schwer vorstellbar, dass Stoeber Hebels Gedicht nicht im Gedächtnis hatte. Oder Philipp Brucker in einem seiner gelungensten Gedichte, nämlich in D Zit isch do, wo der Winter dem Frühling die Zeit überlässt und Brucker dichtet:
„D Junge merke schu, wie s prickelt
uf der Hut, im Herz – un so...
un e kleins blau Bliemli spickelt
us em Bode. „D Zit isch do!“

Hubert Baum spricht in Bezug auf Bruckers „D Zit isch do“ vom „Ruf der Meisen“, also nicht vom Buchfink wie oben Stoeber, und meint weiter, dieser Ruf „gehört zum ersten, was der Frühling hervorzaubert“. Wann das Volkslied „D Zit isch do“ zuerst auftaucht, weiß ich leider nicht. Aber manche von uns werden es kennen.

In der zweiten Strophe in Kurt Doblers mittelschwäbischem Gedicht Ostermorge heißt es: „Grauße (große) Platte Dotterbloame / saget voole Freud: ‚Grüaß Gott!’ / Wenter! Do isch nex maih zmachet, / gang, sonst wurst no zletscht zom Gspott!“. Die Markgräflerin Lina Kromer aus Obereggenen schreibt in Vorfrühlingsnacht vom „dunkel Geheimnis ohni End“, von der Kraft, die „isch un dribt un schafft“, der Kaiserstühler Karl Kurrus in seinem Friajohrswunder: „E Wunder isch s, voll Lebe, Lust un Fraid“. Bei Gottfried Schafbuch, Mundartdichter der Baar, finden wir: „Und d’Vögeli dont uhnig froh / a erne Neschtli flicke“. Auch  die Verfasserin elsässischer Haikus, Lina Ritter-Potyka, beschwört die Leben bildende, gestaltende Kraft der Natur: „Jetzt schloft noh tief im Grund, / was Blueme un Frucht isch / in hundert Tag scho“. 

Ein neues Bild stellt uns der Schweizer Max Huwyler in seinem Früelig vor Augen: „Ufem See usse / stönd / zwöi Sägelböötli näbetenand“. Oder Markus Manfred Jung in einem Gedicht mit dem gleichen Titel:
„Wa muen i tue hüt
in s gras luege
uf d zäh bisse
un jo nüt verwechsle / däbii“.

Nichts mehr da von Knospen- und Blüten-Metaphorik, von Feier der Fruchtbarkeit. Einen ganz anderen Ton schlägt auch der sundgauische Dichter Nathan Katz an. Er gibt zu bedenken: „’s wird emol e Friehjohr chu, wu mir nimmi seh tien (tun), Maidle. / ............ / Un mir tien scho lang unger (unter) em Bode liege“.

Der Frühling ist Frühling, ganz ohne uns. Wenn unseri Zit do isch.
Stefan Pflaum, 7.4.2005

  

 

Kei Wintermärche - 60

Ä schönere Winter hätt mr sich nit könne wünsche. Frischer, wisser, tiefer, dichter Schnee.  Matte vum Daal bis zu de Berggipfel unterem Schneedeckizuckerguss. D Äcker unterem Schneemantel. D Wälder im Winterkleid. D Baumwipfel wissglänzig in de Mittagssunn. Hiieser unterem Glitzerdach. Trillione Kristallschternli. Schneegschpiegelti Sunn uff em Schneerucke in de Höchi. Schneehäubli uf de Weidezaunpfoschte, Haaglatte un  Wegkriz. Gaartezwerg mit glii zwei Zipfelmütze.  Schneemiierli, Schneewächte. Ringsrum Funkle, Blitze, Blinke. Hellblaui Iiszapfe. Ä ganzi Iiswelt am Bächlirand. Schneehiffe ufftürmti. Schneewehe. Schneewolke im Wind in de Himmel triebe.

Un mittledrin in dere Winterlandschaft ich, im Schnee verirrt, ohni  z’wisse wo un wona. Stundelang durch der schwere, blanke, bleiche Schnee gschleppt, wo mi aafange blind macht, bis d Nacht d ganz Welt um mi rum zuedeckt het mit ere iisige Kälti un ich willelos ins Schneebett gheit bin. Gschnadderet, gschuderet un erfrore.

Als Geischt ä paar Dääg später ins Dorf gschwebt für ä Zittig kaufe, goh luege, ob min Ablääbe schu gmeldet isch. I hab’ alli Doodesaazeige überfloge, aber nix über mich gfunde. Also, uf d Poscht, bi de Zittig aaglitte, si sotte minner Dood ufnämme un ä Aazeig schalte.

Ob i noch ganz bache wär, bin i am andere End vun de Leitung abbutzt wore, oder ob ich einer glade hätt, ich könnt jo pääpere, so viel i wott, sott aber d Lit bi de Zittig nit vun de Ärwet abhalte. „Wer meine sie eigentlig, wer Sie sin“, hab i in de Hörer geiffert, „glaube Sie, einer wo schu sitter Dääg nimmi unter de Lääbige isch, het noch ä durschtigi Läwer un Gluscht uf rundi Fieß?“, hab i si aagfahre un ’droht demit, dass i sell Zittigabonnement abbschtelle dääd. 

Wo-n-i bi mim Dokter aagruefe hab, i bricht ä Doodeschiin, sunsch dääd mr d Zittig des mit minnem Dood nit glaube, het d Arzthelferi sich nimmi iikriegt vor Lache, het mi usgägst un mir z Bedenke gen, einer, wo schu sitter Dääg d Radiesli vun unte sähne dääd, könnt jo gar kei Doodeschiin nit läse un selleweg wott sie mir au keiner schicke.

Des Argument het mi derartig überzeugt, dass i vun dem Winteralptraum uffgwacht bin. Kääswiss un schweißgebadet. Zerscht hab i so lang duscht, bis der Schrecke vun mr abgheit isch gsin. No hab i lang un usführlich Zittig gläse. Vieli Meldunge zweimol un bi manche Wörter hab i richtig d einzelne Buchstabe durchkaut. Als wott ich mir selber bewiise, dass i noch läb un läse kann.

Numme d Doodesaazeige hab i überblättert. Die hab i jo schu gläse ghet.
Stefan Pflaum  auf www.dreisamtaeler.de vom 3.3.2005

  

 

 

Läbsch au noch? - mr läbt! - 59

In bschtimmte Zitte kriege bschtimmti Wörter ä ganz anders Gwiecht.

„Sag bloß, du läbsch au noch!?“, hab’ i ghört uf em Bahnsteig, wo mr einer über de Weg dappt isch, wo n i schu sitter Johre nimmi gsähne ghet hab’. Verschrecksch halt schu n ä weng, ab so n ere Begrüßung, aber losch dr nix aamerke un frogsch zruck, „wie goht s au dir un was macht d Familie, d Frau, d Kinder, d Ärwet“. „Ich hab’ schu lang ke Ärwet meh, d Frau isch mr devun, d Kinder het si mit, s isch grad räächt, des sin liedrigi Kaibe. Schlage halt de Muetter nooch!“. Ob ich au arbeitslos wär. „Nei, ich nit, Gott sei Dank“. Jo, des dääd bi mir au noch kumme, het r verkündet, gnau so wie d Krankheite, er wär aafange numme noch bim Dokter. Was ich für Krankheite hätt. „So viel i weiß, bin i gsund - i hoff s wenigschtens“, hab i schnell iigschränkt, wil i schu ä schlächt s Gwisse ghet hab, dass ich gsund bin un er nit - un ganz sicher isch mr sich jo bi so ebbis nie nit - „des kannsch nit wisse“, het r gmeint, als könnt r mini Gedanke läse un mir isches unheimlig wore, „des kannsch nit wisse, ob de wirkli gsund bisch, ich bin au gsund zum Doktor in d Praxis nii un krank widder russkumme“. Ob mi Frau noch bi mr wär un d Kinder. Jetz isch mir s uuliidig wore un i hab mi wie de Deifel devungschtohle, i müeßt uf de Zug, hab’ mi rumdrillt, bin in mi Abteil gjäschtet, uf miner reserviert’ Platz ghuckt un hab’ä Zittig gschnappt, wo nebe mir uf em leere Sitz glege isch. Bim erschte Umblättere schpickl i numme für de Bruchteil vun ere Sekund über de Zittigrand äweg un lueg in d Auge vun ere frühere Noochberi vun mir. Wie lang isch s her, dass i nix meh vun ere ghört hab? Sellemols ä jungi, buschperi Frau, wo nit numme einem Kerli de Kopf verdraiht het, un allewiil vögeliswohl isch ere s gsin, gern glacht het si un gsunge. Alli hen si welle debii han, bi jedem Geburtstag, bi jedem Fescht. „Mensch Sigrid, hab i gruefe un gmerkt, wie mr s Herz bumberet, denn i bin au arg gern nebere gsesse, hab mi vun ihrem Lache aastecke lehn un mich nit könne satt sähne ab dem lebendige, bluemefrische Gsiecht. Des isch jetz alt un müed wore gsin un mr het gmerkt, dass es Läbe vieli, vieli Gschichte draniigschriebe het. Numme d Auge hen noch d selb Wärmi un Schönheit usgschtrahlt. „Sigrid, dass i dich triff, wie goht s dr denn? Verzehl!“

„Mr läbt“, het si gsiefzget un schu sin ere Träne über d Wange grennt, „mr läbt“, het si wiederholt, aber was si sunscht noch het sage welle, isch unter immer meh Träne verstickt. „I rief di aa“, het si noch rusbroocht, wo si usgschtiege isch.
Stefan Pflaum, 13.1.2005

  
 

Schuehneschdl un d H-Moll Mess - 58

Wie oft hesch du schu selli durchbrennt Birn uswechsle welle! Mol endlich s Döbeles iilade, de Kleiderschrank usruume un alti Klamotte zum Rote Kriz bringe, mit de Frau furtfahre un ä richtig geruhsams Wocheend verbringe. Endlich aafange ä weng Sport mache, weniger z fuetere, alli Termine richtig iitrage, dass de nit zum driisigschte Mol de Geburtsdaag vun Bekannte vergisch, wo dir schun sitter vierzig Johr akkurat uf de Daag gratuliere. Als hätte si d gröscht Freud dra, dass du des verschloofsch, sie aber nit! Un z viel Gruschtlkram hesch au widder uffghobe, trotz dass du dir bi alle Götter gschwore hesch....!

Un immer d selbe Alltagsfalle funktioniere ganz zueverlässig. Kurz vor em Abfahre fehlt d Brill. Oder de Autoschlüssel. Hesch ne grad noch in de Händ ghet  Un jetz hesch schu viermol unter alli Schränk gschpigglet. Hirnlos! Zletscht hängt r ganz unschuldig am Schlüsselbrett. Oder du wottsch in de Zittig noochluege, um wie viel Uhr seller Film in wellem Kino aafangt. Meinsch die Zittig däädsch irgendwo finde? Am End het dir die bleed Rumsuecherei s Kino verleidet. „Wo isch jetz widder selli Krawatt? Die hab’ i doch sitter de letscht Beerdigung kei einzigs Mol meh trage!“ oder: „Wer het mir jetze widder denne Zettel verlegt, wo n i druf notiert hab, wo s Grieshubers wohne, un wie mr dert naa kumme!?“.

Zue de schlimmschte Quälgeischeter ghöre aber d Schueneschdl. Do hesch am Samschtig in aller Gmüetsrueh dini Montur aaglegt, s beschte Rasierwasser uf d Wange dupft, d Hoor gchtrählt, de Mantel schu griichtet, d Brill, d Schlüssel, de Geldbittel, un hesch de Aafang vun dere H-Moll Mess nomol ghört für dich richtig iischtimme. Langsch no schnell d schwarze Schueh us em Regal in de Kammer, willsch niischlupfe und d Neschdl zämmeknote. Do merksch, dass des nit goht, wil de Neschdl uf de ei Sit z kurz isch, uf de ander defür z lang. Des weisch natürlig schu lang, heschs schu tausend Mol welle riichte, aber halt uffgschobe. Neschdlsch am Bändel rum zwische de Öse, willsch de kurze Teil länger ziege, der weigert sich aber, neschdlsch als furt - selli H-Moll Mess fangt in zwanzig Minute aa un du muesch noch in d Tiefgarage vum Konzerthuus - bis dr de kurze Teil vum Neschdl ruckwärts durch d Öse flutscht un de alles miescht uffneschdle un neji iifädle. Jetz isch de Geiß gschtrait! Kei Zit meh. Andri Schueh her, wo zum Aazug null passe. Un ab ins Konzerthuus jäschte. „Im Raum zwische de Fallhöhi vun de H-Moll Mess zue de Schuehneschdl spielt sich s Läbe ab“, denk i mr noch bim Iiparke in de vorletschte freie Platz in de Tiefgarage.

Dert hucksch no endlig uf dinem Platz, hörsch Sanctus, Kyrie un Gloria. Bisch für bald zwei Stunde im Musikhimmel. Un dini Frau schwätzt uff em Heimweg kei Sterbenswörtli mit dir: wegge de falsche Schueh!
Stefan Pflaum am 16.12.2004 auf www.dreisamtaeler.de

  

 

Doodestill - 57

„Em Sägmüller sini Jüngscht, d Anna, kunnt, glaub i bal in d Schuel“, het de Schlossmacher Egon sine Mitwanderer im erschte Schnee zwische Hinterdobel un Hochpfirt verkündet. „Du meinsch d Tanja“, isch r vun de Siglinde, sinere Frau, verbessert wore. „A wa, schwätz nitte, s Sägmüllers hen doch numme ei Doochter“, het sich de Schlossmacher Egon gwehrt, „un die heißt schu, sitter dass ich si kenn, Anna, sunsch dääd ich doch nit Anna zuenere sage!“  „Dass usgrechnet du Anna zuenere saisch, isch jo no lang kei Beweis defür, dass si au so heißt, im Gegeteil!“, het r vun de Siglinde als Antwort zruckkriegt. S Oberholzer Marieli het ere beipflichtet un gmeint, „du hesch räächt, Siglinde, si heißt nit Anna, sie heißt Tanja, d Anna isch em Dobler Hans sini mittler Doochter, die wo mim Gemser Anton ghiirote isch.“ De Erbacher Alfons un s Daubinger Vrenili hen die Version uni sono bestätigt. „De Sägmüller, des stimmt, het sini Jüngscht erscht Anna welle heiße, aber wil em Dobler sini mittler Doochter schu uf dene Namme isch tauft gsin wore, hen Sägmüllers für ihri halt Tanja gnumme. S Doblers un s Sägmüllers sin jo schließlig Noochbere, un no hätts bi de gliche Vornämme numme Verwechslunge gen“.

„Anna hätt i schöner gfunde für Sägmüllers, Tanja mueß russisch oder bulgarisch oder so ebbis sii“, het sich jetze d Scherzinger Gisela ins Gspräch iigmischt, „hit mien d Vornämme jo vun möglichscht witt her stamme un ä exotischer Tatsch han, sunsch prozessiere d Kinder am End no irgendswenn gege d Eltere, wil si ihre Vornämme nit orginell gnue finde“.
Un so sin die Wanderer witter gschtapft durch de Wald un hen noch ä Rundi über usgfallini Vörnämme vun Bekannte un Verwandte herzoge, bis mr vun ganz hinte de Erbacher Alfons het höre riefe: „Hauptsach, de Sägmüller het sini Doochter nit Aischa gheiße oder mit eme andere muslimische Vornamme versähne, sunsch dääd die uns am End noch mit eme Selbschtmordattentat in d Luft jage!“ Do sin alli in schallendes Gelächter usbroche, hen gjuchzet un gjohlet, „hahaha!, em Sägmüller sini als Terrorischtin, hahaha!, des dääd grad noch zuenere passe!“, un sin fürschi trottet durch de Wald, hen als glacht, giigst un gäägst, un sin allwil iwerzwercher wore, so dass ä paar Rehli in ere Lichtung stiff un starr d Ohre gschpitzt hen un zitteret, bis dass des Lache in de Ferni verschluckt wore n isch un alles doodestill  bliebe. Doodestill.
Angscht isch ene wore, dene Rehli nooch so n eme Lache. Wie de Blitz sin si in de Wald nii gflüchtet un in ere Schneewolk verschwunde. Kei Mensch het si je meh uf dere Lichtung gsähne.
Stefan Pflaum, 25.11.2004

  

 

„Fast“ oder „beinahe“ sind noch lange nicht „quasi" - 56.

„Weisch, i hab quasi Schluss gmacht mit ere“ oder „für mich isch des quasi erledigt“, kann man bei uns in der Gegend hören. Ich möchte der Frage nachgehen, was es mit diesem „quasi“ auf sich hat, möchte also quasi der Bedeutung von „quasi“ nachspüren.

Da sagt einer, er sei quasi schon einmal in China gewesen. Das heißt, er war noch nie dort, aber quasi doch. Wer schon quasi in China war, war doch schon weit mehr als nur fast oder beinahe dort. Im Vergleich zu dem, der nur fast oder beinahe in China war, ist der, welcher quasi schon dort oder schon quasi dort war, schon quasi ein Chinaexperte. Er war zwar nicht in China, aber doch so gut wie! Quasi eben. „Quasi“ ist also „so gut wie“.

Sagen Sie mal zu jemandem, Sie wären fast schon oder schon beinahe verheiratet gewesen, dann wird er annehmen, Sie hätten fest vorgehabt zu heiraten, die Vorbereitungen zur Hochzeit seien alle getroffen gewesen, aber kurz vor der Hochzeit hätten Sie entdeckt, das ihre Auserwählte schon verheiratet sei, also Bigamistin, und Sie das arglose Opfer einer Betrügerin in Sachen Erotik. Sie hätten die Hochzeit natürlich stande pede platzen lassen, werden Sie Ihrem Zuhörer gegenüber anmerken, dieser wird sein Bedauern ausdrücken und Ihnen dazu gratulieren, dass Sie im letzten Augenblick noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Erzählen Sie ihm aber, Sie seien quasi verheiratet gewesen, wird er annehmen, Braut, Bräutigam und Pfarrer wären in der Kirche genau in dem Augenblick, wo Sie das „Ja-Wort“ abgelegt hätten, von einem fürchterlichen Blitzschlag getroffen worden und nur Sie, also der Bräutigam, hätten die himmlische Attacke überlebt.

Und erzählen Sie am Stammtisch einem Dortmunder Pils- oder Märkgräfler Gutedel-Kollegen, sie wären fast bzw. beinahe gestorben, wird er neugierig wissen wollen, warum und durch welche wunderbare Fügung Sie dem Tode noch mal von der Schippe hätten springen können. Beginnen Sie Ihre Geschichte dagegen mit quasi, also damit, dass Sie quasi gestorben wären, wird er noch am gleichen Nachmittag einen Kranz für Ihre Beerdigung besorgen. Denn wenn einer quasi gestorben ist, ist er mehr tot als am Leben und da muss man mit dem Schlimmsten rechnen. Und so ist es genau genommen ein Wunder, dass ein „Quasi-Toter“ am Stammtisch überhaupt noch über seinen „Quasi-Tod sprechen kann. Aber vielleicht war er ja nur ein bisschen „quasi“
Stefan Pflaum  am 4.11.2004 auf www.dreisamtaeler.de

  

 

 

S Friiburger B31-Tunell un de Weltfriede - 55

„Regeln sind dazu da, dass man gegen sie verstößt“, heißt s in manche Gegende un manche Zitte. S git Länder, do merksch glii: Verkehrsregle zum Beispiel sin do numme symbolisch gmeint. Mr peest bi Rot mit hundert Sache über d Ample, stellt s Auto mittle in ere enge Gasse ab oder rast in de Nacht ohni Licht über d Autobahne. Aber au bi uns juckts nit wenigi, im Halteverbot z parke oder bi Rot grad noch über ä Kreuzung z witsche, bsunders wemmer weiß, dass do kei Kamera installiert isch. Selli nutzt aber gar nix, wenn s um s Iihalte vun de Gschwindigkeit goht. Gschwindigkeitsbegrenzung wurd in de meischte Fäll als Ufforderung zum schneller fahre interpretiert. D allerverruckteschte Iischränkunge, Maßregelunge un Gebote halte d Mensche ii ohni Noochdenke über de Sinn un ohni Murre, aber numme so schnell fahre wie erlaubt, des goht bim beschte Wille nit. Do wurd ä tief demokratischs Missverständnis beleidigt: Jeder mueß so schnell fahre derfe wie n r will! Gschwindigkeit vorschriibe verletzt ä Grundrecht, bschränkt ä elementarer Lebenstrieb. Un des in unserer Zit, wo d Schnelligkeit s A un s O für de Fortschritt un s wirtschaftliche Überläbe isch!

Jetz isches nit äso, dass ich noch nie blitzt wore wär, ich mich uf de Autobahn immer hoorklein an d Richtgschwindigkeit halte dääd oder ich in de 30km-Zone nit au ämol Fünfi grad sin loss! Un wenn mr einer in de 50km-Zone mit 49 vornewegschliicht un wege jedere Kreuzung schu 100m vorher ä Vollbremsung iileitet, schwillt mr au de Kamm un i merk, dass i bim Vor-mi- naagosche in ere Sprochebini glandet bin, wo n i gar nit gwisst hab, dass so ebbis bi mir überhaupt gschpeichert isch. Aber mir sin schließlig alli Mensche un irgendwo mueß der ganze uffgschtaute Fruscht jo nuss. Solang mr des alles numme vor sich selber nabrabbelt, isch des für keiner kei Schade nit. De abgschlossene  Inneraum vu m ä Auto isch jedefalls de beschte Ort für so n ä koschtelosi Fruscht-weg-Kurzzit-Therapie. 

Aber, was i do fascht jede Daag uf de nejie B 31 erläbe mueß, haut em Fass de Bode nuss. Do überholt mi in de 80km-Zone kurz vor em Friiburger Tunnel einer mit bschtimmt hundertzwanzig Sache un hinter demm hängt Stoßstang an Stoßstang einer, wo n e weglichthupe will. Im Tunell fahrsch dini 80km un wursch vum ä Laschter überholt oder vum ä Bus. In de 100km-Zone vor em Tunell rase nit wenigi mit 140 Sache un meh an dr vorbei. Wenn de grad uf de linke Sitte bisch, drängle si noch un zeige dr sogar de Vogel. Was heißt do Lärmschutzzone! S isch schu frech gnue, überhaupt d Gschwindigkeit vorschriibe uf  so n ere schöne, schnelle Strecki. Oder?! Guet, d meischte halte sich zwar an d Vorschrifte vor, im un nooch sellem Tunell. Aber viele schere sich ä Hafekäs um d Bewohner dere Schtroß entlang. Wenn i s Verhalte vun denne Viele hochrechne due uf s menschliche Verhalte in andere Situatione, no hab i kei grossi Hoffnung, dass es friedliger wurd uf dere Welt.
Stefan Pflaum  am 7.10.2004 auf www.dreisamtaeler.de

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Schbäggdäggl und Dräggdrähdr - 54

Überlegen Sie mal kurz, was die beiden Wörter bedeuten könnten. Gefunden? Wahrscheinlich nicht. Aber ich sag es Ihnen: Schbäggdäggel bedeutet „abgegriffene Mütze“ und „Dräggdrähdr“ sind „derbe Straßenschuhe“. So jedenfalls werden die beiden Nomen in einem Deutsch- Sächsischen Sprachführer übersetzt. Mit Sächsisch ist dabei die Mundart im „Kerngebiet um das Dreieck Leipzig, Chemnitz und Dresden“ gemeint, das Obersächsische also, das wiederum zum Mitteldeutschen und innerhalb dessen zum Ostmitteldeutschen gezählt wird. Somit gehört es zum Hochdeutschen, weil es die sogenannte „zweite Lautverschiebung“ (auch „hochdeutsche“ oder „althochdeutsche“ Lautverschiebung), also die Verschiebung von p > pf,  t > [ ts ] und von k > [ kx, kç ] mitgemacht hat. Allerdings nicht so vollständig wie das Oberdeutsche - das Alemannische, Bairische und Ostfränkische. Also englisch pound ist althochdeutsch pfunt, tide wird zīt und corn wird chorn. Dieser Lautwandel war „spätestens im 5. Jh. u. Z. von südgermanischen Stämmen .... Baiern, Langobarden und Alemannen ausgegangen“. Das (Nord-) Niedersächsische hat diese Lautverschiebung nicht mitgemacht und gehört somit wie das Altsächsische (auch Altniederdeutsch genannt) zum Niederdeutschen. Altsächsisch wurde im 9. - 12. Jh. im Raum zwischen Rhein, Elbe, Nordsee und Harz gesprochen. Das Siebenbürger-Sächsisch hat keine Beziehung zum Obersächsischen, es gehört zum Moselfränkischen. Die seit dem 12. Jh. nach Transsylvanien (Rumänien) eingewanderte deutschsprachige Bevölkerung (die „Siebenbürger Sachsen“) bezeichnete ihre eigene Mundart selbst als „Sächsisch“, in Abgrenzung zu «Deutsch», «Rumänisch» und «Ungarisch». Wir alle kennen „die in ihrem qualitativen Charakter noch nicht eingehend erforschte .... Intonation“ des Obersächsischen, das „Sächseln“, ein Singsang, „der diese Dialektsprecher überall erkennbar macht“. Auffallend ist auch die „weiche“ Aussprache der Konsonannten p-, t-, k-. Weiter finden wir die Umwandlung von -nd in -ng: „hing“ bedeutet „hinten“ und „ung“ ist „unten“; /-en / fällt weg. Also „hinden“ wird „hing“. Rein sächsische Wörter sind z. B. Wederle = Schnittlauch, Mauke = Kartoffelbrei, Bocksterz = Purzelbaum, Bemme = Brotschnitte, vigilant = intelligent. Das Obersächsische geht auf  Volksgruppen zurück, die im 13. Jh. ursprünglich slawische Sprachgebiete besiedelten. Geblieben davon ist bis heute eine sorbische Sprachinsel.

Obersachsen ist, wo die „Hasen Hosen und die Hosen Husen heißen“, witzeln die Sachsen über sich selbst. Die bekannteste sächsische Mundart-Autorin war Lene Voigt mit ihren «Säk’schen Balladen» und den «Säk’schen Glassiggern», so „De Jungfrau von Orleang“. Wer sich wieder einmal über das Sächsische lustig machen will, dem sei ein Vers von Erich Kästner ans Herz gelegt:

„Ich habbs nich gerne, wennse driewer lachn. / Da bin ich komisch, weil ich’s gar nich bin. / Sie denkn bloß, mit uns, da kennses machen. / Kommse nur hin.“

Stefan Pflaum auf www.dreisamtaeler.de vom 30.9.2004

  

 

 

 

53 - Vum Sähne u Nitsähne

„Sie sähne doch, was bi uns los isch“, het mir ä Kellner Antwort gen uf mi Frog, ob in dem Reschtaurant noch ä Plätzli frei wär zum ebbis esse. Do hab i gmerkt, dass d Lit wie Driiwlidolde an de Tisch ghuckt sin un d Schuldere bis zum Hals zämmezoge hen, für dass si de Speck uf em Brett hen schniide könne, ohni mit em Elleboge bi de Noochberi im Dekolté hänge z bliibe.

„Isch alles so voll?“ hab I witerbohrt, denn I hab ä sechsstündigi Wanderung hinter mir ghet un de Mage het knurrt wie n ä tollwütige Hund. Wenigschtens ebbs trinke wurd doch möglig sii!

„Wenn Sie mir nit glaube, het de Kellner bäffzt, no luege si doch selber, aber die Zit könne si sich spare, des sag I ne glii!“ Also bin i in ä Näbestub, wo, kuum, dass I drin gsii bin, ä ganzi Großfamilie vum ä runde Tisch ufgschtande isch un gege de Usgang dränglett het. In Richtung der Tisch hab I mi durch d Lit zwängt un bin noch nit rächt ghuckt, isch selli männlich Bedienung schu wie n ä aazundene Knallfrosch zwische de Gäscht dure mit eme Lappe zum de Tisch abwische in d Stube iine peest un uf mich zuegschosse zum mir gischpelig beditte, dass er dene Tisch mießt freihalte für ä größeri Gruppe. „Sähne Sie nit“, het er keucht, „dass Sie bi so me Aadrang nit ällei an dene große Tisch hucke könne?“ I mießt mi schu gedulde, bis ä kleis Tischli frei dääd were, oder besser noch, ä andermol kumme.

„Jo, jo!“, hab i lut in d Stuebe niigruefe: „Jetz sieh n i, was bi Ihne los isch. Bi Ihne isch ä Schrube los, un zwar ä ganz grossi!“

Un wil des ä Hundli verschreckt het,  isch sell unter me andere Tisch vorgschose un het nimmi uffhöre kläffe, bis sich der uliidige Kellner mit sim Lappe uf em schnellschte Weg in d Kuchi verzoge het. Schad, dass I nit selber belle kann, hab I bi mr selber denkt, un bin zum nächschtbeschte Italiener, wo mir s läbensfrohschte  „buon giorno, Signore“ gwunsche het, un ich mir kuum fünf Minute denooch ä Riese-Portion Spaghetti aglio e olio Gabel für Gabel z recht drillt hab un zwei Schoppe Chianti dezue trunke. I hätt au noch ä dritts Gläsli packt, aber de Doktor het s letschtemol so nebebei gmeint, drei wäre z viel, un wil i mi schnell uf de letschte Bus hab tummle mien, het de Dokter halt in Gott s Namme ämol usnahmswiis rächt kriegt.

Stefan Pflaum im www.dreisamtaeler.de vom 23.9.2004

  

 

52 De Medaillespiegel

Also vorweg: höchschti Hochachtung vor allene Sportler, wo fair ihri Medaille erkämpft hen. Oder au keini. Un vor de Trainer un denne, wo sunsch noch dezue gholfe hen. Au vor de Grieche, wo doch alles gschafft hen bis zum Eröffnungstermin un die Olympische Spiele guet über d Rundi broocht. Obwohl dass d Zittunge bi uns ganz vorurteilsfrei hen schriebe mien, dass die des im Läbe nit hinkriege dääde mit dere Organisation. Gschäftlimacherei, Eitelkeite, Grooßmuulerei un Träne ghöre zue so nere Veraaschtaltung dezue wie Sieger un Verlierer. Des stört mi nit. Im Gegeteil: des isch jo grad s Gwürz in de Supp vun uns Glotzkaschte-Olympier! Aber selli Medaille-Zählerei, die isch mr uf de Geischt gange. Was hab ich devun, wenn i weiß, dass Trinidad, d Mongolei un Kolumbie numme ei Medaille vorzwiise hen, d USA aber hundertdrei! Solle jetze alli Iiwohner vun Trinidad vor Schmach in de Karibik versuffe, d Mongole in de Wüeschte Gobi verduurschte un d Kolumbianer sich vun de Andegipfel stürze? Un mir armi Ditschi mit unsere aachtevierzig Medaille blooß uf em sechste Platz, wo für uns doch de dritte reserviert isch gsin!

Denne hätte mir au, wenn d andre nit alli gedopt hätte! Jetze mache mr aber ämol ä ganz anderi Rechnung: An de Iiwohnerzahl gmesse, mießte d USA (230 Mill.), mit Trinidad vergliche (1,2 Mill.), über zweihundert Medaille han. Also doppelt so vieli wie dass si hen. Oder umkehrt: Trinidad het mit sine 1,2 Millione Iiwohner doppelt so vieli Medaille wie d USA: eini uf eini Million Iiwohner. D Chinese (1,3 Milliarde) briichte über tausend Medaille, hen aber numme 63, also hätt Trinidad umkehrt rund 16 mol meh Medaille als wie China! An de erscht Stell vum Medaille-Spiegel wäre aber d Bahamas mit 247 000 Iiwohner un einer Goldmedaille. Wemmer nooch de Flächi giengt, mießte China un au d USA vergliche mit Trinidad sogar 18oo Medaille han. Un luege mr uns es Bruttosozialprodukt aa, isch sell in USA (1800 US-Dollar) hundertfuffzig mol höher als sell  in Äthiopie (120 US-Dollar).

D USA mießte also 150 mol meh Medaille han als wie Äthiopie (siebe Medaille), kumme aber numme uf kääb 15 mol meh. Umkehrt hätte d Äthiopier aber deno mit ihre siebe Medaille15 mol meh als wie d USA. Un stelle eich vor, Kenia un Äthiopie hätte ähnlichi Trainingsmöglichkeite wie Ditschland oder Japan. No wär der Medaille-Spiegel aber zunderscht-zoberscht. Oder wemmer tatsächlich d Goldmedaille in Leichtathletik, Schwimme un Turne als A-Medaille, im Reite un Kanu als B- un die für s Schieße oder Hockey als C-Medaille werte dääd! Mr sott halt neji Diszipline iiführe: z. B. Gaartezwergwerfe oder Dauerjoodle. Aber i wett, au do dääde in vier Johr d Chinese d Goldmedaille abstaube un mir Ditsche hätte bloß „tragisches“ Silber.

Stefan Pflaum am 9.9.2004 auf www.dreisamtaeler.de

  

 

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