Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Stefan Pflaum
Vum Wunderfitz - Alemannische Texte 7 - 15
 

Home >Pflaum >Wunderfitz >Wunderfitz1

"Vum Wunderfitz"
Die auf dieser Seite wiedergegebenen Texte von Stefan Pflaum sind im Dreisamtäler erschienen
 

 

7 Advent, Advent, ä Liechtli brennt!

De erscht Advent isch do. Advent soll vorbereite uf des, was kunnt. Gnauer: uf der, wu kunnt. Adventus: Aakunft. Vier Sunndig mien mer warte bis zu de Geburt. Uf s Krippekindli, wie s im Lukas 2 verzellt wurd. Also uf Wiihnachte. S isch aber nit allewiil so gsin. Bis ins vierte Johrhundert het d alt Kirch d Geburt Chrischti am 6. Jänner gfiieret, an Epiphanias, am Erscheinungsfest, ganz nooch de Tradition vum Mathäusevangelium 2,2 - vum "neugeborenen König der Juden". Un d Heilige Drei König hen seller Stern gsähne. Vum 11. November ab hen d Chrischte acht Woche lang gfaschtet. Jedi Wuch fünf Tag. Hen sich durch s Faschte greinigt als Vorbereitung uf d Erscheinung. Un s isch ä zweiter wichtiger Tauftermin gsin. Zit für Buße un Umkehr. Hit waarte mir numme vier Wuche. Ohni Faschte. Waarte mir? Warte mir uf Chrischtus? Uf d Menschwerdung? "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist..." sagt de Psalm 24. Aber wott Gott überhaupt no aakumme uf dere Welt? Isch unsri Welt noch sin Heiligtum? Millionefach gschändet un beleidigt, d Mensche un d Welt.

De feierlich Iizug in Jerusalem, d Verheißung vum zukünftige Gott im Prophete-Buch Jesaia, d Erzählung vum Johannes dem Täufer als Bußprediger im Lukas 3, d Ankündigung vun de Geburt durch de Gabriel un de Lobgsang vun de Maria im Lukas 1. Un dass Chrischtus wiederkunnt, wie s im Mathäus heißt. Denke mir do dra in de nächschte Woche? Hand uf s Herz, wer no ä Herz het.

Mit de Adventszit fangt de Kreislauf vun de chrischtliche Feschter aa. D Zit kehrt um. D alt Wintersonnwend schtoht do Pate. Mr erinnert sich an d Bedürftige un sammlet Geld. Sammle mir au uns? Halte mir Iikehr, kehre mir um? Oder kaufe mir uns mit em gsammelte Geld numme frei vum schlechte Gwisse un renne dubedänzig witter, ohne ze wisse, für was un wona? Advent, d Zit voller Erwartung, Hoffnung, Sehnsucht? Ä guets Wiehnachtsgschäft erwaarte, Sehnsucht nach Mallorca? Acht Stunde Wiihnachtslieder in de große Iikaufszentre. S git bschtimmt schu Dokterarbeite über s Kaufverhalte vun de Kunde bim Höre vun "Stilli Nacht, heiligi Nacht", oder "Ihr Kinderlein kommet".

Aber uf em Wiehnachtsmärkt gfallt s em Wunderfitz no allewiel. Der Duft wo eim dert in d Nas stiegt, Waffle, Honigkerze, un Glühwii, isch ä Duft us de Kinderzit, au wenn de do natürlig no kei Glühwii hesch trinke dürfe. S isch immer ä weng Wehmut debii bim Durchschlendere un des un sell Aagucke. Uf em Wiihnachtsmärkt oder allei i me stille Kirchli mit ere schön gschnitzte Kripp spürsch es no am ehnderschte, dass do ä Geheimnis versteckt isch. Numme für dich. Un für alli andre. Muesch halt warte, bis es sich zeigt. Aber wer kann des hit noch, wo alli uffgfresse sin vun de Zit. Mir hen ke Zit meh für Wiihnachte. Mache mr uns nix vor: unsri Welt isch d Welt un nix drüber nus. Überwindung der Finsternis? Nötig wär s, demnooch, was de so liesch, siehsch un hörsch. Aber was hen mir z duen demit? Mir bruche ä anderi Regierung, ä andre Chef, andri Eltere, ä andri Frau, andri Kinder, andri Doktere, andri Lehrer, anders Wetter. Nur mir, mir könne bliebe, wie mr sin. Was wäre mir doch für gueti Mensche, wenn d Welt nit so schlecht wär!

Isch es des, was uns es erschte Adventsliechtli sage will?

Stefan Pflaum, 5.12.2002

  

 

 

8 Woher kommt dieses Wort?

"Woher kommt dieses Wort", fragt man sich oft, nimmt sich vor, es nachzuschlagen, und dabei bleibt es allermeist. All denen, die obengenannte Erfahrung schon oft gemacht haben und sicher darunter leiden, dass sie die Herkunft der aufgelesenen Wörter nicht nur nicht nachgeschlagen haben, sondern die Wörter inzwischen irgendwo im "Papierkorb" ihres "Hirnkasterls" verschollen sind, all denen will ich ein wenig von ihrem Leiden wegnehmen und einfach weitergeben, worauf ich beim feierabendlichen Stöbern in Wörterbüchern und in einschlägiger Literatur so gestoßen bin. Also, alles ganz unsystematisch und zufällig, denn wie gesagt, meine Funde sind das Ergebnis vergnüglicher Wanderungen von Buch zu Buch, von Artikel zu Artikel. Beim ziellosen Schmökern, kommt Wunderfitz vom Hundertsten ins Tausendste. Und der geneigte Leser dieser Zeilen folglich auch.

So fand ich für das Schimpfwort "Teigaff", meinen ersten Zufallsfund, in "Das Badische Schimpfwörterbuch" folgende Angabe: "...nicht nur ein Bäcker, es schaut sicher jeder dumm drein, wenn man sagt: ,Du luegsch wie ein Teigaff’. Aber woher kommt das Wort? ,Teig’ und ,Bäcker’, sicher, da gibt es eine Beziehung, die man einsehen kann. Aber, Aff’ ? Und da finde ich, wie gesagt, zufällig, beim Bummeln durch die Literatur, in einem Jiddisch-Wörterbuch im Abschnitt "Auswahl jiddischer Ausdrücke aus dem Rotwelsch ... und ursprünglich jiddischer Ausdrücke im Hochdeutschen" unter Teigaffe: (,ofe’ = ,Bäcker’). Also, das Jiddische ,ofe’ = ,Bäcker’ wird vom Rotwelsch übernommen und dort zu ,Teigaff’. Die gleiche Herleitung gilt auch für das Rotwelsche ,Affenkleister’, nämlich, von Jiddisch ,afo’ = ,backen’. Aha! Aber was ist Rotwelsch? Eine Herleitung dafür finde ich im selben Büchlein: Rotwelsch ist "die Geheimsprache der deutschen Bettler, Gauner und Vaganten". Dabei legt der Autor großen Wert auf das sprachhistorische Faktum, dass "ein guter Teil der jiddischen Ausdrücke, die ... im saloppen Umgangsdeutsch gebraucht werden oder ... zum Bestand des korrekten Hochdeutsch zählen" zwar auf dem Umweg über das Rotwelsch in die deutsche Sprache eingedrungen sind, aber die jiddischen Ausdrücke im Rotwelsch "eine ganz neue Bedeutung angenommen" haben.. Von einer Identität von Rotwelsch und Jiddisch könne keine Rede sein. Das Jiddische, eine Fusionssprache ("Mischsprache") aus Deutsch, Semitisch und Slawisch, spiegle die "tragische Geschichte der Juden Deutschlands im Mittelalter", sei Volkssprache, Bildungssprache und Sprache der Dichtung. Das Rotwelsche dagegen eine Geheimsprache, die von "Außenstehenden nicht verstanden werden" soll und die "allerhöchsten Werte" der Gesellschaft negiert. Es besitzt auch Entlehnungen aus dem Französischen, Italienischen und der Zigeunersprache. Noch ein Beispiel: Woher kommt eigentlich die Redensart ,Wo der Bartel den Most holt’ ? Nun ,Bartel’ kommt von ,barsel’, auf Deutsch ,Eisen’. Hat also nichts mit Bartholomäus zu tun. Und ,Most’ ist hier nichts zum Trinken, sondern kommt von ,maot’ und das bedeutet im Jiddischen und im aschkenasischen Hebräisch ,Geld’. Der Satz bezeichnet also den "Ort, wo man durch Einbruch Geld holen kann".

Weit sind wir heute nicht gewandert, aber wir haben uns an einer faszinierenden Stelle niedergelassen. Und da wird der Wunderfitz noch eine Zeit lang verweilen. Mit euch.

Stefan Pflaum, 12.12.2002

  

 

 

Wiihnachte un Neujohr

Het eich au de Rubelz, de Knecht Ruprecht, gfitzt, i mein, mit de Haselnussrute ä paar überzoge? S het nit wirkli weh duen, aber für denne Moment hesch dr vorgnumme, s nächscht Johr de Eltere besser folge. Aber numme für denne Moment. Un no het jo de Ruprecht im Nikolaus enneweg d Erlaubnis genn, ebbs us em große Gschenklisack für dich rusangle. Henner als Kinder au Springerli un Dambedei, also Wiihnachtsgebäck, gschenkt kriegt vun de Noochbere? Un sinn r am Wiihnachtsobend selber au schier verzwatzlet, i mein, vor Ungeduld d Stege in de Wohnung nuf un nab grennt für d Muetter hinterefür bringe mit de Behauptung, d Gerlinde un de Bernhard – d Noochberskinder – hätte ihri Gschenker schu sitter mindeschtens zwei Stunde kriegt? Am Steffestag, also am zweite Wiihnachtsfiierdig, hemmer derfe lang schlofe, un au nooch em Ufwache simmer liege bliebe und hen unsri Gschenkli, wo akkurat ufgreiht uf em Bode nebem Bett gschtande sin, einzel, eins nooch em andere, ins Bett ghobe und ganz gnau vu alle Site aagluegt. D Muetter het d Türe vun de Kinderzimmer schu sperrangelwitt ufgrisse gha, für dass mr de Wiihnachtsmusik zueloose. Aber im große Grundig - Radio im Wohnzimmer het grad einer ebbs verzellt vom ä Herodes, wo rumdöbert hätt, wil sich die drei Heilige König us em Morgeland nit bi nem in Jerusalem iigfunde hen für em verzelle, ob un wo si s Chrischtuskindli gfunde hen. Die Gschicht hen mir erschtens nit verschtande un zweitens hätt si, au wemmer si verschtande hätte, kei Chance gha gege denne Märklinkran, wo mir s Chrischtkindli het mitbroocht gha. Was hätt mich au interessiere solle, dass der Herodes alli Buebe vun zwei Johr alt nabzues het abmurkse losse, wo ich doch grad denne feschte Entschluss gfasst hab, wenn i größer bin, ä Kran z baue, doppelt so hoch wie d Kirch vun Lohr. Natürlig isch mir au nit bekannt gsi, dass de Steffestag Steffestag heißt, wil de heilig Stefanus s Martyrium erlitte het un jetz am Steffestag im Himmel neu gebore wurd. Aber i heiß halt Stefan un drum hen mir d Litt ebe verzellt, dass der Tag Steffestag heißt. I hab au no nit gwisst, dass Wiihnachte in Island un in Skandinavie "Jul" heißt, un der Namme widder uf ä altgermanischs heidnischs Mittwinterfescht zruckgoht. Wie unser Wort "Wiihnachte" übrigens au, s heißt nämlig im Mittelhochditsche "ze wiihen nachten" = "in den heiligen Nächten", un dodemit sin in de germanische Zit au selli heilige Mittwinternächt gmeint gsi. I hab als kleiner Zwuckel au kei Ahnung devu gha, dass Wiihnachte in Italie "natale" ="Geburtstag" heißt, dass de Franziskus vun Assisi 1223 d erscht Kripp het ufstelle losse un d ganz Welt des sitter dem noochmacht, dass de Wiihnachtsbaum im 17. Jahrhundert numme bi Adlige un steinriche Bürger Tradition isch gsin, un dass es Gschenkli mache an Wiihnachte in de Familie sich erschter bi de Evangelische entwickelt het. Vor ungfähr vierhundert Johr. I hab eifach numme fescht an de Wiihnachtsmann glaubt, mi Märklinkran im Bett gha un ä Gfühl wie Wiihnachte. I bin enneweg kei Wiihnachtsmann gsi. D Mensche nemme s meischte so, wie s isch, ohni drüber hirne, wo s her kummt un was es frieher mol bedittet het. S wandelt sich alles in einem furt un kuum einer macht sich Gedanke, über des, was in de Wörter versteckt isch. Oder henn ihr gwisst, dass mir Neujohr erscht sitterem Julius Cäsar am erschte Jänner fiiere? Nooch dem sinere Kalenderreform im Johr 46 v. Chr.? Vorher isch s de erschte März gsi. Oder warum meine ihr, dass mir hit noch September (des heißt übersetzt "7. Monat") und Dezember ("10 Monat") sage, wo die doch für unsri Vorstellig de neunte un de zwölfte Monat sin? So isch viel im Läbe eigentlig ganz andersch, als mr meint, dass es isch. Wisse ihr, warum mr sich ä "Gueter Rutsch" wünscht? Mr will möglichscht ohni Hindernis wie uf em Iis vum alte in s neue Johr gleite. S soll nix meh dezwische kumme, nix meh passiere.

So, un jetz streckt de Wunderfitz "seinen Lesern ins neue Jahr hinein, das selber kommt, die Hand entgegen, und wünscht gesunden Leib, gut Gewissen und Zufriedenheit...." Un wer als erschter bim Dreisamtäler aaruft oder vorbeikummt un sage kann, vu wem des letzschte Zitat in mim Texscht stammt un wo s stoht, kriegt ä Wiihnachtsgschenkli.

StefanPflaum, 19.12.2002

  

 

10  Krieg und Frieden

Die Nachrichten über einen möglichen Krieg verunsichern Wirtschaft und Befinden. Wir sorgen uns. Mitleid mit den möglichen Opfern und die Angst, selbst mit hineingezogen zu werden, bestimmen unsere Haltung. Welche Kriterien liegen einem Für oder Wider Krieg zu Grunde? Wird nicht dieser Grund immer trüber in der Flut sich widersprechender Begründungen? Und all die Fakten und Hintergründe, die man uns verschweigt? Die Dinge scheinen immer komplexer. Afghanistan, Pakistan, Israel und Palästina, USA, die NATO-Staaten, die UNO, die UN-Inspektoren, die irakische Regierung, das irakische Volk – Araber, Kurden, Sunniten, Schiiten. Und jetzt auch noch die Konflikte mit dem waffenstarrenden Nordkorea! Deutschland in einer zugleich privilegierten und schwierigen Lage. Bedrohung durch Terrorismus, neue weltpolitische Aufgaben und Verpflichtungen erzeugen zugleich Druck und moralische Bedenken. Dazu kommen Wirtschaftssorgen. Krieg ist der Ernstfall. Kommt es zum Ernstfall? Das Wort "Ernst" lässt sich zurückführen auf ein indogermanisches Verb mit der Bedeutung "sich erheben (gegen)". Im Westgermanischen hat das rekonstruierte *"ernusti" die Bedeutung "Ernst, Festigkeit, Kampf", im Griechischen ist "éris", der Streit. Isländisch ist "stridi" das Wort für Krieg. Schon in alter Zeit also ist der Ernstfall Krieg. Wer aber bestimmt, ob der Ernstfall, ob Unvermeidbarkeit vorliegt,? Darüber entscheiden Experten, nicht die Öffentlichkeit, also nicht die Mütter und Väter, deren Söhne in den Krieg ziehen, deren Kinder, Eltern, Verwandte und Freunde von Bomben zerrissen werden. Was löst ein Krieg, wenn er nicht zu einem dauerhaften Friedensschluss führt? Wird dies der Fall sein? Wir werden Instrumentarien finden müssen, die es ermöglichen zu handeln, bevor es zum Ernstfall kommt. Dies liegt in unserer Verantwortung! Nur unsere Stärke in Sachen Frieden wird Terroristen und Schurken das tödliche Handwerk legen.

Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm hat der Artikel "Krieg" neben dem von "Tod" die meisten Spalten, nämlich 91. "Liebe" bringt es auf 86, "Leben" auf 75, "Friede" auf 17. Das muss in zukünftigen Wörterbüchern anders sein! Nicht der Krieg, der Friede muss "Vater aller Dinge" werden. Den sprachhistorisch dunklen und schwierigen Zusammenhang zwischen "kriegen" ( streiten, kämpfen) und "kriegen" (bekommen) hat der deutsche Barock - Dichter Martin Opitz (1597 – 1639) in einen denkwürdigen Vers gespannt:

"geld musz beim Krieger sein, man nennet ihn von kriegen,
dieweil er oftmals kriegt auch auszer Schlacht und siegen
was anderen gehört."

Er schrieb übrigens im Jahre1621 die "Trostgedichte in Widerwärtigkeit des Krieges".

De Wunderfitz meint, des sotte mr doch hinkriege, dass mr ohni Krieg Friede kriege!
Stefan Pflaum , 16.1.2003

  

 

11  Kaasch nix meh glaube. Kaasch nix meh glaube?

"Schaffe aaschtändig euer Sach un losse eich nit vum Gschwätz in de Welt hinterefür bringe", het ä Stadtgäärtner zue uns Buebe gsait, wenn mir uns in de Schulferie mit Tulpezwieble - usgrabe im Lohrer Stadtgaarte als ä Taschegeld verdient hen un uns dodebii manchmol in d Hoor kumme sin wege allem Mögliche, was in de Welt zue sellere Zit grad so passiert isch un im Radio un in de Zitig dischkeriert isch wore. Jeder het sini Quelle gha un sini Argumente, wo - n - er gmeint het, er könnt dodemit bewiise, dass numme dess stimme dääd un s ander selldrum ebe falsch wär. "De ei behauptet des", isch no unser Stadtgärner furtgfahre, "de ander sell, de dritt au widder ebbis. Ball kummt no ä vierter un palaavert, s gäb neii Erkenntnis, mr dääd alles hit anderschder sähne un mießt si Meinung ändere." Allfurzlang dääde eim die glehrte Herre us de große Städt ebbis anders uffbinde, het r gmeint, wegge jedem Hafekäs ä neus Gschiss mache, s miaßt eim grad liedrig were vun dem gschuckte Gschwafel, wo si alles zunderscht un zoberscht dääde bringe, die wäre doch alli mitenander Lumpeseckel, Lüegbeitel, wo Schindlueder mit de Mensche triebe un mir Kleini wäre bschummelt un bschisse. " Könnscht grad Gichter kriege un s Kuddlesurre, wenn de siehsch, was dir die Gscheitli alles aadrehe welle!" het r sich ereifert, "un hinderum mache si ihri Gschäfter mit unserer Guetgläubigkeit."

I weiß nit, warum mir in de letschte Zit der Lohrer Stadtgärtner als in de Sinn kummt. S isch em ganz wichtig gsi, das mir nit alles glaube, was so gschriebe un gschwätzt wurd. Als junger Kerli un jungs Maidli neigsch jo dezue, ä ganz endgültigi Meinung z ha.

Wenn i hit so mitkrieg, was alles aageblich vu dem un dem de Grund isch, wer alles an was schuld soll sii, warum mr des nit, sell aber jo mache sott, wurd mr s oft dürmlig un i dääd zipfelsinnig were, wenn i nit ä großi Portion Misstraue hätt gege alles, was so in de Medie an Berichte un Behauptunge rumgeischtert, un was d Mensche so a mi naaschwätze.

S Ozonloch wurd größer un größer, s Klima verändert sich un s git numme Wüschtene un Überschwemmunge, meh Computer bringe meh Arbeitslosigkeit, d Biologe klone Elitesoldate un Arbeitssklave, genetisch defekti Embryos were abtriebe, an de Abgase vun Milliarde Autos were mir versticke, de Rinderwahnsinn wird Millione Toti koschte, ä paar wenigi Überlebende were uf andri Planete uswandere - unke die eine. Stimmt alles nitte, halte anderi degege: Nie hen d Mensche so sicher glebt un nie hen si besseri Zukunftsussichte gha. D meischte Mensche sin früher Analphabete gsin, hen allewil an eim un em selbe Ort ghuust, hen kei Liecht nit gha, sin obends ohni Musik, Zittig, Radio, Fernsehne mit Schmerze vum Schaffe ins Bett gheit, hen Tag un Nacht Angscht gha vor Räuber un Krankheite, sin nit älter als drissig Johr alt wore, hen ghungert un gfrore.

Un mir? Also alles beschtens?

De Wunderfitz losst sich nit hinterefür bringe und denkt an de Lohrer Stadtgärtner. D Wohret lait jo meischt in de Mitti, au links oder rechts denäbe oder wo ganz andersch!

Stefan Pflaum, 23.1.2003

  

 

12 Von Schiller zu Grimmelshausen oder von ‚Gauner‘ zu ‚Strolch‘

Wer regelmäßig den Dreisamtäler liest, erinnert sich vielleicht an meine Glosse "Woher kommt dieses Wort?", wo wir der Herkunft von ‚Teigaff’, ‚Affenkleister’ und ‚Wo der Bartels den Most herholt‘ nachgingen und sahen, dass diese Ausdrucksweisen aus der Gaunersprache ‚dem ‚Rotwelschen’ - auch ‚Jänisch‘ oder ‚Jenisch‘ genannt – stammen. Das Rotwelsche hat sie aus dem Jiddischen übernommen und ihnen eine neue, quasi verschlüsselte Bedeutung, nur für Gauner zu verstehen, gegeben. Und schon haben wir unser nächstes Wort: ‚Gauner‘. Es kommt selbst aus dem Rotwelschen, wo es auf das Kartenspiel bezogen ist und in der Form ‚joner’ im 15., 16. Jahrhundert den Falschspieler meint, im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm u.a. als "ausgelernter, abgefeimter und gewerbsmäsziger Kartenspieler" eingetragen. Da die Formen ‚joner’, ‚jauner’ zuerst in Süddeutschland auftauchen, kann das ‚j’ keine norddeutsche Abwandlung von ‚Gauner’ sein. In einer Basler Chronik von 1430 erscheint das Wort ‚junen‘ im Zusammenhang mit spielenden Vaganten. Unser schwäbischer Schiller spricht von ‚jaunerbande’, ‚jaunerhorde‘ und ‚jaunerparole’, und da schon z.T. in der heutigen Bedeutung von "gleichsam verfeinerte strolche (!), die innerhalb der gesellschaft ihrer nahrung nachgehn, mit betrug z.B. in handel und wandel..." (Gebrüder Grimm).

Das Rotwelsche macht diese "Bedeutungsverallgemeinerung" nicht mit. Man findet auch die Bezeichnung ‚Zigauner’ und stellt so eine Verbindung des Wortes zu ‚Zigeuner’ her. Das Wort ‚Zigeuner‘ selbst wird "in Zusammenhang gebracht mit rotwelsch ‚Gannef‘ = ‚Dieb‘, was auf das gleichbedeutende hebräische ‚gannab‘ zurückgeht". Von daher unser Wort ‚Ganowe‘. Eine weitere Herkunftserklärung ist folgende: "Bei den Juden galten die Griechen als ähnlich geschäftstüchtig, wie später sie selber in den Augen anderer waren". Deshalb gibt es für ‚joner’ auch eine Ableitung von ‚jawan’, jiddisch ‚jowen’, mit der Bedeutung ‚Grieche’. Von ‚jone’ zu ‚Jonier’ = ‚Grieche’, ist es auch nicht weit. Und ‚jone’ wird dann in "deutsch-jiddischer Aussprache" ‚jaune’ mit der Bedeutung ‚Betrüger’. Im Französischen übrigens kann ‚grec’ = ‚Grieche’ für ‚Falschspieler‘ stehen. Andere favorisieren die "wahrscheinlichere" Herleitung des Wortes ‚Gauner‘vom Hebräischen ‚jano’ = ‚betrügen’. In der aschkenasischen Ausprache Deutschlands - Aschkenasi ist die Bezeichnug der Juden Mittel-und Osteuropas - ist der ‚Betrüger’ der ‚Jaune’, also der ‚Jauner‘,und da wären wir wieder bei Schiller.

Für ‚Strolch‘ habe ich beim Herumstrolchen in einschlägigen Werken gefunden, dass man das Wort tatsächlich in Verbindung mit ‚stroll‘ (englisch) = ‚herumstreifen‘, ‚schlendern‘ und mit ‚trôler‘ (französisch) = ‚sich herumtreiben‘, ‚hausieren‘ gesehen hat. Laut Duden ist das ursprünglich oberdeutsche Wort "seit Anfang des 17. Jh.s bezeugt"; seine Herkunft aber sei nicht geklärt. Ich fand aber anderswo eine schlüssige Wortgeschichte, nämlich: Schwäbische und schweizerische Landsknechte hätten zu "Ende des 15. Jh.s" als Söldner im französischen Dienst in Italien des öfteren "Horoskopsteller" aufgesucht, die in der Bevölkerung nicht gerade den besten Leumund hatten und deshalb ‚strolegh‘ oder ‚strolec‘ (von Astrologe) genannt wurden "mit der Bedeutung: Herumtreiber, Vagabund, betrügerischer Gaukler". Die Landsknechte brachten das Wort in ihre schwäbisch - alemannische Heimat zurück, wo es ins Rotwelsche und "in die allgemeine Schriftsprache Eingang fand." Wo aber hatte das Wort ‚Strolch‘ seine literarische Premiere? Beim "Oberkircher" Grimmelshausen im Jahr 1670. Also hier in Baden – Württemberg wurden der ‚Strolch‘ und der ‚Gauner‘ literarisch geadelt.
Des wurd nit numme de Wunderfitz wundere!

Stefan Pflaum, Dreisamtäler vom 6.2.2003

  

13 Fasnet, Fasching, Karneval, Narren und Co

Fastnacht ist Gegenwelt, Aussteigerwelt, als "fünfte Jahreszeit" Aufhebung der Zeitordnung. Sie setzt für einige Tage – und Nächte – die Weltordnung außer Kraft. Genauer gesagt, die katholische Weltordnung. Und als Gegensetzung zu dieser bleibt sie am Gängelband der Kirche, weshalb viele Attribute und Bräuche der Fastnacht lediglich die närrische Umdeutung religiöser Inhalte sind. So repräsentiert der Narr den Sünder und Gottesleugner. Er trägt die "runde Mütze mit Eselsohren und einem Hahnenkamm." Um den Hals trug er "einen breiten Kragen wie später noch der Hanswurst auf Messen und Jahrmärkten". Zu ihm gehören auch Zepter und Schellen – er ist dem König gleich und er will die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Hat man einen Narren im Leibe, hat man einen Narren gefressen an jemandem. Aber das kann auch ein böser Narr sein, den man dann beim Narrenschneiden aus dem Leib schneiden muss. Heute aber scheinen die bösen Narren allerorten Narrenfreiheit zu genießen und die ganze Welt am Narrenseil zu führen. Die Herkunft von Narr gilt als ungeklärt. Vorgeschlagen wird z. B. althochdeutsch narro aus spätlateinisch nario mit der Bedeutung Nasenrümpfer, Spötter. Nach Werner Metzger setzt das Mittelalter "Narrheit und Erbsünde" gleich, die Narrenfigur werde dadurch "zwangsläufig auch zum Sinnbild irdischer Vergänglichkeit". Auch die Maske macht die Verbindung zum Tod deutlich. Das im 17. Jh. mit gleicher Bedeutung aus dem Französischen masque entlehnte Substantiv hat "als letzte Quelle" arabisch mashara(h) = Verspottung, Possenreißer, Possenreißerei, dies wiederum aus dem Verb sahara = spotten, sich lustig machen. Die süddeutsche Bezeichnung Larve kommt von lateinisch larva mit der Bedeutung böser Geist, Gespenst, Gerippe. Die mittelhochdeutsche Form larve ist, so die Forschung, seit dem 14. Jh. bezeugt. Die Übertragung des Wortes auf ein Entwicklungsstadium der Insekten fand – nach Kluge – erst im 18. Jh. statt und zwar "unter der Vorstellung, dass sich hinter der Larve das ‚wahre’ Insekt verbirgt". Scheme bedeutet Spukbild und Schatten eines Verstorbenen. Laut Duden wandelte sich das Bild vom Schatten erst im 16. Jh. zu Trugbild, wesenloses Gespenst.

Die Fastnacht, um 1200 mittelhochdeutsch vastnacht, später vas(e)nacht, heute Fas(e)nacht, ist die Nacht vor Beginn des ersten Fastentages. Von daher erklärt sich – von neuzeitlichen Verbreitungen in protestantisches Territorium hinein abgesehen – die Tatsache, dass sich Fastnacht nur in katholischen Gebieten gehalten hat. Protestanten sahen in der Fastnacht mit ihrer Verbindung zur nachfolgenden Fastenzeit eher heidnisches Treiben, denn sie können sich Gott ja allein durch den Glauben und nicht etwa durch Fasten gewogen machen. Diese Funktion der Fasnet "als Gegenpol zur Fastenzeit" hat aber heute "ihre Funktion weitgehend eingebüßt."

Wie viel und ob überhaupt heidnisch-germanische Elemente in der Fasnet stecken ist eher umstritten als belegt. Für das Verb fasten wird eine vorchristliche Bedeutung aufgeführt, nämlich gedeihen und fruchtbar sein, abgeleitet von einem frühneuhochdeutschen faseln. Laut Duden bleibt eine solche Herleitung aber "offen". Die Fastnacht steht hier in Verbindung mit einem "Vorfrühlings - und Fruchtbarkeitsfest, bei dem man die Wiedergeburt der Natur feierte" und den Winter austrieb, "lange bevor sie im 12.Jh. durch die Kirche auf die Zeit vor dem Fasten begrenzt wurde". Wie dem auch sei: Das Grimmsche Wörterbuch bezeichnet Fastnacht als "die letzte derb ausgenossene freszzeit vor dem Beginn der faste". Kluge sieht eine Verbindung zu einem "Reinigungsfest, ähnlich wie die römischen Lupercalien, das dann den christlichen Bräuchen eingepaßt wurde". Die bayrisch-österreichische Variante Fasching kommt von vastganc, also Fastenprozession, "die damals noch eine todernste Angelegenheit war" und "in einem vastschank endete...". Mit "oho, vaschang!" wurde der Fastschank begrüßt. Die Herkunft von Karneval ist "nicht mit Sicherheit geklärt". Angeboten wird die volksetymologische Umdeutung von mittellateinisch carnelevale = Fleischwegnahme (während der Fastenzeit). Ursprünglich wurde damit nur der Tag vor der vorösterlichen Fastenzeit bezeichnet. Erst später wurde, wie bei Fastnacht, der Zeitraum auf die ganze Karnevals – bzw. Fasnachtszeit erweitert.

De Wunderfitz wünscht, dass d Fasnetnarre d Narretei widder in d Fasnet zruckhole und de Rescht vum Johr weniger Narre ihr Unwese triebe. Un eich wünscht r Schöni Fasnet!

Stefan Pflaum, www.dreisamtaeler.de vom 27.2.2003

  


14 Wie mr de Einzelhandel fördere könnt.

Desletscht hab i mr denkt, hit hesch dr Zit. Gohsch mit de Frau mol endlig ebbs kaufe, wo si mr schu sitter Monate in de Ohre lait mit. Früeh am Morge si mer loszoge zue dem schöne Lade mitte im Ort, wo mir denkt hen, dert finde mir gnau des, was mir uns vorgschtellt hen. Un so isch es au gsii. Kuum he mir uf dem 100 Meter lange Parkstreife s Auto abgschtellt gha – s einzige bis jetz – un sinn in Richtung Lade gloffe, het uns im Schaufenschter schu des Objekt der Begierde aagschpickelt.

Entschlosse si mer in s Gschäft iine, wo uns ä friindligi Frau empfange het. Ob si uns helfe könnt, mr sotte uns gern uugschtört ummeluege, we mer Hilf brichte, eifach riefe. Mr hen des un sell in d Händ gnumme, umdraiht, in d Höhi ghobe, vu alle Site inschpiziert, Priis, Farbe un Forme vergliche un sinn letschtendlig doch bi unserm Favorit bliebe, wo uns schu im Schaufenschter het entgegeglänzt gha. S isch alles vorsichtig iipackt wore, d Ladeinhaberi het Bändel drum un des Paket deno in ä schicki Papiertäscche verschtaut. Mr hen zahlt, uns für die friindlig Bedienung bedankt un sinn zfriede us em Gschäft nus zum Auto gschlendert. Des isch immer no in de schmerzligschte Eisamkeit do gschtande. Hättsch grad könne Mitleid kriege. I hab d Türe ufgschlosse, d Täsche uf em Rücksitz abgschtellt un d Parkschieb widder verstaut. Bim Zruckschtoße hab i do plötzli im Rückspiegel sell Café verliggert, wo gnau gegenüber vun unserm Lade in de schönschte Wintersunn gschtrahlt het un wie ne Urgwalt sinn Glüschte nooch eme große Milchkaffe über mi kumme, sodass i grad widder uf miner Parkplatz vorgfahre bin.

Deno nix wie ins Café! I hab s schiir nit könne verzwazzle, die Tass voller Milchkaffe in de Händ haa. Un vor lutter Heißhunger, oder gnauer, Heißdurscht, hab i vergesse, de Parkschiin zruck hinter s Lenkrad lege. Im Café hab i denne große Milchkaffe bal druf mit em gröschte Appetit gschlürft. Mi Frau het ä Kännli Tee vorzoge. D Bedienung vu dem Kaffee het uns mit eme herzlige "Vergelt s Gott" verabschiedet. Wo mr zum Auto trottet sin, he mer gli gschpanne, dass do ä Papier unterem Schiibewischerblatt im Wind lotteret. Oh lätz am Fritig, sapperment, mi Seel, hab i denkt un gli gwisst, dass des die himmlisch Schtrof für s Vergesse vun de Parkschieb isch. S Auto isch immer no automutterseeleällei uf witter Flur gschtande. Wer het jetz miner Karre uf dere riesige Parkflächi gschtört, hab i mi gfrogt, dass do ä Schtrofzettel draahängt! Z erscht bin i uuliedig wore un hab welle glii zum Rothuus, gange go ufmucke. Aber des hab i schu mol probiert gha un gli kapiert: Des schleckt kei Geiß meh weg! Also hab i de Ärger verdruckt un uf de Sparkass um d Eck d Gebühr gli überwiese. De Iikauf, de Kaffee un de Tee sinn uns halt so ä paar Euro tiirer kumme als wie normal. Vergiss die Dipflischisser, hab i mr denkt un, stiege mr doch in d Tasch!

Am meischte were sich die große Ikaufszentre am Rand vum Dorf freue über jede Verwarnungsfetze an de Vorderschiebe von de Autos im Ort. Un natürlig d Gmeinde. Dere gönn i des Geld, was i berappt hab, ufrichtig, so wie di sitter kurzem huushalte mien. S Geld in de Gmeindekass kummt jo zletscht au de verbotswidrig handelnde Bürger widder z guet. Eigentlig isch jo deno so ne Strofzettel ä vornehmi, diskreti Art vun Spende, wo mir Parksünder do de Gemeinde zuekumme lehn. Ä Vorschlag: An d Verwarnung eifach noch ä Spendebescheinigung dra hefte. No dääde mr bim Iikaufe de Einzelhandel un d Gmeinde fördere. Uf ei Schlag. Des wär s doch! Oder?

Stefan Pflaum, Der Dreisamtäler vom 13.2.2003

  
 

15 Frühling lässt sein blaues Band ...

Am 21. März beginnt der Frühling. Er geht bis zum 22. Juni. Er umfasst Märzenbecher, Wonnemonat und Junikäfer. Seinen Namen trägt das Frühlingsfingerkraut, das zu den ersten Frühlingsblüten gehört und dessen goldgelbe Blüten sich manchmal schon Ende Februar öffnen. Übrigens nennt man den Märzenbecher auch Frühglingsknotenblume. Bei uns steht sie unter Naturschutz, was mehr über die Menschen als über die Blume aussagt. Zu den bekanntesten und beliebtesten Frühlingsblumen zählen auch die Veilchen, so das Märzveilchen. Die Palmkätzchen der Salweide gelten als Frühlingsboten, ihre Zweige werden am Palmsonntag geweiht. Im Friejohr bliege (blühen) d Katzebusseli (Weidekätzchen) un d Himmelsschlisseli (Schlüsselblumen), heißt es im Alemannischen. Auch die Köcherfliegen werden Frühlingsfliegen genannt und zählen zu den Schmetterlingen, von denen sie sich durch die starke Behaarung ihrer Flügel unterscheiden. Sie tragen ihren Namen, weil sie ihren Körper durch einen selbstgebauten Köcher schützen. Bei Gefahr können sie sich ganz in diesen Köcher zurückziehen, zu dessen Konstruktion sie übrigens mit ihren Beinen Maß nehmen, "um gleichmäßige Bauteile zu erreichen". Wenig hat mich "in Bio" mehr fasziniert als diese Köcherfliegen. Wie viel Intelligenz allein in diesen kleinen Wundern!

Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm finden sich nahezu 300 Eintragungen zu Frühling. So ‚Frühlingsathem, Frühlingsbangen, Frühlingsbraut, Frühlingsdrang, Frühlingsfülle, Frühlingsgeist, Frühlingshelle, Frühlingsklang, Frühlingslust, Frühlingsrausch’. Wir sehen also schon, wohin uns der Frühling treibt. Wer da keine Frühlingsgefühle bekommt! Das Wort Frühling erscheint erst im 15. Jh. als verhältnismäßig späte Neubildung. Kluge spricht im etymologischen Wörterbuch von einer frühneuhochdeutschen, der Duden von einer spätmittelhochdeutschen Bildung. Die ältere Bezeichnung war ‚der Lenz’. Die analoge Bildung ‚Spätling’ für Herbst hat sich nicht durchgesetzt. Das Wort ‚Frühjahr’ bezeichnet mehr den Zeitraum, der ‚Frühling’ dagegen mehr die "gefühlsmäßige Seite der Jahreszeit." Im Pfälzischen sagt ein Sprichwort ‚friher Dunner - späder Hunger’, was so viel bedeutet wie ‚Gewitter im Frühling - schlechte Ernte’. Im Iran ist das nouruz (persisch ‚neuer Tag’), das Neujahrsfest am 21. März, "das größte iranische Fest". Es wird als Frühlingsfest "auch in den umliegenden Staaten und den zentralasiatischen Republiken begangen". Das Fest, schon lange in vorislamischer Zeit gefeiert, dauert zwei Wochen, wobei der 20. und 21. März als Jahresausklang und Jahresbeginn den Höhepunkt bilden. Man schmückt für die Festzeit das Haus in besonderer Weise, macht Hausputz (Frühjahrsputz), kleidet sich neu ein, besucht sich gegenseitig, beschenkt die Kinder und geht am 13. Tag draußen picknicken, auch, um mit einer rituellen Handlung alle Übel zu vertreiben.

Ja, und wer kennt nicht ein Frühlingsgedicht!? Eichendorf schwärmt:

Mir ist in solchen linden blauen Tagen,
Als müssten alle Farben auferstehen..."

Und Mörike:

"Frühling lässt sein blaues Band
wieder streifen durch die Lüfte ..."

Hoffentlich gibt es auch unter den Menschen einmal wieder Frühling und nicht nur Angst, Drohung und Zerstörung.

Stefan Pflaum, Der Dreisamtäler vom 20.3.2003

  

 © by  freiburg-schwarzwald.de, www.frsw.deinfo@frsw.de, Update 03.03.05