Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Stefan Pflaum
Vum Wunderfitz - Alemannische Texte 16 - 32
 

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1. Mai 2003 bei uns

"Vum Wunderfitz"
Die auf dieser Seite wiedergegebenen Texte von Stefan Pflaum sind im Dreisamtäler erschienen.

 

 


 

16  April, April!

I sott so schnell wie möglich ans ander End vun Lohr radle, het mir einer us minere Konfirmandegrupp uftrage. Vun dert ab dääd mich ä Freund vun ihm an de Hohbergsee begleite zum mir des Krokodil zeige, wo ich ihm nit glaube wott, dass es des wirkli git in Lohr, au no nit, wo er mir ä Foto vor d Nas ghalte het mit eme Krokodil im Wasser un hinte uf em Papier ä Stempel vum Café am See druf. Aber losgradelt bin i, un i ärger mi hit noch, dass i mi so hab verseckle lehn. Also, in d Pedal vu mim Drohtesel niigschtande un lospeest an de Schlüsselplatz. Dert isch au schu einer mit sim Rädli langsam aagfahre un ohni abstiege het r mir bedittet, i sott em noochfahre. Ä paar Minute später simmer iiboge in de Park vum Hohbergsee, hen bremst am Wasser, sin abgstiege, hen d Räder in de Kies gheie lehn, sin an s Ufer gsesse un hen uf s Wasser gluegt ohni ei Wort mitnander schwätze. "Wo isch jetze des Krokodil?" hab i mi nooch ere Wiili traue frooge. "Uf dinem Foto!" het r mr Antwort gäh, "un so ne Stempel kaasch in jedem Café uf jeds Foto stemple lehn". "April, April!" het r no gruefe un isch verschwunde. So bin i in sellem Johr in de April gschickt wore un sitter dem denk i an jedem erschte April an Krokodiler.

Im Deutschen Wörterbuch vun Jacob un Wilhelm Grimm heißt s, dass des in de April schicke "unserem alterthum unbekannt" gsi wär. Wenn i im 16. Jahrhundert glebt hätt, wär i nit zum Aprilnarr wore, dene Bruuch git s nämlich erschter sitter 1618 in Bayern un d Volkskundler meine, er hät us Frankrich de Weg zu uns gfunde. Dert het de Karl de Zehnte im Johr 1564 de Neujohrstag vum erschte April uf de erscht Jänner verlegt. Un wer die Kalenderveränderung vergesse het, isch am 1. April do gschtande wie de Ochs am Berg, wenn r het welle an dem Tag Neujohr fiere. So wie mir hit, wemmer uf em Heimweg merke, dass mr nit DM, sundern Euro zahlt hen. In Frankrich rieft mr "poisson d’avril" (Aprilfisch), wenn einem des passiert isch, was mir mit em Krokodil, un mr hängt de Lit heimlich Papierfischli an de Rucke, dass au jeder gli sähne kann, do isch ä Aprillechuê, wie mr em Aprilnarr in manchi Gegende bi uns sait.

"Aprilelchuê,
mach d Auge zuê,
hättsch it gluêgt,
no wärsch kchai Chuê!"

hab i in dem schöne Büechli Wäärerdütsch, Mundart in Wehr’ vum Bruno Schäuble gfunde.

In Aachen sait mr: "De Kinger hant der Vadder en der Aprel jescheckt". Hit könntsch meine, d ganz Welt wurd in de April gschickt. Aber des isch bigoscht ke Scherz meh!

Stefan Pflaum, Der Dreisamtäler vom 27.3.2003, www.dreisamtaeler.de

  

 

17 Hansjakob und der Krieg - auch der im Irak

Was das von europäischen Ländern und den USA jahrelang bis zum Hals aufgerüstete irakische Terrorregime jahrzehnte lang nicht geschafft hat, droht den Vereinigten Staaten und England mit ihrem völkerrechtswidrigen Krieg zu gelingen: Sadam Hussein und die ihm ergebenen Militäreinheiten zu Helden, zu Märtyrern zu machen. War sich der allergrößte Teil der Welt vor Kurzem noch darin einig, dem mörderischen Treiben der irakischen Herrscherkaste - auf friedlichem Wege - ein Ende zu bereiten, darf diese jetzt erleben, wie sich, ebenfalls im größten Teil der Welt, nun Millionen gegen die kriegführenden USA und England erheben. So viel Ironie der Geschichte ist schon kaum mehr erträglich. Aber lassen wir das Raisonnieren über diesen Krieg an dieser Stelle, es sind schon genug Argumente, richtige, verlogene und lächerliche, für oder gegen den Krieg im Irak zu hören und zu lesen gewesen. Hören wir einer anderen Stimme zu, die über den Krieg nachgedacht hat, nämlich der Stimme Hansjakobs, der, ein Jahr vor seinem Tode, mitten im Ersten Weltkrieg in seinem letzten Büchlein mit dem Titel "Zwiegespräche über den Weltkrieg, gehalten mit Fischen auf dem Meeresgrund" u.a. schrieb:

"Bei euch Fischen ist auch der beständige Kampf ums Dasein, in welchem die großen die kleinen und die kleinen die kleinsten auffressen müssen, um leben zu können. So will es die Einrichtung der Natur. Aber das kommt sicher bei euch nicht vor, dass tausend Haifische gegen tausend anderer Haifische auf Kommando je eines Riesenhais einander anfallen und auf Leben und Tod bekämpfen. Darum ist Krieg unter den Menschen die schrecklichste Frucht des Urteilsspruches Gottes: ‚Verflucht sei die Erde um deinetwillen’. ..... Selbst der große Preußenkönig und Feldherr Friedrich der Zweite von Preußen, der mehr als einen nicht einwandfreien Krieg geführt hat, schrieb später: ‚Ich bin versichert, wenn die Monarchen ein wahres und getreues Bild des Elends sehen würden, in welches eine einzige Kriegserklärung die Völker stürzt, nimmermehr könnten sie dagegen gleichgültig sein.’... Und mir schrieb ein Soldat von der Front: ‚Wer gesehen hat, wie gräßlich dieser Krieg mit den Leibern der Menschen umgeht, der wird dafür sein, daß jeder, der in Zukunft noch einmal von einem neuen Krieg spricht, sofort gehenkt wird.’ ....Trotz des Abscheus vor dem gräßlichen Morden in der heutigen Kriegführung und trotz des Abscheus vor künftigen Kriegen werden die Menschen späterer Generationen wieder Kriege führen." Hansjakob spricht vom "Kampf ums bessere Dasein", den die Völker führen mit "Mordinstrumenten und Todeserfindungen", die durch ständiges Auf - und Weiterrüsten "eines Tages zur Anwendung kommen mussten". Er sprach damals schon vom "Rüstungswahnsinn". Unter "Kampf ums bessere Dasein" verstand er nichts anderes als die Maßlosigkeit des Wachstums und das menschliche Streben nach immer mehr Genuss und Bequemlichkeit, die aber nicht das Lebensglück, sondern im Gegenteil, die Unzufriedenheit befördern würden.

Lektüre in der Höllentalbahn Ende März 2003 ... in der Höllentalbahn Ende März 2003

An Hans Thoma schrieb er am 16.6.1915: "Man möchte an der Menschheit verzweifeln. Kultur und Humanität, mit denen wir uns so brüsteten, sind der reinste Hohn geworden, und der Krieg wird viel mörderischer geführt als im ‚finsteren Mittelalter’. Die Pfarrer predigen auf den Kanzeln von einem Strafgericht Gottes. Sie sollten aber den Gott des Friedens und der Feindesliebe ganz aus dem Spiel lassen und sagen, der Krieg ist ein Strafgericht, das die Menschen an sich selber vollziehen."
Wenn man bedenkt, dass diese Äußerungen mehr als 80 Jahre zurückliegen, wird die Hoffnung auf eine baldige Zukunft in Frieden nicht gerade genährt.

Stefan Pflaum, 3.4.2003, www.dreisamtaeler.de

  

 

18 André Weckmann und der Krieg

"Als der Krieg begann, war ich 15, als er zu Ende ging, 20 ½", schreibt der elsässische Hebelpreisträger von 1976, André Weckmann, der 1943 zwangsrekrutiert und später in der Ukraine schwer verwundet den Zweiten Weltkrieg als Soldat in seiner schlimmsten Form erleben musste.

Je veux crier, je cri
Et mon cri me fait peur
(Ich will schreien, ich schreie
Und mein Schrei macht mir Angst)

"Ich lag verwundet im Graben am Waldrand, und die sowjetischen Panzer rollten auf mich zu....Da sagte ich mir: So, nun wirst du sterben. Entweder ein Russe ersticht dich, oder ein Panzer zermalmt dich." Hier schildert der Autor in einem Interview eine extreme Grenzsituation, die ihn sein ganzes Leben begleiten und seine Dichtung tief beeinflussen wird."Die Angst ist erst später gekommen, als alles vorbei war. Dann kamen die Alpträume, jahrelang. Aber im Moment gab es nur diese Automatik in mir: nicht lange überlegen, die Angst abschalten, und überleben, um jeden Preis. Das ist nicht mein Krieg, ich gehöre nicht zu denen." Viele derer, die den Irakkrieg erleben mussten, werden später Ähnliches zu Papier bringen, auch nachts schreiend aus dem Schlaf aufschrecken. "Andere haben viel Schlimmeres erlebt als ich. Mir hat das gereicht. Ich bin davongekommen und kann heute darüber reden und schreiben, muss es auch, und ständig wiederholen: "Proklatnaja wojna", wie die Russen sagen, Scheißkrieg, verdammter." Das willkürliche Abknallen zweier russischer Frauen durch zwei Kriegskameraden am 8. November 1943 in Fastov entsetzt ihn, wühlt ihn auf gegen diesen Krieg, und dieses Entsetzen lässt ihn nicht mehr los.1944 desertiert Weckmann und versteckt sich für zweieinhalb Monate im Keller des Elternhauses im Elsass in einem Weinfass "in einer fast pränatalen Fötus-Position". Sein früherer Klassenlehrer, Alphonse Wollbrett, versorgte ihn mit Literatur. So mit einer provenzalischen Grammatik und dann mit den Gedichten des französischen Literaturnobelpreisträgers Frédéric Mistral, von dem er "das eine oder andere Gedicht" ins Elsässische übertragen hat, um geistig aktiv zu bleiben. "Dann habe ich auch Gedichte von Nathan Katz, unserem Sundgauer Mistral, gelesen." Im Oktober 1944 schrieb er in seinem Kellerversteck, immer in der Angst, entdeckt und am nächsten Kastanienbaum aufgehängt zu werden:

O wie branne mini wunde!
Wer het mir fyr ins Fleisch gelait?
Wer het mich an d’ard gebunde
un in d’doode ningeraiht?

Weckmanns Lehrer Wolbrett hatte ihm gesagt: "las des un lehrs"(lies das und lerne es). Und Weckmann verstand den Sinn hinter den Wörtern. "Die Poesie wird dich retten, gleich ob provenzalisch oder elsässisch. Sie vermag deine Ängste zu verjagen.. Hab’ Vertrauen in sie."

Stefan Pflaum, der Dreisamtäler vom 10.4.2003, www.dreisamtaeler.de

Irak-Resistance 4/2003 Irak - Resistance April 2003

  
 

19 Leid und Freud

"D’r Herrgott het/de Tod verjaawt (verjagt),
gewinnt hit d’Wett/d’r Teifel klaawt...(klagt),

schreibt der Elsässer Raymond Matzen in seinem Gedicht "’s isch Oschtre hit".

Ostern gilt als das "grundlegende" Fest des Christentums und ist zusammen mit Pfingsten auch das älteste. Die Christen feiern Ostern als Fest der Auferstehung Christi von den Toten. "Das war der heilige Ostersonntag, der ...gefeiert wird im Frühjahr, wann die ersten Samenkerne aus der Erde aufgehen und sozusagen auch ihre Auferstehung halten", schreibt. J. P. Hebel in einem erklärenden Zusatz zu einer seiner Geschichten. Der Osterfestkreis mit seinen sechs Sonntagen der Passionszeit, von Invocavit, "er hat mich angerufen" , Ps. 91, 15, bis zum Palmsonntag mit seinen Buchszweigen und dem Palmesel ist voller Symbolik, Riten, Weihehandlungen und Bräuche. So die Zahl 40. Vierzig Tage Vorbereitung auf das Osterfest und die 40 Tage nach Ostern bis Himmelfahrt. Dies wurde schon im vierten Jahrhundert festgelegt. (Die Sintflut dauert 40 Tage, Jesus in der Wüste wurde 40 Tage vom Teufel versucht, der Zug Israels durch die Wüste dauerte 40 Tage). Da ist die Buße durch Fasten als Zeichen der Trauer über das Leiden Christi. Da sind die den vorösterlichen Sonntagen zugeordneten Bibeltexte, so das Gleichnis von den bösen Weingärtnern, das Bild vom Weizenkorn.

Da ist der Gründonnerstag mit dem Glockenschweigen nach dem Gloria in der Messe. Sein Name kommt von mittelhochdeutsch gronan = greinen, weinen, nicht von grün. Der Karfreitag mit seinen Karfreitagsliedern ("O Haupt voll Blut und Wunden" von Paul Gerhardt) zum Gedenken an Kreuzigung, Tod und Begräbnis. Sein Name wie auch der der ganzen Karwoche kommt von althochdeutsch chara, Klage, Trauer. In allen vier Evangelien werden Verhör, Verurteilung, Verspottung, Kreuztragung, Kreuzigung, Kreuzabnahme und Grablegung dargestellt. Für die Evangelischen ist der Kreuzestod das eigentliche Heilsereignis.

Der Karfreitag ist der Tag der "Stille und Besinnung", des Nachdenkens über "Unrecht und Gewalt, menschliche Schuld und Grausamkeit". Anlass dazu gibt es, Gott sei’s geklagt, wahrlich genug.! Der Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe. Im Freiburger Münster findet man für die Andacht an diesem Tag ein Grabdenkmal Christi. Wir haben die Lesung der Ostergeschichte, Osterpredigt, Osternachtfeier, Kreuzverehrung, Passionsmusik, Osterfeuer, Ostervesper, Segnung des Taufwassers, österliche Speisesegnung, Osterkrippen.

Das Oster-Ei als Sinnbild des neuen Lebens, Sinnbild des Suchens und Findens: "Suchet, so werdet ihr finden", Mt.7,7. Die Tradition des Bemalens von Ostereiern ist erst seit dem 17. Jh. verbreitet, aber schon 1230 belegt. Der Osterhase gilt als Sinnbild der flüchtigen Zeit und der Fruchtbarkeit. Und als Mondtier, er ist nachts aktiv. Ostern richtet sich ja nach dem Mondkalender und deshalb verschiebt sich das Datum. Immer aber feiern wir das Osterfest am ersten Sonntag nach dem auf den Frühlingsbeginn folgenden Vollmond. Als wichtiges Symbol haben wir schließlich das Opferlamm, eine Tradition, die schon auf vorbiblische Hirtenrituale zurückgeht.

Eng verwandt ist Ostern mit dem jüdischen Passafest, der Feier der "Befreiung und des Exodus (Auszug) des jüdischen Volkes aus ägyptischer Knechtschaft". Von da der französische Name Pâques, spanisch pascua und russisch pasha. Der Name Ostern soll zurückgehen auf eine "gemutmaßte" germanische Frühlingsgöttin Ôstarâ. Dem wiederum liegt zugrunde austrô = Morgenröte. Die Auferstehung des Lichts wurde dann übertragen auf die christliche Auferstehung. Die Franken sollen das lateinische albae = weiß (weiße Taufgewänder!) des ursprünglichen albae paschales mit austrô übersetzt haben . Und so kam es zu Ostern. Die Evangelien datieren die Auferweckung Christi von den Toten auf den ersten Tag der Woche, also auf den Tag nach dem jüdischen Sabbat. Deshalb ist für die Christen der Sonntag der "grundlegende" Feiertag.

Wenn s am Karfritig regnet,
isch’s ganz Johr gsegnet",

heißt eine Wetterregel. Soll eich jetz de Wunderfitz ä verregnete Karfritig wünsche?

Stefan Pflaum , 17.4.2003, www.dreisamtaeler.de

  

 

20 De erscht Mai un d Haifisch

Bim Zittiglese wurd s dr aafange jede Daag liedriger in de Magegegend. In dere Welt het schien s nix meh Bestand als wie numme de Wechsel, d Veränderung.

Dodegege isch im Grund gnumme nix iizwende, isch doch s ganz Läbe Veränderung, vum no nit Sii zum nimmi Sii. Des isch s aber nitte, was d Lit plogt. Was si rumtriebt, isch, dass si nit wisse, wo s na goht. Wemmer s wisse dääd, könnt mr sich vorbereite druf. Mr wott jo gern mitbaue an de Zuekunft. No wär au sell Gfühl in de Magegegend nimmi äso. Aber hit isch schien s d Zuekunft kei Zuekunft meh. Numme so ne Ungwissheit, wo sich d Mensche gern devor wotte verdrucke. Kannsch di nit wehre degege, bisch dem usgsetzt. D Zuekunft, ä grossi Leeri, wo alli un alles verschluckt.

D Mensche hen kei Bode meh unter de Fieß. Überall kriselets. Überall were Waffe baut un verkauft. Un benutzt. An alle Ecke vun dere Welt wurd gschosse, zünslet un bombt. Un selli, wu s trifft, verbrennt un verrisst?

Mr hen immer längeri Brucke, tieferi Tunnels, höheri Wolkekratzer, schickeri Boutique un Gaschtrotempel, verruckteri Vergnügungszentre und Freizitaagebote. Un selli, wu nix hen, nit ämol ebbis zum Fuetere, un ke Moral? Un selli, wu vil meh wie gnueg hen, un erscht rächt ke Moral? Un selli, wu ke Friede hen, ke Heimet, ke Ärwet, ke Eltere? Ke Hoffnung? Ke Zuekunft? Do simmer widder: bi de Zuekunft. Wu viele des liedrige Gfühl in de Magegegend macht.
"Was isch", het mi desletscht einer gfrogt, "wenn d Amis dicht mache un nix meh kaufe bi uns? Wenn d Arbeitslosezahle stiege? Wenn d Rentner immer meh un d Rente immer weniger were? Wenn de de Dokter nimmi zahle kannsch? Wenn immer meh Großi immer meh Kleini fresse? Wenn des riche, starke, gscheite Ditschland de Bach nabgoht?" Des het sich bi uns schu fuffzig Johr nieme meh traut denke.

Un trotzdem, dass Millione Mensche bi uns, un woandersch erscht rächt, d Angscht packt het, schtritte sich selli, wu d Verantwortung übernomme hen. Regierunge mit Regierunge, d Länder mit em Bund, d Städt mit de Länder un em Bund, Institutione mit Kommissione, Parteiführung mit de Basis, d Kircheobere mit em Kirchevolk, d Gwerkschafte mit de Unternehmer. Un soo ohni End. Wie uf eme Schiff, wu längscht aafange het sinke, de Kapitän mit de Ingenieure rumräächtet, wer schuld isch dra, dass des Schiff untergoht! Nit einer het de Muet, für des Leck schtopfe, vun wu s Wasser iinedruckt un nit einer git de Befehl für die Maschine laufe lehn, wu s Wasser nusspumpe sotte. Debii sin schu d erschte Passagiere über Bord. Vun ganz wit hinte uf Deck hört mr eine riefe, mir brichte ganz anderi Schiff, ganz anderi Maschine. Ganz anderi Kapitän un Ingenieure, jo, ganz anderi Mensche! "Der macht uns de Gaul schii!", hen d Bordoffiziere rumgischpelt, hen der arme Kerli packt un, ohni ei Wort mit em schwätze, in s Meer zue de Haifisch gheit.
Was isch, wenn aber die arm Seel, wo jetz i me Haifischranze wohnt, räächt het?
Mr sotte am erschte Mai an die arm Menscheseel im Haifisch denke, aber au au an d Haifischseel in de Mensche! Meint de Wunderfitz.

Stefan Pflaum im Dreisamtäler vom 30.4.2003

  

 

21 Muttertag

Bei uns wird der sogenannte Muttertag am zweiten Sonntag im Mai gefeiert. Ein Tag zur Ehrung der Mütter und ein Tag des Dankes für deren "aufopfernde Arbeit während des ganzen Jahres". Die Amerikanerin Anne Jarvis hatte 1908 einen General Memorial Day of all Mothers gefordert. Die Idee dazu kam ihr schon 1907, am zweiten Todestag ihrer Mutter. Die Methodistische Episkopalkirche in den USA feierte den Tag ab 1912 als kirchlichen Feiertag und der Kongress der Vereinigten Staaten erklärte ihn unter der Präsidentschaft von Woodrow Wilson1914 zum offiziellen Festtag. In England wurde gleichzeitig ein schon im 16. Jh. nachweisbarer Mothering Sunday wiederbelebt. 1917 kam der Muttertag über die Heilsarmee in die Schweiz. Schon ab 1923 setzt sich der Muttertag im Deutschen Reich allmählich durch. Er wurde 1933 auf den zweiten Sonntag im Mai festgelegt. Die kommunistischen Länder feierten am 8. März den Internationalen Frauentag. Eine "kapitalistische" Mutter und eine "sozialistische" Frau sollten schon ganz klar unterschieden werden!1923 initiierte der deutsche Blumenhändlerverband "mit Gratissträußchen und Geschenkaktionen in Krankenhäusern und Altersheimen ....zum ersten Mal eine großangelegte Werbekampagne". Anne Jarvis hatte sich allerdings "entschieden gegen die Kommerzialisierung dieses Tages gewandt". Im gleichen Jahr, nämlich 1923, als sich in Deutschland die Idee des Muttertags zu etablieren beginnt, stellt die Graphikerin, Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz in der Preußischen Akademie der Künste in Berlin ihre Holzschnittfolge Der Krieg aus. Ein harscher Protest gegen den missbräuchlichen Kult der Mütterlichkeit. Einzelbilder dieses Kriegszyklus tragen die Titel "Der Krieg", "Die Witwe", "Die Bettelnde", "Die Mütter". Käthe Kollwitz hatte schon im Oktober 1914 ihren Lieblingssohn auf einem Schlachtfeld des ersten Weltkriegs verloren und sie spricht von "sinnlosem Opfer" und "hirnverbranntem Wahnsinn". Das verhinderte nicht, dass nach Ende des Krieges Frauenbünde gegründet wurden, so der Deutsche Frauenkampfbund oder der Stahlhelmfrauenbund, die gegen die "Schändung des Vaterlandes" durch die "Schmach des Versailler Vertrags" kämpfen sollten. Nur wenige Jahre später gab es dann im "Tausendjährigen Reich" den Mütterdienst in der Hauptabteilung VI des Reichsfrauendienstes und das Mutterkreuz ab vier Kinder. In der Sowjetunion gab es eine Mutterschaftsmedaille für fünf und sechs Kinder, einen Mutterruhm - Orden für sieben, acht, neun Kinder und einen "Orden und Titel Mutterheldin" für zehn Kinder und mehr. Auch im Jahr 1923 bestimmt der Artikel 128 der Deutschen Verfassung, dass Beamtinnen, wenn sie heiraten oder ein uneheliches Kind bekommen, entlassen werden. In der Türkei propagiert Atatürk (= Vater der Türken), dass Frauen in Zukunft unverschleiert auftreten sollen. In Deutschland ist die wirtschaftliche Not so groß, dass Frauen Lebensmittelgeschäfte plündern.

Im Lexikon finden wir u.a. Mutterbindung, Mütterberatungsstelle, Mutterboden, Mutterfolge, Mutterhaus, Mutterkirche, Mutterland, Muttermal, Mütterpass, Mutterrecht, Mutterschiff, Muterschutz und Muttersprache. Viele alleinerziehende Mütter aber auch viele Kinder sind heute mutterseelenallein. Das hat aber nichts mit "Muttern" zu tun. Es kommt nämlich aus dem Französischen moi tout seul, (ich ganz allein) und das wird bei der Eindeutschung zu mutterseel. Weil das so nichts bedeutet, fügt man allein hinzu und schon hat man, genauer, ist man mutterseelenallein. Hoffentlich nicht die Mütter, wenigstens am Muttertag!

Stefan Pflaum, 8.5.2003

  

 

22 Mai, Wonnemond

Des mit dr Wonne soll nit ällei mit dem zämme hänge, was in de meischte Romane in de ganze Welt s Hauptthema isch, was jede Dag Millione Mensche in ä lebensgfährlicher Usnahmezustand versetzt un in überirdischi Dimensione abhebe losst, aber fascht gnau so vieli in ä tödlichi Raserei triibt un zu bsessene Mörder macht, wenn si us de überirdische Höhe abstürze in d Höll vun de Iifersucht. Ihr wisse schu: d Liabi. D Maidli siehsch im Mai zmitte uf de Schtroß, in de Schtroßebahn, uf em Marktplatz d Kerli aahimmle und d Kerli mutiere vu eim Daag uf de ander zu Maidlifießler.
Un trotz dass bi uns d Liabi hitzedaags s ganz Johr dure nit numme s Hauptthema bi de kleine un de große Dichter isch, sundern au no ä Hauptgschäft, jo, ä Hauptinduschtrie, isches im Mai allewiel no ä bizz meh s Thema als sunsch im Johr. Un do soll des Wörtli Wonne, wie Sprochforscher meine, vun Wunne kumme, was nix anders bedittet als Wiese. De ganze Wonnemond also rabzoge us em erotische Gwölk un zu dem Monet verkleinert, wo mr s Vieh uf d Wiese, uf d Weide tribt. Aber d Sprochgschichtler hen d Dichter nit könne abhalte devu, de Mai z fiiere, genauso wenig wie sich unser Jesus vum Pankraz, Servaz un Bonifaz het dra hindere lehn uf ere Wolke in de Himmel uffahre. So schtohts jedefalls im Lukasevangelium.

Bim August Ganther bin i glii drei mol fündig wore mit Gedichter über de Mai.
"Wenn d Vögili pfiffe im sunnige Mai
nor pfiff i als au, pfiff frischweg für zwei",
fangt ä Maigedicht in sim Büechli Duweköpfli us’em Schwarzwald aa.

Im Nachlassband Wildbächli git s eins mit em Titel "Maieblüemli". Un in "E Maiedag" heißts:
"Horch! Im Gärtli summe d’Immli;
D’ Käfer brumme frisch druf los.
Horch! Im Kriasebaum, im Dolder
pfifft d’r Fink si Liad, si froh’s".
De Philipp Brucker losst in sinem Gschichtli "De Maiusflug" de Dirigent vu me Gsangverein de Wandergrupp vorrusgoh un de Weg mit Klopapier, wo ner an d Zwiig vun de Baim hängt, markiere. In Von Schachteln und Schächtili krabble in de Gschicht "Maikäfer flieg!" Maikäfer us de Pappedeckelschachtle, wo d Schüeler mit in d Schuel broocht hen. Otto Meyer vum Kaiserschtuel het au ä Maikäfergedicht gmacht, wo s heißt: "Wia hesch as Burscht e Schpaß drab gha, dia Maiekäer i’gschperrt z’ha...". De Werner Richter schribt im ä Maiversli:
"Ich lock’ die Menschen auf die Flur
und weck’ die Liebe zur Natur,
so manches Pärchen laß’ ich finden,
die sich fürs ganze Leben binden".

Bi de Ida Guldenschuh heißt s:
"Schöni, chlari Maienacht,
Himmel voller Sterne,
über dini Ferne
scho ne neue Tag verwacht".

Un bim Otto Reinacher deno widder:
"Hochzit im Maie!
S erst in der Reihe
das noble Paar".

De Gerhard Jung sait so wunderschön:
"Wenn s maielet, wenn s maielet,
sell isch scho öbis glatts ....".

Ä andere Titel bim Gerhard Jung isch: "Maiesunntig am Drei-Länder-Eck". Bim Karl Kurrus bin i zweimol fündig wore. Ei Gedicht heißt "Im Mai", ä anders "Maiegleckli". Do schtoht:
"Maiegleckli, Maieriisli,
toisertfach im Wald drininn,
gen so netti Heimetstrißli,
wecke-n-is e liabe Sinn".

"E liabe Sinn" ! Des wünscht de Wunderfitz, dass de Mai des bi sine Leser weckt.

Stefan Pflaum

  

23 Schwäbische Leckerbissen

Ab dem 9. Jahrhundert wird das Land "Alamannien", das Land am Hoch - und Oberrhein, zunehmend "Schwaben" genannt. "Alemannen und Schwaben – das waren zwei Namen für einen Stamm." Dennoch gibt es vermutlich keinen Einheimischen aus unserer Gegend, der sich nicht dagegen verwahrt hätte, in nördlichen Gefilden, aber auch in Bayern oder im Elsass als Schwabe bezeichnet zu werden. Er sei kein Schwabe, mag er dann, ins Mark seiner Seele getroffen, wütend protestiert haben, sondern er sei...., ja was denn eigentlich? Badener? Ein ganz und gar unzulässiger Vergleich, denn es müsste dann "streng genommen badisch kontra württembergisch heißen", weil Baden ein politisch-administrativer Begriff ist. Das Schwäbische hat sich erst durch Lautverschiebungen vom alemannischen Dialekt ausdifferenziert. Trennungslinie ist die Schwarzwaldschranke. Beispiele sind oberrheinalemannisch Iis, Huus und schwäbisch Eis, Haus, sowie die Kontraste Schnee, grooß / Schnai, grauß und sie mache / sie machet. Das Schwäbische gehört also zum gesamtalemannischen Raum. Die Sprachwissenschaftler Bassler und Steger ziehen allerdings für "gesamtalemannisch" den Ausdruck "Westoberdeutsch" vor, um so Gleichsetzungen mit "stammesverbandlichen oder anderen ethnischen Gliederungen (Sueben /Alemannen)" zu vermeiden. Thaddäus Troll schreibt: "So ist Alemannisch nichts anderes als eine ältere Form des Schwäbischen und Schwäbisch eine moderne Form des Alemannischen. Literarisch wurde dieser Unterschied erst mit dem Erscheinen von Johann Peter Hebels Alemannischen Gedichten fixiert". Und Troll macht der wissenschaftlichen Diskussion ein Ende mit dem Diktum: "Schwabe ist, wer schwäbisch spricht."

Listen mit auffallenden Wörtern ("Idiotismen" genannt) gibt es für das Schwäbische bereits "aus der Mitte des 18.Jahrhunderts". Und einige solche Wörter, die mir in schwäbischen Wörterbüchlein aufgefallen sind, will ich dem geneigten Leser jetzt vorstellen: schwäbische Leckerbissen eben.

So nennt man einen durchtriebenen Kerl alafatzig, eine Tratschtante Babbelbaas, eine ungeschickte Person Drallwatsch, Kartoffelpüree Ebbirastobber, Mutter und Vater des Schwiegersohns oder der Schwiegertochter Gegaschwieger, einen Umstandskrämer Giddrlesscheißer, einen Purzelbaum Kopflabuuz und eine Sensation Kuahfliagede. Da sage mal einer, das Schwäbische habe nicht ebensoviel Sprachphantasie wie unser Oberrheinalemannisch! Oder hätten Sie gewusst, dass ein Lällebäbbel ein naiver, träumerischer, unbedarfter Mensch ist, ein Kutterfässle ein Mülleimer, ein Rabbler ein aufgeregter Mensch und Spinner und dass verduwäggle verdummen bedeutet? Genau das, was man sich nicht lassen soll.

Zum Schluss noch einen Vers aus dem "Schwobespiegel" von August Lämmle:
"E Spatz des ist koa Distelfenk
ond doch e Musikant –
s soll jeder pfeife, wie-n-rs ka’,
no stemmts en Stand ond Land."

Stefan Pflaum, DER DREISAMTÄLER vom 18.6.2003

  

 

24 Armes Deutschland?

Auch wenn überall und täglich lamentiert wird, Deutschland verliere immer mehr Spitzenpositionen, so mag dies für viele Bereiche gelten. Wirtschaft, Bildung, Soziales, Wissenschaft, Technik, Kunst. Gewiss auch für die Position der deutschen Sprache. Der Hochsprache. Aber gilt dies auch für die Mundarten? Was diese betrifft, ist Deutschland, man mag noch so oft und leidenschaftlich das Gegenteil behaupten, immer noch ein reiches Land. Ein sehr reiches sogar. In welchem Land gibt es fünfzig Asterix - Mundart - Ausgaben (bis jetzt) mit 26 Mundarten, darunter auch Stadtdialekte. Einzige Ausnahme ist der „ Asterix uff badisch“. Denn Badisch ist kein Dialekt. Wenn, dann wären es mindestens zwei Dialekte, der alemannische  und der fränkische. Ich weiß auch nicht, warum man bei „Asterix redt wienerisch“ wienerisch klein aber bei „Asterix schnackt Hamburgisch“ Hamburgisch groß schreibt. Aber seien wir nicht so kleinlich mit groß und klein und Namen für die einzelnen Mundarten. Festhalten können wir, dass Asterix, Obelix und die anderen Ixe, wie vom heiligen Geist beseelt,  in all diesen Sprachvarianten zu Hause sind. Und so wollen wir eine kleine Reise beginnen, von Süden nach Norden, um mit Wörtern aus verschiedenen Regionen und Städten zu belegen, wie reich das Mundartdeutschland geblieben ist. Und hoffentlich bleibt. Dabei wollen wir keine Sprachgeschichte treiben, sondern die Wortformen einfach nur genießen. Die aufgeführten Wortbeispiele sind nicht immer auf die genannten Gebiete beschränkt, es gibt vielfach Überschneidungen und Ähnlichkeiten, da mehrere Regionen sprachlich zu einer großen Dialektgruppe gehören können, sei es zur bayrischen, alemannischen oder zu anderen. Auch sind Bezeichnungen für Regionen nicht automatisch identisch mit einer Dialektbezeichnung.

Wir beginnen in Südtirol mit der auffälligen Form d’r Beschtigschte für /der Beste/, ingaling für /allmählich/, die Mandr für /Männer/,  Naunggerle für /Schläfchen/ und Tschosch für /Geld/. A Krischpile ist in Kärnten eine schmächtige Person, ein Staudenhucka ein Feigling, und wenn der auch noch tollpatschig ist, nennt man ihn potschat. In der Steiermark finden wir Boodewaschl für /Bademeister/, Böülli für /ungehobelter, dummer Mensch/, doura für /dort/, obkraagln für /den Hals umdrehen/, Goudal für /Doppelkinn/ und klafuuzig für /kleingewachsen/. In Tirol heißt dechtasch /doch/, Lappele /Idiot/, lei heißt /nur/ und ein Wompata ist ein /dickbäuchiger Mensch/. Der Wiener sagt Bluetwiesn zu /Schlachtfeld/, bürschtln zu /trinken/, Dreckshockn zu /Schmutzarbeit/, Einedrahra zu /Angeber/, Gfrastsackl zu /sehr boshafter Mensch/. Ein verblödeter Mensch ist hirnmarod, ein großkotziger pampat, ein sprachloser schmähstaad und ein belämmerter wuggi. Bresln sind Probleme, a Habschi ist ein Freund, a Pappalatur ein Mundwerk, und wer mit Genuss schmaust, schnabuliert. Wer jemanden verprügelt, schdööd a Watschenbaam auf, Spässchen sind Gschbasettln und wer Kohldampf schiebt, hat flamoo. In München heißt’s, wenn wo richtig was abgeht, aufgeds beim Schichdl. Owikein meint, wenn einer beim Fensterln von der Angebeteten unsanft zurückgewiesen wird und mit samt der Leiter von den himmlischen Gefilden am Fenstersims zur Erde zurückbefördert. „Jetza host an Dreck im Schachdal“, „da hast du die Bescherung“, sagen dann die Schbezln am Stammtisch angesichts der blauen Flecken und Schürfwunden ihres Saufkumpans. „Is si da z hoaß kimma“? spotten sie dann im Chor und klopfen sich vor Lachen die Schenkel rot. Wahrlich kein Schnadahibfal! Kein lustiger Gesang.

Stefan Pflaum, 3.7.2003

  

25 Deheim fremd, in de Fremdi deheim

Ob sie mir de Weg könnt wiise zue dem Camping - un Freizitzentrum, i wott ä Sunneschirm kaufe, hab i ä alti, pflegt aazoogini Frau gfrogt, wo mit ere andere uf em Trottoir grad ä Schwätzli ghalte het. S mießt do in de Näächi sii, hätte mir schu zwei andri versichert. „Ha, un ob“, het si stolz Antwort gäh, „ sie wär do gebore  un hätt schu selber iikauft in dem Camping-Zentrum, sellemol, wo d Enkel si mittgnumme hätte nach Italie un si für der Zweck ä stabili Luftmatratz für „mich alti Schese gsuecht hen.“ Sie könnt hit noch „bon tschorno“, „arriwedertschi“ un mollto grattsie“ sage. Sie hätt des Gschäft liibhaftig vor Auge, aber mim Auto wär si no nie dert gsi. Zerscht ämol mießte mr gradus fahre, no d nächscht links abbiege bis zu de Baustell un deno.... „Nei, halt, des haut nit hii, dert vorne isch jo d Strooß uf de ganze Breiti gschperrt! Ihr miin zwei Schtrooße witter un deno links ab, wenn des kei Eibahnschtrooß isch. „Weisch du des?“ het si ihri jüngeri Gschprächspartneri gfroogt, aber die het nit könne helfe. „No nemme nr halt d Strooß denooch“ jetz widder die erscht Frau, „fahre bis zue dem große, rote Huus mit em Briefkaschte un....“. „Denne hen si letzscht Woch abgmacht!“ isch si vun de Jüngere verbessert wore, „ä Briefkaschte git s dert keine meh, Sie miin witter bis zu dere Tankschtell, wenn die noch exischtiert. Sitter de nei Umgehungsschtrooß rentiert sich des Gschäft mim Benzin wahrschiins nimmi, am Beschte, Sie fahre ä Schtuck zruck un die erscht rechts nii bis zue de Fueßgänger-Zon un dert im Boge links rum bis zue de katholisch Kirch, dert könne Si deno witterschfrooge. Die Gegend isch nämlig ä weng kompliziert mim Auto“. Mittlerwiili het ä älterer Maa mi me Hundli an de Leine die Experte-Rundi vergrößert gha un z Bedenke gen, dass mr vun dere Sitte us des Camping- Zentrum gar nimmi erreiche könnt, mr mießt unter de Unterführung am Ortsusgang durch, uf de Autobahnzubringer un no die zweit Usfahrt zum Industriegebiet iibiege, dert über d erscht Kreuzung drüber, die erscht Strooß rechts un deno parallel zum Autobahnzuebringer widder zruck bis fascht an d katholisch Kirch, aber vun de andere Sit. Dert sott i parke un fuffzig Meter zrucklaufe, vor em Camping-Zentrum wäre si grad debii ä Tiefgarage baue, mr könnt dert im Moment kei Auto nit abstelle.

„Jetz läb i bigoscht schu bal fünfesiwezig Johr in dem Ort un kenn mi immer weniger us“, het unseri alt Madame sich eriiferet, „de weisch zwar, wu die Hiieser un Gschäfter sin, aber de weisch nimmi, wie de naakunnsch“. „Allnaslang“, isch si brummlig furtgfahre, „wurd ebbs ufgrabe, abgrisse, umbaut, ä neji Schtrooß mueß her, ä Iikaufszentrum, ä Halle. Leitunge were glegt, Wohnsiedlunge erschlosse, Buslinie verlängert. Enneweg jomere d Gemeinde über Schulde, d Bauindustrie über zwenig Ufträg, d Gschäfter über z gizigi Kunde un d Kunde über z tiieri Gschäfter. Mir Alte fühle uns bi dene Veränderunge deheim immer fremder un in de Fremdi bal meh deheim als wie do bi uns. S git kei Bliibi meh! Nix meh, wo dr vertraut isch, wo de dich kaasch dra hebe. Muesch di an dir selber hebe , am End. Wie soll des goh“?

Bis ich des Camping-Zentrum endlich hab ufgfunde gha, isch es gschlosse gsii. Ä Sunneschirm he mr enneweg. D Noochbere hen uns noch am selbe Daag einer gschenkt.

  

26 Freiburg. Gibt es eine Freiburger Identität?

Identität, was ist das? Mit wem und mit was identifizieren wir uns? Was ist für uns die Identität unserer Stadt?

Jeder identifiziert sich mit etwas Bestimmtem in seinem Dorf, in seiner Stadt, in seinem Land. Aber das ist nicht unbedingt das, was andere Menschen, Außenstehende mit diesem Dorf, dieser Stadt, diesem Land identifizieren. Mein London, Tokio, Toronto, Moskau oder Buenos Aires, in unserem Fall, mein Freiburg, ist nicht die Stadt, die sie für andere Menschen ist, die dort wohnen oder auch nicht dort wohnen. Ich will sagen: Es gibt nicht die Identität einer Stadt, es gibt viele Identitäten Dennoch bildet sich etwas heraus, was eben doch, „typisch“ für die eine Stadt ist, aber nicht diese einzelne Erscheinung oder jene, sondern eine Gesamtheit aus Phänomenen und Verhaltensweisen, die eine Mehrheit mit einer bestimmten Stadt verbindet. Rio de Janeiro, lassen Sie mich diese Stadt als Beispiel nehmen, ist eben nicht nur Karneval. Sonst müssten viele Städte auf der Welt so berühmt sein wie Rio. Der Karneval in Rio besteht nicht nur aus Karneval, sondern aus der ganzen Stadt, der Umgebung, Meer, Zuckerhut, den Favelas, den Elendsvierteln. Blauer Himmel, Hitze, Musik, Tanz, Gesang, Kostüme, Sex, Morde, Menschenmassen, Freizügigkeit. Erst diese Vielzahl an einzelnen Erscheinungen und Elementen, von Elementen auch, die den Menschen in Rio selbst nicht bekannt sind, macht den Karneval in Rio und damit Rio selbst zu dem Einzigartigen, das man mit Rio verbindet. Was das genau ist, kann niemand in Kürze darstellen. Er wird sagen, er müsste ein ganzes Buch darüber schreiben. Und er hätte vermutlich Recht.

Also: Freiburg hat etwas, was es ganz und gar unverwechselbar mit anderen Städten macht. Was die Menschen, die Freiburg kennen, in anderen Teilen Deutschlands, Europas oder in anderen Kontinenten sagen lässt: „Oh, Sie wohnen in Freiburg? Da können sie sich aber glücklich schätzen!“ Warum sagen diese Menschen das, und was also ist das Typische an Freiburg? Was ist die Identität von Freiburg? Die Antwort kann nur sein: Vieles. Denn eine Stadt ist nicht identisch allein mit ihrem Fluss, ihrem Münster, ihren Menschen, ihrer Geschichte, ihren Produkten. Im Gegenteil. Wenn das so ist – und das kommt vor – dann ist eben genau dies, die Identifikation mit nur einem Phänomen, typisch für diese Stadt. Das aber ist eher die Ausnahme und gilt vielleicht für Hiroshima und die Atombombe, Pamplona in Spanien und sein berühmtes Stierfest.

Fest steht auch, dass nicht nur Tatsachen die Identität einer Stadt schaffen, sondern vielmehr die unzähligen Erzählungen über Erlebnisse und Empfindungen in dieser Stadt. Das ist deshalb wichtig, weil jeder Ort auch ein wenig oder auch sehr viel von dem widerspiegelt, was wir selber sind, was wir von uns selbst in diese Stadt mit hineinbringen und dann, nachdem wir ein Stück von ihr kennen gelernt haben, wieder mit hinaustragen, mit nach Hause nehmen und anderen weiter erzählen, die dann aber, wenn sie diese Stadt besuchen, eine ganz andere Stadt vorfinden, als die, von der wir ihnen erzählt haben. Trotzdem wird auch deren Freiburg eine Stadt sein, die Freiburg von allen anderen Städten in der Welt unterscheidet. Und ich bin sicher, sie werden sagen, Freiburg sei eine besondere, besonders schöne und besonders liebenswerte Stadt. Warum? Eine Antwort darauf wollen wir in weiteren Beiträgen zu geben versuchen.
Stefan Pflaum , 24.7.2003, www.dreisamtaeler.de

  


27 Ferie - Zit

„I schwör s bi alle Heilige, dass i miner Läbdaag no nie kei Urlaub nit gmacht hab. Verreist bin i schu gar nit. Au nit mini Frau. Mini Eltere hätte für nix in de Welt unser Dorf länger verlosse als wie höchschtens für ei Daag. Kannsch dr usrechne, wie wit si deno kumme sin! Nei, Nei, für uns isch „Urlaub“ ä Fremdwort, un s wurd wohl au so bliebe“, het mir ä Buuer vum Schwarzwald verzellt. Er mießt als grad de Kopf schüttle, über was d Litt alles an en naschwätze dääde, wenn si zruckkumme vun ihre große Reise. Bergtoure im Himalaya, Krizfahrte im Mittelmeer, Wüschtewanderunge in de Sahara, Besichtigung vun ere ägyptische Pyramid oder vun de Chinesische Muer. De eine hätt s in Thailand besser gfalle als in Auschtralie, s nächschte Mol wotte si aber lieber ämol nach Kuba, ä Kegelbrueder un sini Frau wäre so us em Hiisli gsii nooch eme Bsuech dert. D Litt schwärme oder schimpfe, sin begeischtert oder enttäuscht, hen Sunnebrand oder Malaria, s Knie kaputt, Gichter oder s Ranzepfiffe. Enneweg: „Traumhaft isch s gsii, wie im Paradies, numme z viel Tourischte un Ditschi“. Als wenn sie selber kei Tourischte un kei Ditschi wäre! Kei Gschpräch meh, ohni dass ebbis mit ebbis im Urlaub dääd vergliche were. „Der Wii“, heißt s do mitte im Kaiserstuehl, „schmeckt doch genau so wie der in Argentinie letscht Johr, gel, Marlies!“. Oder in de Friiburger Kaiserschtrooß dääd eini riefe: „Guck ämol, Hans, des isch doch gnau sone Handtäsche, wie ich eini in Singapur kauft hab!“

Schprooche lehre ka mer schiins numme, we mer nebe nem Schproochkurs noch s Ritte, Free - Climbing un s Drachefliege absolviert. Ä Sportkamaradin vun de Frau, het miner Buuer gsait, wär in ere Beauty - Farm uf Bali gsii, aber er hätt bi dere mim beschte Wille kei Veränderung zum Hollywoodschtar feschtschtelle könne. De Chef vun sim Sohn wär au nooch em dritte Selbschterfahrungs - Tracking in Tibet noch de gliche Dubel wie immer. „Der könnt noch in 20 Länder fliege un ruckwärts de Mount Everescht rab ohni sich verändere“, het r sich eschoffiert. „Nit räächt bache bliebt nit räächt bache, mit oder ohni Mount Everescht!“ Un wenn d Litt erscht d Fotos us de Briefdäsche fummle dääde! D Mutti uf em Kamel, de Pabbe im Taucheranzug mim Walfisch - mindeschtens - in de Händ, d Knäggis im Safari - look vor zwei halb iigschlofene Giraffe.

Vieli lamentiere un jomere: S Hotelzimmer hätt ene nit passt, s Esse nit gschmeckt, s Flugzeug wär z schpoot abgfloge, s Wetter nit so gsii, wie im Proschpekt versproche, de Reiseführer hätt nit richtig Ditsch könne, im Bazar wäre si abzockt wore. S nächschte Mol wotte si bi n ere andere Reisegsellschaft bueche. Anderi schtritte sich, wo s Esse intressanter schmeckt, in Bangkok oder in Shanghai, wo s Mietauto am billigschte wär, de Service besser, d Maidli am schönschte, s Sportangebot am beschte, s Frühschtücksbuffet am reichhaltigschte un wo mr am meischte Alkohol umesunscht zum Menue dezue kriege dääd, wie mr d Staus umfahre könnt oder d Kinder abschiebe in Erlebnisparks. Kurzum: wo mr für s am Fuulschtesii für s wenigschte Geld am meischte bekumme dääd.

„So Probleme hab i minere Frau un mir johrelang erspart, indem dass mir deheim bliebe sin“, het miner Schwarzwälder Buuer gmeint. „Do sotte mir uns doch grad selber defür belohne un au ä großi Reis mache. Am bescht in d Schwiz. No si mer am Obend widder zruck!“
Stefan Pflaum, Ende Juli 2003

  

28 Viel Wind um Wind

Wind im eigentlichen Sinne ist „die durch ungleichheiten der luftdruckvertheilung hervorgerufene freie bewegung der atmospärischen Luft im unbeschränkten raum“. Das gemeingermanische Wort Wind bezeichnet die bewegte Luft, die wehende Luft. Weiter alle Windstärken vom „leisen säuseln bis zum wehenden sturm“. Es gibt frische, schnelle, starke, große, ungestüme, heulende, erschreckende, scharfe, beißende, flüchtige, unbeständige und widrige, ja schnöde Winde. Winde sind warm, lau, kalt, kühl, schwül, rau. Der Wind geht, erhebt sich, legt sich, dreht sich. In der Dichtung streiten sich Winde, ergrimmen und weinen.

Der Wind hat Flügel. Winde sind Lüftchen, Brisen, Stürme und Orkane. Sie tragen Namen: Mistral (trockener Nordwind in Südfrankreich), Föhn, Blizzard, Taifun (ostasiatische Küstengebiete), Hurrikan (nordamerikanische Küste). Luftdruckunterschiede, Erdrotation und unterschiedliche „Energieversorgung der Atmosphäre und die Land-Meer-Verteilung“ erzeugen Wind. Es gibt Passate (Ostwinde), Monsune (Westwinde) und neuerdings auch Regio-Wind. Und was den betrifft, scheint zur Zeit kein guter Wind zu wehen. 

„Aus Fluten, aus Wasser bestand dieses All im Anfang. Auf diesen bewegte sich Pradschapati (der Herr der Schöpfung, der Geschöpfe) in Gestalt des Windes“, steht in einem altindischen Märchen. Aus einem anderen altindischen Märchen stammt das Bild vom Wind als „himmlischem Kind“. Und jetzt muss dieses „himmlische Kind“ vor Gericht, weil sich Gegner und Befürworter der Windenergie nicht einigen können. Die einen blähen die Segel gegen Landschaftsverschandelung durch Windtürme an heiligen Standorten, wobei das Wort Verschandelung selbst zumindest eine Sprachverschandelung ist, die anderen wiederum wollen jenen den Wind aus den Segeln nehmen mit dem Argument „Naturschutz durch Windparks“, weil ja die Kohlendioxyd-Emissionen abnehmen würden. Die Windtürme wären in den Wind gebaut, denn sie lebten von Subventionen, sagen aber die Streiter wider die Windenergie, die Landschaftszerstörung stehe in keinem Verhältnis zur geringen Menge des durch Windenergie erzeugten Stroms. Man könne bis zu 20 Prozent Strom durch Windenergie produzieren, wenden die Freunde dieser Energieform dagegen ein, der alternativ erzeugte Strom werde in Zukunft sogar billiger als der konventionelle aus fossilen Kraftwerken, er schaffe Arbeitsplätze und helfe die nationalen Klimaziele erreichen. So reklamiert jeder für sich, der bessere Ökonom und der bessere Ökologe obendrein zu sein. Da wird vom Wind und dem Wind gepredigt, werden Windeier gelegt, windige Argumente ins Feld geführt, treffliche Argumente in den Wind geschlagen und windschiefe Vergleiche gezogen – letztere allerdings haben sprachgeschichtlich nichts mit dem Wind zu tun. Dann werden Windtürme genehmigt und die Genehmigung von höchster Stelle wieder zurückgenommen, alle Mühe mit der Windenergie scheint in den Wind gestreut. Das Sprichwort sagt aber auch: „Der Wind weht, wo er will“ und „dem Wind und den Narren lass seinen Lauf“. Und weiter: „Vom Wind lebt niemand.“ Stimmt nicht! Oder: „Der Wind gehört der Herrschaft“. Stimmt auch nicht! Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer bekriegen sich mit unterschiedlichen Energiephilosophien. „Große Winde, große Kriege“. Dennoch bleibt: „Der Wind lässt sich nicht auf Flaschen ziehn“.

Vielleicht wendet der Wind aber eines Tages nicht nur das Wetter, sondern auch das Denken der Menschen und belüftet mit frischer Brise die aufgeheizte Erde und die erhitzten Köpfe. Und allen Kriegern für und wider geht ein Windlicht auf. 

Stefan Pflaum , 25.8.2003

  

29 Herbst

„Chönnt denn d’Welt no besser sy?/ Mit si’m Trübel, mit si’m Wi / Stärkt der Herbst mi luestig Bluet, / Und mi Pfiffli schmeckt so guet“, spricht der allzeit vergnügte Tabakraucher in J.P. Hebels gleichnamigem Gedicht. Trübel und Wi gehören auch heute, zumindest bei uns im Südwesten, zum Herbst wie die Buntfärbung der Blätter vor dem Laubfall, der Nebel und die Erntedankfeste. Ob die Zugvögel noch lange als Vorboten des Herbstes gelten können, hängt davon ab, ob diese sich angesichts gestiegener Durchschnittstemperaturen in unseren Breiten überhaupt noch aus ihren Brutgebieten zum Herbstzug aufmachen. Kalendarisch ist der Herbst die Zeit vom 23.9. bis zum 21. 12. Unter botanischem Aspekt der Zeitraum von der Ross­kastanienreife bis zur Laubfärbung. Das althochdeutsche Wort herbist und das mittelhochdeutsche herb(e)st gehen zurück auf germanisch *harbista, *harbusta-. Diese wieder sind verwandt mit lateinisch carpere, „pflücken, rupfen, abreißen“ und griechisch karpós, „Frucht, Ertrag“. Die Gebrüder Grimm sprechen von der engen „verwandtschaft dieser wörter aber mit anderen, die schneiden und trennen ausdrücken“. Herbst bezeichnet so „zeit und vorgang der Getreideernte ..., die man sonst auch schnitt heiszt“. Das Wort bedeutet also „Pflückzeit, Ernte“ oder „Zeit der Früchte“. In Süddeutschland kennen wir das Wort Herbst mit der Bedeutung „Traubenlese“ oder „Obsternte“. Man findet auch für die Herbstmonate September, Oktober, November die gesonderten Bezeichnungen „der erst herbst, der ander herbst, der dritt herbst“. Der Namen September, siebter Monat, erklärt sich aus dem Faktum, dass im römischen Kalender das Jahr mit dem Monat März begann. Als Herbstheilige gelten Bartholomäus (24.August), der Beschützer der Ernte, des Viehs und des Weins, dann der heilige Egidius (1. Sept.), einer der vierzehn Nothelfer und Patron der Jäger, sowie der deutsche „Nationalheilige“ Sankt Michael, als Kämpfer gegen das Heidentum mit dem Sinnbild des besiegten Drachen dargestellt. Die Kirchweih, d Kilwi, am dritten Sonntag im Oktober und der Wendesltag am 20. Oktober gelten als Erntedankfeste. Der 617 gestorbene Sankt Wendel ist der Schutzpatron der Bauern.

In einem japanischen Haiku des Dichters Shiki heißt es: „Mücken, die im Herbst / schon zum Tod gerüstet sind, / stechen doppelt scharf“. Der Waldkircher Schriftsteller Max Barth schrieb in  seinem Gedicht Deutscher Herbst: „Des Sommers Feste sind nun ausgefeiert, / es naht die Zeit, da man die Öfen heizt, / die Rednerhälse sind schon ausgeleiert, / der Kehlkopf ist vom Lügen überreizt“. Und bei Hubert Baum finden wir in Herbst: „Rot / in den Nebelschwaden / verlassen / der Mähdrescher - / Tränen der Enkel / beim Abschied“. Bei Friedrich Rückert schließlich lesen wir in seinem Gedicht Herbsthauch von 1834: „Herz, nun so alt und noch immer nicht klug, / Hoffst du von Tagen zu Tagen, / Was dir der blühende Frühling nicht trug, / Werde der Herbst dir noch tragen“. Zumindest die Rebstöcke mögen gut tragen, denn eine Wetterregel lautet: „Wetter, das am Matthä (21. Sept.) klar, bringt guten Wein im andern Jahr“.

Stefan Pflaum    , 25.9.2003

  

30 Grimmelshausen, Frösch un Oxford Englisch

I hab’immer denkt, s Dreisamdal un Umgebung wäre geographisch un hischtorisch d schönscht un d wichtigscht Gegend vu Ditschland, bis i mit re bildungsnärrische Grupp vu hochglehrte Wiibli un Männli us St. Peter nach Gelehuuse (Gelnhausen), me mittelalterliche Kleinod zwische Frankfurt un Fulda gfahre bin. Die Stadt isch 1170 vum Barbarossa gründet wore un schnell so ä lebendiger Marktflecke wore, dass es dozumols zu dene Städt nördlich vun de Alpe zählt het, wo am meischte Stiiere hen könne zahle. So nimmt s nit wunder, dass des Städtli au hit noch vu gli zwei Marktplätz prägt isch: em obere Märkt, wo sich im Mittelater zwei großi Handelsschtroße krizt hen, un, am End vum Petersiliegässli, wo in de alte Zit selli Handelsherre hen könne ihri fleischliche Glüschte los were, em untere Märkt. Zwische beide Märktplätz thront d majestätisch Mariiekirch. Uf em untere Märkt hen d Gelenhäuser ihrem Philipp Reis stolz ä Denkmol ufgschtellt. Der het nämlig als erschter „die Übertragung der menschlichen Stimme mit Hilfe galvanischen Stroms vorgeführt“ und gilt selleweg als „Erfinder des Telefons“, au wenn er s zu sinere Zit no nit het könne kommerziell nutze wie Johre denooch de Graham Bell. Aber nit de Philipp Reis isch de Grund gsi für unsri wunderfitzigi Pilgerfahrt uf Gelehuuse mit sinere Kaiserpfalz, sine Stadttore, Fachwerkhiiser un Hexeturm gsi, sundern de weltberühmte Autor vum Abenteuerlichen Simplicissimus Teutsch, de Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen, wo im Silberne Sterne z Gaisbach bi Oberkirch gwirtet un fascht 10 Johr lang als Schultheiß s Gschick vu Renche im Badische glenkt het. Nebem Simplicissimus het er noch niin anderi Büecher zuenere Großartige Weltchronik zämmegschriebe. Un ebe seller Grimmelshausen verbindet Renche und Gelehuuse nit grad uf Läbe un Dood, aber doch durch Geburt un Dood. Er isch nämlig 1622 in Gelehuuse an de Kinzig!! uf d Welt kumme, aber in Renche lait er begrabe, au we mer d Grabschtell nit gwiss weiß. Jedefalls git s in Renche ä Simplicissimusbrunne, ä Simplicissimusdenkmal un ä Simplicissimushuus. Also mueß er au do irgendswo begrabe sii. Gel? Mir hen in Gelehuuse im Geburtshuus vun Grimmelshausen gschlofe. Ä begeischterti Grimmelshausenkenneri -mit  Magischterarbeit über des Thema- het uns dem geniale Schriftsteller si Lebensweg im Drissigjährige Krieg noocherläbe lehn. Mr mueß sich vorstelle, dass in Gelehuuse nooch dem Krieg vun 15.000 Iiwohner grad no 200 Familie übrig bliebe sin un in Renche vun 180 Familie no 15!!

Nit wit vu Gelehuuse hen mir im Schloss Büdinge vun ere herzlige Frau ä Führung bekumme, un derwiilscht die uns ebbs über Ritterrüschtunge un Jagdflinte expliziert het, hab i us luter Blödsin uf amerikanisch dezwische gfrogt, warum uf eme Fenschterbord vu eim Schlossflügel zwei moderni Froschskulpture hucke dääde. Im beschte Oxford Englisch het si ä ganze Roman aafange verzelle vun ere Prinzessin, wo wege de Froschmusik im Schlossteich nit häb könne schlofe un vum ä Prinz, wo des Problem het miin löse.  I bin mr sicher, unsri Schlossführerin glaubt hit no nit, dass i vum Dreisamdal bin. Un no ebbs: Natürlig hab i nie denkt, dass es Dreisamdal d wichtigscht Gegend vu Ditschland isch. Aber s isch halt ä gueter Afang für min Gschichtli gsi.

16.10.2003, Stefan Pflaum, www.dreisamtaeler.de

  

31 „Hochfreiburg" - Schauinsland

„Der Krieg hat die Ameisenlebendigkeit dieser Stadt nie ernstlich gelähmt.“ Das schrieb der Freiburger Hebelpreisträger von 1947, Franz Schneller, in seinem ‚Brevier einer Landschaft’ „zwischen 1930 und 1940“. Diese Zeitangabe ist in der Ausgabe des gleichnamigen Buches  – 1947 im Badischen Verlag erschienen – vermerkt. Und weiter lesen wir: „Es hat uns immer wieder gewundert, junge Mädchen, fast ohne Ziel, nur im Bewusstsein schön zu sein und der Luft etwas vom Glück ihrer Jugend mitzuteilen, selbst in bangen Tagen mit der Frische und Lebhaftigkeit der hellen Bächlein der Altstadt die Gassen durcheilen zu sehen“. Es berührt einen seltsam, diesen Satz zu lesen im Bewusstsein, dass der Autor, Franz Schneller, ihn geschrieben hat, noch bevor der Bombenangriff im November 1944 eben diese Altstadtgassen mit ihren Bächlein in ein Inferno verwandelte. Mit Freiburg im Breisgau und Blick vom Münsterturm sind die beiden Texte überschrieben, die Franz Schneller in seinem ‚Brevier’ Freiburg widmet. Der elsässische Germanist Robert Minder nannte es „das wahre Brevier Badens“.

Der Blick und das Empfinden des Schreibenden Schneller sind der Blick und das Empfinden eines Freiburgers vor jenem Datum der Auslöschung der Freiburger Altstadt. Und gerade dies macht die Lektüre so ungemein spannend. Der Text muss aber schon während des Krieges geschrieben worden sein, denn die Anmerkung „selbst in bangen Tagen“ liest sich im Nachhinein wie eine bange Ahnung des kommenden Unheils. Wir aber können den Text heute nicht lesen ohne das Wissen um dieses schon geschehene Unheil. Wir wissen mehr als der Autor und möchten ihm am liebsten zurufen, „verlasse die Stadt, bring dich in Sicherheit!“ Und mit diesem Gefühl lese ich jeden dieser Sätze. Wie ein Gott im Himmel sitze ich oben und sehe, was der da unten auf der Erde treibt zu einer Zeit, wo ich vielleicht noch gar nicht geboren war. So schreibt er von der Straße, die „sich durchs Martinstor zwängt, wieder durch Wiesen Günterstal und dem Schauinsland zustrebt, wo sie auf Höhe 1286 in Hochfreiburg endet.“ „Hochfreiburg“, diesem Ausdruck begegne ich zum ersten Mal. Er gefällt mir außerordentlich, und jetzt weiß ich auch, dass damit eine der Besonderheiten benannt ist, die Freiburg zu etwas Besonderem machen: zu einer Stadt nämlich mit einem Berg, der zur Stadt gehört wie das Münster und die Bächle. Franz Schneller hat damit ins Stadtbild miteinbezogen, was man sonst gemeinhin der Umgebung zuschlägt. Er hat die Peripherie der Stadt hochgezogen zu den Gipfeln des Schwarzwaldes, von wo aus man so oft nach Frankreich und in die Schweiz hinein sehen kann. Und schwingen das Französische und das Schweizerische nicht immer mit, wenn man von Freiburg spricht?

Eberhard Meckel, Hebelpreisträger von 1966, schreibt über Franz Schneller, einem Vetter übrigens des Freiburger Autors Emil Gött, dass man „ihn so vormittags lässig-hellwach durch Freiburg bummeln sieht, sein Freiburg, beide identisch miteinander ... Denn er und die Stadt, die ihn aufwachsen und etwas werden sah, sind Eins ...“. Der Sohn von Eberhard Meckel, Christoph Meckel, der sich als Schriftsteller in ‚Suchbild’ mit seinem Vater „unerbittlich“ auseinander setzte, beschreibt in einem Text mit dem Titel „Brand“, wie am 27. November 1944 (sein Vater Eberhard war zu jener Zeit noch vermisst) über Freiburg die Sirenen heulten und er vom Eichberg in Littenweiler aus die Stadt in einer „gewaltigen Flamme“ abbrennen sah.  Der Krieg hatte die Ameisenlebendigkeit der Stadt im Entsetzen erstarren lassen. Das dachte ich mit und noch weitere 59 Jahre, als ich den Satz von Franz Schneller las, mit dem ich meinen Text über „Hochfreiburg“ einleitete. 

Stefan Pflaum   , 22.10.2003, www.dreisamtaeler.de

  

32 Wurscht, Käs, Salat.

Du merksch es glii. Gschpürsch es eifach.  An de Kleider, an de Körperhaltung, an de Stimm, gnauer gsait, am Ton in de Stimm, am Blick. Am Blick uf die Uslage in de Wurscht - , Fleisch - un Kästhek. Wo de in de Schlang schtohsch hinter einere, wo aafangt frooge, ob in dere Lyoner au wirkli numme 15 Prozent Fett drin wäre, un ob die Wurscht vun garantiert heimischem Vieh wär. Guet Nacht am elfi! Jetz weisch, s duuert endlos, kaasch aber nimmi firrschi un nimmi hinterschi. Also abwarte. Die Wurscht nebedra, ob die im Naturdarm wär un wie viel Prozent Fett un vun wellem Buuer. Ob do au wirkli kei Rind un kei Kalb in d Wurscht niigwurschtelt wär. Ob si ämol ä Stück vun dem Puteschunke probiere könnt. „Sind die Puten vom Freilaufgehege?“ het si wisse welle un d Verkäuferi het gmeint, si denkt schu, aber gnau dääd si s nit wisse, do mießt si de Metzger frooge. „Chef,  sin die Pute für dene Schunke vom Freilaufgehege? Ä Kundin wotts gern wisse.“ „Soviel ich weiß. Schtoht s nit uf de Packung? Moment, i lueg ämol nooch. Aber i find jetz die Packung nit, viellicht könne Si morge nomol froge.“ „Aha, aha“, macht d Kundin un dittet schu uf ä andere Schunke in de Thek. Der wär us Italie un wunderbar, priist d Verkäuferi dene, un mr meint schu, jetz hätt si Erfolg, aber die schnaigig Madame het ihre Blick längscht uf ä Salami gworfe un will wisse, woher die wär. „Des isch ä echti Ungarischi, d bescht wo mr hen“, sait d Aagschtellt vum Gschäft un het dere Oberschnaigige ä Rädli aabotte für zum Probiere, aber die mueß erscht froge, ob die au nit z scharf wär. Ä weng scharf wär si, aber nit zuu scharf, meint d Verkäuferi. Ob si eini hätte, wo nit ganz so scharf un würzig wär. „Jo, die isch deno mild. Entweder kräftig oder halt mild“, isch si beschiide wore. „Ach, lassen Sie“, dann widder d Madame, „Ungarn, da weiß man ja auch nicht, genau wie bei Italien, haben Sie denn keine Schwarzwälder Salami, von hier aus der Gegend?“ „Doch, natürlig, het d Verkäuferi Antwort gäh, „des isch aber deno Rind“. Inzwische isch d Schlang hinter mir uf viili Kilometer aagwachse gsii un die Lit hen mich uffgforderet, dere Madame ä weng Dampf mache, ich käm doch als nächschter dra un sott mi wehre. Sie hätte nit dr Zitt, sich stundelang Vorlesunge über s woher un wie vun de Wurscht aazhöre, bloß will die bleed Schachtel do ihri Affedänz müeßt uffführe. Do könnt mr jo de Gichter kriege. „Die Tranfunzel soll doch in de Biolade!“ wenn ere do nix guet gnue isch“, un vu ganz hinte het eini bäffzt „s welle au no anderi Lit ebbis kaufe, nit numme die alt Schees do vorne!“ „Glaubsch, wege dere Schrabnell kumm i z schpoot zum Zug!?“, het ä anderer uffgmuckt un „kumm, gib dere Schnall ä Schucker, die isch doch nit ganz bache“, widder einer. Alli hen si ä großi Schnurre gha, aber mich hen si aaglotzt, ich sott die Sach regle. I hab nix welle lätz mache un hab grad ghirnt, wie i die Madame könnt friindli dezue bewege, sich ä Herz z nämme zue n ere Entscheidung für die ei oder ander Wurscht, do het si russgschosse: „Fräulein, lassen Sie, lassen Sie, ich nehme heute keine Wurst, ich gehe zum Käse!“ Wie de Blitz isch si vor de Kästhek gschtande un het sich kundig gmacht, wie viel Prozent Fett der Schnittkäs hätt, ob er „aus heimischer Produktion“ wär un ob mr d Rinde könnt mitverzehre. I hab no ghört, wie de Metzger vor sich naa bruddelt het: „Jetz het d Kollegin bim Käs de Salat“!

Stefan Pflaum, 22.11.2003

  

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