Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Stefan Pflaum
Vum Wunderfitz - Alemannische Texte 33 - 41
 

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Blick vom Berghotel Kandel nach Nordwesten über den Nebel zu den Vogesen am 6.11.2003 Novembernebel im Rheintal - vom Kandel aus

 

"Vum Wunderfitz"
Die auf dieser Seite wiedergegebenen Texte von Stefan Pflaum sind im Dreisamtäler zwischen 4.12.2003 und 31.3.2004 erschienen.

 

33 Hauptsach andersch!

Alsfurt sueche d einzelne Mensche un au ganzi Völker des, was si vun andre unterscheidet. Im Unterschiid sin si gschützt. Sin numme des, was si sin. So isch keiner sunsch. Des kann ene keiner wegnemme. Do könne si stolz sii druf. Un die Unterschiide were pflegt un ghegt. „Unser Dorf“, „Unsri Trachte“, „Unsri Sproch“ sin Titel vun Abertausendi vun Büecher überall. Ja, mr könnt meine, de Unterschied isch d Welt un d Welt isch Unterschiid. S ganz Universum, alles het sich vu Anfang aa in sini eige Richtung entwickelt, wie bi nere Explosion, wo alles vunänander wegfliegt. Un je länger s duuret het, um so meh isch alles usänander gange. D Farbe, d Sproche, d Gwohnheite. Mr kann nit sage, im Anfang isch de Unterschiid gsii, im Gegeteil, erscht mim Unterschiidlichwere het alles aagfange. Un s goht als witter demit, au wenn de manchmol meine könntsch, si wotte d Unterschiid widder abschaffe. Aber ufbasst! Wer de Unterschied nit reschpektiert, kriegt Stritt un schürt Krieg, gnauso wie der, wo de Unterschiid übertriibe will. Mr sott s also nit z ernscht nemme mit em Unterschiid. S isch au ä Froog vun de Perschpektivi. Dodefür will i ä Bischpiil gen:      

Japaner sinn andersch als wie Chinese. Chinese un Japaner sinn andersch als wie Inder. Aber Japaner vergliche mit Chinese oder Chinese vergliche mit Japaner sinn weniger andersch als Japaner un Chinese vergliche mit Inder. Vergliche mit Inder sinn Japaner schu fascht Chinese oder Chinese schu fascht Japaner.

Au Indonesier sinn andersch als wie Inder, aber vergliche mit Japaner oder Chinese doch widder ehnder Inder als Japaner oder Chinese.

Afrikaner us em Sudan oder us Kenia unterscheide sich stark vun Japaner, Chinese, Indonesier und Inder. Aber vun Indonesier un Inder doch weniger, als vun Japaner un Chinese. Vergliche mi me Chines isch ä Kenianer ehnder Inder.

Engländer sinn ganz andersch als Japaner, Chinese, Inder, Indonesier, Sudanese un Kenianer. Vergliche mit de Engländer sinn Inder, Indonesier, Sudanese un Kenianer schu fascht widder Japaner un Chinese.

Italiener sinn ganz andersch als wie Engländer. Italiener sinn au ganz andersch als wie Norweger. Aber vergliche mit Japaner, Chinese, Inder, Indonesier, Sudanese un Kenianer sinn d Italiener schu fascht widder Engländer oder Norweger un au d Engländer un d Norweger schu fascht widder Italiener.

Südfranzose unterscheide sich vun Bretone, Texaner vun Kalifornier un Tessiner vun Kanton Basel-Bewohner.

D Württeberger unterscheide sich aageblich ganz arg vun de Badner.
Aber für Japaner, Chinese, Inder, Indonesier, Sudanese un Kenianer  unterscheide sich die alli zamme kei bissli vun Grieche, Isländer oder Sizilianer.

Stefan Pflaum, www.dreisamtaeler.de vom 11.12.2003

  

 

 

34 S Kopftuech – Ä heißes Iise!

Mi Urgroßmuetter het ä Kopftuech trage.
Sunsch hätt si bschtimmt studiert
un wär Lehreri wore. 

Mi Urgroßmueter het kei Kopftuech trage.
Enneweg isch si Sunndig für Sundig
in d Kirch goh bätte.

Mi Urgroßmuetter het manchmol ä Kopftuech trage.
No hen ere d Antikopftüechler
ä Kopf naadruckt.

Mi Urgroßmuetter het manchmol kei Kopftuech trage.
No het d ganz Kopftuechfraktion
ä Lätsch zoge.

Mi Mi Urgroßmuetter het welle,
dass andri au s Kopftuech trage.
No het s Krieg gäh im Dorf.

Mi Urgroßmuetter het s Kopftuech uf de Mischthuffe gheit.
No het ere d Kopftuechfraktion
s Huus aazunde.

Mi Urgroßmuetter isch gschtorbe un het s Kopftuech mit in s Grab.
Do hen d Antikopftüechler proteschtiert:
„Kei Kopftuech uf unser Friedhof“!

Mi Urgroßmuetter isch in de Himmel ufgfahre
un het debii s Kopftuech
über de Wüeschti Gobi verlore.

Wenn s einer findet,
soll er s joo leije lehn,
sunsch goht des ganze Theater grad widder vu vorne los!

Stefan Pflaum, 4.12.2003 in www.dreisamtaeler.de

  

 

 

35 Wiihnaachte un s Schwimmbad

In de fufziger Johre he mer uns in de Summerferie an sunnige, heiße Dääg uf s Rädli gschwunge un sin vu Lohr ins Ried an de Altrhiin gstrampelt. Uf em Gepäckträger ä kleins Handtuech un draniigwicklet d Badhos. Ä Feldflasch mit Äpfelsaft un zwei Stucker Brot mit zwei Feldjäger dezwische hen nit derfe fehle. Feldjäger, desch so n ä Art Salami für kleini Lit gsin. Ä Messer hesch nie keins brucht. Hesch sie eifach fescht zwische d Zähn gschteckt un deno dra grisse. Un möglichscht lang un gnüsslich druff rumkaut. Der Gschmack hab i hit no im Mund. Un immer widder ä Mocke Brot dezue un ä Schluck Äpfelsaft us de Feldflasch dezwische. Aber z erscht ab ins Wasser, bevor dass de in de Genuss vum Veschper kumme bisch. Hesch dr jo zeerscht mieße de räächt Hunger hole! Zue dere Zit hesch no überall könne schwimme, s isch suufer gsin oder mr het s eifach no nit so gnau gnumme mim Messe. „Schadstoffbelaschtung“ isch dozumols no ä Fremdwort vum ä andre Stern gsin.

Also mir sin nooch em Schwimme, Taucherlis spiele un Kieselsteiner übers Wasser flitze lehn uf unser Stück Handtuech uf em steinige Ufer gläge un hen gveschpert. Ei Gchiicht nooch de ander isch verzellt wore, über Lehrer un Klassekamerade he mer glacht un grooßi Plän für d Zuekunft usgheckt, wo mir alli schu uf em Ruckweg hen widdder vergesse gha. Meischtens si mer aber in Lohr ins Aktiebädli. Des isch vum ä Zaun us Holzbretter verdeckt gsin, demit mr vun dusse nit het sähne könne, wie viili Madonnas un Arnold Schwarzeneggers ihri Prachtkörper do drinne spaziere führe.

Aber im Ernscht: s het sellemols no keini Sexbombe un Supermen gää. De meischte Lit hesch ehnder aagsähne, dass si nit gnue zum Fuetere hen. Jedefalls isch „body – styling“ no mindeschtens gnau so n ä Fremdwort gsin wie Schadstoffbelaschtung. We mir aber im Aktiebädli gsin sin, si mer erscht widder us dem kleine Schwimmbecke ruskrabbelt, wemmer so gfrore un gschlottert hen, dass mr vor lutter Zittre kuum meh hen könne laufe. De Heimweg hemmer uns mit Brausepulver versüßt un naachts deno gschloofe wie Bääre, ohni Schtritt mit de Eltre, ohni Fernsähner, Computerspiel, Roller-skate, Mountain - bike, Surfbretter un ohni Handy. Ä Badhos, ä Schlitte, ä Balle: des het glangt fürs ganze Johr.

Um d Wett schwimme, ins Wasser hopse, Dooder Mann oder Taucherlis spiele isch für uns so ebbis Schöns gsin, dass mr kuum de nächschte Daag hen könne verwaarte für widder ins Aktibädli seckle. Ä Holzzaun, ä kleiner Flecke grüeni Wiis, ä Dusch un ä paar Umkleidekabine: Des isch unser Paradiis gsin. Unser Erlebnisbad. Kei Sauna, kei Whirl - Pool, kei Massagesalon, Solarium, Kosmetik - Angebot, Wellness - Farm oder Fitness - Center het uns könne vun unserm Glück ablenke. Vu me so n e eifache Glück!

Hit aber goht s um Erlebnisbäder für zig Millione Euro. Wo nit ämol meh unsri Rente sicher sin! Natürlig git s bi so me Projekt immer ökonomischi Argumente defür un degege. Un natürlig verteidige un vergrößere d Mensche no immer ihri Jagdgründ un schtritte sich um d Beute, alli, au we mer des in unsre gege alles abgsicherte Konsumglitzerwelt nimmi so merke. D Meischte wenigschtens. Noch! Aber mr sott doch ämol drüber noochdenke, ob de sii mueß, dass mr an dere Wachstumsschruub witterdreht. Argumente hin oder her. Mir handle uns immer meh Zwäng ii. Zwäng zu immer meh Luxus.  So n ä kleins Glück aber, wie mir s als Kinder am Altrhiin oder im Lohrer Aktiebädli ghet hen, kriegsch numme zum Nulltarif. Nit ganz, schtimmt, aber fascht. Un so ne kleins, bescheide’s Glück wünsch i allene.  S Glück kann nämli au bscheide sii. Nei: bscheide sii isch s Glück! De Luxus vu so me kleine, bscheidne Glück isch de Wiihnachtswunsch vum Wunderfitz für sini Leser!

Stefan Pflaum, am 18.12.2003 in www.dreisamtaeler.de   

  
 

36 Wo das Wünschen nicht geholfen hat

Zu Weihnachten habe ich den Lesern ein „kleines bescheidenes Glück“ gewünscht und ich hoffe, dass sich dieser Wunsch für möglichst viele erfüllt hat. Leider aber hat mein Wünschen nicht überall hingereicht. Haben doch Unglücksfälle, größere und große, just um die Weihnachtszeit unsere Erde heimgesucht.

Das größte von allen war das Erdbeben in der früheren Stadt Bam in Iran, das die Menschen dort in aller Frühe aus dem Schlaf und sogleich in den Tod gerissen hat. In der früheren Stadt Bam sagte ich, denn die Stadt gibt es nicht mehr. In 10 Sekunden hatte das Beben, ein tektonisches Beben, wie man das nennt, mit dem Epizentrum unter der Stadt, ihr zerstörerisches Werk vollbracht. Am zweiten Weihnachtsfeiertag. Die Natur hält sich nicht an unsere Festkalender. Die Materie hat mit unserem Leben nichts zu tun. Sie ist da, ob wir da sind oder nicht. Gerade darüber erschrecken wir: über ihre Willkür und Unberechenbarkeit, ihre von unserem Dasein gänzlich unabhängige Wirkgewalt. Die Natur kennt keine Gnade. Kennt der Mensch Gnade? Die Natur ist ihrer eigenen Zufälligkeit oder Gesetzmäßigkeit, wer weiß, ausgeliefert. Natur geschieht, und sonst nichts. Wann, wo und wie ist nur selten vorhersehbar. Vorhersehbar ist die „Rache“ der Natur, wenn der Mensch, zum größten Teil selbst Natur, gnadenlos in diese eingreift. Ihr das Revier streitig macht. Gewiss, da ist ihre Schönheit, Großzügigkeit und ihre Stille, in der die ruhelose menschliche Seele Erholung sucht. Da ist die Größe oder Winzigkeit ihrer Erscheinungen, die unsere Bewunderung heischt. Aber es bleiben ihre plötzlichen Ausbrüche. Es bleibt ihr Drohen. Auch wenn wir in unseren Breiten die Natur in Erlebnisparks hineingezähmt und aus unserem Leben ausgesperrt haben.

1755 reißt nach einem Seebeben bei Lissabon eine zwölf Meter hohe Flutwelle 50 000 Menschen in den Tod. In der Sagami-Bucht in Japan bringt im Jahre 1923 ein solches Beben 142000 Menschen den Tod. Jetzt in Bam das Beben in der Wüste an die 40000. Eine in Jahrhunderten gewachsene Oasenstadt mit ihren Menschen und ihrer Burg: verschwunden. Nur die Palmen stehen noch. Und die Vögel singen wieder.

„I mein emol, es chönn schier gar nit sy“ meint der Bub verwundert zu seinem Vater im Hebel-Gedicht Vergänglichkeit, als dieser ihm erklärt, dass einst alles auf der Welt untergehen werde. Und der Vater bekräftigt in stoischer Ruhe und Abgeklärtheit: „Du guete Burst, ´s cha frili sy, was meinsch?“ Und wir können Hebel weiter zu Wort kommen lassen. So sagt in Schreckliche Unglücksfälle in der Schweiz eine Mutter: „Kinder, hier ist keine Rettung möglich; wir wollen beten, und uns dem Willen Gottes überlassen“. Im Feuerfünklein raisonniert Hebel: „Denn der Reiche kann v i e l verlieren und der Arme A l l e s“.

In meinem Gedicht Heimet schrieb ich: „Heimet isch, / wenn de ufwachsch / un alles isch an sim Ort“. In Bam ist nichts mehr an seinem Ort. Und: „Heimet / isch manchmol / eifach vorbei“. So geschehen in Bam.

„Aber das kühne und muthwillige Menschengeschlecht weiß fast alle Schwierigkeiten und Anfechtungen zu besiegen, welche die Natur seinem Beginnen entgegenstellt“, belehrt uns Hebel in seiner Geschichte Der böse Winter. Kühnheit und Mut wünschen wir den Überlebenden von Bam. Einer Stadt, in der ich viele Menschen lieb gewonnen hatte. 

Stefan Pflaum, 8.1.2004 in www.dreisamtaeler.de

  

 

37 Wien, Hauptstadt mit Mundart

1910 hatte Wien zwei Millionen Einwohner und war das Zentrum eines 700 000 km2 großen Reiches mit 52 Millionen Einwohnern. Geblieben sind 84 000 bzw. 6 Millionen. Sic transit...! Und geblieben ist der Wiener Dialekt mit seinen slowenischen, tschechischen, galizischen, polnischen, italienischen, jiddischen, deutschen Einflüssen. Und damit sind nicht alle genannt. Powidldatschgerln sind ein mit Zwetschgenmus gefülltes Gebäck und Golatschen ein süß gefüllter Blätterteig. Beides kommt aus Böhmen. Marillen sind Aprikosen (aus dem Italieneischen), Kukuruz ist Mais (serbokroatisch) und Paradeiser sind Tomaten, weil die Österreicher sie direkt aus dem Paradies beziehen. Aus dem Tschechischen kommt der Halawachel, ein Schluri, wie wir hier sagen würden, und das Tschapperl, ein hilfloses Kind. Ein Habschi ist ein Freund. Wenn ein gewöhnlicher Habschi nicht genügt, braucht man einen Bluadhawara, einen „Blutsbruder“, aber keinen schduaschedladan, keinen Kraudara und Ruabnzuzla, der nur für Buschkawü und Pallawatsch sorgt, also keinen sturen, alten Einfaltspinsel, der Verwirrung und Unordnung stiftet.

Das Wienerisch ist ostösterreichisch und das Österreichische selbst gehört mit  Süddeutschland und der deutschsprachigen Schweiz zum Oberdeutschen. Genauer gesagt gehört es, mit Ausnahme des Vorarlberg (alemannisch) zum bairischen Sprachraum. Aber das Bairische in Bayern ist das Bayrische. (Unterscheiden Sie bitte  i  und  y  ). In Österreich spricht man bairisch und in Bayern bayrisch. Dennoch: Beides ist bairisch, weil bairisch mit  i  den ganzen Volksstamm der Baiern bezeichnet, zu dem das heutige Österreich im Mittelalter ja gehörte. Glauben sie es mir bitte und steinigen Sie mich nicht, aber so schwer machen es uns die Sprachwissenschaftler.

Von der Geschichte her betrachtet wundert es also nicht, dass das Österreichische mit dem Bayrischen viele mundartliche Besonderheiten gemeinsam hat. So die Ortsadverbien abi, auffi, aussi u.s.w., die Verkleinerungsform -erl (Maderl), das erweiterte Fugen-s (Architektensgattin) und die Vorsilbe -der für -er (derwischt für erwischt). Aber natürlich hat Österreich auf Grund seiner so ganz anderen politischen Entwicklung auch sprachliche Sonderheiten entwickelt. Denken Sie an den Vielvölkerstaat und an die stark katholische Prägung in der Barockzeit (Jesuitentheater). So wurde es im Unterschied zum deutschen Sprachraum längst nicht im selben Maße vom Luther - Deutsch geprägt. Der Schriftsteller Hans Weigel schreibt: „Richtiges Österreichisch ist anders als richtiges Deutsch. Aber nicht alles falsche Deutsch, das Sie in Österreich lesen, ist darum richtig“.

Zu Wien insbesondere gehören Weltschmerz, Fatalismus und Ironie. Seine Mundart uns seine Musik sind voll davon. Und seine Literatur. Zwei Zitate aus dem Werk des Dramatikers und Schauspielers J.N.Nestroy sollen das belegen: „Was ist die Erde?“ „Ein Himmelskörper, auf dem die Unglücklichen ein höllisches Leben haben“. Und: “Einverständnis muß sein, wenn es beim Betrug honett hergehen soll“. Sind das keine literarischen Schmankerln? Keine Leckerbissen?

Stefan Pflaum, www.dreisamtaeler.de , 22.1.2004

  

 

38 Bärnerdütsch, Schönheit und Kraft

In dem Roman „Dä nid weis was Liebi heisst“ ,von Werner Marti im Bärndütsch, also im Berner Deutsch, geschrieben, tritt das Wänger Marili am 8. April 1901 in Bern in der Pension Yseschmid „dört sy erschti Stell als Dienschtmeitli aa“. 

Wir wollen uns ein paar von den wunderschönen Verbformen, genauer, Konjunktivformen anschauen, die der Autor des Romans in der indirekten Rede benützt. Es wird dann schnell klar, wie stark der häufige Wechsel und Kontrast von hellen und dunklen Vokalen, besonders zwischen den Umlauten ä, ö, ü oder den Diphtongen (ei, üe...) und dem i am Verbende zur Schönheit und Kraft des Schwyzerdütschen beitragen. Die Satzbeispiele sind aus dem Anfangskapitel des Buches, wo  Frau Yseschmid dem Marili Anweisungen gibt, wie sie sich in der Pension den Gästen gegenüber zu verhalten habe. Auch über bestimmte Gäste wird gesprochen. Zuerst muss das Marili ihr churzes Röckli mit einem längeren Rock tauschen. Denn so ein kurzes Röckchen geziemt sich nicht für ein Serviermaitli. Auch dürfe sie keine Chnöistrümpf (Kniestrümpfe) tragen. Unbedingt aber müsse sie immer einen Büstenhalter unter Bluse oder Pullover anziehen. Frau Yseschmid sagt,

das(Kniestrümpfe und ohne BH) schicki sech nid, si wöll (wolle) de mit der Mueter rede wägem ne Strumpfhalter u länge Strümpf, wo über d Chnöi uf chömi, Strümpfe also, die über die Knie „kämen“. Und dann: Es ghöri sech nid, wenn d Brüscht äso waggeli. Weiter unterrichtet Frau Yseschmid das Marili, es gangi (gehe) gar lang, bis ds Wasser chochi. I däm Gstell näbem Klubtischli standi es paar Fläsche. Es gäbi de no e zwöite Chorb....er standi oben im Gang. Und mit Bezug auf die Gäste: Der Wy müessi jedes sälber bsorge u sich o jedes sälber yschänke. Teil Gescht trinki nüüt Geischtigs. Der Herr Dokter Chirschboum schrybi philosophischi oder historischi Artikle, wo im Dütschen usse vo glehrte Zytschrifte ddruckt wärdi (würden). Der Herr Bryner vom Tram heigi (habe) gseit, är chömmi (käme) nume no z Mittag. Di Here hätte’s nit gärn, wenn ds Särviermeitli nach Chuchi schmöckti (schmeckten). O ne Bluemestruuss ghöri (gehöre) ufe Tisch, für dass es bi de Gescht e gueten Ydruck machi.

An anderer Stelle lässt der Autor den Herrn Yseschmid erzählen, wie ein anderer Wirt ein Serviermädchen gesucht habe. Dieser bekommt ein Angebot. Bis itz (so Yseschmid weiter) heigi (habe) si z Münche imene erschte Restaurant gsärviert, aber si verstandi guet Schwyzerdütsch.( Der Wirt habe gefragt), wi si de usgsehji (aussehe)?... Wi alt si sygi (sei)? U was si für Lohn wölli? (Der Wirt erwartet auf die Auskünfte aus München hin eine gut aussehende Bedienung). Herr Yseschmid erzählt weiter: Aber wo si e Wuche später erschyni, heig er zersch(zuerst) läär gschlückt (leer geschluckt). Nüüt (nichts) vo jung, nüüt vo hübsch, der Photographie heig si nume vo wytem ggliche. Er heig ere grad a Chopf use (auf den Kopf zu) gseit, er heig ganz öpper angers (anderes) erwartet, seie (so eine) chönn er nid bruuche. Si heig ne bschisse u si soll mache, dass si dörthi gangi, wo si här syg. Aber die Frau wehrt sich und der Wirt muss ihr eine Entschädigung bezahlen. Da hatte also diesmal der Wirt die Rechnung ohne die Serviertochter (Bedienung) gemacht!  

Stefan Pflaum, 4.2.2004

  

 

39 Gedenk narr, dass es gylt din sel!

Fasnet isch ä andri Zit. Ä eigini Zit in de Zit oder ä Zit usserhalb vun de Zit. Des ka mer so sähne oder so. Im Alemannisch-Schwäbische Raum herrscht die Zit zwische Basel, Konstanz un Rorschach im Süde, un zwische Stoßburg, Rotteburg un Ehinge a.D. im Norde. Vum 11. November bis zum Aschermittwoch. Mancherorts au no weng länger. Un mr mueß denne zahllose Fasnetgruppe dankbar sii, dass si so n ä unendliche Riichtum an  Bräuch, Maske, Häs, Narreattribute, Musike, Versli un Sprüch, wo d Mensche erfunde, gschnitzt, gnaiht, bäschtelt, komponiert un gschriibe hen, am Läbe halte. In dere Zit also schwingt de Fasnetmensch, de homo narrensis, si Narrezepter.

Kirch un Fasnet sin jo irgendwii verbunde, au wenn sich d Fasnetologe no nit einig sin, wiiviil do chrischtlich oder „heidnisch“ isch. S het sich halt au gar viil gmischt mit de Zit. Aber ä Wisse um de Zämmehang zwische Narretei un Vergänglichkeit, Tor un Tod, mien d Mensche, friehjer wenigschtens, ghet hen, sunsch gäb s jo nit des berühmte Bild vum Pieter Bruegel d. Ä., mit em Titel „Kampf der Fastnacht mit den Fasten“, wo s d Mensche in de linke Bildhälfti vor em Wirtshuus wild triibe, in de linke Bildhälfti aber s gottesfürchtige Läbe dargeschtellt isch. Des Gmälde hängt in Wien im Kunsthistorische Museum in de Abteilung Flämische Malerei, un i kann jedem Chrischt un jedem Narr, ob numme Chrischt oder numme Narr, ob chrischtlicher Narr oder närrischer Chrischt, ob Dauer-oder bloßer Fasnetnarr, heiß empfehle, sell Bild dert aaluege. Aber so eng isch d Verbindung zwische Kirch un Fasnet nit, dass an Fasnet numme Chrischte Narre sin un alli Narre Chrischte. Obwohl - un des fallt mr grad ii - s bekannteschte Narrebuech bi uns im ditsche Kulturkreis s ‚Narreschiff‘ vum Sebastian Brant isch, un im Vorwort vu demm doomoolige best-seller schtoht deklariert: „Zu nutz und heylsamer ler / vermanung und erfolgung der wyßheit / vernunfft und guter sytten: Ouch zu verachtung und straff der narrheyt / blintheyt yrrsal und dorheit aller stat / und geschlecht der menschen“.

Des Buech mit sinere eifache un em Volksmuul abgluegte Sproch het de große Stroßburger Münschterprediger Geyler vun Kaysersberg 1498 eme ganze Predigtzyklus zgrundglegt, „als wäre es ein liber canonicus der Kirche“. Im 16. Jahrhundert het s ;Narreschiff‘ als ä Art ‚Weltbibel’ golte. „Gedenk narr / das es gylt din sel“, het de Sebastian Brant gschriibe un für de Geiler vun Kaysersberg isch s Narreschiff ä ‚Spiegel des Heils‘ gsin. Des Buech gilt als de grööscht literarische Buecherfolg in ditscher Sprooch vor em Werther vum Goethe. 1494 oder 1495 isches in Strooßburg erschiine, wo de Brant au gebore isch, un wo si Vatter s Gaschthuus zum ‚Goldene Löwe‘ gführt het.

Jedefalls: „Wenn s so viel Chrischte gäb wie Narre“, dääd de Sebastian Brant hit sage, „no gäb s au meh Kirchestiiere“.

Stefan Pflaum, www.dreisamtaeler.de vom 19.2.2004

  

 

40 De Bruddlihans un d Weltverschwörung

Geschtert isch des Zettili mit dere Adress noch uf em Tisch glääge. De Bruddlihans könnt schwöre bi alle Heilige. Er het s selber do naaglegt gha. So n ä Zettili verschwindet doch nit vun ällei. Do mueß ebber ... ! In so nere Verlegeheit isch es guet, wenn mr verhiirotet isch. No ka mer d Frau frooge. Wer sunsch als wie dii kann sell Zettili ha!? Des isch doch bekannt, dass Ehefraue Zettili sammle un hälings verschwinde lehn.

Am beschte, mr het noch zwei oder drei Kinder. No verteilt sich de Verdacht geräächter. D Ehefraue un d Kinder sin nämlig vun Natur us hinter alle unbewachte Zettili her. Also: „Martha, hesch du....“? „Nei, ich hab’ gar nix, sperr dini Auge uf un loss mi in Rueh“! Was soll r jetz mache, wenn d Chaibe schun in de Schuel sin un d Frau nit mit em schwätze will? Wem schiebt r s jetz in d Schueh,  dass r seller Geldbittel nit in de innere Jacketasch findet un d Zittig nit im Briefkaschte? Usgrechnet am Mändig, wo sell Spiel vum SC gege Kaiserslautre im Sportteil kommentiert wurd. Aber mr weiß jo, dass d Ehefraue mit de Zittigsusträgerinne unter einer Decki stecke, bsunders am Mändig. De Bruddlihans kann keinem un keinere nit traue.

Au bösi Geischter git s, wo immer widder Termine us sinem Terminkalender usradiere, wo n r, so sicher wie s Amen in de Kirch, er könnt schu widder schwöre, mi me breite Filzschriiber iitrage het. Die Geischter sin au schuld, dass r de Geburtstag vum Kegelbrueder verschwitzt. Irgendebber stellt em allewiil widder ä Bei. Selli Telefonnummer het em siner Kolleg falsch diktiert, sunsch dääd si doch richtig im Büechli stoh. Er schriibt doch im Lääbe nix falsch uf, wenn s em einer rächt vorsagt! S het sich eifach alles gege ne verschwore!

Wenn d Kinder schlächti Note heimschleppe, tauge d Lehrer nix. Bim Fueßballspiele dääd r  in hundert Johr nit nebe de Balle haue, wenn d Mannschaftskamerade besser flanke könnte. Im Gschäft wär de Bruddlihans längscht Abteilungsleiter, wenn en de Vatter hätt s Abitur mache lehn un siner Chef im Betriib ne nit mobbe dääd. Er hätt au nii kei Unfall nit baut, wenn der vornedraa nit absichtlich z langsam gfahre wär. S Hiisli wär abbezahlt, wenn d Banke nit mit sine Schulde s große Gschäft mache wotte. S wär alles guet, wenn d Frau nit allewiil  Zettili ufruume, d Kinder nit ploge, de Chef nit mobbe, d andre besser fahre dääde. Wenn s kei Amis gäb, kei Usländer, kei Globalisierer, kei Atomkraftgegner, kei Linki, kei Grüeni, kei Euro. An sinem Raucherhueschte isch de Dokter schuld. Wer sunsch? Sogar s Wetter isch schuld. D ganz Welt wär besser, wenn si nit so schläächt wär. Soll ämol einer s Gegeteil behaupte!

Bi uns sait mr: „Zum dumm schwätze brucht mr nit gscheit sin“. Zum Schuldigi finde für d eigene Fehler au nitte.

Stefan Pflaum, www.dreisamtaeler.de vom 3.3.2004          

  

 

41 Provence-Ambiente un Old-English-Style

Nei, nei! Mr wohnt nit hitzedags. Mr residiert. Ime „Wohn-Traum“! Jedefalls, we mer im Anzeigeteil vun de Zittige de Wohnungs - un Hiisermarkt in unsre Gegend durchschpicklet. Ä „hochwertige Komfortsuite mit großzügigem Südbalkon und atemberaubendem Panoramablick“ wurd do angebote. Nit kurz un klar: Balkon un schöni Ussicht. Die Suite lait nämlig nit eifach wo obe, so ä weng uf em Berg, am Hang. Nei,sie isch „in exponierter und bevorzugter Hanglage höchst (!) idyllisch gelegen“. In de „Vorbergzone“. Was so klingt, als käm glii nooch de Ortsusfahrt vun Emmedinge schu s Matterhorn. „Ruhig, sonnig und äußerst stilvoll“ isches natürlig un „in unmittelbarer Ortsnähe“. Wie d Architekte un Planer des immer hiinkriige, dass mr praktisch mittle in de wildeschte Natur, „angrenzend an ein Naturschutzgebiet, das zum Meditieren einlädt“ wohnt un enneweg numme ä Hopser vun de City, vum Bahnhof un vun de Autobahnusfahrt eweg. Un „nur wenige Schritte von der Bushaltestelle“. S mueß also in jedere Strooß zwanzig Bushaltestelle gen.“. Oder s handelt sich um ä  „topgepflegte, ökologisch durchdachte, familien -, kinder -, senioren - und haustierefreundliche Wohlfühlresidenz mit Spielstraße und Erlebnisbereich an der Naherholungszone“, uf Hochditsch ‚Rekri-eischensenta. Mr wohnt in „einer mediterranen Oase mit Oasenwohngefühl“. Un des kääp am Induschtriigebiit vu Denzlinge! Wer hätt sel denkt, dass r do ämol direkt am Mittelmeer residiert! Mr wohnt im „Herbstzauber“ oder im „Winterparadies“. Vum „ruhig plätschernden Bach eingerahmt, der“, wie kann s anderschter sii, „in den nur Minuten entfernt liegenden Badeweiher mündet“. Mr wohnt aber eigentlig nitte, nei, mr „pflegt Wohnkultur mit klassischer Eleganz in sonnen- und lichtdurchfluteten Räumen“. Un zwar „mit höchster Lebensqualität in gehobenster Innenausstattung im Old- English- Style“. Gehobenschter gohts bschtimmt nimmi. Oder doch? „Im Innenraum multifunktionale Badelandschaft mit Whirl-Pool, Wellness-Dusche und Handtuchwärmer mit liebevoll gestalteten Exklusiv-Details und dezent versteckten Funktionsteilen. Im Außenbereich zurückhaltendes Fassaden-Design mit zart nachempfundenen Jugendstilelementen sowie unauffällig begrüntem Car-Port“. „Dezent versteckt“, „zurückhaltend“ und „unauffällig“. Do siehsch also fascht nix un zahlsch no defür! Drumrum deno „geschmackvollste Gartengestaltung mit Provence-Ambiente inmitten von altem Baumbestand und seltenen Insektenarten“. Wahrschiins alti Zwetschgebäum un de Heugumper. Ä Alternativi isch „reizvolle Grillinsel in Englischem Garten-Flair mit winterlichen Brunch-Freuden unter beheizbarem Wintergartendach“. Do trausch di bigott nit mit Fleischkäs, Nudelsalat un Weckli aatanze, wenn de zue de Grillparty iiglade bisch.

Mi Traum wär sell „Solarniedrigenergiewunschhaus mit Rundumsonne in citynaher Ortsrandlage“. Do schtoht deno s Ortsschild direkt näbenem alte Kirchturm. Un ich wohn ganz älleinig zwischedrinne!

Stefan Pflaum, 18.3.2004

  

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