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Zeitgeschehen
über den Freiburger Osten hinaus
 

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Lektüre in der Höllentalbahn Ende März 2003 Lektüre in der Höllentalbahn zwischen Himmelreich und Ravenna Ende März 2003
 

 

 
Aruntahi Roy:
Die Amerikaner  machen alles schlimmer

Zur Globalisierung:
"
In Amerika besitzt ein Prozent der Gesellschaft soviel wie die unteren 57 Prozent zusammengenommen. Für dieses eine Prozent bedeutet Globalisierung etwas ganz anderes als für die 57 Prozent. Das ist in Indien nicht anders. Es sind die Eliten, die sich zusammenschließen und vom Globalisierungsprojekt profitieren. Das war übrigens nie anders. So viele Briten waren es ja nicht, die während der Kolonialzeit in Indien lebten. Um regieren und exportieren zu können, brauchten sie die einheimischen Eliten. Verändert hat sich etwas anderes: Um den Kolonialismus zu bekämpfen, konnten die unterdrückten Völker den Nationalismus als Waffe einsetzen. Heute richtet sich der Nationalismus gegen sie selbst. Da ist es schwer, Widerstand zu entwickeln."  

Zu Amerika's Angst vor Bedrohung:
"China ist ein gutes Beispiel. Es ist geradezu die Grundlage der amerikanischen Außenpolitik, immer jemanden zu finden, der das Land bedroht. Manchmal sind es lächerliche Feinde wie Nicaragua oder Kuba, dann ist es Afghanistan oder der Irak oder eben China. Wie will man auch anders seine Waffenprogramme rechtfertigen, diese ganze Ausrichtung der amerikanischen Wirtschaft auf den Krieg? Es ist erstaunlich, daß das mächtigste Land der Welt auch das ängstlichste ist.  

Zu Amerika's Weltherrschaft:
"Wer hat denn die Taliban erschaffen? Selbst ihre Schulbücher wurden in Amerika gedruckt. Amerika hat eine große Rolle in der Züchtung des islamischen Fundamentalismus gespielt. Auch Saddam Hussein wurde unterstützt von Amerika und einigen anderen. In der muslimischen Welt hat Amerika Terroristen ausgebildet, so wie es vorher Lateinamerika vergewaltigt hat. Schauen Sie sich Afrika an: Jeder einzelne Konflikt dort hat mit der Frage zu tun: Wo liegt Gold, wo Nickel, wo Kupfer? Ich wache hier jeden Morgen auf und danke Gott, daß Indien kein Land mit Bodenschätzen ist. Würden sie sonst vielleicht versuchen, das Kastensystem wegzubomben, um ein feministisches Paradies zu schaffen? Die Amerikaner machen alles schlimmer, schlimmer, schlimmer. Sie haben eine Situation geschaffen, in der kein Land in der Welt, nicht einmal Europa, einem amerikanischen Angriff etwas entgegenzusetzen hat. Das einzige, was den Menschen bleibt, ist auf die militärische Besetzung zu warten, um dann Widerstand zu leisten."

Quelle:
"Die Amerikaner  machen alles schlimmer", Arundhati Roy sucht nach Formen des Widerstands, FAZ vom 12.10.2003, Nr. 41 / Seite 9

  

 

Jüdische Websites in US-Terrorgruppenliste aufgenommen

Die USA haben nun ihre Liste der 'ausländischen Terrorgruppen' u.a. auch mit jüdischen Internet-Seiten gefüllt. Die betroffenen Websites gehören der jüdischen Gruppe 'Kahane Chai'.  Der Grund, warum die Seiten newkach.org, kahane.org, kahane.net und kahanetzadak.com in diese Liste aufgenommen wurden, ist, dass sie angeblich Anschläge auf palästinensische Einrichtungen verübt hätten.

Dazu wurde jedoch bemerkt, dass es noch erlaubt sei, die genannten Websites trotz ihres Eintrages in die Liste zu besuchen. Eine Block- oder Filteraktion sei ebenfalls ausgeschlossen worden, da die Technik hier nicht mitspielen würde.  
Quelle: www.futurezone.orf.at  und Newsletter von www.web.de vom 15.10.2003

  

 

 

What makes the war in Iraq happen?

Backstage of the American attack against Iraq in 1991

Quelle:
Part of the material for the course "Models and Natural Resources Management 1"
Milan Technical University, 2003

Die Powerpoint-Präsentation starten: irak91war.pps

  

 

Hu is the leader of China? (11.12.)

George B.    : Condi! Nice to see you. What's happening?
Condoleeza R.: Sir, I have the report here about the new leader of China.
George B.    : Great. Lay it on me.
Condoleeza R.: Hu is the new leader of China.
George B.    : That's what I want to know.
Condoleeza R.: That's what I'm telling you.
George B.    : That's what I'm asking you. Who is the new leader of China?
Condoleeza R.: Yes.
George B.    : I mean the fellow's name.
Condoleeza R.: Hu.
George B.    : The guy in China.
Condoleeza R.: Hu.
George B.    : The new leader of China.
Condoleeza R.: Hu.
George B.    : The Chinaman!
Condoleeza R.: Hu is leading China.
George B.    : Now whaddya' asking me for?
Condoleeza R.: I'm telling you Hu is leading China.
George B.    : Well, I'm asking you. Who is leading China?
Condoleeza R.: That's the man's name.
George B.    : That's who's name?
Condoleeza R.: Yes.
George B.    : Will you or will you not tell me the name of the new leader of China?
Condoleeza R.: Yes, sir.
George B.    : Yassir? Yassir Arafat is in China? I thought he was in the Middle East.
Condoleeza R.: That's correct.
George B.    : Then who is in China?
Condoleeza R.: Yes, sir.
George B.    : Yassir is in China?
Condoleeza R.: No, sir.
George B.    : Then who is?
Condoleeza R.: Yes, sir.
George B.    : Yassir?
Condoleeza R.: No, sir.
George B.    : Look, Condi. I need to know the name of the new leader of China. Get me the
                     Secretary General of the U.N. on the phone.
Condoleeza R.: Kofi?
George B.    : No, thanks.
Condoleeza R.: You want Kofi?
George B.    : No.
Condoleeza R.: You don't want Kofi.
George B.    : No. But now that you mention it, I could use a glass of milk. And then get me the U.N.
Condoleeza R.: Yes, sir.
George B.    : Not Yassir! The guy at the U.N.
Condoleeza R.: Kofi?
George B.    : Milk! Will you please make the call?
Condoleeza R.: And call who?
George B.    : Who is the guy at the U.N?
Condoleeza R.: Hu is the guy in China.
George B.    : Will you stay out of China?!
Condoleeza R.: Yes, sir.
George B.    : And stay out of the Middle East! Just get me the guy at the U.N.
Condoleeza R.: Kofi.
George B.    : All right! With cream and two sugars. Now get on the phone.
(Condi picks up the phone.)
Condoleeza R.: Rice, here.
George B.    : Rice? Good idea. And a couple of egg rolls, too. Maybe we should send some to the guy
                    in China. And the Middle East.

Frei erfunden von dem Dramatiker James Snerman, Chikago

  
 

Renten in Deutschland - der Baum hat keine Wurzeln

"Liebe Politiker im Rentenchaos,
also, ich habe mein ganzes Leben reinbezahlt - wie bei einer Versicherung, und wenn irgendwann mein Versicherungsfall eintritt, mein Alter, dann rechne ich mit meiner Rente - nicht als Wohltat, sondern als Lohn meiner Arbeit. Eigentlich war das klar. Aber Ihr Politiker sagt nun, dass ueberhaupt nichts klar ist, weil unsere sozialen Sicherungssysteme nicht mehr stimmen. Wir sind ein Land wie ein Baum, der oben dick, knorrig und schwer ist und unten keine Wurzeln mehr hat. Beim naechsten Wind kann er umfallen. Warum hat der Baum keine Wurzeln, die ihn ernaehren? Warum haben wir immer weniger Kinder, die uns Rentner einmal ernaehren? Schimpfen Sie mich ruhig einen reaktionaeren Katholiken.

Aber eine Gesellschaft, die beginnendes menschliches Leben nicht besser schuetzt als Kaulquappen, hat eben weniger Kinder (das Statistische Bundesamt meldet fuer das Jahr 2001 insgesamt 134.964 Schwangerschaftsabbrueche).

Eine Gesellschaft, in der Chefs sagen duerfen "...aber werden Sie mir bloss nicht schwanger", stirbt eben aus.

Eine Gesellschaft, in der die Mutter mit drei Kindern gefragt wird "... und was sind Sie von Beruf?", hat keine Chance.

Der Begriff Proletarier kommt aus dem Lateinischen und heisst "der, der nichts hat als seine Kinder". Wir sind ärmer dran als die im alten Rom.

Herzlichst
Ihr Franz Josef Wagner"

Bild-Zeitung vom 12.11.2002, mehr dazu in www.bild.de

  
 

Irak-Krieg und Erdöl?
 
"Beim diskutierten Angriff auf den Irak geht es nicht nur um den Sturz eines Unrechtsregimes, sondern auch um die Zukunft der amerikanischen Energieversorgung
, munkeln Amerika-kritische Stimmen. Der Irak exportiert derzeit auf Grund internationaler Sanktionen seit dem Golfkrieg weniger als zwei Millionen Barrel pro Tag. Bagdad würde gerne sechs Millionen fördern. Nach einem Machtwechsel könnte der Irak wieder ungebremst Öl produzieren, das, so wird gemutmaßt, seinem „Befreier“ Amerika zu Gute käme. Eine Investition in die Zukunft, schließlich verfügt das Land über die zweitgrößten Reserven der Welt...."
FAZ am 16.9.2002

Ironie oder nicht? Bush und die Erdölindustrie

  
 

Zur Strafe - Bush und Schröder mögen sich nicht
Niemand sollte meinen, dass in der großen Politik kleine Schwächen keine Rolle spielten. Wenn der beleidigte George Doppel-V Bush unseren Kanzler nicht sehen will, während er reihenweise Potentaten aus Zwergstaaten empfängt, dann ist das so ein Fall.
Nun kann man sich fragen, was die beiden vorher Intimes austauschten - ohne Dolmetscher. Denn von Schröder sind Kenntnisse in Englisch genauso wenig überliefert wie von Bush solche in Deutsch.
Von H. Kohl weiß man immerhin, dass er Bush - und zwar dem Vater- astrein das Du angetragen hat: You can say you to me.
Duzfreunde sind George jr. und Gerd längst. Was könnten sie sich, falls sie sich je treffen, noch zuraunen, damit jeder jeden versteht? Fuck you, zum Beispiel. In Texas, wo Bush herkommt, eine gängige Sympathiebekundung.

Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg vom 5.11.2002, www.rnz.de

  
 

Schwäbisches Tagblatt zu Däubler-Gmelin's "Bush-Hitler"

Der Chefredakteur des "Schwäbischen Tagblatts" beschreibt in seiner Zeitung, wie es zu dem Artikel kam und wie die Ministerin ihn verhindern wollte 
Von Christoph Müller

Unser Bericht am Donnerstag über die Äußerungen von Herta Däubler-Gmelin vor rund 30 Metallgewerkschaftern in der Derendinger "Sportgaststätte" ("Bush will ablenken - Däubler-Gmelin: Beliebte Methode seit Hitler") hat verständlicherweise größte innen- und außenpolitische Kreise gezogen. Wir hatten ihn noch am Abend auch ins Internet gestellt, wo ihn andere Zeitungen und Agenturen bald entdeckten. Am nächsten Morgen hatte "Spiegel-Online" unsere Geschichte übernommen.

Und dann gab's kein Halten mehr. Das Ministerium der Bundesjustizministerin hat daraufhin die Dementiermaschine angeworfen und unsere Berichterstattung, zu der wir Wort für Wort stehen, als "absurd und an den Haaren herbeigezogen" bezeichnet. Die Ministerin setzte im Laufe des für sie turbulenten Tages noch eins drauf, indem sie das "Tagblatt", das nicht gerade im Ruf steht, eine CDU-Zeitung zu sein, des "üblen Wahlkampfmanövers" bezichtigt. "Verleumderisch und geradezu abwegig" sei, sagt sie zu dpa, was Michael Hahn protokolliert hat. Damit stellt sie Ehre und Berufsverständnis der "Tagblatt"-Redaktion unter Falschaussageanklage.

Dabei steht nicht einmal Aussage gegen Aussage. Die Lage ist eindeutig. Keiner der anwesenden 30 Zuhörer in Derendingen, auch die Ministerin selbst nicht, hat bis jetzt dem Teil des Berichts widersprochen, dass aus ihrem Munde die Sätze vom "lausigen" amerikanischen Rechtssystem und einem eigentlich im Gefängnis sitzen müssenden US-Präsidenten Bush gefallen sind. Und wie es um die Sätze bestellt ist, die jetzt zu Rücktrittsforderungen führten, das sei hier in der chronologischen Abfolge geschildert.

Michael Hahn hat ihre Sätze in der Diskussionsveranstaltung getreulich mitgeschrieben. Als im Zusammenhang mit Bush das Wort Hitler fiel, regte sich Unruhe unter den Zuhörern. Die Redaktionskonferenz, der Hahn noch ganz unter Schock davon berichtete, verstand die Welt nicht mehr. Zwar wissen alle in Tübingen, dass die durchaus liebe- oder zumindest respektvoll "Schwertgosch" genannte Ministerin, wenn sie sich gereizt fühlt (ansonsten kann sie umso reizender sein, wodurch der Schreiber dieser Zeilen im Lauf der Jahre geradezu zu einem Herta-Fan geworden ist), ohne Rücksicht auf Verluste vom Leder zieht und aus ihrem tapferen Herzen keine Mördergrube macht.

Wir wollten, wie gesagt, das Berichtete nicht wahrhaben und beschlossen, Michael Hahn solle sich sicherheitshalber bei einigen Teilnehmern der Diskussion, von denen die meisten der SPD-Politikerin nahe stehen, telefonisch rückversichern, dass auch sie gehört haben, was er gehört hat.

Das Ergebnis war peinliche Verlegenheit bei den Befragten, sie hätten ihre Herta nicht unbedingt so verstanden, als wolle sie Bush und Hitler direkt vergleichen, aber die Sache mit dem Adolf sei unüberhörbar so gewesen. Doch man solle die Affäre, bitte sehr, wenn irgend möglich nicht so hoch hängen, das sei nur willkommenes Futter für den politischen Gegner.

Zwei der Betriebsräte kamen kurz darauf in die Redaktion, um noch einmal mit uns zu sprechen: Sie wollten das Schlimmste abwenden, bestätigten aber die hochbrisante Wortwahl ihres Diskussionsgastes, auch am Donnerstag noch einmal im Fernsehen.

Die beiden aus eigenem Antrieb in die "Tagblatt"-Redaktion gekommenen Gewerkschafter gingen anschließend ins Tübinger SPD-Büro, um dort ihre Gewissensbisse loszuwerden. Die Folge: Herta Däubler-Gmelin rief Michael Hahn an und drohte postwendendes Dementi an, falls er schreiben werde, sie habe Bush mit Hitler verglichen. Unser Redakteur - ich saß daneben - fragte, wie sie denn meine, dass sie es gesagt habe, und er werde dann dies als von ihr quasi letztgültig autorisierte Fassung ins Blatt bringen. Und so wollte sie sich an das Gesprochene erinnern - wörtlich so hat es Hahn aufgeschrieben und ihr nochmals langsam vorgelesen: "Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht." Kurz darauf rief die Ministerin mich als den Chef des "Tagblatts" an und bat um ein Treffen. Ich stimmte zu.

Im Beisein zweier weiterer leitender "Tagblatt"-Redakteure machten wir ihr klar, dass wir es als unsere Journalistenpflicht verstehen, über den Vorfall zu berichten, auch wenn sie uns jetzt sagte, sie habe nicht gewusst, dass die Gewerkschaft einen "Tagblatt"-Vertreter zu der von der Ministerin als intern betrachteten Diskussion eingeladen hat. Im Übrigen werde sie uns gegenüber jetzt zu gar nichts mehr etwas sagen, auch nicht zu dem zuvor wortwörtlich von ihr so formulierten Methoden-und-nicht-Personen-Vergleich. Sie merkte wohl, wie sehr es uns contre coeur ging, Dinge von ihr berichten zu müssen, von denen wir wussten, dass sie sie bei aller verstehbaren, von uns geteilten Kritik an den USA lieber nicht geäußert hätte.

In diesem Moment sagte sie, sie bedaure ihre Äußerungen und sie wäre froh, wenn sie nichts von Hitler gesagt hätte. Was soll ein Journalist in so einem Fall tun? Darf, soll, kann er eine Politikerin vor sich selbst schützen? Kann öffentlich Gesprochenes ungesprochen gemacht werden? Und darf politische Nähe oder Sympathie dabei entscheiden?

Am Donnerstag dann die große Rundum-Dementierung, immer auf Kosten der Glaubwürdigkeit des "Tagblatts" und seines Redakteurs Michael Hahn. Ganz nebenbei: Ich habe bereits vor einer Woche briefwählend meine Erststimme Herta Däubler-Gmelin gegeben. Ich würde auch gerne jetzt noch dazu stehen
. . .
Quelle: Schwäbisches Tagblatt vom 20.9.2002, http://mailman.bildung.hessen.de 21.9.2002

     

 

Moral Bombing - ein Kriegsverbrechen der Aliierten nach dem Zweiten Weltkrieg

Das "moral bombing" der Alliierten im Zweiten Weltkrieg war ein Kriegsverbrechen, vor allem an den Kindern. Doch das Thema ist bis heute tabu / Von Klaus Müller

Während des Kosovokrieges meldete die Nato gelegentlich "Kollateralschäden". Gemeint waren Zivilisten, die bei den Luftangriffen auf Fabriken oder Kommunikationszentren unbeabsichtigt getötet worden waren. Dagegen erhob sich Empörung, am lautesten in Deutschland. Vor allem wegen der Kinder unter den Opfern. Während des Zweiten Weltkriegs töteten britische und amerikanische Bomben 800 000 deutsche Zivilisten. Darunter hunderttausende Kinder. Und eine unbekannte Zahl wurde fürs Leben traumatisiert. Kollateralschäden auch dies?

Um den Krieg zu gewinnen, "müssen wir zuvor einen ganzen Haufen deutscher Zivilisten töten", erklärte Sir Arthur Harris nach seiner Ernennung zum Chef des britischen Bomber Command 1942, heute vor 60 Jahren. Und 1947: "Die Zerstörung von Industrieanlagen erschien uns stets als eine Art Sonderprämie. Unser eigentliches Ziel war bei allen Angriffen stets die Innenstadt." Harris' Bomber führten Krieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Deren Moral sollte gebrochen und so die Kriegsproduktion zum Erliegen gebracht werden. Faktisch beteiligten sich auch Amerikaner am moral bombing. Das Töten möglichst vieler Zivilisten war eigentliches Ziel der Luftangriffe gegen Städte; ihre Kollateralschäden waren Industrie- und Militäranlagen.

Doch um dieses Thema ist es still in der Welt, besonders in Deutschland. Dabei war die vom italienischen Fliegergeneral Douhet 1920 entwickelte, von Churchill bereits 1924 übernommene und von Harris in die Tat umgesetzte Luftkriegsdoktrin völkerrechtswidrig, moralisch verwerflich und militärisch unsinnig. Darin sind sich viele britische und amerikanische Militärs, Historiker und Geistliche einig. Noch während des Krieges, 1944, verurteilte der Bischof von Chichester, Georg Bell, das moral bombing vor dem Londoner Oberhaus. "Hitler ist ein Barbar", sagte er. "Aber das gibt uns nicht das Recht, selbst barbarisch gegen die Deutschen vorzugehen." Nach dem Krieg bewertete US-General Patton das moral bombing als "rechtswidrig" und nannte es "militärisch einen großen Fehler": Das deutsche Volk scharte sich noch enger ums Naziregime, die Kriegsproduktion wurde fast bis zum Schluss ständig gesteigert. Der Krieg hätte um etliche Monate verkürzt werden können, wären statt der Städte kriegswichtige Ziele bombardiert worden. Der amerikanische Fliegergeneral Hensell fand "die Vorstellung unerträglich, strategische Luftkriegsführung mit Massenmord an Männern, Frauen und Kindern zu verbinden". Englische Militärhistoriker wie General Fuller und Lidell Hart urteilten ähnlich. Als 1992 in London das Harris-Denkmal durch die Queen Mum enthüllt wurde, reagierten viele Briten mit Empörung. In einer Gegendemonstration sah man Schilder mit der Aufschrift: "Harris = Eichmann", und der Luftwaffenveteran Dennis Bols brachte die Meinung vieler zum Ausdruck, als er über seinen früheren Chef sagte: "Harris war ein Psychopath. Es war sein Ziel, Frauen und Kinder zu Asche zu verbrennen."

Anders als in den angelsächsischen Ländern ist in der deutschen Öffentlichkeit das moral bombing tabu. Über das Verbrechen des Achill am geschlagenen Hektor im Trojanischen Krieg wissen die Deutschen mehr als über das von Churchill und Harris an ihnen begangene. Die militärhistorischen Fakten sind ihnen unvertraut, die Schuldfrage haben sie nie ernsthaft gestellt, dafür umso entschiedener beantwortet: Das Inferno brennender Städte war die gerechte Strafe dafür, dass Nazi-Deutschland den Krieg begonnen und unfassbare Verbrechen begangen hat.

Empörung wie von Dennis Bols ist bei uns nie laut geworden. Erklärt das vielleicht den hier zu Lande besonders lauten Protest gegen "Kollateralschäden" im Kosovo und jüngst in Afghanistan? Fast könnte man meinen, er habe eine Art Ventilfunktion. Mitartikuliert wurde möglicherweise der unbewusste, nie zum Ausdruck gebrachte Zorn über das ungesühnte Verbrechen des moral bombing.

Nach dem Krieg wurde Harris gefragt, ob es für den alliierten Sieg notwendig gewesen sei, so viele Städte zu zerstören und so viele Zivilisten zu töten. Gewiss habe dieser Krieg auch Zivilisten getroffen, antwortete Harris, aber: "Sie haben Hitler und sein Kriegsprogramm gewählt. Ich hielt es für gut, den Deutschen klarzumachen, dass Kriege eine bestialische Angelegenheit sind. Die Deutschen hatten Wind gesät, nun würden sie Sturm ernten." Ungeborene, Säuglinge und Kinder haben Hitler gewiss nicht gewählt. Obwohl absolut unschuldig, wurden sie zu Hunderttausenden verbrannt, zerfetzt, erstickt, erschlagen oder fürs Leben verletzt.

Man kann es kaum glauben, aber ein großer Teil der Deutschen scheint sich die Sicht von Harris zu Eigen gemacht zu haben. Thomas Mann repräsentiert dieses Phänomen. Nach der Zerstörung Lübecks am 28. März 1942 hat der gebürtige, damals in Kalifornien lebende Lübecker "nichts einzuwenden gegen die Lehre, dass alles bezahlt werden muss". Wohl bedauert er, dass viele Baudenkmäler der alten Hansestadt vernichtet wurden, nicht aber erwähnte er die 312 getöteten Lübecker. Als Mann 1949 Deutschland besucht, vermeidet er zu schildern, was der "jammervolle Anblick der vernichteten Städte" in ihm auslöst. Er rügt jedoch den "deutschen Anspruch auf bevorzugendes Mitleid" als "unerschütterliche Arroganz".

Unter den Getöteten in Lübeck waren auch Kinder. Wofür hatten sie zu zahlen? Und hatten die überlebenden, traumatisierten Kriegskinder keinen Anspruch auf "bevorzugendes Mitleid"? Wie Harris konnte Mann dem moral bombing nur deshalb den Anschein von Moralität verleihen, weil er die Kinder ignorierte. Wenn etwas unmoralisch ist, dann der Massenmord an Kindern und das massenhafte Zerstören der kindlichen Psyche bei den Überlebenden. Bis heute sehen die Deutschen mit den Augen von Harris und Thomas Mann auf das moral bombing. Noch immer blenden sie aus, dass ihm massenweise Kinder zum Opfer gefallen sind. 1986 erinnert sich einer der einflussreichsten deutschen Psychoanalytiker, Horst-Eberhard Richter, an die Nachkriegsjahre: "Wir alle, die wir jetzt in diesem Elend und in dieser Stadt der Ruinen und Scherben herumkrochen, durften nicht hinausschreien: Was habt Ihr, die Sieger, uns angetan! Wir durften nicht gerecht leiden, wenn wir nicht Widerständler oder Verfolgte gewesen waren. Wir selbst hatten - genau bedacht - unsere Angehörigen mitumgebracht, unsere Häuser mitzerstört, andere Länder mitverwüstet, die Juden mitermordet. Jeder von uns steckte als Urheber mit in allem Leid, das Deutsche angerichtet oder herausgefordert hatten."

Das ist Common Sense bis heute. Weil wir Deutsche den Krieg vom Zaun gebrochen und unfassbare Verbrechen begangen haben, haben wir die Zerstörung unserer Städte selbst verschuldet. Wir dürfen weder leiden, noch die Sieger anklagen, gleichgültig, was sie uns angetan haben. Ausgenommen sind nur Widerständler oder Verfolgte, nicht die Kriegskinder. Wir Deutschen haben fürs moral bombing die Alleinverantwortung übernommen.

Im Widerspruch dazu aber steht die bezeichnende Tatsache, dass die Deutschen bis 1986 kein einziges Therapiekonzept für ihre traumatisierten Kriegsgeborenen hatten. Erst Ende der 80er-Jahre wird das "riesige Versäumnis" (Tilman Moser) bemerkt. 1993 tagte in Hamburg ein internationaler Kongress "Kinder als Opfer von Krieg und Verfolgung". In der sehr langen Literaturliste fand sich unter dem Punkt "Kriegskinder in Deutschland" nur eine kurze Bemerkung: Es gibt keine Untersuchungen, das Thema ist unerforscht. Auch in dem 1998 erschienenen "Lehrbuch zur Psychotraumatologie" (Fischer/ Riedesser) sucht man ein Wort zu Traumata deutscher Kriegsgeborener vergeblich. Dabei war bereits 1968 in einer Untersuchung (Th. Hau) nachgewiesen worden, dass deutsche Kriegsgeborene in der Pubertät deutlich mehr schwerste psychosomatische Störungen aufwiesen als die Vor- und Nachkriegsgeborenen, die Jugendlichen der Jahrgänge 1943 und 1944 sogar zwanzigmal mehr. 1944 ist das Jahr der schwersten Städtebombardements.

Die Untersuchung wird in keinem wissenschaftlichen Werk zur Kenntnis genommen. Es ist, als ob sie nicht existierte. Peter Heinl - einer der wenigen Seelenärzte, die sich dem Thema zugewandt haben - nennt 1994 ein breites Spektrum psychischer Auswirkungen früher Kriegstraumatisierungen. Psychosomatische, depressive und Borderline-Störungen gehören ebenso dazu wie "Sich-alleine-, Verlassen- und Verlorenfühlen; Gefühle der Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit und Verzweiflung, der Entwurzelung, der Fremdheit und Wurzellosigkeit und eine ruhelose Suche nach der eigenen Identität, eine unstillbare Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit, ohne diese jemals zu finden." Da Ursache und Wirkung der Symptome in der Regel unerkannt bleiben, spricht Heinl vom "doppelten Leid" der Betroffenen: Ihrem Urtrauma wird das Leid "diskriminierender Abwertung hinzugefügt", indem ihnen gesellschaftliches Versagen als persönliches angelastet wird.

Bis auf diese seltenen Ausnahmen ist das Leid der deutschen Kriegsgeborenen bis heute weithin ignoriert worden. Das kollektive Trauma wird bis heute verdrängt. Deutsche hatten unfassbare Verbrechen begangen. Aber auch Alliierte. Nicht zuletzt mit dem moral bombing. Die Haager Landkriegsordnung - zuständig für die rechtliche Beurteilung - schließt jeden Zweifel daran aus. In den Statuten für das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal und die Nachfolgeprozesse legten die Siegermächte jedoch fest, dass nur deutsche, keine alliierten Verbrechen angeklagt werden durften.

Dass es sich bei der von den Alliierten übernommenen Moral tatsächlich um eine irrationale Scheinmoral handelt, wird im Licht der Südafrikanischen Wahrheitskommission zur Gewissheit. Die Kommission, geleitet von Friedensnobelpreisträger Bischof Tutu, stellte fest, dass der Krieg der Schwarzen gegen das weiße Apartheid-Regime gerecht gewesen sei; zugleich hob sie jedoch hervor, ein gerechter Krieg rechtfertige keine verbrecherischen Mittel. Neben Weißen mussten sich auch Schwarze für begangene Verbrechen verantworten, darunter Winnie Mandela. Wie die südafrikanischen Schwarzen hatten die Alliierten einen gerechten Krieg geführt und gewonnen; wie jene hatten auch diese Verbrechen begangen. Aber im Gegensatz zur Wahrheitskommission tabuisierte die alliierte Justiz eigene Verbrechen. Statt die Verantwortung dafür zu übernehmen, schob sie sie den Deutschen zu. Während der Wahrheitskommission ein universell-gültiger, überparteilicher, also wahrhaft gerechter und moralischer Wertekanon zu Grunde lag, erweckte die alliierte Gerichtsbarkeit lediglich den Anschein von Gerechtigkeit und Moral. Sie stellte Gesetze auf, die nur für die Deutschen galten, nicht aber für sie selbst. Solche Gesetze können keine universelle Gültigkeit beanspruchen, sie sind geprägt von Selbstgerechtigkeit, Parteilichkeit - von einer irrationalen Scheinmoral. Deren Gesetze üben weniger Gerechtigkeit als vielmehr Rache.

"Die Zerstörung von Dresden im Februar 1945 war eines jener Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deren Urheber in Nürnberg unter Anklage gestellt worden wären, wenn jener Gerichtshof nicht in ein bloßes Instrument alliierter Rache pervertiert worden wäre", schrieb der englische Publizist und Labour-Politiker Richard Crossmann. Eine wahre Moral in dieser Frage entsteht in der Bundesrepublik erst, wenn sie sich des verdrängten Urtraumas bewusst wird und die Frage der Kriegsschuld nach dem Vorbild der Wahrheitskommission beantwortet. Dass Engländer und Amerikaner einen Beitrag zum Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche leisten, ist erfreulich. Noch erfreulicher wäre es, würde in London das Denkmal für Harris durch eines für die Opfer des moral bombing ersetzt.

Der Autor Klaus Müller ist 1944 geboren und lebt in Freiburg.
BZ vom 3.8.2002, Klaus Müller,  kluemmer@aol.com 

  

 

Israel: Möllemann, Karsli, Friedman - Zitate

"Israelische Armee wendet Nazi-Methoden an!". Der NRW-Landtagsabgeordnete Jamal Karsli, früher Grüne, jetzt FDP, Mitte März.

"Wer Ariel Scharon kritisiert, wird von bestimmten Leuten in Deutschland in die Ecke des Antisemitismus gestellt. Das verbitte ich mir auf das Schärfste. Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft als Herr Scharon und in Deutschland Herr Friedman mit seiner intoleranten gehässigen Art. Überheblich." Möllemann am 16.5.2002.

"Wo ist die FDP-Führung hingekommen, dass sie einem stellvertretenden Vorsitzenden, der solches Gedankengut verbreitet, nicht öffentlich widerspricht oder sich gar von ihm trennt. Die rechten Bemerkungen von Möllemann ... bewegen sich auf dem Niveau der Republikaner und der NPD."
Der stellv. Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Friedman, am 20.5.2002.

"Ich wiederhole meinen leider gefestigten Eindruck, dass die Politik von Scharon und der unerträgliche, aggressive, arrogante Umgang von Herrn Friedman mit jedem Scharon-Kritiker leider geeignet sind, antiisraelische und antisemitische Ressentiments zu wecken. Sich über diese ... Tatsache nur zu erregen, statt sie zu bedenken, mag eine Zeit lang als Ablenkungsmanöver taugen. Die Menschen im ganzen Volk haben das aber längst durchschaut."
Möllemann am 22.5.2002
Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 23.5.2002, www.rnz.de

  

 

 

 

Afghanistan-Hilfe - Organisationen

Ärzte ohne Grenzen, Kennwort "Afghanistan", Kto. 97 0 97, Sparkasse Berlin, BLZ 100 500 00

Caritas International, Kennwort "Afghanistan", Kto. 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00

Deutsche Stiftung für UN-Flüchtlingshilfe, Kennwort "Afghanistan", Kto. 2000 2002, Sparkasse Bonn, BLZ 380 500 00

Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD),
Kennwort "Flüchtlingshilfe für Afghanistan-Konflikt", Kto. 502-707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70

Mercy Corps (USA): Campaign for Afghan Children

Northwest Medical Teams, Inc. (USA) Thousands of Afghan families face a desperate struggle for survival this winter. In response, the first emergency medical volunteers from Northwest Medical Teams are on the way to Afghanistan to help the critically ill, with more teams to come in weeks ahead.

Terres des Femmes, Kennwort "Rawa", Kto. 881 999, Kreissparkasse Tübingen, BLZ 641 500 20

UNICEF, Kennwort "Flüchtlingshilfe
für Afghanistan", Kto. 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00

9-11 Peace Organization (USA). Action for Justice, not War. We believe that a non-military response is the best strategy for a permanent end to terror.

  

 

 


Ich habe heute einen offenen Brief aus Betlehem bekommen, den ich in der Anlage weiterschicke. Er wird verbreitet von der Einsatzstelle der drei Autoren, und es ist ausdrücklich erwünscht, dass der Brief weitergeleitet wird. Je mehr Menschen davon wissen, desto eher die Chance, dass unsere Außenpolitik da Einfluss nimmt!
Herzliche Grüße
Christof Heimpel, Bergheimer Straße 127 / 2, D - 69115 Heidelberg
Fon: +49 6221 130216     Fax: +49 6221 130226
c.heimpel@bonifatius-hd.de    
http://www.bonifatius-hd.de

Kontaktadresse (die den Brief weitergeleitet hat):
 

Betlehem/Israel - Offener Brief an Bundesaußenminister Fischer
Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Fischer,
wir leben und arbeiten in Bethlehem als Jugendarbeiter, Musiklehrer und Reiseleitertrainer. Wir leisten über SDFV, "Sozialer Dienst für Frieden und Versöhnung im Ausland" der Diözese Trier Ersatzdienst. Johannes Zang aus Goldbach bei Aschaffenburg ist vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) entsandt und finanziert als "Zivile Friedensfachkraft" (ZFD) des Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Andreas Kuntz aus Kaiserslautern begann hier im Rahmen seiner Ausbildung für die Evangelische Kirche der Pfalz. Wir alle kamen hierher in der großen Hoffnung, dass die Menschen in Palästina ihren Staat bekommen, für den sie bereits so viele Kompromisse eingegangen sind und auf den sie so lange gewartet haben. Wir unterstützen dieses berechtigte Anliegen, indem wir uns mit unserer Arbeit für eine selbstbewusste und demokratische palästinensische Zivilgesellschaft einsetzen.

Vor einer Woche ist israelisches Militär in die Geburtsstadt Jesu einmarschiert. Was wir seitdem erleben, macht uns zutiefst traurig und hat unsere Hoffnung auf eine Nachbarschaft in gegenseitigem Respekt schwer getroffen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und indem eine ganze Partei zu Terroristen erklärt wird, verbreiten Panzer und Scharfschützen Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung. Die Mehrzahl der 21 Toten in Bethlehem in den letzten 8 Tagen sind Zivilisten. So werden unsere freiheitlichen Werte mit Füßen getreten. Wir halten daran fest: Menschenrechte gelten für alle Menschen.
Unseren israelischen Freunden müssen wir als Deutsche sagen: Die israelische Regierung zerstört mit ihrer Aggression die Grundlagen der möglichen Nachbarschaft mit den palästinensischen Bürgerinnen und Bürgern des zukünftigen Staates Palästina. Lippenbekenntnisse helfen nicht weiter; nach mehr als 30 Jahren Besatzung und Erniedrigung verdienen die Menschen im Westjordanland und im Gazastreifen endlich die spürbare Achtung ihrer Menschenwürde. Alle hier fragen sich: Wie weit wird die israelische Armee noch gehen? Was wird die nächste Eskalation sein? Wir fragen uns: Wie sollen unsere palästinensischen Mitmenschen jemals wieder Vertrauen zu ihren israelischen Nachbarn fassen, nachdem die über 30 Jahre währende Besatzung eine unvorstellbare Steigerung erfahren hat?

Die Berichterstattung in Deutschland scheint einer Generallinie zu folgen, die die Situation der Menschen in Palästina im Dunkeln lässt. Die seelischen Verletzungen nicht nur in Bethlehem sind tief und von den sichtbaren Schäden können wir gar nicht alles erwähnen.

Hier einige Beispiele: Institutionen der Zivilgesellschaft werden systematisch beschädigt. Die Universität Bethlehem, die Entbindungsklinik "Heilige Familie" mit Waisenhaus sowie das "Hussein"- Krankenhaus in Beit Jala wurden mit Maschinengewehren und Granaten beschossen. Die neuen Wasserleitungen des Bethlehem 2000 Projektes wurden zerstört. Sanitäter und Ärzte wurden an der Hilfeleistung gehindert, andere während ihres Einsatzes von Scharfschützen verletzt.

Wir meinen, Berichterstattung muss die gesamte Lebenswirklichkeit der Menschen abbilden: Ihre Arbeit, ihre Freude – ihr Leiden, ihr Hoffen. Wir haben uns in die Altstadt von Bethlehem geflüchtet, wo wir sicher sind vor Scharfschützen, wahllos abgefeuerten Maschinengewehrsalven und Panzerbeschuss. Aber wer ist in diesen Tagen noch sicher? "Ich habe den Ersatzdienst bewusst gewählt, um mich für Frieden einzusetzen. Und jetzt bin ich von allen meinen Freunden, die zur Bundeswehr gingen, wahrscheinlich der Einzige, der einen richtigen Krieg miterlebt." Wir sind weiterhin vor Ort, weil wir die palästinensischen Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich lassen wollen, in einer Zeit, wo sie sich von Europa verlassen fühlen. Wir sind hier, um unsere Stimmen zu erheben und die Welt zu informieren, so weit sie es will.

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister, wir wissen sehr gut, wie verfahren die Situation bereits ist. Wir wünschen uns klarere Worte als bisher, auch von der offiziellen Außenpolitik der Bundesrepublik. So sehr die westliche Welt den Staat Israel unterstützt, so sehr muss sie Tacheles reden. Im Namen der westlichen Zivilisation muss der Zerstörung und dem Töten Einhalt geboten werden. Alle bisher geleistete Hilfe der Europäischen Union an Palästina steht auf dem Spiel. Arbeiten Sie bitte für die Schaffung eines souveränen Palästinenserstaates mit klaren Grenzen. Das ist die einzige Lösung. Nur so kann das Feuer des Fundamentalismus gestoppt und den ständigen Konflikten der Boden entzogen werden.

Würden wir jetzt schweigen – wir würden unseres Lebens nie mehr froh werden! Gerade als Deutsche, die mit der schweren Hypothek und Schuld unserer Vorväter am jüdischen Volk aufgewachsen sind, tragen wir in uns die feste Überzeugung, dass man seinen Mund aufmachen muss, wo Unrecht und Unmenschlichkeit geschieht.

Wir glauben, dass Sie mehr tun können als bisher. Sprechen Sie mit beiden Seiten solange, bis wenigstens die Panzer wieder abgezogen sind. Lassen Sie Bethlehem wieder Hoffnung fassen!

Hochachtungsvoll, Andreas F. Kuntz, Johannes Zang, Bethlehem, 26. Oktober 2001
Andreas F. Kuntz
Protestantischer Theologe, MA. Jüdische Studien
Koordinator Authentischer Tourismus
Internationales Begegnungszentrum
Bethlehem - Palästina
P.O.Box 162 - via Israel
Akuntz@annadwa.org , URL www.annadwa.org

     

 

HAT DER 1.9.2001 NICHTS MIT DEM ISLAM ZU TUN?

Von Amir Taheri. Amir Taheri ist ein iranischer Schriftsteller und Herausgeber
der Pariser Zeitschrift "Politique Internationale"
Wall Street Journal Europe, 17. Oktober 2001-10-18

"Das Ganze hat nichts mit dem Islam zu tun", sagte der britische Premierminister
Tony Blair kürzlich einer muslimischen Delegation bei einem Treffen in Downing
Street No. 10. Er bezog sich dabei auf die Angriffe auf das World Trade Center
und das Pentagon vom 11. September.

Mr. Blair gab damit die sowohl in Europa wie in den USA populäre Ansicht weiter,
dass es unfreundlich, um nicht zu sagen: unklug ist, irgendwelche Kritik am
Islam zu äußern. Gleichwohl kommt es einer Verharmlosung gleich, zu behaupten,
dass diese Angriffe nichts mit dem Islam zu tun hätten. Es ist nicht nur
unaufrichtig sondern auch wenig hilfreich für die Muslime, die letzten Endes
doch eines Tages nicht darum herum kommen werden, einen kritischen Blick auf die
Art und Weise zu werfen, wie ihr Glaube gelehrt, gelebt und praktiziert wird.
Was noch schlimmer ist, die Weigerung, den Islam einer rationalen Analyse zu
unterziehen, ist geradezu ein Rezept zur Erzeugung von neuem Fanatismus.

Wenn wir nicht denen glauben wollen, die behaupten, dass der 11. September von
Israel geplant wurde, müssen wir annehmen, dass Osama bin Laden zu mindestens
die intellektuelle Verantwortung trägt. Und da es im Islam keine
Exkommunizierung gibt, können sich bin Laden und seine Bande mit Recht als
Muslime bezeichnen.

Aber das ist nicht alles. Al Qaeda ist nicht aus dem Nichts entstanden; sie
operieren auch nicht in einem Vakuum. Bin Laden gehört zu einer prominenten
saudisch-jemenitischen Familie, die für seinen islamischen Hintergrund steht. Er
begann seine militante Karriere 1984 als Geldbeschaffer für jene Afghanen, die
im Namen des Islam gegen die kommunistische Regierung in Kabul kämpften. Er
hatte Büros in einem Dutzend muslimischer Länder, von denen keines als
unislamisch angesehen wird. 1993 wurde ihm sein saudischer Pass entzogen, aber
er wurde mit offenen Armen im Sudan aufgenommen, wo ein fundamentalistisches
Regime regierte (und noch regiert). Etwas später war bin Laden der Star einer
internationalen Konferenz von islamischen Fundamentalisten in Khartum, die von
dem damaligen starken Mann Hassan al-Turabi organisiert wurde. Er wurde in den
"Hohen Rat" gewählt, dessen Aufgabe ist, die Ausbreitung der radikalen Version
des Islam in der Welt zu befördern. Dies gab ihm das Recht, sich selbst als
"Sheik" zu bezeichnen und "Fatwas" zu erlassen. Nochmals: Da es im Islam keine
klerikale Hierarchie gibt, gibt es auch keinen Grund, warum bin Laden keinen
Anspruch auf solche Autorität erheben sollte.

Als bin Laden auf amerikanischen Druck hin den Sudan verlassen musste, wurde er
in seiner Heimat Jemen willkommen geheißen, einem weiteren muslimischen Land.
Von dort aus ging er nach Pakistan, die zweitgrößte muslimische Nation der Welt,
wo er nicht nur von der Armee, sondern praktisch von allen islamischen Parteien,
die ihn immer noch unterstützen, willkommen geheißen wurde. Schließlich ging er
von Pakistan nach Afghanistan, wo die Taliban "die einzige wirklich islamische
Regierung", wie sie selber sagen, errichtet hatten.

Im November 2000 wurde in Peschawar eine Tagung zur Unterstützung von bin Laden
organisiert. Mehr als 100.000 Menschen nahmen daran teil, darunter angehörige
vieler prominenter Familien aus den arabischen Staaten am persischen Golf sowie
alle wichtigen Persönlichkeiten des pakistanischen Islam. Zu sagen, dass bin
Laden nichts mit dem Islam zu tun habe, verlangt wirklich eine gewaltige
Fantasie.

Wenn sie unter Druck geraten, geben manche muslimische Führer zu, dass bin Laden
"ein Teil des Islam" ist, aber versuchen zugleich, dies abzuschwächen. Dalil
Boubakeur, ein französischer Moslem-Führer, sagt, dass bin Laden nicht mehr als
1% der Muslime repräsentiert. Das sind immerhin 13 Millionen Menschen.

Weiter: bis auf eine sind alle verbleibenden Militärdiktaturen der Welt
muslimische Länder; mit der Ausnahme von Bangladesch und der Türkei gibt es
keine freien Wahlen in irgendeinem islamischen Land; von den gegenwärtig 30
Konflikten in der Welt betreffen 28 muslimische Regierungen und/oder
Gemeinschaften. Zwei Drittel der politischen Gefangenen der Welt werden in
muslimischen Ländern festgehalten, die auch 80% aller Hinrichtungen durchführen.

Jeder, der mit den in den muslimischen Ländern im Umlauf befindlichen Büchern
vertraut ist, kennt die verdrehte Weltanschauung und den Hass, den sie
propagieren. Jeder der die Medien der islamischen Welt verfolgt, weiß, dass eine
verbale Version des 11. September täglich über den Sender geht. Man schaue sich
im Internet an, was die Kommentare irgendeiner muslimischen Zeitung vom 10.
September über den Westen und besonders über die USA sagen. Jeder, der einer
Predigt in praktisch jeder Moschee, einschließlich vieler im Westen, zuhört,
wäre schockiert von der Vehemenz der antiwestlichen Gefühle, die dort zum
Ausdruck kommen.

Es ist sowohl unehrlich wie auch gefährlich für die Muslime, weiterhin in diesem
Zustand der Verleugnung zu bleiben. Aber dies ist genau der Zustand, mit dem wir
konfrontiert sind. Wenn iranische Khomeinisten 600 Menschen in einem Kino bei
lebendigem Leibe verbrennen, sagen die Weißwäscher, dass das nichts mit dem
Islam zu tun hat. Als die gleiche Bande amerikanische Diplomaten in Teheran als
Geiseln nahm, bestand die Weißwäscherpartei darauf, dass dies nichts mit dem
Islam zu tun habe. Und als die Selbstmordattentate in Beirut begannen, wurde uns
erzählt, dass dies nichts mit dem Islam zu tun habe.

Die muslimische Welt ist heutzutage erfüllt von blinder Gläubigkeit, Fanatismus,
Heuchelei und schlichter Unwissenheit. Dies bildet den Boden für Kriminelle wie
bin Laden. Die Hauptopfer dieser kriminellen sind Muslime, die daran gehindert
werden, eine moderne politische Kultur zu entwickeln, ohne die sie ihre
Gesellschaften und ihre Ökonomien nicht reformieren können.

Was ich sage ist nicht als Kritik am Islam als Glaubenssystem gemeint; das ist
eine Angelegenheit von Theologen, und die Menschen sollten frei sein, zu
glauben, was sie möchten. Was notwendig ist, ist eine Kritik am Islam als
existentielle Realität. Die Tragödie vom 11. September sollte ein neues Denken
darüber anregen, wie die Muslime den Islam leben. Wir sollten damit anfangen,
diese Angriffe ohne wenn und aber zu verurteilen, und die Heuchelei vermeiden,
dergleichen irgendwie zu rechtfertigen. Leider ist die Art und Weise wie wir
Muslime den Islam heute leben, weit entfernt vom goldenen Zeitalter, als der
Islam eine Zivilisation schaffende Kraft war, nicht eine Kraft von Repression,
Terror und Zerstörung.

Quelle: www.bildung.hessen.de - Newsletter sowie Muslimisches Forum
http://f24.parsimony.net/forum61664/messages/2042.htm




 

 

Terror ist nur ein Symptom - Droht ein Krieg ein Kulturen? von Arundhati Roy

Nicht Salman Rushdie, sondern die vierzigjährige Arundhati Roy ist
die literarische Stimme Indiens, die von den Taten und Qualen der
Globalisierung in ihrem Land berichtet. Roy ist längst die
berühmteste und erfolgreichste Schriftstellerin des Landes. In
vielen westlichen Ländern gilt sie als wichtigste Schriftstellerin des
Subkontinents. Als politische Aktivistin ist Roy wiederholt in
Konflikt mit den indischen Behörden geraten, zuletzt wegen ihrer
Proteste gegen die indische Atomwaffenpolitik. In ihren politischen
Schriften artikuliert sich das radikale Bewußtsein jener
intellektuellen Schicht, die nicht nur in Indien, sondern auch in
Pakistan die sozialen Konflikte primär als Folgen der
Globalisierung, also als Ergebnisse "westlicher" Politik
interpretiert. Ungeachtet der besonnenen amerikanischen Politik
sind im Atomgürtel  Pakistan/Indien viele Menschen voller Wut auf
die Vereinigten Staaten und die Kultur der Globalisierung. Wer
angesichts des Terroranschlags von New York glaubte, es werde
sich eine moralisch empörte Menschheit um die Amerikaner
scharen, sieht sich getäuscht. Im Gegenteil: der Haß wächst. Und
Indien hat sich immer noch nicht erklärt, inwieweit es bereit ist, die
Vereinigten Staaten zu unterstützen. Wir haben Arundhati Roy
gebeten, uns zu sagen, warum das so ist. Ihr Text, der angesichts
der fortlaufenden Ereignisse die ursprünglich vereinbarte Länge weit
überschreitet, beweist, allen Besänftigungsformeln zum Trotz, daß
der gegenwärtige Konflikt in den bevölkerungsreichsten Staaten der
Erde als Krieg der Kulturen verstanden wird.
F.A.Z.


ARUNDHATI ROY wurde 1960 im südindischen Bundesstaat
Kerala in einer Familie syrischer Christen geboren. Ihr Vater war
ein Hindu aus Bengalen. Heute lebt sie in Neu Delhi. 1996 erschien
ihr Roman "Der Gott der kleinen Dinge" (Blessing Verlag), der zu
einem Welterfolg wurde. Die indischen Behörden zensierten das
Buch aus "moralischen" Gründen: Roy beschrieb die verbotene
Liebe zu einem Unberührbaren. Als politische Aktivistin hat sie
sich mehrfach massiv mit der indischen Regierung angelegt. Was
sie soziologisch zur repräsentativen Stimme macht, ist die
Tatsache, daß sie die Globalisierung wie einen wirklichen
Schmerz, den man ihr zufügt, zu erleben scheint. "In Indien", so
hat sie einmal erklärt, "erlebe ich das entsetzliche Schuldgefühl
privilegiert zu sein."

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Ein Kontinent brennt - Warum der Terrorismus nur ein Symptom ist
Von Arundhati Roy

Nach den skrupellosen Selbstmordanschlägen auf das Pentagon
und das World Trade Center erklärte ein amerikanischer
Nachrichtensprecher: "Selten zeigen sich Gut und Böse so
deutlich wie am letzten Dienstag. Leute, die wir nicht kennen,
haben Leute, die wir kennen, hingemetzelt. Und sie haben es voller
Verachtung und Schadenfreude getan." Dann brach der Mann in
Tränen aus.

Hier haben wir das Problem: Amerika führt einen Krieg gegen
Leute, die es nicht kennt (weil sie nicht oft im Fernsehen zu sehen
sind). Noch bevor die amerikanische Regierung den Feind richtig
identifiziert, geschweige denn angefangen hat, sein Denken zu
verstehen, hat sie, mit großem Tamtam und peinlicher Rhetorik,
eine "internationale Allianz gegen den Terror"
zusammengeschustert, die Streitkräfte und die Medien mobilisiert
und auf den Kampf eingeschworen. Allerdings wird Amerika, sobald
es in den Krieg gezogen ist, kaum zurückkehren können, ohne
eine Schlacht geschlagen zu haben. Wenn es den Feind nicht
findet, wird es, der aufgebrachten Bevölkerung daheim zuliebe,
einen Feind konstruieren müssen. Kriege entwickeln ihre eigene
Dynamik, Logik und Begründung, und wir werden auch diesmal aus
dem Blick verlieren, warum er überhaupt geführt wird.

Wir erleben hier, wie das mächtigste Land der Welt in seiner Wut
reflexartig nach einem alten Instinkt greift, um einen neuartigen
Krieg zu führen. Nun, da Amerika sich selbst verteidigen muß,
sehen die schnittigen Kriegsschiffe, die Cruise Missiles und F-16-
Kampfjets auf einmal ziemlich alt und schwerfällig aus. Amerikas
nukleares Arsenal taugt nicht zur Abschreckung. Teppichklingen,
Taschenmesser und kalte Wut sind die Waffen, mit denen die
Kriege des neuen Jahrhunderts geführt werden. Wut ist der
Schlüssel. Ihn bekommt man unbemerkt durch den Zoll, durch jede
Gepäckkontrolle.

Gegen wen kämpft Amerika? In seiner Rede vor dem Kongreß
bezeichnete Präsident Bush die Feinde Amerikas als "Feinde der
Freiheit". "Die Bürger Amerikas fragen, warum sie uns hassen",
sagte er. "Sie hassen unsere Freiheiten - unsere Religionsfreiheit,
unsere Redefreiheit, unsere Freiheit zu wählen, uns zu versammeln
und nicht immer einer Meinung zu sein." Zweierlei wird uns
abverlangt. Zum einen sollen wir glauben, daß der Feind der ist, der
von dieser Regierung als Feind deklariert wird, obwohl sie keine
konkreten Beweise vorlegen kann. Und zum anderen sollen wir
glauben, daß die Motive des Feindes genau so aussehen, wie sie
von der Regierung dargestellt werden, obwohl es auch dafür keine
Beweise gibt.

Aus strategischen, militärischen und ökonomischen Gründen muß
die amerikanische Öffentlichkeit unbedingt davon überzeugt
werden, daß Freiheit und Demokratie und der American way of life
bedroht sind. In der gegenwärtigen Atmosphäre von Trauer,
Empörung und Wut ist derlei leicht zu vermitteln. Wenn das
tatsächlich stimmt, stellt sich jedoch die Frage, warum die
Anschläge den Symbolen der wirtschaftlichen und militärischen
Macht Amerikas galten. Warum nicht der Freiheitsstatue? Könnte
es sein, daß die finstere Wut, die zu den Anschlägen führte, nichts
mit Freiheit und Demokratie zu tun hat, sondern damit, daß
amerikanische Regierungen genau das Gegenteil unterstützt haben
- militärischen und wirtschaftlichen Terrorismus, Konterrevolution,
Militärdiktaturen, religiöse Bigotterie und unvorstellbaren Genozid
(außerhalb Amerikas)?

Für die trauernden Amerikaner ist es gewiß schwer, mit Tränen in
den Augen auf die Welt zu schauen und eine Haltung zu
bemerken, die ihnen vielleicht als Gleichgültigkeit erscheint. Doch
es handelt sich nicht um Gleichgültigkeit. Es ist eine Ahnung, ein
Nicht-Überraschtsein. Es ist eine alte Erkenntnis, daß jede Saat
irgendwann auch aufgeht. Die Amerikaner sollten wissen, daß der
Haß nicht ihnen gilt, sondern der Politik ihrer Regierung. Ihnen
kann unmöglich entgangen sein, daß ihre außergewöhnlichen
Musiker, ihre Schriftsteller, Schauspieler, ihre phänomenalen
Sportler und ihre Filme überall auf der Welt beliebt sind. Wir alle
waren bewegt von dem Mut und der Würde der Feuerwehrleute, der
Rettungskräfte und der gewöhnlichen Büroangestellten in den
Tagen und Wochen nach den Anschlägen.

Amerikas Trauer ist immens und immens öffentlich. Es wäre
grotesk, von den Amerikanern zu erwarten, daß sie ihren Schmerz
relativieren oder mäßigen. Aber es wäre schade, wenn sie, statt zu
versuchen, die Ereignisse des 11. September zu begreifen, das
Mitgefühl der gesamten Welt beanspruchten und nur die eigenen
Toten rächen wollten. Denn dann wäre es an uns, unangenehme
Fragen zu stellen und harte Worte zu sagen. Und weil wir zu einem
unpassenden Zeitpunkt von unseren Schmerzen sprechen, wird
man uns tadeln, ignorieren und am Ende vielleicht zum Schweigen
bringen. Doch die Zeichen stehen auf Krieg. Was gesagt werden
muß, sollte rasch gesagt werden.

Bevor Amerika das Steuer der "internationalen Allianz gegen den
Terror" übernimmt, bevor es andere Länder auffordert (und zwingt),
sich an seiner nachgerade göttlichen Mission - der ursprüngliche
Name der Operation lautete "Grenzenlose Gerechtigkeit" - aktiv zu
beteiligen, sollten vielleicht ein paar Dinge geklärt werden. Führt
Amerika Krieg gegen den Terror in Amerika oder gegen den Terror
ganz allgemein? Was genau wird gerächt? Der tragische Verlust
von fast siebentausend Menschenleben, die Vernichtung von
vierhundertfünfzigtausend Quadratmetern Bürofläche in Manhattan,
die Zerstörung eines Flügels des Pentagon, der Verlust von
Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, der Bankrott einiger
Fluggesellschaften und der Absturz der New Yorker Börse? Oder
geht es um mehr?

Als Madeleine Albright, die ehemalige Außenministerin der
Vereinigten Staaten, im Jahr 1996 gefragt wurde, was sie dazu
sage, daß 500 000 irakische Kinder infolge des amerikanischen
Wirtschaftsembargos gestorben seien, sprach sie von einer sehr
schweren Entscheidung, doch der Preis sei, alles in allem, nicht
zu hoch gewesen. Die Sanktionen gegen den Irak sind übrigens
noch immer in Kraft, und noch immer sterben Kinder. Genau darum
geht es: um die willkürliche Unterscheidung zwischen Zivilisation
und Barbarei, zwischen "Ermordung unschuldiger Menschen" oder
"Krieg der Kulturen" und "Kollateralschäden". Die Sophisterei und
eigenwillige Algebra grenzenloser Gerechtigkeit: Wie viele tote
Iraker sind notwendig, damit es besser zugeht auf der Welt? Wie
viele tote Afghanen für jeden toten Amerikaner? Wie viele tote
Frauen und Kinder für einen toten Mann? Wie viele tote
Mudschahedin für einen toten Investmentbanker?

Eine Koalition der Supermächte der Welt schließt nun einen Ring
um Afghanistan, eines der ärmsten und am stärksten verwüsteten
Länder der Welt, dessen Taliban-Regierung Usama Bin Ladin
Unterschlupf gewährt. Das einzige, was in Afghanistan überhaupt
noch zerstört werden könnte, sind die Menschen. (Darunter eine
halbe Million verkrüppelte Waisenkinder. Es wird berichtet, daß es
zu wildem Gedrängel der Humpelnden kommt, wenn über
entlegenen, unzugänglichen Dörfern Prothesen abgeworfen
werden.) Die afghanische Wirtschaft ist ruiniert. Aus Bauernhöfen
sind Massengräber geworden. Das Land ist übersät mit Landminen
- nach jüngsten Schätzungen zehn Millionen. Eine Million
Menschen sind aus Furcht vor einem amerikanischen Angriff zur
pakistanischen Grenze geflohen. Es gibt keine Nahrungsmittel
mehr, Hilfsorganisationen mußten das Land verlassen, und nach
Berichten der BBC steht eine der schlimmsten humanitären
Katastrophen der jüngsten Zeit bevor.

An der heutigen Lage in Afghanistan war Amerika übrigens in nicht
geringem Maße beteiligt (falls das ein Trost ist). Im Jahr 1979,
nach der sowjetischen Invasion, begannen die CIA und der
pakistanische Militärgeheimdienst ISI die größte verdeckte
Operation in der Geschichte der CIA. Beabsichtigt war, den
afghanischen Widerstand zu steuern und das islamische Element
so weit zu stärken, daß sich die muslimischen Sowjetrepubliken
gegen das kommunistische Regime erheben und es am Ende
destabilisieren würden. Diese Operation sollte das Vietnam der
Sowjetunion sein. Im Laufe der Jahre rekrutierte und unterstützte
die CIA fast 100 000 radikale Mudschahedin aus vierzig
islamischen Ländern für den amerikanischen Stellvertreterkrieg.
Diese Leute wußten nicht, daß sie ihren Dschihad für Uncle Sam
führten. (Welche Ironie, daß die Amerikaner ebensowenig wußten,
daß sie ihre späteren Feinde finanzierten!)

Nach zehn Jahren erbitterten Kampfes zogen sich die Russen
1989 zurück und hinterließen ein verwüstetes Land. Der
Bürgerkrieg in Afghanistan tobte weiter. Der Dschihad griff über
nach Tschetschenien, in das Kosovo und schließlich nach
Kaschmir. Die CIA lieferte weiterhin Geld und Waffen, doch die
laufenden Kosten waren so enorm, daß immer mehr Geld benötigt
wurde. Auf Befehl der Mudschahedin mußten die Bauern Opium
(als "Revolutionssteuer") anbauen. Der ISI richtete in Afghanistan
Hunderte von Heroinlabors ein, und zwei Jahre nach dem Eintreffen
der CIA war das pakistanisch-afghanistanische Grenzgebiet der
weltweit größte Heroinproduzent geworden. Die jährlichen
Gewinne, zwischen einhundert und zweihundert Milliarden Dollar,
flossen zurück in die Ausbildung und Bewaffnung von Militanten.

Im Jahr 1995 kämpften sich die Taliban, seinerzeit eine marginale
Sekte von gefährlichen Fundamentalisten, in Afghanistan an die
Macht. Finanziert wurden sie vom ISI, dem alten Freund der CIA,
und sie genossen die Unterstützung vieler Parteien in Pakistan.
Die Taliban errichteten ein Terrorregime, dessen erstes Opfer die
eigene Bevölkerung war, vor allem Frauen. Angesichts der
Menschenrechtsverletzungen der Taliban spricht wenig dafür, daß
sich das Regime durch Kriegsdrohungen einschüchtern ließe oder
einlenken wird, um die Gefahr für die Zivilbevölkerung abzuwenden.
Kann es nach allem, was passiert ist, etwas Ironischeres geben,
als daß Rußland und Amerika mit vereinten Kräften darangehen
wollen, Afghanistan abermals zu zerstören?
Auch Pakistan, Amerikas treuer Verbündeter, hat enorm gelitten.
Die amerikanischen Regierungen haben noch stets
Militärdiktatoren unterstützt, die kein Interesse an demokratischen
Verhältnissen im Land hatten. Vor dem Auftauchen der CIA gab es
einen kleinen ländlichen Markt für Opium. Zwischen 1979 und 1985
stieg die Zahl der Heroinsüchtigen von Null auf anderthalb Millionen
an. In Zeltlagern entlang der Grenze leben drei Millionen
afghanische Flüchtlinge. Die pakistanische Wirtschaft liegt
darnieder. Gewaltsame soziale Konflikte, globalisierungsbedingte
Transformationsprozesse und Drogenbosse zerreißen das Land.
Die Madrasas und Ausbildungslager für Terroristen, ursprünglich
eingerichtet zum Kampf gegen die Sowjets, brachten
Fundamentalisten hervor, die in Pakistan großen Rückhalt haben.
Die Taliban, von der pakistanischen Regierung seit Jahren
unterstützt und finanziert, haben in den pakistanischen Parteien
materielle und strategische Verbündete. Auf einmal bittet (bittet?)
Amerika die pakistanische Regierung, den Schoßhund, den es in
seinem Hinterhof jahrelang großgezogen hat, abzustechen.
Präsident Musharraf, der den Amerikanern Unterstützung
versprochen hat, könnte sich bald mit einer bürgerkriegsähnlichen
Situation konfrontiert sehen.

Indien kann von Glück reden, daß es, dank seiner geographischen
Lage und der Weitsicht früherer Politiker, bislang nicht in dieses
Great Game hineingezogen wurde. Unsere Demokratie hätte das
höchstwahrscheinlich nicht überlebt. Heute müssen wir entsetzt
mit ansehen, wie die indische Regierung die Amerikaner inständig
darum bittet, ihre Operationsbasis in Indien statt in Pakistan zu
errichten. Jedes Land der Dritten Welt mit einer schwachen
Wirtschaft und einem unruhigen sozialen Fundament müßte
wissen, daß eine Einladung an eine Supermacht wie die
Vereinigten Staaten (ganz gleich, ob die Amerikaner für länger
bleiben oder nur kurz vorbeischauen wollen) fast so ist, als würde
ein Autofahrer darum bitten, ihm einen Stein in die
Windschutzscheibe zu werfen.

In dem Medienspektakel nach dem 11. September hielt es keiner
der großen Fernsehsender für nötig, ein Wort über die Geschichte
des amerikanischen Engagements in Afghanistan zu verlieren. Für
all jene, die von diesen Dingen nichts wissen, hätte die
Berichterstattung über die Anschläge informativ und aufrüttelnd
sein können, wenn Zyniker sie vielleicht auch übertrieben gefunden
hätten. Für uns aber, die wir die jüngste Geschichte Afghanistans
kennen, sind die amerikanische Berichterstattung und das Gerede
von der "internationalen Allianz gegen den Terror" einfach eine
Beleidigung. Amerikas "freie Presse" ist dafür genauso
verantwortlich wie der "freie Markt".

Die bevorstehende Operation wird angeblich zur Aufrechterhaltung
amerikanischer Werte durchgeführt. Doch sie wird noch mehr Zorn
und Angst in der ganzen Welt erzeugen, und am Ende dürften
diese Werte völlig diskreditiert sein. Für die gewöhnlichen
Amerikaner bedeutet das, daß sie in einem Klima schrecklicher
Ungewißheit leben werden. Schon warnt CNN vor der Möglichkeit
eines biologischen Krieges (Pocken, Beulenpest, Milzbrand), der
mit harmlosen Sprühflugzeugen geführt werden kann.

Die Regierung Amerikas, und wohl Regierungen überall auf der
Welt, werden die Kriegsatmosphäre als Vorwand benutzen, um
Meinungsfreiheit und andere Bürgerrechte einzuschränken, Arbeiter
zu entlassen, ethnische und religiöse Minderheiten zu
schikanieren, Haushaltseinsparungen vorzunehmen und viel Geld in
die Militärindustrie zu stecken. Und wozu? Präsident Bush kann
die Welt ebensowenig "von Übeltätern befreien", wie er sie mit
Heiligen bevölkern kann. Es ist absurd, wenn die US-Regierung
auch nur mit dem Gedanken spielt, der Terrorismus ließe sich mit
noch mehr Gewalt und Unterdrückung ausmerzen. Der Terrorismus
ist ein Symptom, nicht die Krankheit. Der Terrorismus ist in
keinem Land zu Hause. Er ist ein supranationales, weltweit tätiges
Unternehmen wie Coke oder Pepsi oder Nike. Beim geringsten
Anzeichen von Schwierigkeiten brechen Terroristen die Zelte ab
und ziehen, genau wie die Multis, auf der Suche nach besseren
Möglichkeiten mit ihren "Fabriken" von Land zu Land.

Der Terrorismus als Phänomen wird wohl nie verschwinden. Will
man ihm aber Einhalt gebieten, muß Amerika zunächst einmal
erkennen, daß es nicht allein auf der Welt ist, sondern zusammen
mit anderen Nationen, mit anderen Menschen, die, auch wenn sie
nicht im Fernsehen gezeigt werden, lieben und trauern und
Geschichten und Lieder und Kummer haben und weiß Gott auch
Rechte. Doch als der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
gefragt wurde, was er als einen Sieg im neuen amerikanischen
Krieg bezeichnen würde, meinte er, ein Sieg wäre, wenn er die
Welt davon überzeugen könne, daß es den Amerikanern möglich
sein müsse, an ihrem way of life festzuhalten.

Die Anschläge vom 11. September waren die monströse
Visitenkarte einer aus den Fugen geratenen Welt. Die Botschaft
könnte, wer weiß, von Usama Bin Ladin stammen und von seinen
Kurieren übermittelt worden sein, aber sie könnte durchaus
unterzeichnet sein von den Geistern der Opfer von Amerikas alten
Kriegen.

Die Millionen Toten in Korea, Vietnam und Kambodscha, die 17
500 Toten, als Israel (mit Unterstützung Amerikas) 1982 im
Libanon einmarschierte, die 200 000 Iraker, die bei der Operation
Wüstensturm starben, die Tausenden Palästinenser, die im Kampf
gegen die israelische Besetzung des Westjordanlands den Tod
fanden. Und die Millionen, die in Jugoslawien, Somalia, Haiti, Chile,
Nikaragua, El Salvador, Panama, in der Dominikanischen Republik
starben, ermordet von all den Terroristen, Diktatoren und
Massenmördern, die amerikanische Regierungen unterstützt,
ausgebildet, finanziert und mit Waffen versorgt haben. Und diese
Aufzählung ist keineswegs vollständig. Für ein Land, das an so
vielen Kriegen und Konflikten beteiligt war, hat Amerika
außerordentlich viel Glück gehabt. Die Anschläge vom 11.
September waren erst der zweite Angriff auf amerikanischem
Territorium innerhalb eines Jahrhunderts. Der erste war Pearl
Harbor. Die Revanche dafür endete, nach einem langen Umweg,
mit Hiroshima und Nagasaki. Heute wartet die Welt mit
angehaltenem Atem auf den Schrecken, der uns bevorsteht.

Unlängst sagte jemand, daß, wenn es Usama Bin Ladin nicht
gäbe, die Amerikaner ihn erfinden müßten. In gewissem Sinne
haben sie ihn tatsächlich erfunden. Er gehörte zu den Kämpfern,
die 1979 nach Afghanistan gingen, als die CIA mit den Operationen
begann. Usama Bin Ladin zeichnet sich dadurch aus, daß er von
der CIA hervorgebracht wurde und vom FBI gesucht wird. Binnen
zweier Wochen avancierte er vom Verdächtigen zum
Hauptverdächtigen, und inzwischen will man ihn, trotz des Mangels
an Beweisen, "tot oder lebendig" haben.

Nach allem, was über seinen Aufenthaltsort bekannt ist, könnte es
durchaus möglich sein, daß er die Anschläge nicht persönlich
geplant hat und an der Ausführung auch nicht beteiligt war - daß er
vielmehr der führende Kopf ist, der Vorstandsvorsitzende des
Unternehmens. Die Reaktion der Taliban auf die amerikanische
Forderung, Bin Ladin auszuliefern, war ungewöhnlich realistisch:
Legt Beweise vor, dann händigen wir ihn euch aus. Präsident Bush
erklärte seine Forderung für nicht verhandelbar. (Da gerade über die
Auslieferung von Vorstandsvorsitzenden gesprochen wird - dürfte
Indien ganz nebenbei um die Auslieferung von Warren Anderson
bitten? Der Mann war als Chef von Union Carbide verantwortlich für
die Katastrophe von Bhopal, bei der sechzehntausend Menschen
umkamen. Wir haben die nötigen Beweise zusammengetragen,
alle Dokumente liegen vor. Also gebt ihn uns bitte!)

Wer ist Usama Bin Ladin aber wirklich? Ich möchte es anders
formulieren: Was ist Usama Bin Ladin? Er ist das amerikanische
Familiengeheimnis. Er ist der dunkle Doppelgänger des
amerikanischen Präsidenten. Der brutale Zwilling alles angeblich
Schönen und Zivilisierten. Er ist aus der Rippe einer Welt gemacht,
die durch die amerikanische Außenpolitik verwüstet wurde, durch
ihre Kanonenbootdiplomatie, ihr Atomwaffenarsenal, ihre
unbekümmerte Politik der unumschränkten Vorherrschaft, ihre
kühle Mißachtung aller nichtamerikanischen Menschenleben, ihre
barbarischen Militärinterventionen, ihre Unterstützung für
despotische und diktatorische Regimes, ihre wirtschaftlichen
Bestrebungen, die sich gnadenlos wie ein Heuschreckenschwarm
durch die Wirtschaft armer Länder gefressen haben. Ihre
marodierenden Multis, die sich die Luft aneignen, die wir einatmen,
die Erde, auf der wir stehen, das Wasser, das wir trinken, unsere
Gedanken.

Nun, da das Familiengeheimnis gelüftet ist, werden die Zwillinge
allmählich eins und sogar austauschbar. Ihre Gewehre und
Bomben, ihr Geld und ihre Drogen haben sich eine Zeitlang im
Kreis bewegt. (Die Stinger-Raketen, die die amerikanischen
Hubschrauber begrüßen werden, wurden von der CIA geliefert. Das
Heroin, das von amerikanischen Rauschgiftsüchtigen verwendet
wird, stammt aus Afghanistan. Die Regierung Bush ließ der
afghanischen Regierung unlängst 43 Millionen Dollar zur
Drogenbekämpfung zukommen.) Inzwischen werden sich die
beiden auch in der Sprache immer ähnlicher. Jeder bezeichnet den
anderen als "Kopf der Schlange". Beide berufen sich auf Gott und
greifen gern auf die Erlösungsrhetorik von Gut und Böse zurück.
Beide sind in eindeutige politische Verbrechen verstrickt. Beide
sind gefährlich bewaffnet - der eine mit dem nuklearen Arsenal des
obszön Mächtigen, der andere mit der glühenden, zerstörerischen
Macht des absolut Hoffnungslosen. Feuerball und Eispickel. Keule
und Axt. Man sollte nur nicht vergessen, daß der eine so wenig
akzeptabel ist wie der andere.

Präsident Bushs Ultimatum an die Völker der Welt - "Entweder ihr
seid für uns, oder ihr seid für die Terroristen" - offenbart eine
unglaubliche Arroganz.
Kein Volk will diese Wahl treffen, kein Volk
braucht diese Wahl zu treffen und keines sollte gezwungen
werden, sie zu treffen."

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.09.2001, Nr. 226 / Seite 49 f.


 

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