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Doping

 

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Teleblick von Heitersheim nach Norden zu Batzenberg, Schneckental, Kirchhofen und Schönberg (von links) am 2.11.2006

 

Leistungssport ja, Doping nein – die Pläne der Freiburger Sportmedizin

Die Freiburger Uniklinik will ihre Sportmedizin neu ausrichten. Ein internes Gutachten weist einen Weg. Vom Leistungssport verabschieden darf sie sich aber nicht.
Alles vom 26.1.2012 von Andreas Strepenik bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/sportpolitik/leistungssport-ja-doping-nein-die-plaene-der-freiburger-sportmedizin--55127797.html

Da hat jemand die Zeichen der Zeit nicht erkannt
Dieser Beitrag ist vom Inhalt und von der journalistischen Arbeit hervorragend. Mit Augenmaß, aber auch mit kritischer Fragestellung und ohne Anbiederung werden die Problematik und die künftige Rolle der Sportmedizin in Freiburg dargestellt. Die Freiburger Sportmedizin hatte in den vergangenen Jahren einen Ruf, der darauf fußte, im Kampf mit den Ostblocksystemen Gegengewichte zu schaffen. Hierbei wirkten die Professoren Keul und Klümper an vorderster Sport- und Dopingfront als "Wunderdoktoren". Heute hat sich diese Rolle nach München verlagert. Der Radsport seinerzeit war nur der Versuchsballon für andere Ausdauersportarten. Das braucht Herr Gundolf Fleischer nicht so herunterzuspielen, damit beweist er deutlich, die Zeichen der Zeit nicht zu begreifen. Die Sportmedizin an der Freiburger Universität braucht dringend einen Neuanfang mit neuer Führung und wissenschaftlichem Profil für eine Bewegungs- und Gesundheitsmedizin, die in unserer Wohlstandsgesellschaft immer dringlicher wird. Aber es muss auch für den Nachwuchs- und Kaderathleten und auch Profisportler diese Anlaufstelle geben. Die finanzielle Förderung, auch durch den Bund, muss gesichert werden. Hier muss der Bund sich fragen lassen, ob er den sauberen Sport will oder Medaillenschmieden, so wie er ja auch die saubere Energie will, obwohl Deutschland von Atomkraftwerken umgeben bleibt. Das ist die Grundfrage. Wenn ein Vorsitzender des Badischen Sportbundes das nicht begreift, ist ein Wechsel sofort fällig.
1.2.2012, Wolfgang Göttsche, Ballrechten-Dottingen

Kaum nachvollziehbar, dass ein Funktionär nichts davon gemerkt haben will
I
hr Artikel enthält zwei gegensätzliche Aussagen zur Bedeutung unserer Stadt bei der Dopingproblematik: Einmal die der Berliner Wissenschaftlergruppe mit der Feststellung, man müsse inzwischen mindestens "von einer Duldung des Anabolika-Dopings im politischen Raum" ausgehen und zum anderen die des Präsidenten des Badischen Sportbundes, Gundolf Fleischer, es handle sich ausschließlich um "Vergehen einiger weniger Ärzte im Bereich des Profiradsports", das "Werk einiger weniger irregeleiteter, charakterschwacher Individuen" und "Einzeltäter". Wohingegen die erste Aussage richtig sein könnte, folgt die zweite dem bekannten Haltet-den-Dieb-Muster, auf die Ausführenden einzudreschen, um so von den Hintermännern und Sympathisanten abzulenken. Es ist kaum nachzuvollziehen, dass ein Funktionär, der an maßgeblicher Stelle, gar eng verflochten mit staatlichen Stellen, den Sport "organisiert", nicht die Spur davon gemerkt haben will, was geschieht, wenn er sein Amt pflichtgemäß wahrgenommen hat. Bleibt zu hoffen, dass die Überprüfung des in Freiburg seiner Meinung nach nicht vorhandenen "Dopingsumpfs" sich nicht nur auf die von Herrn Fleischer erkannten "Einzeltäter" und wenigen "irregeleiteten, charakterschwachen Individuen" auf Ärzteseite beschränkt, sondern auch das politische und Funktionärsumfeld mit einbezieht. Nur so kann der Verdacht beseitigt werden, entweder mitgemischt oder weggeschaut zu haben.
1.2.2012, Dr. Christoph Rosset, Freiburg

Kein gutes Schweigen: Brisante Tagung über dopende Sportärzte in Freiburg
 
Die Freiburger Universität stellt sich auf einer Tagung mutig der Geschichte des Dopings an ihrer Klinik. Erstmals durfte auch Doping-Bekämpfer Werner Franke hier sprechen. Auf der Tagung kommt es zum Streit, aber nur ganz kurz.
....
Und dann sitzen da in der Aula, am letzten Tag des Symposiums, plötzlich nahezu alle Spitzenvertreter des Freiburger Sports. Wiedmann ist gekommen, der Leiter des Olympiastützpunkts. Dieter Heinold kam, Verbandsarzt der deutschen Volleyballer und ebenso wie Helmut Schreiber, der Verbandsarzt der deutschen Leichtathleten, Schüler und Nachfolger Klümpers in der Mooswald-Traumatologie. Links vom Gang hat Hans-Hermann Dickhuth Platz genommen, Joseph Keuls direkter Nachfolger als Chef der Sportmedizin an der Universität und bis vor wenigen Jahren auch Deutschlands oberster Sportmediziner.
.....
Wiedmann bleibt der einzige Freiburger Redner am Ende zweier fast einstündiger Vorträge über Keuls und Klümpers beängstigende Nähe zu Doping. Alle anderen Vertreter des Freiburger Sports schweigen zu dem Gesagten. Dickhuth lässt die Möglichkeit verstreichen, sich von den Machenschaften seines Vorgängers und einstigen Lehrvaters Keul einmal eindeutig öffentlich zu distanzieren. Auch Heinold und Schreiber lassen die Chance, sich klar von ihrem einstigen Lehrmeister und Dopingfreund Klümper abzugrenzen, ungenutzt. Der Standort schweigt weiter, und es ist kein gutes Schweigen....
Alles von Andreas Strepenick vom 14.9.2011 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/sportpolitik/brisante-tagung-ueber-dopende-sportaerzte-in-freiburg--49544121.html

 

Drei Kommentare von Gerhard Treutlein
Noch ein Versuch die Kommission in Misskredit zu bringen. Im Gegensatz zur vorherigen Kommission erhält Frau Paoli persönlich überhaupt nichts. Die Kommission sucht schon seit Ewigkeit? Die Kommission hat praktisch erst vor einem Jahr zu arbeiten begonnen und in der Zwischenzeit fast 50 Zeitzeugen angehört (inklusive viele hundert Seiten an Verschriftung usw.). Die Kommissionsmitglieder kommen aus Dänermark, Belgien, Schweiz und Deutschland, Kommissionstermine für solche Anhörungen zu finden, ist schwierig, aussagewillige Zeitzeugen aus Freiburg zu finden noch schwieriger. Aber da können die Herren Stocker und Lang ja sicherlich weiterhelfen. "Hier wird ohne Substanz aufgeblasen und skandalisiert" - wer so etwas behauptet, muss Belege bringen!

Sehr geehrter Herr Lang, wenn Sie über das wissenschaftliche Niveau meines Vortrags nur den Kopf schütteln können, dann hätte ich gerne eine Rückmeldung, was Sie stört und was ich dabei hätte besser machen können. Sie sollten folgende Dinge dabei nicht vergessen: Es handelte sich um einen begrenzten Zeitrahmen, einen sehr heterogenen Adressatenkreis. Und massive Aktionen gegen mich waren angekündigt, sind aber ausgeblieben - Angst vor öffentlicher Auseinandersetzung???
Und zu guter Letzt: Meine Aufgabe sehe ich heute nicht mehr in der Beschäftigung mit Dopinggeschichte, sondern im Einsatz für Prävention. Das ist die einzige große Chance, die Entwicklung zu bremsen und junge Menschen - zumindest manche von ihnen - vor den Sturz ins Unglück zu schützen. Ich habe mehrere Dopingtote gekannt, das verändert die Perspektive. Wenn Sie sich die Materialien der Deutschen Sportjugend zur Dopingprävention ansehen, das ist zum größeren Teil Ergebnis meiner ehrenamtlichen Arbeit. Wer unterstützt die Präventionsaufgabe und -arbeit??? Da können einem nur die Tränen kommen. Übrigens Standardvorwurf seit bald 40 Jahren: Dopinggegner wollten sich nur auf Kosten der Sportler eine goldene Nase verdienen. Wer das behauptet, sollte sich doch bitte mal einer öffentlichen Diskussion stellen, aber da sind praktisch alle zu feige dazu.
Übrigens, das hatte ich vorhin vergessen:
- In Heidelberg gab es nach Gründung des Olympiastützpunkts kein Bundesleistungszentrum mehr; dass das in Freiburg anders war, konnte ich nicht ahnen.
- Ich habe mich offiziell bei Herrn Wiedmann entschuldigt und dieses Schreiben in Kopie an Herrn Schmidt-Volkmar (LSV-Vorsitzender) und an Herr Weiss (verantwortlich im DOSB-Präsidium für Dopingfragen) geschickt.
- Und was ist schlimmer, dass ich einen Fehler gemacht habe oder dass Rechnungen über Wachstumshormon durch das Bundesleistungszentrum Freiburg-Herzogenhorn unter Verantwortung der Freiburger Größen Keul, Klümper, Stober (nach Aussage von Herrn Wiedmann) wahrscheinlich mit öffentlichen Gelder bezahlt wurden? Klümper richtet ein Rechnung für an ihn gelieferte Dopingmittel letztlich an sich selbst, das ist doch nett. Öffentliche Gelder d.h. mit Ihren und meinen Steuermitteln. Und wenn dadurch Schäden entstanden sein sollten, zahlen wir Steuerzahler über unsere Krankenkassenbeiträge noch einmal. Ist das alles wesentlich weniger aufregenswert als mein Fehler?
Drei Blog-Kommentare vom 15.9.2011 von Gerhard Treutlein

Weder bei den Sportlern noch bei den Medizinern ist eine Einsicht zu spüren Wenn ich ihre Berichterstattung über das Doping in der Freiburger Uniklinik lese, gilt der BZ meine große Hochachtung. Endlich wurde diesem Thema der Raum eingeräumt, der lange nötig war. Entsprechend ist das Fazit, auch wenn der endgültige Bericht von Laetizia Paoli noch aussteht. Wie verantwortungsvoll sind die Dres in Freiburg eigentlich mit der Gesundheit der Sportler umgegangen? Haben sie ihren medizinischen Eid vergessen? "Mens sana in corpore sano", frage ich mich, wo da der "gesunde Geist" steckte? Wahrscheinlich gerade auf einem Wettkampf, um Medaillen zu "erschwindeln". Weder bei den Medizinern noch bei den Sportlern scheint die Einsicht da zu sein, dass dieses Handeln Betrug ist! Erschreckend, dass die Freiburger Sportmediziner weiterhin schweigen und die Sportler selbst sagen, sie würden auch weiterhin für bessere Leistung dopen, auch wenn sie dadurch mit gesundheitlichen Schäden rechnen müssten! Da hilft dann ja die solidarische Gemeinschaft der Krankenkassen weiter. Da scheint der "gesunde Geist" ja schon massiv geschädigt zu sein!
Der Schaden, der dem Ruf der Uni Freiburg durch diese Manipulationen entsteht, ist unvorstellbar. Es bleibt zu hoffen, dass Vereine und Leistungszentren überdenken, welche "politischen Größen" sie an die Spitze ihrer Verbände "hieven" und warum. Um sich mit ihnen zu schmücken? Es gilt darüber nachzudenken, dass ein Teil unserer Mitgliedsbeiträge, gleichgültig für welchen Sportverein oder -verband, dem Landessportbund und dem Deutschen Sportbund (DSB) zufließen, um dann neu verteilt zu werden! Wohin? Ich möchte nicht, dass meine Beiträge in Doping fließen!
Es ist zu wünschen, dass Prof. Franke und seine Mitstreiter ihren Kampf gegen Doping und die dafür Verantwortlichen noch lange nicht aufgeben, und mögen die Worte des Rektors der Uni Freiburg Prof. Schiewer Gehör finden: Es habe sich ein Abgrund vor ihm aufgetan.
Last, but not least: Allen Sporttreibenden muss bewusst werden, dass körperliche Leistung individuell, begrenzt und ausschließlich dem Erhalt der Gesundheit dient! Alles "Zuviel" schadet Mit dieser Erkenntnis wird dem Gedanken "mens sana in corpore sano" hoffentlich wieder Rechnung getragen werden können.
1.10.2011, Ulla Medau, Bad Säckingen 

 

Werner Franke zur Freiburger Sportmedizin: Organisierte Kriminalität

BZ: Ist "kriminell" nicht ein zu hartes Wort? In Freiburg werden ehemalige und aktuelle Vertreter der universitären Sportmedizin hoch verehrt, in Reihen der Klinik ebenso wie unter zahlreichen Patienten.
Franke: Mit was wir es hier in Freiburg zu tun haben, belegt schon die Besetzung der Großen Kommission. Sie wird geleitet von der belgischen Professorin Letizia Paoli, einer aus Italien stammenden Expertin für organisierte Kriminalität, die übrigens früher auch schon sechs Jahre am zuständigen Max-Planck-Institut in Freiburg gearbeitet hat. Paolis Spezialgebiet ist die Mafia. Ihre Stellvertreterin ist Professorin Britta Bannenberg, eine Spezialistin für Kriminologie an der Universität Gießen. Ich betone das deshalb so, weil schon durch die Wahl der leitenden Experten deutlich zutage tritt, mit was man es hier zu tun hat. Es geht um organisierte Kriminalität auf einem besonders hohen Niveau.
Komplettes Interview mit Prof Werner Franke vom 16.10.2010 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/sportpolitik/es-geht-um-organisierte-kriminalitaet--36634791.html


Erlöst - Peking 2008

Millione sin jetze erlöst. Des mit dere Medaille-Zählerei isch rum! Viili vun denne erhoffte Medaille für unsri ditschi Mannschaft sin jo de Bach nab. D Hoffnungsträger sin nit schnell gnue gfießelt, krault, in d Pedale trette, grudert, nit hoch gnue gumpt, hen nit wit gnue gworfe. Fraue-Hockey, Handball, Turne, Tennis, Beach-Ball – numme Träne. Uf de andere Sit bruche sich unsri Sportler - also mini , dini, sini, ihri un so wittersch - mit ihre Leischtunge in China nit verschteckle. Un die Medaille alli ohni Doping! S isch also au ohni Friiburger Noochhilfe gange. Numme ei Pferd isch so blöd gsin un het sich dope lehn!

Was het s nit in de erschte Dääg alles gheiße, bevor dass die ditsch Mannschaft endlig ihri erscht Medaille iigfahre het: S gäb kei Pressefreiheit, d Luft wär unerträglich, s Olympische Komitee sott schärfer gege d Unterdrückung vun de Menscherechte proteschtiere! D Eröffnungsfeier sei beiidruckend gsin, häb aber in de Perfektion doch arg an selli Nazi-Olympiade in Berlin erinnert. Un, ganz klar, alli usser uns hen wie de Deifel gedopt. Jamaika, USA, sonige Leischtunge derfs doch gar nit gen! Schu nooch de erschte - unerwartete - Medaille für uns - also für mich, dich, sie un ihn - isches liislig wore mit dere Kritik. Un erscht räächt nooch sellem Pferd, wo sich nit gege s Dope gwehrt het.

Jetze hen mir - also ich, du, er un sie - doch noch so viili Goldini kriegt, dasses sogar zum fünfte Platz greicht het. Un über eimol sin die Spiele großartig organisiert gsin, d Chinese super-gaschtfreundlig, sogar d Luft guet un d Abschlussfeier d bescht, wo je gfiiret wore n isch! Alles Läschtere, Verdächtige un Beschuldige vergesse. Mit de Wirklichkeit un mit de Wohret isches halt so n ä Sach! Hauptsach mir sin mit im Jubelboot. Un ich bi sicher, d Venzuelaner, d Israelis, d Moldawier un Togolese were über ihri einzigi Medaille (Bronze) gnau so gjubelt han oder sogar meh wie d Chinese über ihre hundert. Numme sellem Pferd isches Wiehere für immer vergange!
Stefan Pflaum, Wunderfitz, 28.8.2008, www.dreisamtaeler.de

 

In Peking erwischt man nur ein paar Dumme

Werner Franke bekämpft Doping so vehement wie kein anderer in Deutschland. Genau deshalb gehört er in einigen Kreisen des Sports aber auch zu den Bestgehassten. BZ-Redakteur Andreas Strepenick fragte ihn, wie nun bei Olympia in Peking gedopt wird und welche Methoden der Manipulation gerade besonders beliebt sind. Franke untersucht außerdem im Auftrag der Albert-Ludwigs-Universität die Geschichte des Dopings in Freiburg.

BZ: Freuen Sie sich auf Peking?
Franke: Freuen? Der von den Medien hochgetrimmte Olympia-Hype geht mir glatt an irgendeinem Körperteil vorbei. Ich werde mir — wenn’s passt — das eine oder andere anschauen, aber natürlich als kritisch Denkender und Wissender, nicht als olympisch TV-Vernebelter.
BZ: Was wissen Sie denn?
Franke: Ich weiß — und kann es auch durch Dokumente belegen — , dass es in den letzten Jahren eine weitere Spirale in der Entwicklung des Dopings und seiner Vertuschung gegeben hat: Hightech-Doping. In der Weltspitze wird inzwischen auf hohem, wissenschaftlich und durch eigene Messungen der Täter abgesichertem Niveau gedopt und vertuscht. Wer in Peking an den Start geht, wiederholt doch nicht die Fehler anderer, und er weiß in der Regel, dass er so in seinem olympischen Dopingzustand nicht erwischt werden kann. Wie zum Beispiel schon die fünffache Medaillengewinnerin von Sydney 2000, USA-Sprinterin Marion Jones, immer betont hat: Sie ist in 160 Dopingkontrollen nie aufgefallen. Ich hatte die Ergebnisse ihrer bei der riesigen USA-Diagnostik-Firma Quest Diagnostics durchgeführten heimlichen Vorkontrollen kurz vor Sydney in Händen und habe sie 2004 der "Frontal 21" -Redaktion des ZDF überlassen, die sie auch während der Spiele in Athen gesendet hat. Da sieht man ganz klar: Präzise an die Grenzwerte herangedopt. Sie ist natürlich aber trotzdem gestartet. Und hat weiter gelogen.
BZ: Aber nun sitzt sie im Gefängnis.
Franke: Aber doch nicht wegen ihres Dopingbetrugs, sondern wegen ihrer Lügen vor einer "Grand Jury" , was in den USA als schweres Vergehen gilt und entsprechend hart bestraft wird.
BZ: Ist Ihr Bild von Olympia nicht doch zu düster? Viele freuen sich darauf.
Franke: Kein Wunder. Das gibt es alle paar Jahre: Mediengeförderte Volksverdummung. Seit 1972. Und in Deutschland immer mit besonderer Beteiligung der Sportmedizin der Universität Freiburg im Breisgau: Massenhaftes Doping, weltweite Körperverletzung junger Menschen und Beihilfe dazu. Ich zitiere hier den Bundesgerichtshof! Dabei besonders systematisch-verbrecherisch: Staatlich tolerierte und in manchen Staaten sogar staatlich gelenkte Virilisierung von Mädchen und jungen Frauen.
BZ: Aber zumindest das gab und gibt es in Westdeutschland so gut wie nicht, das war doch DDR-spezifisch.
Franke: Oh je! Sind Sie aber verbildet. Allein in der Leichtathletik zur Erinnerung: Birgit Dressels Doping und Tod, die Taten des Sprinterinnen-Virilisierungs-DLV-Bundestrainers und Rechtsanwalts Jochen Spilker, der Virilisierungswurf trainer Christian Gehrmann. Und als jüngstes ruchloses Beispiel aus dem Jahre 2004: Der mehrfache Wiederholungstäter, 2002 zum "Trainer des Jahres" gewählt, Thomas Springstein, der 16-jährigen Mädchen das Testosteronester-Präparat Andriol unter dem Lügen-Label "Vitamintabletten" verabreichte. Wie immer gab es dafür in unserem scheinheiligen Land nur kleine Geld- und Bewährungsstrafen.
BZ: Dennoch — heute vor Peking: Hat sich nicht doch etwas wesentlich gebessert? Übertreiben Sie nicht ein wenig?
Franke: Allein was in den letzten Wochen als kleine Spitze eines großen Eisbergs entdeckt worden ist, beweist es doch: Gerade sind nahezu die gesamte bulgarische und griechische Gewichtheber-Mannschaft mit Anabolika-Doping aufgeflogen, Letztere mit aus China bezogenen Präparaten! Oder auf einen Schlag sieben russische Weltklasse-Leichtathletinnen erwischt worden — darunter Weltrekordler und Weltmeister.
BZ: Aber das IOC hat betont, dass in Peking noch mehr Kontrollen als in Athen vorgenommen werden sollen, mehr als 4000.
Franke: Wieder so ein Argument für Dumme! Das ist doch in seiner bescheuerten Logik schon vom Ansatz her lächerlich: Wenn es keinen validierten Test gibt, eine bestimmte Dopingsubstanz oder -methode nachzuweisen, dann nutzen auch noch so viele Kontrollen nichts. In Peking — wie in Athen — kann man vor Ort ja nur ein paar Dumme oder Hasardeure erwischen. Die wesentlichen Dopingmittel werden doch — versteckt in irgendwelchen Trainingslagern auf einer Karibikinsel oder im Hochland Kasachstans — Monate vorher angewandt.
BZ: Oder in Süd- und Ostafrika
Franke: Auch beliebt. Das wird alles lange vorher genommen, in der Hochintensivtrainingsphase der Vorbereitungszeit. Aber da wird ja selten effektiv kontrolliert. Und ein bis zwei "Missed Tests" geben höchstens Ermahnungen, aber keine Sperre. Die griechischen Sprint-Olympiasieger Kenteris und Thanou lassen hier zum Beispiel grüßen.
BZ: Thanou war keine Olympiasiegerin.
Franke: Doch, doch. Da Marion Jones ihre Goldmedaille von Sydney zurückgegeben hat, gehört sie jetzt ihr. Obwohl man den beiden Griechen sowieso noch eine Sondermedaille für olympisches Mixed-Doppel-Motorrad-Verfolgungsfahren überreichen sollte!
BZ: Sie scheinen nicht viel von den derzeitigen Kontrollen in der Trainingszeit zu halten.
Franke: Weil ich weiß, wie sie umgangen und ausgetrickst werden. Auch in Deutschland. Und dann rufen mich sonntags Kontrolleure in Heidelberg an, um sich ihren Frust von der Seele zu reden.
BZ: In China soll das Kontrollieren besonders schwierig sein.
Franke: Klar. Sie brauchen erstens jeweils Visa. Dann können Sie kein Chinesisch. Dann sind die Athleten gerade weit weg in einer Provinz. Alles sehr lustig.
BZ: Sie behaupten, es gebe ein Grund- Doping-Prinzip für große Wettkämpfe wie die Olympischen Spiele.
Franke: Aber das kennt man doch: Nach der Hochtrainings-Hochdoping-Phase hält man mit kleinen Dosen nur noch das erreichte Niveau aufrecht. Man bleibt dabei so auch immer unterhalb der bekannten Grenzwerte und der Nachweisgrenze, auch bei EPO.
BZ: Welche verbotenen Substanzen sind derzeit im Spitzensport gebräuchlich?
Franke: Die meisten kennt man ja schon, zum Beispiel aus dem Victor-Conte-Arsenal des Balco-Skandals in den USA. Oder von den Ermittlungen der Guardia Civil bei Eufemiano Fuentes und seinen Kollegen in Spanien. Oder von den italienischen Ermittlungen. Aber auch von den Erfahrungen und Aussagen zum Zentral-doping der Freiburger Sportmedizin, sei es das frühere System Professor Armin Klümper oder das besonders scheinheilige System Professor Joseph Keul.
BZ: Das Letztere interessiert uns natürlich besonders.
Franke: In jüngster Zeit hat man hier ja von den Aussagen der Radrennfahrer Jörg Jaksche und Patrik Sinkewitz vor der Staatsanwaltschaft beziehungsweise dem Bundeskriminalamt sehr präzise Angaben erhalten.
BZ: Was wird gern genommen?
Franke: Da ist zunächst das gentechnologische Präparat IGF-1, der "Insulinähnliche Wachstumsfaktor 1" , Fuentes-Deckname "Ignacio" , zusammen mit dem schon länger missbrauchten Wachstumsfaktor HGH — "Niño" im Fuentes-Code. Besonders IGF-1, für das es überhaupt keinen zugelassenen Test gibt, ist das ultimative Hormon mit sehr breiter Wirkung in vielen Organen, auch und gerade in der Regeneration zwischen harten Trainingseinheiten. Wird offiziell von der kalifornischen Firma Tercica hergestellt und vertrieben; es gibt natürlich auch einen Schwarzmarkt. Es ist nur in wenigen Ländern und nur sehr eingeschränkt für wenige genetisch oder krankheitsbedingte Fälle von Kindern und Jugendlichen mit Zwergenwuchs zugelassen, wie zum Beispiel solchen Fällen, in denen sogenannte Autoantikörper gegen das körpereigene Wachstumshormon gebildet werden. Zusätzlich wird hier noch Insulin und — manchmal auch — Schilddrüsenhormon gegeben, für die es ebenfalls keine zugelassenen Tests in Peking gibt.

BZ: Und das Ausdauer-Dopingmittel Erythropoietin, also EPO?
Franke: Hier gibt es das eigent liche Natur-EPO, dann EPO-Modifikationen, die zum Teil viel länger stabiler und länger wirksam sind, wie das kürzlich bei der Tour de France bei drei schlecht beratenen Fahrern nachgewiesene Cera der Firma Roche.
BZ: Aber da EPO-artige Verbindungen die Ausdauerleistung fördern, kommen sie nur für bestimmte Sportarten in Frage.
Franke: Das dachten und denken noch viele. Es ist aber falsch. EPO — das weiß man seit dem Herbst 2004 genau — wird auch in sehr vielen anderen Sportarten, vor allem auch in Schnellkraft-Disziplinen wie den Sprints, systematisch genommen. Das kam mit brutaler Klarheit bei der Verhandlung gegen Michelle Collins heraus, der USA-400-Meter-Läuferin und 200-Meter-Hallen-Weltmeisterin von 2003. Die Dopingkontroll-Experten waren verblüfft, als sie feststellen mussten, dass zum Beispiel Sprinter systematisch EPO-artige Substanzen im Training nehmen, um etwa die Sauerstoff-Bindungs-Regenerationszeit zwischen hochintensiven Sprints zu verbessern und so viel größere Trainingsvolumina bewältigen zu können. Dabei wurde Collins so eingestellt, dass ihr normaler Hämatokrit-Wert von rund 39 bis 40 Prozent auf Werte zwischen 44,0 bis 49,5 angehoben war, also unter dem Grenzwert von 50 blieb, der — wenn überschritten — dann in der Regel genauere EPO-Nachweise veranlasst. Das steht alles sehr aufschlussreich und detailliert im Sportgerichtsurteil der Usada vom 9. Dezember 2004, seitdem weiß man: Auch Sprinter nehmen EPO — im Training.
BZ: Auch Eigenblut-Doping scheint immer noch Alltag zu sein.
Franke: Richtig. Im Grunde eine recht alte — und immer noch nicht nachweisbare — Methode, die schon in den 1970er Jahren verbreitet war. Der frühere Chefarzt der US-Olympia-Mannschaft hat in seinem Buch "Drugs, Sports and Politics" erstmals berichtet, wie bei den Olympischen Spielen 1984 einmal fast die gesamte US-Rad-Mannschaft in einem Hotel zur Re-Infusion in den Betten liegend angetroffen worden war. Wie das heutzutage mit 100-prozentiger Sicherheit abläuft, hat zum Beispiel Jaksche ausführlich in Ansbach den Ermittlungsorganen berichtet: Der Sportler spendet zunächst in der Vorsaison Blut, das kühl gespeichert wird. In Jaksches Fall entweder bei Dr. Fuentes in Madrid oder bei Dr. Choina in der Helios-Klinik in Bleicherode am Harz, dem deutschen Vertreter des Fuentes-Netzwerks. Da lesen Sie dann, wie der Sportler — meist mit Bancotel-Vouchers — in dem ausgemachten Hotel — dort zum Beispiel das Schlosshotel in Karlsruhe — ein Zimmer belegt. Dann kommt irgendwann der Dopingarzt, in diesem Fall wieder Dr. Choina, reinfundiert das Blut, gibt eventuell noch ein paar Präparate mit auf den Weg und macht den nächsten Treffpunkt aus. Dann verschwindet der Arzt, etwas später — separat — der frisch gedopte Sportler, der eine über die Rezeption oder das Restaurant, der andere direkt über die Tiefgarage: Die beiden, Doper und Gedopter, werden so auch nie zusammen gesehen. Ein voll konspiratives System: 007-artig. Lesen Sie Jaksche oder Sinkewitz, sonst glauben Sie es nicht!
BZ: Ein anderer Fuentes-Kunde, der US-Olympiasieger im Straßenrennen von Athen 2004, Tyler Hamilton, ist aber schließlich doch beim Blutdoping erwischt worden.
Franke: Ja, aber erst später. Und bei ihm handelt es sich um blutgruppenverträgliches Fremdblut-Doping. Und dafür gab es — was er nicht wusste — ein in Australien entwickeltes Nachweisverfahren! Er durfte übrigens im Gegensatz zu Marion Jones und den US-amerikanischen Staffel-Sprintern seine Goldmedaille behalten. How do you spell corrupt?
BZ: In Sydney 2000 gewann Jan Ullrich Gold und Andreas Klöden Bronze.
Franke: Und wenn Sie den Zwischenbericht der Freiburger Expertenkommission dazu lesen, müssen Sie mir erklären, weshalb deren Medaillen nicht zurückgegeben werden.
BZ: Was olympische Medaillen angeht, gewann zum Beispiel der Zeitfahrer Robert Lechner in Seoul 1988 Bronze und hat nun gestanden, dabei auch gedopt worden zu sein.
Franke: Ja, und zwar in diesem Fall von Dr. Georg "Schorsch" Huber, Sportmediziner bei Professor Keul. Und Huber gab ihm sogar das Stanozolol-Präparat Stromba, ein bekannt lebertoxisches Steroid, also von einer Pharmaka-Gruppe, von der Keul zuvor immer betont hatte, auch öffentlich, gerade diese würde man wegen ihres Schadensrisikos eben nicht geben. Wenn dann schon eher reine Testosteron-Ester. Skrupelloser Doping-Opportunismus also!
BZ: Freiburger Ärzte, auch Huber, haben betont, sie hätten Schlimmeres verhüten wollen. Kann es nicht sinnvoll sein, dass ordentliche Ärzte, erst recht Universitätsärzte, Doping lenken und beaufsichtigen?
Franke: Sie meinen, damit weniger Nebenwirkungen und Schäden entstehen? Kennt man schon von den DDR-Sportärzten! Aber es bleibt eine verlogene akademische Begründung für kriminelles Tun.

Werner Franke
Geboren am: 31. Januar 1940 in Paderborn, Molekularbiologe in Heidelberg
Professor Werner Franke arbeitet am Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Für seinen Kampf gegen Doping bekam er das Bundesverdienstkreuz. Dieselbe Auszeichnung erhielt allerdings auch Professor Joseph Keul, der langjährige Chef der universitären Sportmedizin in Freiburg. Beide waren bis zu Keuls Tod im Jahr 2000 erbitterte Feinde. Seit 2007 — nach der Enthüllung des Dopings beim Team Telekom/T-Mobile — soll Franke nun die Geschichte der Freiburger Sportmedizin mit untersuchen. Er gehört einer Kommission der Albert-Ludwigs-Universität an.

Badische Zeitung Freiburg
Andreas Strepenick, 9.8.2008, www.badische-zeitung.de

 

Danke für diese mutige journalistische Arbeit
Dieses BZ-Interview zum Thema Doping und Olympia sollte man als ganze Seite auf Hochglanz kopieren, einrahmen und dem Innenminister, Herrn Bach vom IOC und jeden Sportfunktionär schicken, damit sie dies über ihren Arbeitsplatz aufhängen. Die Qualität der Nachfragen durch die BZ und die kompromisslosen Antworten von Franke zeigen eindeutig das Problem des Weltsports und die Verlogenheit von Olympia in Peking. Wir Deutschen brechen ein, weil wir sauber getrimmt wurden und das Ausland zieht an uns vorüber, weil keiner Einhalt gebietet. Man kann bald nicht mehr hinschauen, weil nur noch der Zweifel mitschwingt. Da sitzen Putin und Bush bei der Eröffnung in der Ehrenloge, der Reporter säuselt was von Frieden während der Spiele und beide haben den Krieg in Georgien genehmigt. Wir Deutschen wollen immer bieder erscheinen, spielen die Narren und werden, wenn wir weiter solche Qualitäten in Sport und Politik anbieten, bald die westliche Provinz vom Großreich China werden, noch in diesem Jahrhundert. Warum opfert der Kommerz die Werte der westlichen Welt und sägt sich selbst für die kommenden Generationen den Ast ab?
Dieses Interview zeigt sehr klar, wo die Reise hingeht. Danke an die BZ für diese mutige journalistische Arbeit.
BZ-Leserbrief vom 19.8.2008 von Wolfgang Göttsche, Ballrechten-Dottingen

Hochleistungssport ist kein Sport mehr, sondern gedopte Unterhaltung
"Nüchtern betrachtet hat sich, seit vielen Olympiaden, das IOC zu einem florierenden Weltkonzern der Unterhaltung und der Dienstleistung im Werbesektor entwickelt. Das Gleiche gilt für die Tour de France, die Uefa oder die Fifa. Da geht es vorrangig um die Einschaltquoten von Unterhaltungsveranstaltungen, wie in jedem Konzern also um das große Geld. Nüchtern betrachtet passen das große Geld und die Ethik und die Moral kaum zusammen. Wenn Siemens, Airbus, Alstom oder VW mit China ins Geschäft einsteigen, ruft niemand zum Boykott auf. Warum werden Stimmen laut, wenn der Konzern IOC in Peking eine lukrative Veranstaltung organisiert? Was unterscheidet das IOC von den anderen in China agierenden Konzernen? Tatsächlich wenig. Nüchtern betrachtet sind Drogen, also Doping, schon lange im Unterhaltungsgewerbe präsent: Hochleistungsprofis der Branche werden vor und nach ihren stundenlangen Konzerten nicht danach kontrolliert. Dass manche Hochleistungsunterhaltungssportler mit ihrem Umfeld für eine Freigabe der Dopingmittel plädieren, ist logisch. Nüchtern betrachtet hat der heutige Hochleistungsunterhaltungssport nichts mehr zu tun mit dem Sport aus der Sicht eines Barons Pierre de Coubertin oder mit den von Millionen Menschen ausgeübten sportlichen Aktivitäten."
BZ-Leserbrief vom 19.8.2008 von André Thomas, Gundelfingen

 

Alle Beteiligten verdienen hieran hervorragend

Aufklärung wäre so einfach: Fast alle Substanzen (Medikamente) sind rezept- und verschreibungspflichtig, die Vertiebswege sind kontrollierbar! Bei EPO (gentechnisch hergestellt) werden geschätzt lediglich 20 Prozent klinisch bzw. intensivmedizinisch eingesetzt. Das heißt im Umkehrschluss: Circa 80 Prozent fließen in andere Kanäle (vermutlich Doping), sodass der Missbrauch weit über die Radsportszene hinausreicht.

Hinzu kommt, dass der Patentschutz für EPO in Kürze ausläuft. Verschiedene Pharmafirmen haben bereits eine Zulassung für den Vertrieb als Generikum beantragt, zum Beispiel auch die Firma Stada. Nun ist aber gerade dieses Unternehmen ein bedeutender Sponsor des Bunds deutscher Radfahrer. Deren Präsident, Rudolf Scharping, beeilte sich jedoch in vorauseilendem Gehorsam auch für die Zukunft eine Zusammenarbeit(?) mit diesem Unternehmen anzukündigen. Diese Scheinheiligkeit ist nicht mehr zu überbieten. Außerdem ist damit zu rechnen, dass infolge des Vertriebs von EPO als Generikum dieses Präparat erheblich billiger zu haben sein wird. So kann sich ein erweiterter Kreis von Spitzensportlern dieses finanziell leisten! Schlussfolgerung: Da der Spitzensport ein Teil unserer Gesellschaft ist, werden auch in Zukunft Gier, Macht, Lüge, Betrug, Korruption, Bestechung usw. notwendigerweise ein integraler Bestandteil dieses Systems bleiben. Alle Beteiligten verdienen hieran hervorragend, einschließlich der Politiker und der Medien. Freuen wir uns doch schon heute auf die Doping-Olympiade 2008 in Peking.
BZ-Leserbrief vom 8.6.2007 von Dr. Manfred Dedem, Freiburg

 

 

Ärzte wirkten widerwillig mit

Das, was jetzt durch die Dopinggeständnisse bekannt geworden ist, hätte die breite Sportöffentlichkelt kaum überraschen dürfen. Funktionäre, Sponsoren und die Medien mussten von den Zuständen im Radsport wissen, zumal viele Fakten selbst im Internet nachzulesen waren. Doping war offensichtlich im Spitzenradsport keine Ausnahme, sondern eher die Normalität. Sponsoren haben sich in den Erfolgen der Radfahrer gesonnt, die Medien erfreuten sich an den hohen Einschaltquoten, die Funktionäre sahen sich in ihrer Sportpolitik bestätigt und die Sportler selbst profitierten von hohen Zahlungen. Die Einzigen, die nach meinem Kenntnisstand leer ausgingen, waren die beiden Freiburger Klinikärzte, die sich mehr wider- als bereitwillig dafür hergaben, am Doping im Radsport mitzuwirken, damit wenigstens eine gewisse ärztliche Kontrolle zur Risikominderung gewährleistet war. Aber auch ohne die Mithilfe der Freiburger Ärzte wäre im Team Telekom gedopt worden, weil doch Funktionäre, Sponsoren und Sportler die Erfolge unbedingt haben wollten. Die Dopingmittel wären, wie wir wissen, auch anderweitig erhältlich gewesen. Für ihre Mitwirkung werden die Freiburger Sportärzte jetzt regelrecht kriminalisiert, verlieren ihre Position und möglicherweise auch ihre Approbation.
Als langjähriger ehemaliger Fußballprofi des SC Freiburg möchte ich feststellen, dass insbesondere Prof. Dr. Andreas Schmid in enger Zusammenarbeit mit der sportmedizinischen Abteilung der Uniklinik Freiburg in vielen Jahren hervorragende Arbeit für die Fußballer des SC Freiburg, aber auch für viele andere Sportler, geleistet hat. Doping war im Fußball beim SC Freiburg nie ein Thema, es wurde vielmehr vom Trainerstab und der medizinischen Abteilung, einschließlich Prof. Dr. Andreas Schmid, strikt abgelehnt. Insofern finde ich es geradezu beschämend, wenn Präsident Stocker sich jetzt von Prof. Dr. Andreas Schmid distanziert und auf seine weiteren Dienste für den SC Freiburg verzichtet. Hier hätte ich wirklich Solidarität gegenüber einem Arzt erwartet, der sich große Verdienste um die medizinischen Belange des Sportclubs erworben hat und der sich in Ausführung dieser Tätigkeit nichts hat zuschulden kommen lassen. Für uns Sportler stand seine Integrität stets außer Frage. Um es ganz klar zu sagen: Ich bin grundsätzlich gegen Doping im Sport, habe dies als Fußballer auch nie getan und hätte es auch nicht in einer anderen Sportart in Erwägung gezogen. Gleichwohl habe ich ein gewisses Verständnis für die Radsportler unter den gegebenen Umständen. Anzustreben wäre im Idealfall selbstverständlich ein völlig dopingfreier Sport. Dazu müssten aber alle Beteiligten — jeweils auf ihrem Gebiet — beitragen und zwar im Inland und im Ausland. Die Politiker müssten entsprechende Gesetze verabschieden, die Sportverbände für noch striktere Kontrollen sorgen, Sponsoren und Medien hätten ihre Erwartungshaltung in puncto Sporterfolge und Rekorde auf ein realistisches Maß zurückzuschrauben. Vor allem aber müssten die Funktionäre Sofortmaßnahmen ergreifen, wenn innerhalb kurzer Zeit sprunghafte Leistungssteigerungen von einzelnen Sportlern erzielt werden. Letztendlich wird man Doping weltweit jedoch nur schwer ganz ausrotten können.
BZ-Leserbrief vom 1.6.2007 von Andreas Zeyer, Auernheim (Ex-Profi vom SC Freiburg)

 

Ist nicht die ganze verlogene Gesellschaft schuldig?

Das Dopingverbot für Leistungssportler ist deshalb sinnvoll, weil eine Bewegung zu immer effektiver leistungssteigernden Mitteln jeweils höhere gesundheitliche Gefahren mit sich bringt, die vermieden werden müssen. Leistungssteigernde Mittel sind heute für Berufsathleten aber existenziell notwendig, weil sie zum Beispiel ohne exzessives, ebenfalls potenziell gesundheitsschädliches Training, oder eine gefährliche Nahrungsmittelzufuhr, wie zum Beispiel eine unphysiologisch hohe Eiweißaufnahme, und vieles mehr keine Spitzenleistungen mehr erzielen, Spitzenleistungen, die Millionen von Fernsehzuschauern erwarten, die ihre siegreichen Helden vergöttern. Wer will hier entscheiden, was noch erlaubt oder verträglich ist und was nicht? Natürlich müssen eindeutig krankmachende Mittel verboten sein. Und diese Verbote müssen mit angepassten Rechtsmitteln durchgesetzt werden. Was passiert aber augenblicklich mit uns? Eine einmalig emotional aufgeladene Atmosphäre, die umgekehrte Seite des Siegestaumels, führt dazu, dass angeblich Schuldige, vor allem auch Ärzte, wie Schwerverbrecher an den Pranger gestellt werden. Wer ist hier überhaupt schuldig? Sind dies die Massen, die nur Siege akzeptieren? Sind es die Sportler? Sind es die Ärzte? Ist es nicht die ganze verlogene Gesellschaft? Die Sportmedizin wird nahezu geschlossen, wenn die Sportler nicht mehr betreut werden dürfen. Sind hier nicht maßlose Entscheidungen getroffen worden? Ins Groteske übertrieben könnte doch dann auch gefordert werden, dass unser ganzes Universitätsklinikum geschlossen wird. Wir brauchen ein Strafmaß, das den Verhältnissen und nicht den Emotionen angepasst ist. Es kann nicht darum gehen, unmenschliche Strafen zu verhängen, nur weil zum Beispiel die Universität den Exzellenzstatus ansteuert. Wir brauchen mehr Augenmaß und damit mehr Gerechtigkeit — übrigens nicht nur in der Frage des Dopings!
BZ-Leserbrief vom 1.6.2007 von Prof. Dr. med. Ulf Stein, St. Peter


 

 

Uni und Doping: Wahrlich exzellent

Das hätte sich das Duo Jäger/Salomon fürs Jubiläumsjahr bestimmt anders vorgestellt: Nämlich "Freiburg in aller Munde" , und Erfolg bei der lukrativen Exzellenzinitiative der Universität. Gerade ein einziges Mal in den letzten Monaten gab es eine positive Nachricht über Freiburg: Nämlich der einmalig erfolgreiche Bürgerentscheid gegen den Ausverkauf des städtischen Wohnraumes.

  • Die angedachte Prämierung als Spitzen-Uni - daneben.
  • Dann das unwürdige Gezerre innerhalb des Vorstandes des SC Freiburg.
  • Negative Schlagzeilen machten auch zuvor der Skandal des Pfusch-Mediziners Friedl,
  • kürzlich die bundesweit als Zumutung empfundene Rede des Herrn Oettinger zur Beisetzung des Herrn Filbinger im Freiburger Münster.
  • Und nun die Lawine des jahrelangen Dopings an Freiburger Unikliniken.

Um des Olympiastützpunktes willen hieß es schon vor Jahren "Augen zu!" bei Verdachtsmomenten gegen die Herren Keul und Klümper. Gerade Menschen, die sich jahrzehntelang für die echten Qualitäten und den inneren Frieden in Freiburg eingesetzt haben und die für die unsere Stadt auszeichnende Gastfreundlichkeit, Offenheit und historische Würde erfolgreich geworben haben, sind tief betroffen über diese Entwicklungen. Ob nicht der aktuelle neoliberale Trugschluss, alles wäre verkäuflich (Geschichte, soziale Verantwortung, Ethik) und alles wäre käuflich (Gesundheit, Erfolg, Macht, Glanz) mit dazu beiträgt? In jedem Fall: Freiburg — wahrlich "exzellent" !
BZ-Leserbief vom 29.5.2007 von Henning Wellbrock, Freiburg

 

 

Doping und Schönheitschirurgie: Die künstlich aufgewertete Ware Mensch 

Herr Brendler hat hier den Finger in eine Wunde gelegt, und die Parallelen zwischen (illegalem) Doping und (legaler) "Schönheits" -Chirurgie unter dem Oberbegriffes des "Nichtschadens" als übergeordnetem Leitmotiv des ärztlichen Berufsethos beleuchtet: Der einzige substanzielle Unterschied ist die Frage der Legalität. Beide haben die künstlich aufgewertete Ware Mensch zum Ziel, in beiden Fällen arbeiten die Ärzte (in der Regel) nicht gegen den erklärten Willen des Patienten/Kunden, und in beiden Fällen werden Bedürfnisse suggeriert, um mithalten zu können. Und in beiden Fällen wird den Kunden und der Gesellschaft geschadet.

Mit der Erfüllung dieser Wünsche wird der Druck auf die anderen erhöht, ebenfalls dieser neuen Norm zu entsprechen. Irgendwann wird das künstlich Erzeugte als das Normale betrachtet: Die Erwartungen an die Leistung (Mann) oder das Aussehen (Frau) als Kapital im Kampf um Ansehen und Geld werden immer höher geschraubt. Wohin das führen kann, ist in einigen asiatischen Länder oder Südamerika zu sehen, wo systematisch junge Mädchen durch Ärzte verstümmelt werden um einem absurden Schönheitsideal zu entsprechen. Mit dem ärztliche Berufsethos ist diese Entwicklung längst nicht mehr vereinbar.
BZ-Leserbrief vom 26.5.2007 von Christine Müller, Freiburg

 

Erklärungen der Sportärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich

Zuerst dementierten die Freiburger Sportärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich die Dopingvorwürfe, am Mittwochabend folgte dann das Eingeständnis. Eine Dokumentation der Erklärungen.

10. Mai 2007: "Ich, Prof. Dr. Andreas Schmid, nehme zu den unerklärlichen Anschuldigungen wie folgt Stellung: Ich weise die gegen mich erhobenen Vorwürfe des belgischen Ex-Pflegers entschieden zurück, sie entbehren jeder Grundlage. Ich habe niemals Sportlern EPO oder Wachstumshormone verabreicht, solche Medikamente Sportlern oder so genannten Pflegern ausgehändigt oder zugeschickt (...)."

14. Mai 2007: Lothar Heinrich: "Die im Magazin Der Spiegel gegen mich erhobenen Vorwürfe sind für mich nicht nachvollziehbar und entbehren jeglicher Grundlage. Als Arzt ist es meine Aufgabe, die Gesundheit meiner Patienten zu erhalten und Krankheiten zu behandeln. Das können bei Sportlern Verletzungen und Infekte sein, aber auch die Durchführung und Analyse von Leistungsdiagnostiken und entsprechender Trainingsberatungen. Im Rahmen des Anti-Dopings kläre ich im Rahmen meiner Kenntnisse über die gesundheitlichen Risiken durch Doping auf. Die Injektion von EPO als Doping durch mich oder die Weitergabe von EPO an Masseure kam und kommt deshalb für mich nicht in Frage. (...)."

23. Mai 2007, 22:06: "Herr Professor Dr. Andreas Schmid gibt über mich (Ferdinand Gillmeister, Anwalt; Anm. d. Red.) als seinen Verteidiger und Vertreter folgende persönliche Erklärung ab: "(...) Ich räume ein, seit Mitte der 90er-Jahre das Doping einzelner Radprofis unterstützt zu haben. Ich habe den Radsportlern auf Anforderung Dopingsubstanzen, insbesondere EPO, zugänglich gemacht. Ich versichere, den Sportlern diese Medikamente niemals injiziert (...) zu haben. Ich habe niemals einem Sportler ohne dessen Wissen oder gar gegen seinen Willen Dopingsubstanzen verabreicht. Ich versichere ferner, dass ich durch meine Mitwirkung am Doping niemals einen finanziellen oder sonst wirtschaftlichen Vorteil (...) erstrebt habe. Ich bedauere meine Verfehlungen sehr. Ich hätte als Arzt nie so handeln dürfen. Ich bedauere auch, dem Ansehen meiner Universität Schaden zugefügt zu haben. Weder die Leitung des Klinikums noch der Ärztliche Direktor der Sportmedizin, Professor Dr. Dickhuth, haben von meinen Verfehlungen Kenntnis gehabt oder diese auch nur ahnen können. Ich sehe unter den gegebenen Umständen für den Profiradsport die Chance, aus den Fehlern zu lernen und einen Neuanfang zu unternehmen. Ich weiß, dass der Radsport durch Doping seine sportliche Grundlage wie Fairness und Chancengleichheit verliert. Ich habe als Sportmediziner aber auch erfahren, welch ungeheurem Erfolgsdruck die Fahrer ausgesetzt sind. Die in den 90er-Jahren verbreitete Dopingpraxis hat die Bereitschaft der Sportler, selbst zu dopen, erheblich gefördert. Die verbesserten Anti-Doping- und Gesundheitskontrollen sowie die zunehmende Verantwortung aller Beteiligter, auch der Sponsoren, sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Bekämpfung des Dopings. Ich unterstütze deshalb die Arbeit der universitären Kommission zur Aufklärung der Dopingvorwürfe. Ich appelliere aber auch an alle Verantwortlichen und Profiradsportler, nach Kräften an der Aufklärungsarbeit mitzuwirken, auch wenn es "weh tut" . (...)"

23. Mai 2007, 22:17: Lothar Heinrich: "Mir ist die Erklärung, die Professor Dr. Andreas Schmid (...) am 23.5. abgegeben hat, (...) bekannt. Auch ich räume ein, (...) am Doping von Radsportlern mitgewirkt zu haben. Ich bedauere diese ärztlichen Verfehlungen und hoffe, dass durch meinen aktiven Beitrag das Doping in der Zukunft wirksam bekämpft werden kann."

25.5.2007

Priv. Doz. Dr. Andreas Schmid, Freiburg wurde am 09. Juli 2005 zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Freiburg ernannt. Am 25.5.2007 suspendiert.


 

Eine Spritze für alle Fälle

Die medizinische Betreuung der Spitzensportler an der Uniklinik steht seit Jahrzehnten unter Dopingverdacht / Privatverträge mit dem Chefarzt

1991 suchte die Deutsche Telekom einige Sportmediziner. Welche Anforderungen der damalige Konzernchef Ron Sommer und Kommunikationsdirektor Jürgen Kindervater stellten, ist nicht bekannt. Aber sie hatten beschlossen, ein Radsportteam zu sponsern. Also wandten sie sich gezielt an Professor Joseph Keul, den damaligen Leiter der sportmedizinischen Abteilung an der Freiburger Universitätsklinik. "Keul führte alle Verhandlungen mit Sommer und Kindervater persönlich" , sagt ein Kenner der Verhältnisse. Keul machte auch die Verträge. Klar war, dass keine alten, womöglich schon mit Dopingpraktiken in Berührung gekommenen Mediziner für die Betreuung in Frage kamen. "Die Ärzte mussten jung und unbelastet sein" , sagt der Insider. Sie mussten auch optisch ein Inbegriff sein für den neuen, sauberen Radsport, wie ihn die Telekom nach außen hin fortan 16 Jahre lang propagieren sollte.
Telekom wählte die Freiburger Universitätsklinik, weil sie als Wiege der Sportmedizin einen glänzenden Ruf genoss. Hier ausgebildete Mediziner gingen in die ganze Welt, besetzen in vielen Orten sportmedizinische Schlüsselstellungen. Keul, später auch Chef des deutschen Sportärztebunds, begleitete über Jahrzehnte hinweg deutsche Athleten zu Olympischen Spielen. Er genoss Ansehen in den höchsten politischen Kreisen. Dopinggegner gehen davon aus, dass in Freiburg mehr angeboten wurde als nur Leistungsdiagnostik und schnelle Hilfe bei gesundheitlichen Beschwerden. "Freiburg war bekannt dafür, das komplette Spektrum anzubieten" , sagt ein Kenner der Szene. Er meint dabei die Betreuung in allen Fragen des Dopings. Er meint jene Schattenwelt, von deren Existenz Experten wie der Heidelberger Professor Werner Franke seit Jahrzehnten ausgehen. Franke wurde viel angefeindet, verklagt, Sportmediziner und Sportfunktionäre zogen seine Behauptungen ins Lächerliche. Franke bleibt aber bis heute dabei: Keuls Abteilung habe ebenso wie die Sporttraumatologische Spezialambulanz im Freiburger Mooswald unter ihrem langjährigen Leiter Professor Armin Klümper "zweifellos eine zentrale Rolle" in der Geschichte des Dopings gespielt. Ein ehemaliger Sportreporter aus Ostdeutschland sagt: "Wenn du damals in der DDR unsere Leute gefragt hast, wer eigentlich im Westen mit Doping zu tun hat, dann fiel häufig zuerst der Name Keul." Ein Freiburger Arzt erklärt dagegen, Keul sei noch der Harmlosere der beiden einstigen Koryphäen gewesen: "Der Klümper hat es viel schlimmer getrieben als der Keul." Aber was genau wurde getrieben? Und wie will man es heute noch beweisen? "Es wurde sorgfältig darauf geachtet, keine schriftlichen Unterlagen in dieser Angelegenheit zu hinterlassen" , sagt der Insider. Andreas Schmid und Lothar Heinrich nahmen das Angebot des Teams Telekom an. Sie waren jung, sie waren ehrgeizig. Aussagen in der Enthüllungsgeschichte des ehemaligen Telekom-Masseurs Jef d’Hont deuten darauf hin, dass sich Schmid anfangs gegen das Doping wehrte. Aber er hat dann doch mitgemacht. Am Mittwochabend legten er und sein Kollege Lothar Heinrich ein Teilgeständnis ab. Zuvor hatten Schmid und Heinrich behauptet, mit Doping nichts zu tun zu haben, hatten also gelogen. Und wer log noch? Professor Joseph Keul starb im Jahr 2000. Er hatte immer wieder erklärt, mit Doping nichts zu tun zu haben. Die erste Enthüllungsgeschichte vor acht Jahren schmetterte er zusammen mit Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich mit umfangreichen Gegendarstellungsklagen ab. Dem Spiegel brachen die Zeugen weg. Keul trug einen letzten Sieg davon. Es ist heute sehr wahrscheinlich, dass der Professor, nach dem der Konferenzraum im Olympiastützpunkt Freiburg-Schwarzwald benannt ist, sehr genau wusste, was Schmid und Heinrich taten. Vielleicht hat er es sogar angeordnet und überwacht. "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Schmid und Heinrich ein Dopingprogramm in Freiburg entwickelten, ohne dass ihr direkter Vorgesetzter davon wusste" , sagt der Insider. Professor Matthias Brandis, der Leitende Ärztliche Direktor der Freiburger Universitätsklinik, hat gegenüber der Badischen Zeitung erklärt, Keul habe mit der Telekom seinerzeit einen so genannten Privatvertrag abgeschlossen. Das Geld sei nicht über die Universitätsverwaltung, sondern direkt über Keul geflossen. Rechtlich sei das höchst fragwürdig, wenn nicht gar unzulässig gewesen, sagt Brandis. Nach Keuls Tod habe daher Interims-Nachfolger Professor Aloys Berg die Verträge für betreute Sportler und Sportarten umschreiben und auf eine rechtlich einwandfreie Grundlage stellen müssen. Dass der Name Keul bis heute kaum eine Rolle spielt in der öffentlichen Debatte, verbittert einen der damals Beteiligten: "Es kann doch nicht sein, dass die beiden kleinen Assistenzärzte von damals nun am Pranger stehen, der damalige Chef aber wieder ungeschoren davonkommt." Dass über Keul kein schlechtes Wort gesagt werden darf, hat aber Gundolf Fleischer (CDU), Wirtschafts-Staatssekretär in Stuttgart und Präsident des Badischen Sportbundes, zuletzt am 12. Mai auf der Mitgliederversammlung der Organisation in Hinterzarten öffentlich eingefordert. "Keul ist tot, er kann sich nicht mehr wehren" , sagte Fleischer. Er zeigte sich entrüstet über Veröffentlichungen, in denen der Name Keul fiel. Von den Delegierten erhielt er dafür Beifall. Fleischer sprach von einer "Medienkampagne" . Er wolle "nichts unter den Teppich kehren" , die Vorwürfe gegen Schmid und Heinrich müssten sorgfältig aufgeklärt werden. Es werde aber "ein Generalverdacht erhoben, obwohl es sich um ein spezielles Problem handelt". Wie speziell das Problem der Sportmedizin in Freiburg ist, sollen nun zwei Kommissionen untersuchen. Eine wird sich mit den Vorwürfen gegen Schmid und Heinrich befassen, eine zweite soll die zurückliegenden 20 Jahre Sportmedizin aufarbeiten — auch wenn die ersten Dopingvorwürfe gegen Freiburger Ärzte schon vor rund drei Jahrzehnten aufkamen. Uni-Rektor Professor Wolfgang Jäger kündigte die Einrichtung dieser historischen Kommission gestern an. Ein bis zwei Jahre, glaubte Brandis, werde allein die erste Kommission für ihre Arbeit benötigen.

Aber im Augenblick wird die Zeit nicht mehr in Jahren, sondern in Tagen, ja Minuten gemessen. Andreas Schmid hatte die Badische Zeitung am 27. März davor gewarnt, über seine eventuelle Verstrickung in eine Dopingaffäre überhaupt nur ein Wort zu berichten. Er weigerte sich, etwas zu den Vorwürfen des früheren Team-Masseurs Jef d’Hont zu sagen, er warnte und er drohte. Schmid schrie am Telefon — und rief fünf Minuten später noch einmal an, um sich zu entschuldigen. Als am 30. April Der Spiegel seine Enthüllungsgeschichte herausbrachte, erklärte Schmid schriftlich in knappen Worten, die Beschuldigungen entbehrten jeder Grundlage. Er log. Er log noch einmal am 10. Mai in seiner Erklärung gegenüber Klinikumsdirektor Brandis. Wie sein Kollege Heinrich hoffte er, das Kartell des Schweigens werde halten. Schmid, 45, wirkte stets wie ein Arzt von höchster Integrität. Er ist liebenswürdig, angenehm, fleißig. "Den konntest du auch nachts um vier noch anrufen. Der hat alles für dich getan" , sagt ein Langstreckenläufer. Noch am Mittwoch, kurz nach 14 Uhr, erklärte Achim Stocker, der Präsident des Fußball-Zweitligisten SC Freiburg: "Schmid ist ein toller Typ und ein grundanständiger Mensch." Stocker wollte seine Fußballer weiterhin von ihm betreuen lassen, obwohl die Universität Schmid wie Heinrich zu diesem Zeitpunkt bereits suspendiert hatte. Stockers Aussage ging nicht mehr in Druck. Denn um 22.06 Uhr schickte Schmids Anwalt eine schriftliche Erklärung an die Redaktion. "Ich räume ein, seit Mitte der 90er-Jahre das Doping einzelner Radprofis unterstützt zu haben." Dann wurde viel telefoniert. Schmid korrigierte seine Erklärung. Er bat, das verhängnisvolle Wort "seit" durch "in den" zu ersetzen. Es war ein Kampf um Minuten, wie der Radsport selbst immer ein Kampf um Minuten war.

Ein junger Arzt aus Freiburg, so erzählen die Kollegen, kehrte von einem Trainingslager des Teams Telekom auf Mallorca angewidert zurück. "Ich will mit Doping nichts zu tun haben" , habe der Arzt gesagt und die sportmedizinische Abteilung verlassen. Es gab also eine Wahl. Und die Zukunft? Einer, der die Geschichte Keuls und Klümpers kennt wie kaum ein anderer, sagt nur: "Das Thema Doping lässt uns nicht mehr los."

Badische Zeitung Freiburg
Andreas Strepenick , 25.5.2007, www.badische-zeitung.de

 

Radsport und Doping in Freiburg

Der Sport steht an einem Wendepunkt. In atemberaubendem Tempo kommen nun Wahrheiten ans Licht. Radrennfahrer gestehen fast schon im Stundenrhythmus, über Jahre hinweg getäuscht und betrogen zu haben. Auch Andreas Schmid und Lothar Heinrich, die beiden Sportärzte der Freiburger Universität, versuchten die Flucht in die Wahrheit. Als ihnen klar wurde, dass ihre Lüge nicht länger Bestand haben würde, gaben sie zu, Sportler gedopt zu haben. Sie gaben wahrscheinlich noch nicht alles zu. Wer über 15 Jahre hinweg log, muss erst wieder lernen, was die Wahrheit ist.

Schmid und Heinrich sind keine Einzeltäter. Sie sind, das kommt nun nach und nach ans Licht, Teil eines Systems, das im Radsport — und wohl nicht nur dort — entstehen konnte, weil Fans und Medien nur Sieger lieben und nicht so genau wissen wollten, wie diese Siege entstanden sind. Wir lieben den Sport, wir lieben seine Helden, wir wollten schlechte Nachrichten und schlimme Vermutungen nicht hören. Selbst heute fällt es vielen unendlich schwer, in diesen Helden Betrüger zu sehen. Viele Athleten waren aber genau das. Sie machten mit in verborgenen und womöglich in Teilen sogar kriminellen Systemen, die ihre Existenz eben auch der Tatsache verdanken, dass der Staat und die Verbände des Sports lange nicht genau hingeschaut haben. Einige Vertreter aus Politik und Sport haben womöglich sogar mehr getan als nur geduldet und geschwiegen. Die Wahrheit über das Doping kommt nun langsam ans Licht, aber man hat den Eindruck, noch immer erst sehr wenig von dieser Wahrheit zu sehen.

Schmid und Heinrich haben ihren ärztlichen Eid gebrochen und gefährliche Medikamente für Nieren- und Krebskranke über Jahre hinweg Sportlern verabreicht, nur damit diese ein bisschen schneller und ausdauernder radeln konnten
. Sie tarnten ihre Arbeit so, dass Kontrollen ins Leere liefen. Was sie taten, ist verachtenswert. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Ihr persönliches Schicksal ist aber zweitrangig, vergleicht man es mit dem Schaden, den sie ihrer Universität angetan haben. Sie logen und betrogen unter akademischem Schutz. Sie — und womöglich auch einige ihrer Kollegen und sogar Vorgesetzten — haben die Universitätsklinik, eine der besten in Deutschland, in nie gesehener Weise in Verruf gebracht. Eine Institution von herausragender Qualität, von internationalem Ansehen, steckt nun mitten in einem der größten Dopingskandale der Sportgeschichte. Die Universität reagierte erfreulicherweise mit äußerster Schärfe. Sie entließ die Ärzte und will vielleicht nie wieder Leistungssportler betreuen. Ausgestanden ist die Affäre damit aber nicht. Auch nicht für die anderen Einrichtungen des Spitzensports in der Region. Die Sportmedizin der Universitätsklinik ist engstens verbunden mit der Sportmedizin der Traumatologie im Mooswald, mit der Sport-Uni und mit dem Olympiastützpunkt. Stürzt eine Säule, gefährdet das auch die übrigen Bereiche. Aber um einen glaubhaften Neubeginn zu ermöglichen, muss die Vergangenheit schonungslos aufgearbeitet werden. Wenn die jüngsten Geständnisse diesen Prozess ermöglichen würden, könnte aus dem Tiefpunkt für den Leistungssport in der Region vielleicht doch ein Neubeginn werden.
BZ vom 25.5.2007

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