Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Dichter, Philosophen und Liedermacher
 - Infos bis Ende 2004
 

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Blick vom Berghotel Kandel nach Nordwesten über den Nebel zu den Vogesen am 6.11.2003

 

Hebel-Medaille für die Zeller Autorin Heidi Knoblich

Walter Möll, Präsident der Muettersprochgesellschaft Hegau, überreicht Heidi Knoblich die Hebel-Medaille. FOTO: DOST

Johann Peter Hebel hat sie als die liebliche Tochter des Feldbergs bezeichnet, die Wiese. Nun hat die Region auch eine "liebliche Tochter der Wiese": In lyrischer Abwandlung von Hebels geflügeltem Wort hat Bruno Epple Heidi Knoblich auf diesen Schild gehoben, und zwar in seiner Laudatio bei der Verleihung der Johann-Peter-Hebel-Medaille der Muettersprochgesellschaft Hegau in Singen. Mit der Medaille zeichnet die Gesellschaft Menschen aus, die sich um die alemannische Sprache verdient gemacht haben. Die Zeller Autorin sei eine "sympathische alemannische Stimme", die landauf, landab nicht zu überhören sei, heißt es in der Begründung.

Heidi Knoblich hat sich in mehr als hundert Rundfunksendungen, mit Büchern, die die Historie der Region erzählerisch aufarbeiten, mit Bühnenstücken und auch als Hörspielautorin hervor getan. Erst im vergangenen Sommer sorgte zum Beispiel die Inszenierung "Die Schwarzwaldengländer" für Aufsehen. Auch das Freilichtspiel "Fanny", das 2002 von den Jostäler Freilichtspielen aufgeführt wurde, stammt aus ihrer Feder. Ebenso wie der Roman "Winteräpfel", der anhand der Feldberg-Mutter Fanny Meyer die Erschließung des Feldbergs für den Tourismus beschreibt. Daneben hat sie aber auch das Kochbuch "Original Badisch" oder ein Winter-Weihnachtsbuch "Un d Welt hät lisslig gschnuuft" veröffentlicht. Zu schreiben angefangen hat Heidi Knoblich vor gut zehn Jahren - zunächst in ihrer Mundart, dem Dialekt des Wiesentals, inzwischen auch auf Hochdeutsch. Beim SWR-Studio Freiburg ist sie zudem für "Mundart am Samstag" mitverantwortlich und In der Comedy-Serie "Zahnarztpraxis Dr. Pauly" 4 spielt sie die Sofie.

Bruno Epple lebt als Lyriker und Maler auf der Höri und verkörpert ein großes Stück der aktuellen Bodensee-Kultur. Heidi Knoblich aber muss ganz besondere Assoziationen in ihm wecken. Wenn er sie reden höre, dann sei ihm, als höre er Hebel selber, so Epple. "Und was sie sagt", so der Lyriker in der Laudatio weiter, "das ist richtig und gut, und wie sie es sagt, das ist stimmig, und wenn sie anfängt zu erzählen, dann sprudelt es aus ihr heraus wie eine Quelle so frisch und klar." Verliebt in ihre Sprache mache sie ein Wesen aus ihr. Sie bausche sie nicht auf, sie höre in ihre Sprache hinein mit allem Respekt, den diese verdiene. "Wenn sie anfängt zu erzählen, klingt alles so zauberisch, so warmherzig", befindet Epple....
Michael Baas am 23.12.2004 in der BZ

  

 

Alemannenvesper mit Maurice Laugner und Frank Dietsche

Maurice Laugner brillierte beim Alemannenvesper der Muettersprochgesellschaft.

Foto: Künstle

LAHR. Ob besinnliche Lieder oder humorvolle, mit einem Hauch Frivolität und einem Körnchen Wahrheit behaftete "Gschichtli us'm Läwe vun hiwwe un driwe": Der elsässische Mundartdichter Maurice Laugner und Liedermacher Frank Dietsche boten beim neunten Alemannenvesper der Muettersproch-Gsellschaft Geroldsecker Land am Freitagabend Mundart vom Feinsten.

Nachdem die Muettersproch-Gsellschaft das Alemannenvesper acht Jahre lang in der Scheune des Freizeithofes Langenhard ausgerichtet hatte, verlegten die Verantwortlichen um Günter Alf die neunte Auflage der beliebten Veranstaltung wegen der oft winterlichen Straßenverhältnisse auf dem Lahrer Hausberg dieses Jahr ins Landhotel "Grüner Baum" in Burgheim, in dessen Nebenzimmer beim Willkommensgruß des Vorsitzenden an Mitglieder und Gäste kein freies Plätzchen mehr zu finden war. Im Anschluss an das traditionelle Alemannengericht "Schiefili mit Grumbieresalat und Ritscherli" hatte der elsässische Mundartbarde und Bürgermeister von Andlau, Maurice Laugner, mit seiner persönlichen Vorstellung "Ich Waggis kumm do riwwer zue eich Schwowe" die Muettersprochler zu erhöhter Aufmerksamkeit provoziert und mit lyrischen Erläuterungen von Gemeinsamkeiten diesseits und jenseits des Rheins die Wogen rasch geglättet.



Weil "hiwwe un driwwe" die gleichen Eichen wachsen, dieselbe Sonne scheint, der selbe Wein wächst und der gleiche Wind weht, sollen die Menschen miteinander feiern und Geschäfte machen und sich wie die Freunde der alemannischen Sprache jedes Mal aufs Zusammenkommen freuen, weil eine gemeinsame Mundart die Menschen verbinde. "Ä Mundharmonika isch ä Schnuffelrutsch un kei Harmonica" - "awer ä Simpl isch iweral ä Dolle", gab Laugner einige Beispiele zum Besten. Aus den Geschichten und Gedichten um Pompiers (Feuerwehrleute), Bannprozession (Flurprozession) und einen Drachen, vun d'r Gene, Würstl und Merguez sprach Laugners Liebe zur Heimat und zur alemannischen Mundart, die sich an diesem Abend ganz besonders in seinem Gedicht "Du un ich, mir wohne an d'r Grenz" widerspie-gelte.

Mundart der Sonderklasse bot auch der bei den Lahrer Muettersprochlern bestens bekannte Frank Dietsche, dessen vor einigen Jahren beim Alemannenvesper enthüllte Erinnerungen an eine alte Liebe und andere erfolglos gebliebenen Bemühungen unter dem Titel "Hätt i g'schieder Schittli g'schpalte" noch in bester Erinnerung war und auch diesmal mit tosendem Applaus bedacht wurde.
Trotz einer Erkältung hatte der im Markgräflerland beheimatete Liedermacher wieder zahlreiche Höhepunkte "uff d'r Pfann". Lieder und Parodien wie "D'Wäldermaidli vun Vogelbach", "In d'r alte Dorfschuel" und "I hab di gern" oder "D'r liewe alde Rhin" wiesen Frank Dietsche, dem man nachsagt, dass jedes seiner rund 80 selbst getexteten und vertonten Lieder jeweils einer (ehemaligen) Freundin gewidmet seien, als wahren Mundart-Profi aus.

22.11.2004 in der BZ

  

 

Schliengener Z'Liecht-Obe mit Lucie Hirth und Hildegard Weber

Beim Schliengener Z'Liecht-Obe zeigte sich die ganze Bandbreite der Mundart / Lucie Hirth und Hildegard Weber zu Gast

Zur abendlichen "Z'Liecht-Stunde" fand sich im Sitzungssaal des Wasserschlosses "Entenstein" eine treue und aufmerksame Zuhörergemeinde ein. Gabriele Lösche tauchte mit geschickter Hand den schlichten Ratstisch in festliches Kerzenlicht. Die vortragenden Gäste aus Freiburg hatten sich zuvor bei Familie Edmund Zimmermann in Mauchen getroffen, wo schon ein wenig vertraute Nähe entstand. Lucie Hirth lebt jetzt in Freiburg-Landwasser und Hildegard Weber in March-Hugstetten. Beide sind in Sulzburg geboren.

Sind die Themen von poetischen Naturen, die am Stadtrand leben, andere? Träumen sie sich in die Idylle? Das war die Frage. Lucie Hirth machte den Auftakt mit einem Gedicht von Gerhard Jung, das die alte Sitte des Z'Lichtgehens beschreibt. Kritisch-aufmerksam war das folgende Gedicht, in dem es um die Frage ging, warum die Menschen in der Großstadt so aneinander vorbeirennen. Mit einigen Limericks brachte sie einfache Tatsachen auf den Punkt und die Zuhörer zum Schmunzeln. Ihre eigene Biografie enthält auch ein Kapitel Amerika. Lucie Hirth stellte fest, wie viel von dort sprachlich ins Alemannisch einfließt. Drüben aber kennt man gerade mal den "Kindergarden".

Hildegard Weber befasst sich besonders intensiv mit ihrem Garten. Die Geschichte vom "Zwiebeli" veranschaulicht Werden und Ernten. Eindringlich ist der Vergleich vom Abschleifen der Steine und der Abnutzung und Verflachung der Sprache. Doppelsinnige Lebensweisheiten bot sie in prägnanter Kürze in den Gedichten "Gloge - ungloge", "I trau mi nit", "Jungi Frau un alte Ma" dar. Mit einem stimmungsvollen Herbstgedicht schloss der erste Teil des Abends.

Vergnüglich war die traditionelle Pause bei einem guten Tropfen und guten Gesprächen. Ein paar literarische Herztröpfli aus ihrem wunderschönen selbstgebundenen Buch verabreichte Hildegard Weber, um dann von Bazillen und deren Weitergabe, dem Besserwisser und jenem streitbaren Paar "Sodele - Jetzetle" zu berichten. Wie ein braver Hund aus seiner Perspektive seine Herrin und die Welt ganz allgemein sieht, hat die Autorin im Zusammenleben mit ihrem Vierbeiner gründlich studiert und humorvoll in Verse und in eine hintergründige Geschichte gebannt.

Bedächtig und lebensklug sind Lucie Hirths in Gedichtform gefasste Beobachtungen, kleine Spiegel, die sie dem Zuhörer vorhält. Sie hat dem Volk genau aufs Maul geschaut. "De Firobe am Morge sueche", "Hindeno ka jede sage", sind zwar lauter Alltäglichkeiten, erhielten aber zustimmenden Beifall. Ganz neu war die Idee, ein Alemannisch in ein anderes Alemannisch zu übertragen, so geschehen bei einer vorweihnachtlichen, nachdenklich stimmenden Geschichte vom "Pfiffedeckl" alias Philipp Brucker aus Lahr. Da zeigte sich die enorme Bandbreite der Mundart. ....
19.11.2004 in der BZ

  

 

 

Roswitha Dold und Erika Sonner in der Denzlinger Rocca

DENZLINGEN. "Berg un Tal kumme nid zemme, aber d' Litt, will's immer ebbs z' verzehle gitt." Wohl wahr. Zahlreiche Mundart-Liebhaber kamen in die Rocca, um alemannischer Erzähl- und Sangeskunst vom Feinsten zu lauschen. Auf der Bühne standen die Liedermacherin Roswitha Dold aus Eschbach und die Dichterin Erna Sonner, die in Oberbergen zu Hause ist.

Und weil die beiden Künstlerinnen das Sprichwort von Berg und Tal in persona verkörpern, haben sie ihren gemeinsamen Auftritt auch mit diesem Motto überschrieben: "Alemannisch g'sunge un g'chwätzt - oder: wenn Berg un' Tal zemme kumme." Es waren die detailgenauen und wortwitzigen Beobachtungen des Alltags, die das Publikum an den Liedern von Roswitha Dold fesselte. So erzählte sie augenzwinkernd von der nervenden Frage alter Leute, als sie noch ein "Schnullermaidli" war: "Wem g'hersch du?" Dass sie dann brav antwortete und während des Wortschwalls der alten Leuten zwischendurch immer mal wieder "Jesses nai!" und "ah so!" bemerkte,  wurde ihr dann zum Verhängnis: Sie kam zu spät zur Schule. Auch den Vorwurf: "Ja bisch du vun Berlin?" thematisierte sie. In puncto Landwirtschaft hätten die Städter nämlich zwei linke Hände und würden sich nur großmäulig wichtig tun. Und an den belustigten Äußerungen des Publikums war abzulesen, dass der Berlin-Spruch durchaus kein unbekannter war. Es war sowieso der hohe Identifikationswert der alemannischen Lieder, der die Zuhörer immer wieder staunen, lachen und angenehm erschauern ließ.
Wer kennt nicht selbst Originale aus der Verwandtschaft wie Roswitha Dolds "Oma Sophie"? Einen knappen Meter fünfzig, geballte Energie und auch ab und zu mit Haaren auf den Zähnen. Und wer sie bei ihrer geliebten Bergroman­Lektüre störte, verdiente sich Schimpf und Schande. Das Lied war ein Plädoyer für Toleranz: "Ä weng Oma Sophie isch in jedem vun uns drin, kumm gib nid so an, du hesch au schun mol ä bleedi Gwohnet g'han!"

Erna Sonner, die Dichterin aus Oberbergen, erzählte in schöner Ergänzung zu Dold in ihren Gedichten und Texten kleine und feine Geschichten aus ihrem Leben. So erinnerte sie sich daran, dass in ihrer Familie nie viel politisiert wurde. Wenn der Vater befahl: "Heim ins Reich!", dann hieß das lediglich: "Ab ins Neschd!" Auch der Großvater stand der Politik skeptisch gegenüber. Wenn er sich dazu äußerte, dann meistens nur mit den Worten: "Auf der Welt ist alles Schwindel, wer das nicht glaubt, der ist ein Simpel!" Aber Erna Sonner ist durchaus politisch in ihren Gedichten. Über den jüdischen Friedhof in Eichstetten, wo sie aufgewachsen ist, las sie vor: " . . . främdi Böächschdabe un Näme wu d'r nur vum verzelle kännsch. 1940 un dänno? . . .". . Und fühlte man sich als Zuhörer auch mal unangenehm ertappt, konnte man ja immer noch sagen: "Kumm gib nid so an, du hesch au schun mol ä bleedi Gwohnet ghan!"
Ulrike Derndinger am 18.11.2004 in der BZ

  

 

 

Alemannische Gschichtle mit Ulrike Derndinger und Wolfgang Miessmer

SEELBACH (wm). Das war so recht ein Abend für das alemannische Gemüt. Dafür sorgten Ulrike Derndinger, die beim Gerhard-Jung-Wettbewerb für junge Mundart im vergangenen Jahr den zweiten Platz belegte, und Wolfgang Miessmer, der als Mundartbarde den musikalischen Teil übernahm.
Ulrike Derndinger, Jahrgang 1977, in Kürzell aufgewachsen, hat zum Glück bei ihrem Studium an der Uni Freiburg ihren schönen Ried-Dialekt nicht verloren. Wenn sie nicht schreibt, schafft die studierte Theologin momentan in einem Bioladen. Ziel ist aber, sich journalistisch zu betätigen. Die Gedichte und "Gschichtle", die sie mit einem Augenzwinkern zum Besten gab, behandeln Themen vom elterlichen Bauernhof, Beobachtungen bei dörflichen Beerdigungen, die sie in ihrer Zeit als Ministrantin machen konnte, den letztendlich gelungenen Versuch, von einer bejahrten Dame bei den täglichen morgendlichen Begegnungen nach einem Jahr endlich den erhofften Gegengruß zu bekommen, den letzten Urlaubstag, der ihr schon von Urlaubsbeginn zu schaffen mache. "Der Bierhimmel uff Erde" beginnt bei den uns geläufigen Namen der heimischen Wirtschaften, die "Kreuz", "Adler" oder "Löwen" heißen und als wichtiger Gegenpart zur geistlichen Erbauung neben der Kirche angesiedelt sind.

Auch die Bemerkungen zum Generationenvertrag, bei dem die wortgewaltigere Tochter ihrem Vater bei Verkaufsgesprächen am Telefon unter die Arme greift, während die Mutter dafür sorgt, dass die Kühltheke immer gut gefüllt und genug Essen auf den Tisch kommt, zeigen, dass die Familienwelt durchweg auch ihre heiteren Seiten hat. Gut gefallen haben auch die Aufzeichnungen über die "Zwelf Briäder", womit die Monatsnamen gemeint sind, die im Laufe des Jahres Schönes und Wunderbares, aber auch "Schissdreck" und Vermaledeites bereithalten.
Zu der Lyrik von Ulrike Derndinger passten wunderbar die Lieder, die Wolfgang Miessmer mit der Handorgel präsentierte. Viele der Lieder hat Miessmer im Volksliederarchiv in Freiburg aufgestöbert. Mit einem gemeinsam gesungenen Lied endete der alemannische Abend im Bürgertreff.
wm am 18.11.2004 in der BZ

  

 

Fast 80 und kein bißchen Mundartmüde - Rosemarie Banholzer

Rosemarie Banholzer in der "Adler-Post"

Foto: Siegfried Scharf

Rosemarie Banholzer, die Mundartdichterin vom Bodensee, hat im Hochschwarzwald einen festen Stamm von Freunden, darunter auch Jugendliche. Das zeigte sich am Samstag, als sie in der "Adler-Post" in Titisee-neustadt mit ihrer 20. Mundartlesung aufwartete.

Eingeladen hatte der Mundartkreis Hochschwarzwald der Muettersprochgesellschaft unter Vorsitz von Werner Schnettelker aus Lenzkirch, der die Hoffnung aussprach, dass durch die Wiederaufführung des Freilichtspiels "Kolumban Kayser" in Lenzkirch die Mundart wieder mehr gepflegt werden kann. Der Mundartkreis unterstütze diese Bemühungen. Stationen von Rosemarie Banholzer waren bisher Neustadt, Eisenbach, Schollach, Lenzkirch, Kappel und Hubertshofen. Verständlich, wenn sie bei der 20. Lesung von ihrer Verbundenheit zum Schwarzwald sprach. Gerne erinnerte sie an ihre Neustädter Mutter Berta Winterhalder und zeigte, dass diese in der zweiten Klasse am 21. Juni 1911 in der Schule als Buchpreis einen Band von "Wilhelms Hauffs Märchen" erhalten hat. In den Ferien weilte sie immer wieder bei den Großeltern, besuchte ihre Tante, die "Strußmarie", und bewunderte die Uhrenfabrikation von Großvater Johann Winterhalder. "Leider habe ich keine der Uhren geerbt, weil ich noch nicht volljährig war", gestand sie, "dennoch habe ich zwei Winterhalder-Uhren gekauft, die mich in Konstanz an den Schwarzwald erinnern". Und das unterstrich sie mit dem Gedicht "I han e Schwarzwälder Uhr." Weitere Schwarzwald-Erinnerungen lebten durch eine Reihe von Gedichten auf, darunter das Mundartgedicht "Schwarzwälderle bliebe" ("Mir Leit vu heit", Rosgarten Verlag), in dem es heißt: "Als Seehas mit're Schwarzwälder Mamme und Großeltere us Neustadt im Schnee, hängt mi's Herz a de tiefgrüene Danne vum Schwarzwald, je älter, je meh".

Viele Gedichte und Geschichten hörte man an diesem Nachmittag. Solche, die der Jahreszeit entsprachen und solche, die noch nicht veröffentlicht sind. Auf Wunsch trug sie in Anwesenheit von Lehrern den "Lehrer Lämpel" aus dem Buch "Max und Moritz" vor, das sie in seealemannischer Mundart herausgebracht hat. Reicher Beifall ermutigte sie, mit Zugaben und mit dem Eingeständnis aufzuwarten, dass sie am 10. Februar 2005 das 80. Lebensjahr vollenden kann. An diesem Tag kann sie auf ein reiches Schaffen zurückblicken, das von 14 Büchern und 2500 Gedichten und Geschichten geprägt ist. Siegfried Scharf am 26.10.2004 in der BZ

  

 

 

Marie Luise Kaschnitz - Wurzeln in Bollschweil

Anlässlich des 30. Todestages von Marie Luise Kaschnitz hatten Agenda-Engagierte und die VHS Südlicher Breisgau in Bollschweil eine Gedenkfeier veranstaltet

Am 10. Oktober 1974 war die Dichterin im Alter von 73 Jahren in Rom gestorben. Bollschweil war der Geburtsort ihres Vaters, des General Max von Holzing-Berstett. Dort, im Schloss der von Holzing-Berstett, lebt heute ihr Neffe Adrian mit seiner Familie. Und nicht weit weg davon, im Dörfchen Au, wohnt Michael Marschall von Bieberstein, der Sohn ihrer ältesten Schwester. Gemeinsam mit rund 80 Bollschweilern gedachten sie dem Todestag der Dichterin. Dazu gekommen war auch die Nichte Brigitte von Holzing, Schauspielerin in München und Halbschwester des Adrian. Sie und Marschall von Bieberstein lasen aus dem Werk ihrer Tante. Das tat auch Hubertus Gertzen, Schauspieler und Sprecher von Hörfunkrollen. Und begleitet von Olga Zedjaeva am Klavier, trug seine Frau Gudula Gertzen einige Gedichte der Marie Luise Kaschnitz als Lieder vor, die Hermann Reutter vertont hatte. Karlsruhe, Marie Luise Kaschnitz' Geburtsort, war vertreten durch den Literaturwissenschaftler Johannes Werner, Herausgeber des 54. Heftes in der Schriftenreihe "Spuren" des Deutschen Literaturarchivs in Marbach mit dem Titel "Marie Luise Kaschnitz in Karlsruhe".

Marie Luise Kaschnitz zählt zu denen, die Spuren hinterlassen haben, in Bollschweil, in Karlsruhe, an vielen Orten in Europa und ganz besonders in Rom, wo sie sieben Jahre lang gelebt hatte. Und sie gehört zu denen, deren Spuren immer wieder nachgegangen werden, weil sie sich im kulturellen Gedächtnis der Nation eingeprägt haben. Marie Luise Kaschnitz hat ein umfangreiches Werk von Lyrik, Erzählungen, Romanen, Essays und Hörspielen hinterlassen. Ein kleiner Ausschnitt davon, sorgsam ausgewählt, die Entwicklung der Dichterin offenbarend und in der Form variierend brachten die Interpreten am Sonntag zu Gehör. Da war "Der Mond", ein Gedicht aus den frühen Jahren, in seinem Versmaß, seiner Reimform, seinen Sprachbildern, seiner lautmalerischen Harmonie und seinem Inhalt ganz an der hergebrachten Dichtung orientiert. Später, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und erst recht nach dem Tod ihres Mannes Guido von Kaschnitz im Jahr 1958, sollte sie die überlieferten poetischen Formen aufbrechen, gänzlich und konsequent.

Im Mittelpunkt aber stehen durchweg die Grundfragen menschlicher Existenz nach Liebe, Tod und Vergänglichkeit. Wie kann es auch anders sein? Marie Luise Kaschnitz war Zeitzeugin der Schrecknisse des vergangenen Jahrhunderts mit seinen beiden Weltkriegen und hat schwere Schicksalsschläge erlebt. Wie ein Zwiegespräch mit ihrem verstorbenen Mann wirkten denn auch die Verse aus "Dein Schweigen - meine Stimme". Marie Luise Kaschnitz hat ihre Worte aus einer tiefgründigen und weitläufigen inneren Welt geholt, hat ihre jeweilige Umgebung und Erlebnisse intensiv wahrgenommen und diese Wahrnehmungen verbunden mit ihrem Gefühl, ihren Sehnsüchten und ihren humanistischen Überzeugungen und Prägungen in Poesie gegossen.

Den Bollschweilern hat sie mit ihrem Prosawerk "Beschreibung eines Dorfes", aus dem Marschall von Bieberstein vortrug, ein einzigartiges Vermächtnis hinterlassen. Von 1916 an hatte sie fünf Jahre lang dort gelebt, nach dem Tod ihres Mannes war sie immer wieder zu Besuch gekommen. In Bollschweil ist sie allgegenwärtig, die Grundschule des Ortes trägt ihren Namen und an der Familiengruft der Familie von Holzing erinnern die beiden Schlussverse "Wohl denen die gelebt ehe sie starben" aus ihrem Gedicht "Vater Feuerwerker" an sie. In der Möhlinhalle war das nicht zu hören, aber viele andere einprägsame Verse.
Am Ende war den Zuhörerinnen und Zuhörern anzusehen, dass sie sich beschenkt fühlten, beschenkt durch die Poesie an sich und durch die einfühlsame Interpretation der Künstler.
Silvia Faller am 15.10.2004

  

 

Bernhard Mößner aus Tutschfelden - Gedichte am Computer

Wenn Bernhard Mößner aus Tutschfelden Gedichte schreibt, dann unregelmäßig: Mal zwei in einer Woche, dann wieder einen Monat lang kein einziges. Das ist das Schöne an der Sache: Er muss ja nicht. Er darf. Und: Er kann - das ist schwarz auf weiß in seinem Buch "Der Rabe scheint oft wunderlich" nachzulesen. Das Werk, das im Februar erschienen ist, enthält auf 144 Seiten nicht nur Gedichte, sondern auch einige Glossen. 

"Ich will so schreiben, dass es auch die normalen Menschen gerne lesen" - Sätze wie dieser sind typisch für den 66 Jahre alten Tutschfelder. "Man sollte beim Lesen deutlich erkennen, was der Autor sagen will", sagt er im Gespräch mit der BZ. Seine Frau Christel, die daneben sitzt und bewirtet, ergänzt: "Wenn man ein Gedicht liest und irgendwann nochmal an den Anfang zurücklesen muss, dann stimmt was nicht". Wenn man es so sieht, macht Mößner alles richtig: Seine Gedichte sind klar und deutlich geschrieben, sie sind gut verständlich und - was nicht selbstverständlich, für Mößner aber sehr wichtig ist - sie reimen sich. Seine Sujets sind vielfältig, Mößner dichtet über "das Glück der Spinne" und "die letzte Reise einer Meise", er lässt sich über Ich-AGs ebenso aus wie über den Nikolaus, das Bleichtal oder über die Legende vom Tutschfelder "Grafen Eckwald". Mal tiefsinnig, mal schelmisch. Von Zeit zu Zeit sticht ihn dann der Hafer und er verfasst einen Text wie die "Huldigung an eine schöne Nase": "Gäbe es in deutschen Landen / Doch die deutsche Nasennorm (DeNN) / Sie erzielte hundert Punkte / Nach der Nase und der Form!" "Man muss sich eine gewisse Kindlichkeit bewahrt haben, wenn man schreibt", sagt Bernhard Mößner. Er lacht leise. Und dann erzählt er, wie er zum Schreiben gekommen ist.

Schreiben war schon immer eine Leidenschaft von ihm. In der Grundschule überzeugten seine guten Aufsätze, man wollte ihn aufs Gymnasium schicken. Doch dort gingen damals nur die Kinder von Lehrern und Ärzten hin, Mößner besuchte die Volksschule, machte eine Ausbildung und arbeitete 45 Jahre lang als Metallfacharbeiter. Das Schreiben vernachlässigte er dabei nicht: Er war für die Badische Zeitung als Lokalreporter in Tutschfelden unterwegs und berichtete für die Betriebszeitung auch mal kritisch über die Chefetage, er verfasste Theaterstücke und "private" Gedichte, die zum Beispiel auf Geburtstagsfeiern von Freunden und Bekannten für Heiterkeit sorgten. Die Jahre gingen dahin, Mößner in Rente. Er hatte Zeit - und entdeckte das Internet für sich.

"Eine tolle Sache", meint er, "ob jemand in Tutschfelden ist oder in Hamburg, das macht keinen Unterschied." Er belegte Kurse und machte sich mit den unendlichen Weiten des World Wide Web vertraut. Das Internet war es schließlich auch, wo er seine Gedichte zum ersten Mal gezielt einer größeren Öffentlichkeit vorstellte. Die Literaturforen leselupe.de und lyrikwelt.de wurden zu einer virtuellen Heimat für ihn, dort präsentierte er seine Gedichte - und erntete viele positive Bewertungen. Dass er sich dann irgendwann entschloss, einige seiner Gedichte im Selbstverlag (Auflage: 500) als Buch zu veröffentlichen, hängt auch mit seiner Parkinson-Erkrankung zusammen, wie er im Vorwort schreibt: "Ich weiß nicht, wie lange mir meine Krankheit noch Zeit lässt, weiter zu schreiben".

Parkinson zwingt ihn dazu, mit einer alten Lyriker-Tradition zu brechen: Er schreibt seine Gedichte nicht bei Kerzenschein mit dem Füller, sondern am Computer. Mößner rächte sich mit seiner schärfsten Waffe - mit einem Gedicht. Das heißt: "An Herrn Parkinson", und es beginnt so:
"Manch üblen Zeitgenossen lernt /
der Mensch im Leben kennen;
als ganz besonders übel wär'
Herr Parkinson zu nennen."

Muss Dichtung Spaß sein, Herr Mößner? "Absolut", antwortet er, "das Leben ist schon schwer genug, da sollte man auch was zum Lachen haben." Das hat man dann auch, auf 144 durch Scherenschnitte und Zeichnungen aufgelockerten Seiten, in Buchhandlungen von Emmendingen bis Lahr erhältlich. Eine Auswahl seiner Texte hat Mößner auch auf seiner Homepage www.humor-und-poesie.de  veröffentlicht.
Patrik Müller am 17.4.2004 auf www.bzol.de

  

 

 

 

Wiltrud Pfunder liest aus "Bis an s'End vum Regeboge"

Wiltrud Pfunder ist Alemannin aus Überzeugung. Zwar lernte sie als Kind auch Hochdeutsch, aber: "Meine Seele denkt alemannisch". Und da sie in ihren Gedichten "das loswird, was sie empfindet", sind diese natürlich in ihrer Muttersprache verfasst. Am 2.4.2004 um 19 Uhr liest die Dichterin im Rahmen der Ehrenkirchener Woche aus ihrem zweiten Gedichtband "Bis an s'End vum Regeboge" in der Berggaststätte Kohlerhof.

Die Liebe zur Sprache und zur Kunst sind Wiltrud Pfunder aus dem Elternhaus mitgegeben worden. Ihr Großvater, den sie über alles liebte, las ihr bereits aus Goethes Faust vor, als sie gerade mal drei Jahre alt war. "Das verstehst du noch nicht", sagte er dann, "aber hör dir die Worte an, die sind wie Musik."
Die gebürtige Freiburgerin schrieb und dichtete schon als Kind gerne und brachte in Aufsätzen stets gute Noten mit nach Hause. Als sie dann später intensiver anfing zu schreiben, nahm die heute 67-Jährige sich als Vorbild zunächst keinen geringeren als Johann Wolfgang von Goethe: "Doch dann habe ich gemerkt, dass das Blödsinn ist. Goethe gab es doch schon einmal, da braucht man keinen zweiten."
Also fing sie an, in ihrer Sprache zu schreiben. "Das Alemannische ist eine einfache Sprache, aber sie ist nicht flach oder niedrig, sondern voller Wärme," sagt sie. Die Wärme, das Menschliche und das Schöne, das sind Dinge, die die gelernte Kunstgewerblerin jeden Tag aufs Neue inspirieren. Zum einen ist da die Landschaft, deren Schönheit sie auch nach einem ganzen Leben in der Region immer noch fasziniert, und die sie manchmal um sechs Uhr morgens hinaus in den Wald oder in die Reben treibt. Zum anderen sind da die Menschen um sie herum, die sie liebt, wie zum Beispiel ihre beiden Enkel, die inzwischen selbst mit dem Dichten anfangen und deren fröhlicher "Kindermund" sie immer wieder mit Material für ihre Werke versorgt hat. An sie versucht Wiltrud Pfunder das weiterzugeben, was ihr Großvater ihr beigebracht hat: das "Schauen mit dem Herzen" (siehe Gedicht unten rechts). Heimat ist für Wiltrud Pfunder dort, wo man "tief verwurzelt ist". Und thematisch beschäftigt sie sich mit "allem, was zum Leben dazugehört" - und das sind auch Probleme und Ängste.
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Ganzen Text von Anna Behrend vom 2.4.2004 bitte auf www.bzol.de lesen

  

 

Erika Buhr-Diewald, Mundartdichterin aus Todtmoos-Höfle

Die Mundartdichterin von Todtmoos-Höfle hatte schon als Kind schauspielerisches Talent / Aus dem Stand zitiert Erika Buhr Hölderlin-Gedichte

Winterzeit ist Theaterzeit. Für Stoff sorgt Erika Buhr. Sie ist eine der bekanntesten Mundartdichterinnen der Region. Ihr Theaterstück in drei Akten mit dem Titel "Sternkinder" war in den vergangen Wochen in einigen Hotzenwald-Gemeinden zu sehen. Die Zuschauer waren jedes Mal begeistert. Zum Inhalt des Stücks: Sternkinder beobachten vom Mond aus die Erde. Die Kinder sind neugierig, erleben die Wunder der Erde und sind verzückt. Das Thema ist Erika Buhr wie auf den Leib geschrieben. Die Schönheit und Einmaligkeit der Natur mit ihren Bächen und Wäldern und den Bergen sind Teile ihres eigenen Wesens. Es ist ihr ein inneres Anliegen all das, was sie in den Wundern der Natur empfindet ,sprachlich umzusetzen". Sie ist seit vielen Jahren Mitglied der "Muttersproechler" im Raum Hochrhein.

In Todtmoos-Höfle in unmittelbarer Nähe des schwarzen Waldes ist sie als geborene Diewald in einem jahrhundertealten Schwarzwaldhaus aufgewachsen. Der unmittelbar am Haus vorbeifließende Rüttebach drang in seinem Rauschen in ihre empfindsame Kinderseele. Die Natur prägte ihr Wesen und die Liebe zur Sprache zeigte sich schon in jungen Jahren. Schon in der Schule in Hinter-Todtmoos schrieb sie die besten Aufsätze und hatte ihre Freude an Gedichten. Wer sich mit der heute 71-Jährigen unterhält, ist erstaunt, wie zum rechten Zeitpunkt aus dem Stegreif Hölderlin Gedichte zitiert werden. Als damals an der Hinter-Todtmooser Schule Märchen im dichtbesetzten Schulsaal gespielt wurden, bewies Erika Buhr-Diewald eine erstaunliche schauspielerische Fähigkeit. Und auch als sie nach ihrer Schulzeit das Kindergarten-Seminar in Freiburg besuchte, fiel die junge Todtmooserin durch ihr schauspielerisches Können auf. In Freiburg spielte die Theatergruppe die Minna von Barnhelm von Gotthold Ephraim Lessing. Wem wurde die Rolle der Minna übertragen: Der jungen Schwarzwälderin aus Todtmoos.

Die Leiterin der Theatergruppe in Freiburg schlug ihr sogar vor die Schauspielschule zu besuchen. Das wollte sie aber doch nicht. Die Liebe zu ihrer Schwarzwaldheimat ließ dies nicht zu. So wurde sie Kindergärtnerin in Todtmoos. Es zog die bildungshungrige junge Frau aber doch in die weite Welt. Drei Jahre lebte sie als Privaterzieherin bei eine italienischen Familie, erlebte sie die Kunststadt Rom in ihrer einmaligen Schönheit. Ihre Tochter Corinna hat ihre schauspielerischen Fähigkeiten von der Mutter geerbt. Sie hat auch bei den "Sternkindern" Regie geführt und in der Region bei verschiedenen Theatergruppen durch ihr schauspielerisches Können begeistert.

In einem sehr schön gestalteten alemannischen Gedichtband - ihr Mann ist Buchdruckermeister - hat sie unter dem Titel "Wa i am Weg noch gfunde ha" eine Sammlung ihrer Gedichte herausgegeben, die durch die feinsinnige Sprache, ihre originelle Betrachtung der Natur, Blume und Tier, eine literarische Köstlichkeit sein dürfte. An vielen Orten hat sie aus diesem Gedichtband schon gelesen und die Schönheit in der ihr lieben alemannischen Sprache und ihre Hintergründigkeit schon vermittelt.
BZ vom 2.3.2004

  

 

No hüt wirsch mit mir im Höllefüür sii!" - von Hajo R. Loch

No hüt wirsch mit mir im Höllefüür sii!" Was Zugereisten angesichts dieses für sie zungenbrecherischen Buchtitels möglicherweise etwas fremdländisch deucht, ist nichts anderes als der Versuch eines pensionierten Freiburger Lehrers, den nicht erst seit Goethe berühmten Faust in ein alemannisches Sprachgewand zu kleiden. Worauf auch der Untertitel hinweist, den Hajo R. Loch seinem "Grausspiel" gegeben hat: "Dr letschte Dag vom Johann Georg Faust".

Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der heute 64-Jährige mit den unzähligen Sagen und Legenden um den Tod dieses im württembergischen Knittlingen geborenen Mannes, der einen Pakt mit dem Teufel schloss. "Und es war schon immer ein Wunsch von mir, ein ganz eigenes Schauspiel zu schreiben", erzählt Loch. Also keine "Übersetzung" jenes Faust, den Johann Wolfgang von Goethe zu Weltruhm schrieb. Und schon gar nicht sollte das Stück wie beim Geheimrat in eine Erlösungsgeschichte münden, "sondern der Faust muss in Staufen kaputt gehen". Mithin lässt der promovierte Philosoph seinen Dreiakter auf dem Schönberg bei Sonnenaufgang beginnen und um Mitternacht in Staufen vor dem Gasthaus "Löwen" enden, wo die legendäre Gestalt - vergeblich um Hilfe schreiend - vom Teufel (den dieser Faust nur "dr Ander" nennt) geholt wird.

Im Jahre 1990 hat der gebürtige Lörracher angefangen sich seinen Wunsch zu erfüllen. 1550 Verse sind am Ende dabei herausgekommen. Nicht irgendwelche Verse, sondern geschrieben "in echtem Alemannisch", darauf legt er, der vierzig Jahre lang am Wenzinger-Gymnasium Deutsch unterrichtete, Wert. Es ist die Mundart des Wiesentals, wie sie auch der große Dichter Johann Peter Hebel einst sprach: kantig, kernig, bilderreich und klangvoll. "Sappermoscht! Bisch du bi Troscht?", herrscht zum Beispiel Mephistopheles den Faust an. "Du wärsch nit uusecho, du hättsch dr 's Gnick verrenkt, glaubsch denn im Ernscht, du kriegsch vom Teufel öbbis g'schenkt?"

Nicht minder expressiv sind auch die den Text begleitenden Grafiken von Lochs Jugendfreund Rainer Gdanietz aus Lörrach (dort und in Basel auch unter seinem Künstlernamen Albert Klaschek bekannt). Das expressionistisch-alemannische Zusammenspiel überzeugte jedenfalls nicht nur Benedikt Oberkirch von der Freiburger Gutenberg-Druckerei, sondern auch Klaus Poppen. Der Präsi der Muettersproch-Gesellschaft sicherte sich für deren Mitglieder gleich tausend Exemplare als Weihnachtsgabe. Denn so alemannisch kam der Faust noch nie daher, wenn er dem angebeteten Gretle erklärt: "Hätt ich mi nur nit so in di vergafft, i weiß bal nümmi, was mi no meh schafft, dii Starrsinn oder mii Verrucktheit, mii Liebeswahnsinn oder dii Verdrucktheit."

gmk , BZ vom 19.12.2003, ganzen Text bitte auf www.bzol.de lesen

Das Buch "No hüt wirsch mit mir im Höllefüür sii!" von Hajo R. Loch wurde von der Gutenberg-Druckerei in 750 Exemplaren für den freien Verkauf hergestellt und ist in Freiburger Buchhandlungen für acht Euro zu bekommen

  
 

Winteräpfel - von Heidi Knoblich

Nur der Schnee und die Ewigkeit und vielleicht das Sterben.
Heidi Knoblich stellte ihr Buch "Winteräpfel" vor. Stefan Pflaum war dabei. Hier seine Eindrücke 

„Winteräpfel“ heißt das neue Buch von Heidi Knoblich. Die Autorin hat ein Schwarzwaldbuch geschrieben. Der Untertitel: „Aus dem Leben der Feldbergmutter Fanny Mayer“. Diese hat den Feldberger Hof in ihrer Zeit zum „Nabel der Welt“ gemacht. Für eitle und nichteitle Gäste aus aller Welt. Aber bis da, von Stierenaugen (Spiegeleier)  bis zum Schwarzwälder Schneeballen mit Karamellsoße, war es ein unendlich beschwerlicher und schwerer Weg. Zwischen Prolog, Epilog, Worterklärungen und Zeitspiegel - die Geschichte hat einen authentischen Hintergrund - entfaltet die Autorin das Leben der Fanny auf 190 Seiten.

Beginn der erzählten Zeit ist der 25. Februar 1881. Fanny ist knapp 30 Jahre alt. Und die erzählte Zeit endet 22 Jahre später. Nur der französische Koch Truffaut aus Paris und der Italiener Alfredo sind erfunden, alle anderen auftretenden Personen haben in der „Fannyzeit“ gelebt. Fannys Bruder Carl, der den Feldberger Hof führte, wohin sie  aufgebrochen war, um zu helfen, weil Carls Frau, Verone, im Kindbettfieber lag, war seinen Aufgaben auf Grund eines kriegsbedingten Lungenleidens kaum gewachsen. Er bleibt als handelnde Figur in der Erzählung ganz im Hintergrund, bestimmt aber gerade deshalb das Leben von Fanny. Nach zwei Schlüsselgesprächen mit ihrem Bruder ringt sie sich nämlich dazu durch, den Feldberger Hof als ihr Schicksal anzunehmen. Und obwohl sie widerstrebend meint, ‚eine Frau könne sich ... einmotten, begraben, beerdigen lassen hier oben’, stellt sie sich dieser Herausforderung. Seite sechzig ist der Wendepunkt. Als der Bruder droht, er wolle gehen, beschließt sie zu bleiben. Denn sie hat den stärksten Willen von allen. „Ich mach weiter“, trotzt sie. „Man kann alles, wenn man will, zieh Rösli, zieh schon, zieh!“ befiehlt sie der tüchtigen, gutherzigen Rosa Bauer aus Bernau, als sie zusammen einer Kuh beim Kalben helfen müssen. Hatte sie nicht schon zu Beginn der Geschichte den Waldhüter in Menzenschwand allein durch ihren entschlossenen Blick dazu gebracht, sie im Schneesturm ans Sterbebett ihrer Schwägerin zu schleppen?  Und Fanny muss - und will - das mutterlose Kind von Carl, Oskar, beschützen und sie möchte ja schließlich ‚Paris auf den Feldberg holen’ Diesen Floh hatte ihr Truffaut in den Kopf gesetzt. An ihm, dem Mann von Welt aus Frankreich, den es als Jagdgast der Fürsten von Fürstenberg in den „sibirischen“ Osten verschlagen hat, kristallisiert sich Fannys Biographie, an ihn heftet sich ihre Sehnsucht. Eine Sehnsucht, die unerfüllt bleiben wird bis ins Grab.

Erst durch die Einführung der Figur des Truffaut kann die Autorin das Leben der „Feldbergmutter“ überhaupt ins Leben setzen. Das Zusammensein mit ihm, das Hoffen auf seine Rückkehr und die Erinnerung an ihn sind die Scharniere für die Türen, die sich dem Leser zu Fannys Leben öffnen. Deshalb die vielen Rückblenden und Vorausdeutungen im Text, das Heraustreten aus der Zeitachse des Erzählflusses. Hier entscheidet sich die Handlung und hier erhält der Leser Einblick in die inneren Vorgänge. „Die ganze Nacht hat sie Carl husten gehört.“ „Sie hat in Basel noch Geld auf der Bank“. „Es gibt keine glückliche Liebe.“ „Ma déchirure, meine Herzzerreißerin“. Der Waldhüter gibt ihr seinen Rosenkranz‚ ehe sie sich nach Freiburg, in die Klinik Dr. Hegars, zu einer schweren Operation begibt. 

Fannys Leben: Das ist Kampf ums Leben, Kampf gegen Neid, Verzagtheit, Begehrlichkeiten und Schuldgefühle, gegen den Berg, gegen Schnee, Kälte, Wind, Nacht und Stille. Ist Verantwortung, Pflicht, Bangen, Entsagung. Da hat es die Liebe schwer. Und doch ist „Winteräpfel“ eine Liebesgeschichte, eine deutsch - französische. Eine badisch - französische: Denglegeist, Brägele, Hofsgrunder Chäsformen, Zego und Rilettes, tarte, Chinon - Wein, Apfel - Crème.

Die Menzenschwander Marie, der herzensgute Waldhüter Valentin Maier, dann der Knecht, Rösli und Fannys Vater sind die Menschen, die ihr nahe stehen. Dazu gesellen sich die aufgeblasene Madame Brosi aus „Hintermenzenschwänz“, die geschwätzig, selbstgerecht und naseweis eine Gegenfigur zu Fanny darstellt und Otto Hüglin aus St. Blasien, der mit seinem geschäftigen Expansionsdrang die Existenz des Feldberger Hofes jahrelang in Frage stellt, die „Weiberwirtschaft“ dort oben zu beenden gedenkt. Die Erinnerung an Basel, für Fanny der geistige „Vorort von Paris“, wo sie lange bei der Familie der „Großmamme“ in Stellung war und an den allein lebenden Vater - die Mutter ist schon gestorben und auch Fannys Verlobter Friedrich -  ist in der Erinnerung Rückhalt, wenn sie auf dem Feldberg droht, verrückt zu werden, so wie schon die abergläubische Marie, die den toten Seelen opfert. „Die Liebe und der Berg, sie machen aus Menschen Verrückte“. Auch wenn Truffaut beim Anblick des Nachthimmels dort schwärmt, er sei noch nie so nahe am Himmel gewesen, bleibt für Fanny: „Es ist ein elendes Sterben hier oben“. Dieser Berg, eine personifizierte Urgewalt, bestimmt den Fortgang der Handlung in der Erzählung mindestens ebenso wie die Protagonistin selbst. Dieser „unberechenbare, armselige Berg“. Seine Schneemassen verschlingen Menschen und diese müssen ihm jeden einzelnen Tag ihres Lebens abtrotzen.

Ein unbarmherziger Gegenspieler war der Feldberg auch dem Truffaut, der am Allerheiligennachmittag „abgekämpft“ an die Tür des Feldberger Hofes klopft, mit den Worten: „Habt Nachsehen mit einem wie mir, Madame!“ Er wird diese Worte genau 100 Seiten später wiederholen, wenn er nach langer Abwesenheit im Sommer zu Fanny zurückkehrt und mit ihr im Feldsee nackt (!) baden will. Ein empörendes Ansinnen für Fanny, die ihn bis dahin noch nicht einmal geküsst hatte und ihn auch nie küssen wird. Nur weil „Küsse wie Schlangenbisse“ sind? Aber nachdem er „durch einen wildgewordenen Gaul ums Leben“ gekommen ist, schwört sie sich, „sollte sie ihm je auf der anderen Seite des Lebens begegnen, wird sie alles nachholen, in alle Ewigkeit nur noch küssen“. Bis es jedoch so weit ist, gibt es noch schier unendlich viel zu tun für sie.

Aber Fanny, die Seele des Hotels, reüssiert! Derart, dass sie eines Tages sogar den Großherzog aus Karlsruhe mit seiner Gemahlin zu Gast hat. Sie wird ihn vor lauter Aufregung in Hausschuhen empfangen. Das ist eine der Stellen, wo Heidi Knoblich die Last des Daseins für Momente aufhebt und das Leben über sich selbst schmunzeln lässt. Sie tut das auch in der Anekdote mit der Ankenmarie und dem Ankensalomon und ebenso, wenn sie dem Raimartibauer das Geheimnis seiner Lederschürze entlockt.

Truffaut, der „geniale“ Pariser Koch, sinnlich und verführerisch, mit französischer Lebensart (hat Truffaut nicht mit Trüffel zu tun? ), der Fanny immer wieder darin bestärkt, Mut zu fassen und nach vorne zu sehen und später der Franzose Dr. Pinard, der den Schneeschuh, damit den Skisport in den Schwarzwald bringt und sich über alle Bedenken der Schwarzwälder hinwegsetzt, kommen aus dem Westen, Alfredo aus Italien, und sie alle sind dem Leben zugewandt, nehmen in ihrer Unbekümmertheit dem Feldberg seine mythische Schwere. Fanny scheint diese mediterrane Lebensart zu genießen, ja, ihre Nähe zu brauchen wie die Luft zum Atmen. Es wird ihr dennoch nie gelingen, sich selbst zu entfliehen. Wem schon?

Ein Hauptmotiv klammert die Geschehensstränge des Romans zusammen: der Apfel, die Versuchung. Als Truffaut ihr zum ersten Mal einen Apfelschnitz anbietet, denkt sie sofort: „Schlangenbisse“. Truffaut wird solange bleiben, das ahnt sie, solange er ihr nicht die versprochene Apfeltarte gebacken hat. Und sie hofft, dass er dieses Versprechen nie halten wird. Beim Durchschneiden eines Apfels fällt ihr auf, „dass das Kerngehäuse aussieht wie ein Herz. Die Kerne fallen heraus wie Tränen.“ Sechzehnmal kehrt dieses Apfelmotiv wieder. Auch als Truffaut schon tot ist. „Äpfel und Wehmut“ haben für Fanny „denselben Geschmack“. Und Winteräpfel „reifen sehr spät“, sagt Truffaut mit seiner dunklen Stimme, in der die ganze Welt mitklang’, „der Frost schadet ihnen nicht. Man behauptet sogar, dass sie, wenn sie gefrieren, noch schmackhafter werden“. Winteräpfel eben.

In den Text hineingewebt sind neun Hebelzitate. Hebels Gedichte und Kalendergeschichten haben auch die lebende Fanny lange Zeit „begleitet“. Alle Figuren im Roman sind auf Fanny fokusiert. Es gibt keine Nebenhandlungen. Höchstens bruchstückhaft in Rückblenden. Erzähltempus ist das Präsens (beziehungsweise das Perfekt). Nur in Rückgriffen werden Vergangenheitstempora benutzt. Das historische Präsens zieht den Leser das ganze Buch hindurch tief in das Geschehen, in die Seelenlage der Figuren hinein, was eine starke Identifikation besonders mit Fanny ermöglicht. Polarisierungen sind Stadt - Land, Zivilisation - Natur, Geburt - Tod, Krankheit - Gesundheit, Verzagtheit - Entschlossenheit, Draußen und Drinnen.

Szenische Dialoge in direkter Rede und Passagen mit indirekte Rede halten sich die Waage. Oft meint man die Sprache eines Drehbuches vor sich zu haben. Kurze Sätze. Kaum episch ausladende Beschreibungen. Man merkt, dass dem Buch eine Theaterstückfassung voraus ging. Gedrängte Diktion. Der Leser fiebert die ganze Lektüre über mit, ob es Fanny gelingt, den Bedrohungen des Lebens standzuhalten, und ob ihre Liebessehnsucht in Erfüllung geht. Heidi Knoblich hat uns mitgenommen in einen noch gar nicht so lange vergangenen Schwarzwald, wo die Seelen der Menschen und die Seele der Natur noch nicht so weit auseinander waren wie heute, aber die Moderne mit Eisenbahn, Flugzeug, Tourismus und Skisport schon einbricht in die tiefsten Täler und auf die höchsten Gipfel. Und das wird kein Ende haben.  Fanny steht in dieser Zeitenwende ihre Frau. Innerlich zerrissen und dennoch entschlossen.
‚Fanny’, ein starkes Buch und Fanny eine feldbergstarke Frau, der ganz offensichtlich die Liebe der Autorin gehört (einer verwandten Seele?) - und ebenso alle Sympathie der Leser. Bloß: Hätte sie ihren Truffaut doch wenigstens einmal geküsst, „ein einziges Mal nur“!    

Stefan Pflaum, Dreisamtäler vom 27.11.2003, www.dreisamtaeler.de
 

  


Martin Gülich liest in Neustadt aus dem Roman "Bellinzona, Nacht"


      
TITISEE-NEUSTADT. Das Phänomen "Wenn in Neustadt etwas los ist, geht keiner hin" bringt so manch engagierten Veranstalter zur Verzweiflung. Dennoch lautet das Fazit vom Freitagabend mit dem Autor Martin Gülich in der Buchhandlung im Roten Haus: "Nicht die Menge der Gäste macht's, sondern die Intensität, mit der ein Publikum an einer Lesung teilhat." Die Freude des Autors darüber, dass sich die Gäste durch seinen neuen Roman "Bellinzona, Nacht" ein klein bisschen zum Nachdenken haben inspirieren lassen, tut ihr Übriges. Den tristen Überlegungen, ob man jemals wieder einen Literaturabend anbieten solle, haben Gülich und sein Publikum den Wind aus den Segeln genommen. Böse Zungen, die behaupten, einzig die Anzahl der verkauften Bücher sei es, die einen Autoren glücklich mache, täuschen sich. "Das schönste Lob für mich ist es, wenn sich die Leser oder Zuhörer angesprochen fühlen", sagt Gülich im Gespräch mit der BZ. "Legen sie das nicht zu eng aus! Aber so ein ganz winziges bisschen möchte auch ich die Welt verändern." Jahrgang 1963, studierte er an der Fachhochschule in seiner Heimatstadt Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitete später als Planungs- und Softwareingenieur. Ein Techniker, ein Analytiker, der ein mitreißendes Buch schreibt? Dies sorgt für Verwunderung, überwiegt doch die althergebrachte Meinung, die Karriere eines Schriftstellers könne nur auf einer von humanistischer Bildung angehauchten Erde so recht gedeihen. Doch wird recht schnell klar, dass Gülich entweder den falschen Beruf erlernt hat oder eben eine Ausnahme ist. Ganz sicher jedenfalls weist er weg vom Schubladendenken. Mit seinem zweiten Buch "Bellinzona, Nacht" fesselt und verzaubert Gülich die Leser, berührt sie mit dem, was sie kennen: Alltag. Liebevoll beobachtet, fein säuberlich seziert und in knappe Worte gefasst, zeichnet der Autor die Schicksale seiner "Bellinzona, Nacht"-Protagonisten. Die Szenen laufen parallel, treffen aufeinander, verweben sich. Es ist die feinfühlige und direkte Beschreibung einer Lebenserfahrung, geprägt von Erinnerungen, Sorgen und Hoffnungen, die zu einer tiefen Angst verschmelzen. Einer Angst vor dem Tod. Gülich weckt Gefühle wie Unsicherheit, Traurigkeit und Schrecken nicht nur bei seinen "Phantasiefiguren". Auch die Zuhörer spüren und fühlen "die ganz normale Situation". Besonders dramatisch und eindringlich vermittelt Gülich die Situation eines Achtjährigen, dessen Mutter in der Klinik liegt. Die Erkenntnis, dass sie vom Vater misshandelt und betrogen wurde, nimmt ihm die Harmonie, die, so ein ganz menschlicher Wunsch, doch wenigstens fürs Kindsein vorgesehen und gesichert sein müsste. Allen Literaturkritikern, Leservermutungen und Vorankündigungen zum Trotz versichert Gülich nach seiner Lesung: "Ich bin kein Fan von Krimis!" Und die Frage nach der Motivation zum Schreiben und dem biographischem Anteil in "Bellinzona, Nacht" beantwortet Gülich zunächst allgemein und zurückhaltend: "Schreiben ist kein Heilmittel für mich. Und ein Schriftsteller bringt sich, denk' ich, immer in seinen eigenen Text ein, das geht gar nicht anders." Es dauert einige Fragen lang, bis Gülich sehr ernst und berührt - "mehr verrät als ich eigentlich wollte". Die Angst als zentrales Moment in seinem Roman habe einen sehr persönlichen Hintergrund. "Als sechsjähriger Junge war ich schwer krank. Mein Leben hing am seidenen Faden", verrät er. "Ich weiß nicht so recht was ich damals gedacht habe. So reflektiert wie ein Erwachsener konnte ich das alles als Kind nicht benennen." Seine wichtigste und fast einzige Kindheitserinnerung sei die Entlassung aus dem Krankenhaus. "Ich denke, das spricht für sich", überlegt Gülich. Sein Ziel, als Schriftsteller "ein ganz klein wenig die Welt zu verändern, Aufmerksamkeit und Gerechtigkeit der Menschen untereinander zu fördern" ist glaubhaft geworden.

Gabi Thiele
, Badische Zeitung vom Dienstag, 2. Juli 2002, www.bzol.de   

Martin Gülich, Tirolerweg 35, D-79111 Freiburg, 0761/4774772, 0761/289989
mguelich@t-online.de  
http://mguelich.bei.t-online.de/index.html

  
 

Denken ist erotisch - Philosophin Ingeborg Gleichauf aus Neustadt

Ingeborg Gleichauf

Die Philosophin Ingeborg Gleichauf: Erinnerungen an Neustadt und das Alltagsgeschäft
Ingeborg Gleichauf hat in Freiburg Germanistik und Philosophie studiert, ist Ehefrau, Mutter dreier Töchter und Autorin. Direkt nach dem Abitur 1972 hat Gleichauf ihre Heimat Neustadt verlassen. Ziemlich fluchtartig, erzählt die sympathische, zierliche Frau mit den hellwachen Augen. Heute ist sie eine bekannte Buchautorin, Anlass für die BZ, mit ihr ein Gespräch zu führen......
Dass aus der kleinen Ingeborg eine Frau werden könne, die ihre Berufung - nicht nur, aber auch - im Denken sieht, eine Frau, die gar über ihre berühmten "Kolleginnen" Christine de Pizan, Rahel Varnhagen, Karoline von Günderrode, Edith Stein, Hannah Arendt, Simone de Beauvoir und Simone Weil schreiben würde, das sei damals eine unmögliche Vorstellung gewesen. "Heute noch bin ich meinem Lehrer Wulf Schmidt dankbar, wirklich", sagt sie und schmunzelt. "Der hat unsere Klasse auf den Philosophie- und Politiktrip gebracht." Noch entscheidender für ihren Weg in Sachen Literatur und Philosophie war, erzählt Gleichauf, dass Schmidt die Eltern bat: "Lassen sie ihre Tochter doch lesen!"
Erst vor zwei Jahren wagte sie den Schritt, kehrte zurück und stellte ehemaligen Lehrern und Neustädtern im Klösterle ihr Buch vor. "Ich war wahnsinnig aufgeregt damals, habe darauf gewartet, auf die kritischen Kommentare der Lehrer."  ...
Und dann ist da noch die Sache mit dem Benehmen in der Arbeitswelt, die irritiert, die man anders gelernt und daher "nur generationstypisch" empfindet. "Meine Einstellung gegenüber Verlegern war immer positiv", erzählt Gleichauf. Doch habe sie begreifen müssen, dass gute Leistung - sprich gute Verkaufsbilanzen ihrer Bücher - nicht etwa freundliches Verhalten im Verlagsleben mit sich bringen. In diesem "eitlen Geschäft", so die Erfahrung der Philosophin, müsse man wohl etliche Leute unter der Rubrik "Profilneurose" abhaken. "Meine große Tochter hat es auf den Punkt gebracht", erzählt Gleichauf und lacht: "Ellenbogen sind angesagt." Und bezeichnend dafür, dass auch noch heutzutage die Lust am Denken scheinbar den Männern vorbehalten ist, sich an der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau nicht viel geändert hat, ist die Begegnung mit der Psychoanalytikerin Maria Wimmer. Nach einem Vortrag über Hannah Arendt habe Wimmer gefragt: "Wie kann man denn als ansehnliche Frau Philosophie machen?" Ingeborg Gleichauf lacht und erzählt: "Die hat gestaunt, als ich geantwortet habe: ,Aus erotischen Gründen!' Und ich finde das immer noch,
Denken ist erotisch, ja, sicher!" Gabi Thiele, BZ vom 9.5.2002, ganzer Artikel www.bzol.de

  
 

 

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