Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Infos zu Abschiebung und Einwanderungspolitik
im südlichen Hochschwarzwald und Breisgau
  

Home >Gesellschaft >Soziales >EineWelt >Abschiebung                                        Ihr Beitrag - Ihre Idee?

Blick vom Belchengipfel nach Süden bis zu den Alpen am 11.1.2006   mehr

 

Wir müssen etwas tun: Jana Dümmler von Aktion Bleiberecht

Die Freiburger Roma und drohende Abschiebungen, die “Festung Europa” und der Flüchtlingsalltag: Ein “Festival für Bleiberecht” informiert am Samstag über Flucht und Asyl - und soll Diskussionen anregen, hoffen die Organisatorinnen und Organisatoren vom Netzwerk “Aktion Bleiberecht” . Zusammen getan haben sie sich unter dem Motto “Jeden Tag verschwinden Menschen — wir wollen was dagegen tun” . Über die Pläne von “Aktion Bleiberecht” sprach Anja Bochtler mit Jana Dümmler (25), die neben ihrem Engagement Historische Anthropologie studiert.

BZ: Wann hatten Sie zum ersten Mal das Gefühl, dass mit der deutschen Asyl- und Bleiberechts-Politik etwas nicht stimmt?
Dümmler: Vor fünf Jahren habe ich angefangen, ehrenamtlich bei der Hausaufgabenhilfe in der Flüchtlingsunterkunft in der Hermann-Mitsch-Straße mitzuarbeiten. Seitdem habe ich mit Kindern zu tun, die hier geboren sind und ständig Angst vor Abschiebung haben. Sie fragen mich: Warum darf ich nicht hier bleiben wie andere Kinder? Als ich mich bei einem Forschungsprojekt des Instituts für Völkerkunde ausgiebiger mit der Lebenssituation von Flüchtlingskindern beschäftigt habe, hat sich mein Eindruck immer mehr verstärkt: Das ist ungerecht, wir müssen etwas dagegen tun.

BZ: Und was wollen Sie tun?
Dümmler: Wir wollen erreichen, dass Abschiebungen nicht mehr versteckt im Morgengrauen stattfinden, sondern dass die Menschen davon erfahren. Wir wollen zum Beispiel, wenn ein Kind abgeschoben wurde, an seiner Schule mit Plakaten daran erinnern. Keiner soll sagen können: Ich weiß von nichts. Wir wollen aber auch - zum Beispiel jetzt bei unserem Festival — die wirtschaftlichen Zusammenhänge rund um die Asylpolitik zeigen. Die Flüchtlinge kommen, weil ihre Existenzgrundlage in ihrer Heimat zerstört wird, und weil das so ist, werden sie sich auch von nichts aufhalten lassen.

BZ: Gegen die drohenden Abschiebungen der Freiburger Roma gibt es massive Proteste und sogar eine Resolution des Gemeinderats. Trotzdem würde Fatmir Denaj vermutlich abgeschoben werden , wenn er den Schutz seines Kirchenasyls verlassen würde. Ernüchtert Sie das?
Dümmler: Ich glaube, wenn dieses Engagement Schule machen würde, wäre es sehr erfolgreich. Wenn mehr Menschen Flüchtlinge kennen und sich für sie einsetzen würden, entstünde in der Öffentlichkeit deutlicher Druck auf die Politik. Und dann müssten auch die globalen Zusammenhänge stärker Thema werden.

Festival für Bleiberecht: Samstag, 14 bis 2 Uhr, Grether-Gelände, Adlerstraße 12. Vorträge, Diskussionen und Filme (14 bis 19 Uhr), Fotoausstellungen, kurdisches Essen, kubanische Drinks, zwischen 16 und 19 Uhr Musik aus Syrien, Indien und dem Senegal, ab 20 Uhr treten die Bands Rottentoy und Zero talent auf. Genaues Programm unter
www.aktionBleiberecht.de

12.5.2006 auf www.badische-zeitung.de

 

 

 

Die Abschieberegeln finden kaum noch Befürworter

Den Aachener Friedenspreis 2006 bekommt der “Verein für Menschen in Abschiebehaft” in Büren bei Paderborn. Dieser Verein steht stellvertretend für zahllose große und kleine Gruppen und Verbände, die landauf, landab versuchen, Flüchtlingen zu helfen. Nur die, auf die es ankommt, kümmern sich — vorerst — nicht ums Thema Abschiebung: die Innenminister von Bund und Ländern. Immerhin steht es auf ihrer Tagesordnung.

Mittlerweile gibt es aus allen Parteien immer deutlichere Stimmen, die Änderungen fordern. Menschenrechtsgruppen und Wohlfahrtsverbände stehen damit nicht allein. So sprach der baden-württembergische Staatsminister und Chef der CDU Südbaden, Willi Stächele, vor wenigen Wochen von “teilweise unsinnigen, kuriosen und menschenunwürdigen Abschieberegeln” , die man reformieren müsse. Vorsichtiger, aber im Tenor ähnlich, äußerte sich auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Derzeit werden die Abschieberegeln behördlich überprüft. Mit einer Änderung ist zu rechnen, aber das dauert noch — voraussichtlich bis Jahresende. Josef Follmann von der Caritas fordert schon aus diesem Grund einen Abschiebestopp für gut integrierte so genannte Geduldete. Es sei falsch, Menschen jetzt abzuschieben, die vielleicht in einem halben Jahr ein Aufenthaltsrecht bekämen. Sein Vorschlag: “Gebt den Menschen, die hier Wohnung und Arbeit haben und deren Kinder zur Schule gehen, erst einmal eine zweijährige Probezeit — mit anschließender Überprüfung.” Follmann rechnet damit, dass es eine Bleiberegelung gibt. Er warnt aber “vor einer windelweichen Lösung, die nur ein paar Menschen betrifft” . Dass sich in Sachen Abschiebung etwas tut, bestätigt auch ein Sprecher des baden-württembergischen Staatsministeriums: “Es wird sich was bewegen.”  In den vergangenen Monaten sind bundesweit mehrere Fälle von drohender Abschiebung — unter anderem in Rheinfelden und Freiburg — in Medien und Leserbriefen diskutiert worden, sodass der Eindruck entstehen konnte, es würde derzeit besonders eifrig abgeschoben. Dies, sagt Follmann, sei aber nicht der Fall. In Baden-Württemberg würden jährlich 3000 bis 4000 Menschen abgeschoben, und daran habe sich nichts geändert. Jürgen Blechinger vom Diakonischen Werk bestätigt diese Zahlen und nennt weitere: Allein in Baden-Württemberg lebten etwa 40 000 Geduldete, knapp ein Viertel davon in Südbaden. Viele von ihnen seien Roma aus dem Kosovo. Bundesweit gibt es nach Auskunft der Gesellschaft für bedrohte Völker etwa 200 000 Geduldete, um die sich ein “kostenaufwendiger Riesenapparat von Ausländerbehörden, Polizei, Landeskriminalämtern und Abschiebegefängnissen” kümmere. Ulrike Duchrow vom Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg sagt, rund 16 000 Menschen befänden sich in Baden-Württemberg “seit mindestens fünf Jahren im Schwebezustand der Duldung” . Sie abzuschieben, sei in vielen Fällen “eine völlig unsinnige Sache, auch wenn man das als Staat pragmatisch sieht” . Manche Innenminister verstehen unter Pragmatismus allerdings etwas anderes: Eine liberalere Abschiebepraxis böte die Möglichkeit, sich ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen.

Auch Wolfgang Grenz von Amnesty International sagt, dass es, von humanitären Gesichtspunkten abgesehen, nicht sinnvoll sei, ausländische Familien abzuschieben, die sich gut eingelebt haben. Darum sei es bisher auch nicht gegangen. “Das Ausländerrecht ist polizeirechtlich bestimmt. Erst mal wird abgeschoben. Es geht nicht darum, Zuwanderung vernünftig zu gestalten.” Doch auch Grenz erwartet, dass sich demnächst etwas ändert.

Badische Zeitung Freiburg
Alles von Niklas Arnegger vom 9.5.2006 bitte auf www.badische-zeitung.de lesen

 

Bleiberecht in Freiburg-Littenweiler für Familie Nuredini

Stadt Freiburg
Amt für öffentliche Ordnung, Dezernat V

Betreff: Integrationsbemühungen Ferdi Nuredini, geb. 18.6.90

Sehr geehrte Damen und Herren,
als Klassenlehrerin des Schülers Ferdi Nuredini schließe ich mich dem Antrag auf Bleiberecht für die Familie Nuredini an. Ferdi besucht zur Zeit die achte Klasse. Er ist vollständig integriert, hat Freunde und wird von allen Mitschüler/innen anerkannt. Ferdi setzt sich seinerseits für die Klassengemeinschaft ein, bringt z.B. bei Konflikten oder gemeinsamen Vorhaben seine Meinung und Vorschläge aktiv ein und die Diskussion damit oft genug weiter. Wenn die Achtklässler als tatkräftige Hilfen, z.B. bei schulischen Veranstaltungen, gefragt sind, zeigt Ferdi sich stets hilfsbereit und engagiert. Seinen schulischen Verpflichtungen kommt Ferdi verlässlich nach: Er erledigt die Hausaufgaben, erscheint pünktlich zum Unterricht, hält Arbeitsmaterial bereit und nimmt gerne an schulischen Aktivitäten, wie Ausflügen usw., teil. Als begeisterter und sehr guter Fußballspieler nahm Ferdi als Mitglied der Schulmannschaft an Turnieren teil und zeigte dabei große Einsatzbereitschaft für seine Mannschaft. Darüber hinaus trainiert er regelmäßig im Verein von Kappel. Das zurückliegende Betriebspraktikum hat sich Ferdi selbstständig organisiert und mit viel Einsatz und engagiert absolviert. Der Betrieb zeigte sich sogar so zufrieden, dass Ferdi dort nun einen Ferienjob hat. Auch um das zweite Praktikum hat Ferdi sich, seinen Interessen entsprechend, eigenständig gekümmert. Ferdi entwickelt also klare berufliche Perspektiven und verfolgt seinen Weg dorthin - damit ist er vielen seiner Mitschüler/innen sogar voraus. Seine Schulleistungen sind gut. Er hat gute Aussichten auf einen Ausbildungsplatz. Ferdi hat es mehr als verdient, dass diese Perspektiven nicht von außen, durch eine Rückführung nach  Serbien-Montenegro, zerstört werden. Deutschland ist seine Heimat geworden. Ich bitte Sie daher dringend, der Familie Nuredini das Bleiberecht zu gewähren.
gez. F. Rickelt, Klassenlehrerin Kl. 8, 26.4.2006

 

Ihre Anfrage vom 07.03.06.2006

Stellungnahme der Reinhold-Schneider-Schule zu den Integrationsbemühungen der Familie Nuredini

Sadeta Nuredini, geb. 21.12.1987 wurde bis 16.07.2004 in der Reinhold-Schneider-Schule beschult. Sie verließ die Schule mit einem Hauptschulabschluss Note 2,1.

Ferdi Nuredini, geb. 18.06.1990 besucht derzeit bei uns die 8. Klasse.
Die Familie Nuredini ist sowohl in unserer Schulgemeinde als auch in der Gemeinde Kappel bekannt als eine Familie, die seit vielen Jahren voll integriert ist. Ferdi ist – wie auch vorher seine Schwester Sadeta – in der Klasse wie in der Schulgemeinde bekannt und sehr anerkannt. Beide zeigten durchgehend ein vorbildliches Verhalten, große Lernbereitschaft, Hilfs-bereitschaft,  Freundlichkeit, Pünktlichkeit und Umgangsformen, wie sie unter den Schüler/innen der Hauptschule leider nicht selbstverständlich sind. Dies ist auf die ständigen Bemühungen der Familie Nuredini um Integration zurückzuführen. Beide Eltern begleiteten den schulischen Werdegang ihrer Kinder mit aktivem Interesse. Sie förderten ihre Kinder nach bestem Vermögen, nahmen regelmäßig  an allen schulischen Veranstaltungen teil, leisteten jeweils ihren Beitrag zum Gelingen von Klassenunternehmungen, Schulfesten etc. Sowohl Sadeta als auch Ferdi hatten keinerlei Lern-, Leistungs- oder Verhaltensprobleme.  Sadeta und Ferdi  sind außerordentlich verlässlich  in allem, was von ihnen erwartet wird. Ferdi hat auf Grund seiner Schulleistungen gute Aussichten auf einen Ausbildungsplatz. Die Familie Nuredini genießt -  vor allem auch  wegen des Schulerfolgs der Kinder - große Achtung  und gilt als ein besonders gelungenes Beispiel der Integration von Romafamilien. Nur ganz wenige der Familien schafften es, in einer eigenen Wohnung unabhängig von Sozialhilfe zu leben und die Kinder so  in die Gemeinde zu integrieren wie Familie Nuredini. Weder der Schulgemeinde noch dem Stadtteil kann vermittelt  werden, weshalb diese Familie zurück nach Serbien-Montenegro soll. Die Eheleute Nuredini wie auch deren Kinder leisten - wie andere Staatsbürger auch – ihren Beitrag zum Gemeinwesen.'

Gerda Liebner, Rektorin, 26.4.2006
Reinhold-Schneider Schule, Lindenmattenstrasse 2, 79117 Freiburg-Littenweiler
Tel 0761/2017548, sekretariat.rhsvn@freiburger-schulen.bwl.de

 

Saideh Asadi aus Stegen - Angst vor der Abschiebung

Stegen ist in Aufruhr: Saideh Asadi und ihre Familie sind vielen ans Herz gewachsen. Doch über der Flüchtlingsfamilie schwebt ein Damoklesschwert: Wird sie ihre neue Heimat verlassen müssen und in ihr Herkunftsland Iran abgeschoben, wo Saideh Asadi nach eigener Aussage im Gefängnis schwer misshandelt wurde? Beim Freiburger Verwaltungsgericht wird derzeit geprüft, ob die angeschlagene Gesundheit der 39-Jährigen als Abschiebungshindernis anerkannt wird.

Ein schüchternes Pappschild mit der Aufschrift “Sie muss bleiben. Ihre deutschen Freunde” wird auf Anraten des Anwalts vor Beginn der Verhandlung wieder entfernt. Auch die eilig zusammengetragene Liste mit den rund 40 Unterschriften von Nachbarn, Gemeinderäten, dem evangelischen und dem katholischen Ortspfarrer, von Lehrern und Eltern der Grundschule muss erst noch den richtigen Adressaten im Regierungspräsidium finden. Im nüchternen Gerichtssaal jedenfalls können die zahlreichen Unterstützer mit ihren Emotionen und menschlich durchaus einleuchtenden Argumentationen nicht landen. Justitia arbeitet nach formalen Regeln.
“Es geht nicht um Gerechtigkeit”, fürchtet Michael Ripberger, Gemeinderat in Stegen und Elternbeiratsvorsitzender der Stegener Grundschule, die Saideh Asadis achtjährige Tochter besucht. Sonst müsste für sein Empfinden doch ganz klar sein, dass “man die Frau unmöglich in den Iran zurückschicken kann” . Von schwersten Misshandlungen, die ihr dort im Gefängnis zugefügt wurden, berichtet sie der Richterin mit gebrochener Stimme und Tränen in den Augen. Sie kann sich bestens auf Deutsch ausdrücken, doch die Richterin will, dass sie sich ihrer Muttersprache und eines Dolmetschers bedient. Ins Gefängnis ist Saideh Asadi nach Auskunft ihrer Therapeutin geraten, weil ihr Mann in der Druckerei eines Onkels Flugblätter gegen das Mullah-Regime gedruckt habe. Um der politischen Verfolgung zu entgehen, sei er untergetaucht und nach Deutschland geflohen. Seine Frau sei darauf hin verhaftet worden, ohne dass ihr selbst irgendetwas hätte vorgeworfen werden können. Mit Hilfe von Schleppern sei es ihr 1999 schließlich ebenfalls gelungen, mit ihrer Tochter nach Deutschland zu gelangen.
Sowohl sein als auch ihr Asylantrag wurde abgelehnt, weil man ihre Geschichte nicht glaubte. Immer neue Atteste über den Gesundheitszustand der 35-Jährigen mussten für einen Folgeantrag beigebracht werden, der 2002 ebenfalls abgelehnt wurde. Seitdem hangeln sie sich von einer Duldung zur nächsten, die immer jeweils für drei Monate ausgesprochen wird. Dabei ist ihre Therapeutin überzeugt, dass ihre Patientin “schwerst traumatisiert” und akut suizidgefährdet ist, falls sie in den Iran zurückgeschickt wird.

Über ihre schweren Misshandlungen hat die Patientin aus Scham lange nicht sprechen können — ein von Fachleuten häufig beschriebenes Phänomen bei Folteropfern. Bei den Gerichten löst es eher Misstrauen aus. Rechtsanwalt Klauspeter Stiegeler appelliert an die Richterin, die posttraumatische Belastungsstörung anzuerkennen: “Eine Abschiebung würde schwere Gesundheitsgefahren heraufbeschwören.”  Und in Stegen würde sie auf völliges Unverständnis stoßen. Als bestens integriert wird die Familie von Schulleiterin Christa Schürmann geschildert: “Es könnte gar nicht perfekter laufen.” Die Asadis seien beliebt, pflegten gute nachbarschaftliche Kontakte, sprächen ein exzellentes Deutsch und “belasten und belästigen niemanden” . Sozialhilfe haben die Asadis nie bezogen: Sie geht putzen, er arbeitet in einem Hotel. Doch von der Ausländerbehörde wurde ihnen der Entzug der Arbeitserlaubnis angedroht. Damit sollen sie gezwungen werden, sich Pässe bei der iranischen Botschaft zu besorgen. “Wir sind doch nicht dumm” , sagt Saideh Asadi. “Dann schicken sie uns doch sofort zurück.” Kenner wissen jedoch, dass die Daumenschrauben in solchen Fällen immer fester angezogen werden: vom Arbeitsverbot bis zur Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Die Stegener Unterstützer wollen es auf keinen Fall so weit kommen lassen. “Wir wollten hier wie eine normale deutsche Familie leben” , sagt Saideh Asadi und wünscht ihrer Tochter, dass sie niemals gezwungen wird, eine muslimische Frau zu werden. Sie soll ihre Religion frei wählen können. In Stegen-Eschbach besucht sie den evangelischen Religionsunterricht

Badische Zeitung Freiburg
Anita Rüffer, 7.4.2006 auf www.badische-zeitung.de

 

Familie Nuredini aus Freiburg-Kappel - Brief an Härtefallkommission

An die Härtefallkommission des Landes Baden-Württemberg

Sehr geehrte Damen und Herren,
Mit Beginn des Schuljahres 2004/05 hat sich hier in Littenweiler ein „Runder Tisch sozialer Brennpunkt Littenweiler“ zusammengesetzt. Vertreter/innen fast aller wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen nehmen daran teil, weil eine sich immer deutlicher abzeichnende Verwahrlosungsproblematik im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit dringend das Gespräch aller Beteiligten braucht. Wir sind der Rektorin der Reinhold Schneider Schule, Frau Gerda Liebner,  sehr dankbar, dass Sie die Initiative zu diesem „Runden Tisch“ ergriffen hat, zumal sich sehr viele der Probleme der Jugendlichen im Hauptschulbereich zeigen. - Ich habe als Pfarrer der evang. Auferstehungsgemeinde gerne die Moderation dieser Gespräche übernommen. Bei unseren letzten Zusammenkünften wurde auch die Situation der Familie Nuredini, die sehr gut integriert im Ortsteil Kappel wohnt, besprochen. Nach Prüfung der Lage und insbesondere der schulischen Fragen haben alle Beteiligten mit großem Nachdruck den Wunsch zum Ausdruck gebracht, alle nur möglichen Mittel auszuschöpfen, um der Familie Nuredini, die seit Jahren frei von Sozialhilfe in einer eigenen Wohnung lebt, ein Verbleiben hier zu ermöglichen.
Als Moderator des „Runden Tisches“ und als Pfarrer der Auferstehungsgemeinde möchte ich darum die Härtefallkommission des Landes Baden Württemberg bitten, die Ihnen auch von anderer Seite vorgetragene Situation der Familie Nuredini wohlwollend zu prüfen und dabei vor allem humanitäre Gesichtspunkte in ihre Entscheidungen und Überlegungen gegen die rein juristische Situation einzubeziehen. Darum bitte ich Sie ausdrücklich im Auftrag aller Beteiligten unseres „Runden Tisches“ und auch persönlich sehr herzlich.
Mit freundlichem Gruß
Rudolf Atsma, Pfarrer, 11.3.2006

Runder Tisch "Sozialer Brennpunkt Littenweiler"
Reinhold-Schneider Schule, Lindenmattenstrasse 2, 79117 Freiburg-Littenweiler
Tel 0761/2017548, sekretariat.rhsvn@freiburger-schulen.bwl.de

 

Hamida Sido zurückholen - Grüne fordern Justizminister Goll auf

Die Grünen verlangen Auskunft über die umstrittene Abschiebung der Kurdin Hamida Sido aus Kirchzarten nach Syrien und fordern eine Veränderung der Abschiebepraxis der Landesregierung.

Die grüne Landtagsabgeordnete Edith Sitzmann appelliert in einem Brief an den baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll (FDP), “zu veranlassen, dass Frau Sido aus Syrien nach Deutschland zurückkehren kann” . Hamida Sido hatte am Telefon berichtet, dass sie nach ihrer Ankunft in Syrien im Gefängnis geschlagen wurde und sich nach ihrer Freilassung ständig verstecken müsse — aus Angst vor ihrem Bruder, der sie bestrafen wolle, weil sie sich einer Zwangsheirat widersetzt hatte (die BZ berichtete). Nun solle der Justizminister, der sich bundesweit “mit Initiativen gegen Zwangsheirat und so genannte Ehrenmorde profilieren wolle” , dafür sorgen, “dass die Landesregierung nicht durch Abschiebungen so genannte Ehrenmorde ermöglicht, denen die Frauen durch ihre Flucht nach Deutschland entkommen wollten” , fordert Edith Sitzmann.
Scharfe Kritik kommt auch von Theresia Bauer, der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag: “Was nützen die ganzen Initiativen der Landesregierung gegen Zwangsheirat, wenn nicht auch entsprechende Konsequenzen für die Abschiebepraxis erfolgen? Wo bleibt der so genannte Ausländerbeauftragte Goll, der sonst so tapfer gegen Zwangsheiraten kämpft?” Während die Landesregierung ihre Initiative gegen Zwangsheirat starte, werde “eine Frau, die konkret und unmittelbar von Zwangsheirat bedroht wurde, eiskalt abgeschoben” . In einem Brief an Innenminister Heribert Rech (CDU) verlangt Theresia Bauer eine Überprüfung der Abschiebung von Hamida Sido und den Einsatz der Landesregierung, “um die Abschiebung von Frau Sido rückgängig zu machen” . Außerdem müsse künftig jeder Fall genau geprüft werden.
BZ vom 24.2.2006

 

Morad: Was sonst sollte man unter Integration verstehen?

Mit wachsendem Unverständnis bis hin zum Zorn haben wir die Geschichte über den Umgang der Landesregierung mit der Familie Morad gelesen: Eine katholische Familie aus Syrien lebt seit sechs Jahren in Rheinfelden und hat sich vollständig integriert. Die Kinder gehen zur Schule, sie sprechen akzentfrei deutsch und wurden offensichtlich von Kommune und Kirchengemeinde voll akzeptiert. Der Einsatz des CDU-Bürgermeisters ebenso wie von SPD-Abgeordneten in Bundestag und Landtag, das Engagement der Schüler der Gertrud-Luckner-Realschule, wie auch die Einbindung der Familie in der Kirchengemeinde (einschließlich Kirchenasyl) sprechen doch dafür, dass sie in Rheinfelden bleiben dürfen sollten.

Nachdem sich auch der CDU-Abgeordnete und Landtagspräsident Peter Straub im Petitionsausschuss für die Familie eingesetzt hatte, müssten diese Voraussetzungen doch genügen, um einer solchen Familie ein Bleiberecht zuzusprechen. Was sollte man denn sonst unter Integration verstehen? Wenn schon von den politisch Verantwortlichen Integration eingefordert wird, so ist Familie Morad geradezu eine Vorzeigefamilie, bei der alle Integrationsbemühungen gefruchtet haben. Wobei man ja auch bedenken muss, welcher Anstrengungen und Mühen es bedarf, sich in einem fremden Land einzuleben, die fremde Sprache zu lernen und so weiter. Bei einer Abschiebung würden die Integrationsbemühungen der Familie zunichte gemacht und die Forderung nach Integration seitens der Politik Lügen gestraft. Und welches Bild vom Staat bekommen die engagierten Mitschüler bei einem solch widersprüchlichen politischen Verhalten? Völlig inakzeptabel ist es, die Familie Morad aus Deutschland, dessen Politiker sich immer wieder auf die Menschenrechte berufen, auszuweisen, während das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, die Familie in einen Staat zurückgeschoben werden soll, der als Schurkenstaat bezeichnet wird und in dessen Gefängnissen nach Aussagen des Bundesnachrichtendienstes Menschen gefoltert werden. Es wäre von der Landesregierung verantwortungslos, eine solche Familie derartigen lebensbedrohlichen Gefährdungen auszusetzen. Eine an humanen Grundsätzen orientierte Politik sollte dieser Familie den Aufenthalt in der neuen Heimat gewähren. Für uns Engagierte bei der Integration von Flüchtlingen ist daher die Absicht der Landesregierung nicht akzeptabel.
BZ-Leserbrief von Veronika Schuler-Glaser, Breisach , vom 14.2.2006

  



Morad: So kann man nicht zur Tagesordnung übergehen 

Für mich verstecken sich Entscheidungsträger - einer hinter dem anderen - ohne sich mit der Angelegenheit wirklich auseinander zu setzen! Mit wenigen Ausnahmen finde ich auch keine Politiker in der Region, die sich mit der Not der Asylbewerber beschäftigen. Immerhin haben die Kirchen sich für die Betroffenen entschieden und Flagge gezeigt! Viel schlimmer aber ist das Verhalten der Entscheidungsträger. Es fängt damit an, dass eine Verwaltungsrichterin ein Urteil fällt, ohne die Situation in Syrien ernsthaft zu prüfen. Noch schlimmer ist, dass die gleiche Richterin in der Berufung ihr eigenes Urteil prüfen soll! Dementsprechend hat sie es dann bestätigt. Und jetzt soll Revisionsverfahren nicht zugelassen werden. Wen wundert es dann, dass Regierungspräsidium, Innenministerium Baden-Württemberg und sogar die Landesregierung mit ihrer Ablehnung eines Bleiberechts für die Familie Morad sich im Petitionsausschuss hinter der Entscheidung der Verwaltungsrichterin und den Vorschriften verstecken? Es muss allerdings auch verwundern, dass das Außenministeriums die Lage in Syrien sehr lasch einschätzt. Weltweit ist bekannt, dass Menschen dort mit anderer Meinung - und dazu zählen auch Christen - verfolgt werden! Für nicht akzeptabel halte ich auch, dass innerhalb Deutschlands in der Asylfrage gegenteilige Entscheidungen getroffen werden dürfen. Während sich die Justiz und die Behörden in Baden-Württemberg regelrecht bemühen, Abschiebungen gegen jegliche Menschlichkeit durchzusetzen, hat der Verwaltungsgerichtshof Hessen in Kassel anhand von tschetschenischen Flüchtlingen entschieden, dass eine Abschiebung nicht erfolgen darf! Wenn es nicht um die Ängste und Leid der in Rheinfelden anwesenden Syrer ginge, könnte zur Tagesordnung übergegangen werden. So aber nicht! Werner Nuß, Rheinfelden, BZ vom 14.2.2006

  
 

Sorge um Hamida Sido - aus Kirchzarten abgeschoben

Kritik an der Abschiebung der Kurdin, die sich in Syrien vor der Rache ihres Bruders versteckt / Gernot Erler verlangt Klärung

Seit drei Wochen schläft Margit Raap schlecht: Sie sorgt sich um Hamida Sido. Die 35-jährige Kurdin wurde am 12. Januar in der Flüchtlingsunterkunft Kirchzarten von der Polizei abgeholt und nach Syrien abgeschoben. Am Telefon erzählt Hamida Sido, wie syrische Polizisten sie schlugen - und von der Angst vor ihrem Bruder, der droht, sie umzubringen. Margit Raap ist fassungslos: “Alle reden von Ehrenmorden, aber wir tun nichts, um die Frauen zu schützen.” Mittlerweile hat sich Gernot Erler, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, eingeschaltet.
Ihre Stimme klingt, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. “Ich habe Angst, natürlich” , sagt Hamida Sido in einem Telefongespräch mit dem Südwestrundfunk, das kürzlich gesendet wurde. “Mein Bruder will mich umbringen.” Sie schildert auch, wie syrische Polizisten immer wieder wissen wollten, was sie in Deutschland gemacht und ob sie Asyl beantragt habe. In vier oder fünf anderen Telefongesprächen hat sie Margit Raap erzählt, wie sie nach ihrer Ankunft in Damaskus ins Gefängnis kam und “grün und blau” geschlagen wurde. Mittlerweile konnte sie bei der Familie ihres Mannes unterschlüpfen - allerdings müsse sie aus Angst vor ihrem Bruder täglich den Ort wechseln, sagt Margit Raap, die Hamida Sido beim Verein “Südwind” in Freiburg jahrelang in Deutsch unterrichtet hat. Dass Hamida Sidos Bruder sie ermorden will, weil sie sich einer Zwangsheirat widersetzte, bestätigen Briefe, die sie dem Gericht als Beweis für geschlechtsspezifische Verfolgung vorgelegt hat. Das wäre eigentlich ein Asylgrund - doch die Behörden glauben ihr nicht und halten die Briefe für “Gefälligkeitsdienste” . Darüber können Margit Raap und ihre Kolleginnen von “Südwind” , die seit Jahren mit Migrantinnen arbeiten, nur den Kopf schütteln: “Was für Beweise sollen Frauen in so einer Situation denn bringen? Müssen sie erst ermordet werden, damit man ihnen glaubt?” Schließlich werde ein “Ehrenmord ” immer nur im Kreis der Familie angedroht, betont Claudia Schmidt - “wie können es sich Richter da nur so leicht machen?”
Schockiert sind die “Südwind” -Mitarbeiterinnen auch vom Vorgehen des Regierungspräsidiums Freiburg, das die Abschiebung vollzog. Ende Januar hätte Hamida Sido, die nach einem Unfall operiert wurde, nochmals im Josefskrankenhaus behandelt werden müssen: In ihrer Schulter steckt immer noch eine Metallplatte, nach den Schlägen im Gefängnis könne sie den Arm nun gar nicht mehr bewegen. Außerdem wurde Hamida Sido ohne ihren Mann, mit dem sie 2001 vor ihrem Bruder nach Deutschland geflohen war, abgeschoben - als die Polizei kam, war er nicht da. Zudem hatten weder Hamida Sido noch die “Südwind” -Mitarbeiterinnen eine Abschiebung für möglich gehalten: Sie wussten nicht, dass der Asylfolgeantrag von den Behörden abgelehnt worden war, weil noch eine Klage von Hamida Sidos früherem Anwalt lief, die den Antrag ungültig machte. Der Anwalt hatte seine Kanzlei wegen einer schweren Erkrankung aufgeben müssen, dadurch sind Informationslücken entstanden. Und obwohl die Klage weiterläuft, bot sie keinen Schutz vor der Abschiebung, erläutert Tomas Dressler vom Regierungspräsidium, der über die Abschiebung sagt: “Das war der normale Lauf der Dinge.” Die medizinische Behandlung könne in Syrien zu Ende geführt werden, vor Gericht könne Hamida Sido ihr Anwalt vertreten. Mittlerweile steht sogar der Gerichtstermin: Margit Raap traute ihren Augen kaum, als vor ein paar Tagen die Einladung kam - gerichtet an Hamida Sido. “Das ist doch alles eine Farce,” sagt sie kopfschüttelnd.

Gernot Erler, Freiburger SPD-Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hat nun vom Regierungspräsidium einen Bericht angefordert. Er will angesichts der “Besorgnis erregenden Nachrichten” von Hamida Sido klären, “ob es eine Einbürgerungsmöglichkeit von außen gibt.
Alles von
Anja Bochtler vom 4.2.2006 auf www.bzol.de
 

 

Links

Aktion Bleiberecht Freiburg
Festival für Bleiberecht, 13.5.2006 14 Uhr - 2 Uhr, Grethergelände Freiburg, Adlerstrasse 12
www.aktionbleiberecht.de

 

Ihre Idee, Hinweis, ...

© by freiburg-schwarzwald.de, Kontakt, Update 31.05.09