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Pfingsten
im Breisgau/Hochschwarzwald
  

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Blick von Stelli (Fritz Glaser Platz) am 17.4.2008 nach Nordwesten auf NiedereggenenBlick Blick von Stelli (Fritz Glaser Platz) am 17.4.2008 nach Nordwesten auf Niedereggenen

 

Pfingstmontag 13.6.2011: Ökumenischer in Gottesdienst in St.Barbara

Pfingstmontag 13.6.2011: Ökumenischer in Gottesdienst in St.Barbara Pfingstmontag 13.6.2011: Ökumenischer in Gottesdienst in St.Barbara Pfingstmontag 13.6.2011: Ökumenischer in Gottesdienst in St.Barbara
   
Pfingstsonntag 12.6.2011: Gottesdienst in der Auferstehungskirche    

Es wurde schon fast zur (guten) Gewohnheit: Am Pfingstmontag feiern die Gemeinden St.Barbara und Auferstehung in Freiburg-Littenweiler gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst.

 

Eine Mutter für alle 

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mutter Kirche. Und vielleicht etwas mehr Gottvertrauen 

Happy birthday, joyeux anniversaire, buon compleanno — herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag, Mutter Kirche. Pfingsten ist ja das Fest deiner Geburt. Gratulieren könnte man dir in nahezu allen Sprachen dieser Welt, nicht nur auf Englisch, Französisch oder Italienisch. Denn es gibt dich auf diesem Globus fast überall, sehr unterschiedlich und vielfältig. Du firmierst unter vielen Namen: katholisch, orthodox, protestantisch, lutherisch, reformiert, calvinistisch, pfingstlerisch, baptistisch, mennonitisch, charismatisch und so weiter. Auch wenn die katholische Kirche von sich behauptet, nur sie sei die Mutter Kirche, die einzige und wahre und wirkliche. Nicht weniger beanspruchen die orthodoxen Kirchen im Osten eine einzigartige Position. Und auch die jüngeren der Mütter sehen sich nicht selten jeweils als die einzig wahren an. Graben- und Machtkämpfe bis heute. Aber zum Glück: Man redet, diskutiert miteinander, feiert gemeinsam Gottesdienst, leider noch immer nicht das Abendmahl. Wenn ich dir also heute gratuliere zum Wiegenfest, Mutter Kirche, wem gratuliere ich dann? Der einen Mutter? Allen Müttern? "Ekklesia", wie Kirche auf Griechisch heißt, bedeutet: die Herausgerufenen. Die, die in sich eine Stimme gehört haben, die göttlich zu nennen ist. Die, die beseelt sind von einem Geist, der frei macht. Die, die in dem Menschen Jesus von Nazareth mehr sehen als nur den Menschen. Das alles und wohl noch viel mehr bedeutet "ekklesia" . Und weil ich Mutter Kirche hier im Badischen, wo ich lebe, besonders gut kenne, ein paar besondere, auf die Gegend zugeschnittene Geburtstagswünsche. Dabei schicke ich voraus: Du ernährst mich und die meinen, viele Jahre schon und zwar nicht schlecht, beamtengleich. Ganz ehrlich: Wohl ist mir nicht immer dabei. Wir erzählen doch von dem, der keinen Ort hatte, "wo er sein Haupt hat hinlegen können" (Evangelium nach Lukas ) - das bekomme ich mit meinem gesellschaftlichen Status auch nach vielen Jahren nicht zusammen. Der Widerspruch bleibt, Kirchenmutter. "Die Pfarrer müssen ausschließlich von den freiwilligen Gaben der Gemeinde leben, eventuell einen weltlichen Beruf ausüben" , so Dietrich Bonhoeffer. Der Pfarrer und Widerstandskämpfer hat das 1944 in einem Berliner Gefängnis geschrieben. Ich weiß schon: Ganz andere Zeiten. Aber der Stachel seiner Worte sitzt trotzdem tief. Pfarrerinnen und Pfarrer — nebenher tätig in einem weltlichen Beruf, in der ganz normalen Arbeitswelt? Wäre das nicht doch gut und hilfreich? Gut für alltagsnahe Predigten, hilfreich für die Seelsorge? Überhaupt: Das sind doch ihre beiden eigentlichen Pflichten in einer Kirchengemeinde, Seelsorge und Predigt. Nur dafür sollten diese Frauen und Männer ihre Zeit aufwenden, nicht für das Organisieren von Gemeindefesten oder dergleichen — das können andere besser. Auch nicht für den Religionsunterricht — den machen viele nicht gern und deshalb auch nicht gut. Zu oft müssen Pfarrer "Mädchen für alles" spielen. Vorschlag stattdessen: Seelsorger sein — und das dann auch richtig, mit Zeit, mit entsprechender Ausbildung. Gottesdienste gestalten — und das dann auch gerne, weil Zeit da ist und die nötige Muße. Eigentlich genügte das schon für eine ausgefüllte Arbeitswoche. Seelsorge plus Predigt plus ein weltlicher Beruf? Mutter Kirche, ich wünsche dir, dass deine Töchter und Söhne dafür kämpfen, das Ureigene ihres Berufes tun zu können; dass sie aufbegehren gegen zu viele Ansprüche; dass sie sich nicht nur im kirchlichen Binnenwasser bewegen; dass sie "auf offener See" sich aufhalten. Im Beruflichen wie auch im Privaten.

"Träumer", höre ich dich sagen. Ja, ich träume. Und ich träume von noch mehr: dass man in Deinen Mauern an Leib und Seele genährt wird. Ich weiß, du tust viel. Auch viel Gutes. Bist alles in allem die zweitgrößte Arbeitgeberin der Republik, pflegst Alte und Kranke, betreust Behinderte, erziehst Kinder, unterrichtest und bildest aus, gibst Obdachlosen ein Dach überm Kopf, kleidest, gibst zu essen und vieles mehr. An Leib und Seele genährt werden - damit meine ich noch etwas Anderes. Eine Zahl beschäftigt mich: Nur ungefähr vier Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder kommen in der Regel zu den Gottesdiensten. In der katholischen Schwesterkirche sind es ein paar Prozent mehr. Warum so wenige? Hast du so wenig zu bieten? Auf dem Marktplatz der Sinnanbieter tummelst du dich als eine unter vielen. Das hat sich so entwickelt, das wird wohl so bleiben. Das ist auch nicht schlimm. Schlimm ist, dass die Veranstaltung, um die sich alles bei Dir dreht, so wenig anziehend wirkt, der Gottesdienst. Warum nur?
Es gibt da ein Wort, das viele schon nicht mehr hören können: Spiritualität. Für mich bleibt es ein Zauberwort. "Alle Wege Gottes enden in der Leiblichkeit", sagt Friedrich Christoph Oetinger. Denn auch das ist Spiritualität: Riechen, Schmecken, Fühlen, Tasten, Glauben mit allen Sinnen. Glauben muss erlebbar sein - sonst schlägt er keine Wurzeln. Ja, Glauben muss auch intellektuell nachvollziehbar sein, aber nicht nur — sonst endet er in der Geistigkeit und nicht in der Leiblichkeit. Das alles muss man am eigenen Leib erlebt haben. Nur wer gesegnet wurde, kann auch segnen. Nur wer fremde Hände auf dem eigenen Kopf, auf den Schultern gespürt hat, weiß um die Energie und Heilung, die davon ausgehen kann. Nur wer selbst täglich in der Stille sitzt und in sich hinein hört, weiß um die Klarheit, die daraus erwachsen kann. Nur wer biblische Worte regelmäßig zermalmt wie feste Nahrung, weiß um ihre Verwandlungskraft. Nichts anderes meint das Zauberwort Spiritualität: im banalen Alltag Gott erleben, Gottes Geist, Gottvertrauen. Wenn Gottesdienste das zulassen, dann wirken sie anziehend. Gestaltet werden sie von denen, die etwas erfahren und deshalb auch zu erzählen haben. Ich wünsche dir, Kirche, viele solche Gottesdienste — in deinen altehrwürdigen Mauern und außerhalb. Außerhalb? "Extra ecclesiam nulla salus" , glaubte Cyprian von Karthago noch im dritten Jahrhundert nach Christus, "außerhalb der Kirche gibt es kein Heil." Ziemlich exklusiv, dieser Anspruch. Cyprian wollte deine Rechte schützen, Mutter Kirche, wollte nicht, dass auch außerhalb deiner Mauern einfach so getauft oder Abendmahl gefeiert wird. Einen Schatz bewahren, das wollte er. Aber muss heute noch so abgegrenzt und verteidigt werden? Ich glaube nein.

Zeitgemäßer ist wohl dieser Weg: Zu dem, was man glaubt, stehen und doch auf andere hören. Für das, was man erkannt hat, sich einsetzen und doch auf andere achten. Von anderen lernen. Auch von anderen Religionen. Wie man beten und meditieren kann. Wie man in mystische Tiefen hinunter steigen und sie sogar in Worte fassen kann. Wie man den Menschen als Leib-Seele-Geist-Ganzheit verstehen kann. Wie konkret Glaube sich äußern und mehr Gerechtigkeit schaffen kann. Dein Erfahrungsschatz, liebe Mutter Kirche, lässt sich da schon sehen. Vielleicht muss er wieder mehr entdeckt und gehoben werden. Ich wünsche es dir. Denn so war es doch, damals an deinem Geburtstag vor fast zweitausend Jahren: Frauen und Männer wurden inspiriert, erfüllt, trunken vom Geist Gottes, begeistert davon, wie viel Sympathie und Leidenschaft Gott für diese Welt hat, sichtbar geworden in Jesus, dem Mann aus Nazareth. Dein Geburtstag, Kirche, war ein berauschendes Fest. Und es hat sie verwandelt: Frauen und Männer, die vor einem Scherbenhaufen standen. Mutig haben sie sich aufgemacht auf einen neuen Weg. So hießen sie auch ganz am Anfang: "Die vom neuen Weg" oder "die den neuen Weg gehen" Ein schöner Name. Stünde dir auch heute noch gut. Das erste Pfingsten als geistvolles Ereignis — man kann das nicht einfach wiederholen. Aber man kann offen sein, empfangsbereit, mit offenen Händen bitten: "Veni, spiritus creator" - komm, schöpferischer Geist. Alles Gute zum Geburtstag, Mutter Kirche.
Norberg Großklaus, 10.5.2008, www.badische-zeitung.de

Norbert Großklaus, Jahrgang 1959, Winzersohn aus Ihringen, hat in Freiburg, Heidelberg, Marburg und Basel evangelische Theologie studiert und war dann Gemeindepfarrer in Offenburg. Seit acht Jahren arbeitet er als Religionslehrer an beruflichen Gymnasien. Er ist Vater von drei Kindern.
 


 

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© Freiburg-Schwarzwald.de, Kontakt,  Update 16.06.11