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Kappel - Ortsteil im Freiburger Osten Ebnet und Kappel, beide sind seit 1974 Ortsteile von Freiburg. Beide sind es nicht freiwillig geworden, es war eher „freiwilliger Zwang", erinnert sich der Kappler Ortsvorsteher Rudolf Groß. In Kappel fanden zwei Volksabstimmungen statt, die die Eingemeindung ablehnten. Um die Ortschaftsverfassung zu bekommen, stimmten sowohl der Kappler als auch der Ebneter Gemeinderat der Eingemeindung schlussendlich zu.Heute ist die Eingemeindung kein Thema mehr, in Kappel wurde sie im vergangenen Jahr gefeiert. Und auch für Ebnet kann man im Rückblick sagen, - so Ortsvorsteher Hellmut Menner - dass der Ort mit der Eingemeindung nicht schlecht gefahren ist. Erhaltung der dörflichen Strukturen Das ist eine der schwierigsten Aufgaben beider Ortschaften: die Erhaltung der Infrastruktur. „Wir wollen nicht zum Schlafstadtteil von Freiburg verkommen", sagt Menner. „Wünschenswert wäre für Ebnet ganz klar ein Lebensmittelmarkt. Doch der
rechnet sich für große Ketten einfach nicht. Und das alte Mütterchen, das auf
fußläufige Einkaufsmöglichkeiten angewiesen ist, hat keinen Platz in der
Kalkulation großer Ketten", sinniert Menner. Bevölkerungsentwicklung Die Erhaltung der Infrastruktur hat auch mit der Bevölkerungsentwicklung zu tun. Die Einwohnerzahlen beider Ortsteile sinken. Kappel ist ein besonderer Ortsteil Freiburgs. Die Gemarkung der früheren Gemeinde Kappel umfasste 1381 Hektar und erstreckte sich von den Kappler Talauen mit 338 m ü.d.M. bis hoch zum Schauinsland mit 1284 m ü.d.M.. Das sind rund 950 m Höhenunterschied. Diese landschaftlich reizvolle Lage und der dörfliche Charakter mit vielen wunderschönen Bauernhöfen und Mühlen tragen mit dazu bei, dass Kappel für Touristen attraktiv ist. Wo kann man schon in einer Stadt Ferien auf dem Bauernhof machen? In Kappel ist das möglich! Der Tourismus spielt für Kappel eine wichtige Rolle. Es gibt relativ viele Ferienwohnungen und Zimmer. Damit die Gäste sich auch wohlfühlen und problemlos wandern können, wurde erst in jüngster Zeit eine neue Wanderkarte entwickelt. Etwas besonderes ist es auch, dass ein Ortsteil einer Stadt eigene Ortsteile hat. Kappel hat gleich drei: die Molzhofsiedlung, Neuhäuser und die Bahnhofssiedlung. Die Entwicklung dieser Ortsteile ist eng mit der Geschichte des Bergbaus in Kappel verbunden. Kappel und der Bergbau Der Bergbau prägte Kappel über Jahrhunderte hinweg. Die Anfänge des Bergbaus lassen sich nicht exakt bestimmen, gesichert ist aber, dass im Mittelalter Bergbau betrieben wurde. Die Geschichte des Bergbaus war keine kontinuierliche, sie war immer Schwankungen unterworfen. Wurde der Bergbau beispielsweise im 18. Jahrhundert recht erfolgreich betrieben, musste er Anfang des 19. Jahrhunderts eingestellt werden. Richtungsweisend war das Jahr 1876. Damals erwarb Freiherr von Roggenbach Schürfscheine für Kappler Halden und erweckte den Bergbau wieder zu neuem Leben. War bisher im Bergbau vor allem Blei und Silber interessant - Blei wurde für Verglasungen, Gewehr- und Kanonenkugeln gebraucht, Silber war Schmuck und Zahlungsmittel – setzte Freiherr von Roggenbach im beginnenden Industriezeitalter auf Zinkmetalle, die mehr und mehr gebraucht wurden. Der Bergbau florierte und brachte Arbeitsplätze ins Kappler Tal. In jener Zeit wurde eine neue Erzwäsche in Neuhäuser eingerichtet. Die Erzwäsche lag quasi mit Gleisanschluss nahe an der Höllentalbahn. Damit die Erze nicht mehr mit Fuhrwerken vom Schauinsland gekarrt werden mussten, wurde ein Materialseilbahn erbaut. Sie war 5,3 km lang und überwand 650 Höhenmeter. Sie war lange Jahre Wahrzeichen von Kappel und prägend für das Ortsbild. Damals stieg übrigens die Stolberg Westfälische AG in den Kappler Bergbau mit ein. Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert sanken die Erzpreise, der Bergbau geriet in eine Krise, erholte sich aber, als 1908 die Preise wieder stiegen. Nach dem ersten Weltkrieg jedoch sanken die Preise ins Bodenlose und der Bergbau war wieder ein Verlustgeschäft. Anfang der 20er Jahre boomte der Bergbau, aber 1928 wurde der gesamte Betrieb stillgelegt. Grund war der Weltmarkt. Der Konkurrenzkampf zwischen Amerika und Europa ließ die Preise wieder einmal sinken. Ab Mitte der dreißiger Jahre lief der Abbau dann wieder auf vollen Touren. Gründe dafür waren der Rohstoffmangel im Dritten Reich und die hohe Arbeitslosigkeit, die Hitler beseitigen wollte. Mit Förderprämien wurde der Bergbau im ganzen Deutschen Reich angekurbelt. Zu dieser Zeit entstand oberhalb Kappels die Molzhofsiedlung als Bergmannssiedlung. Während Anfang des Jahrhunderts etwa 200 Arbeiter im Bergbau beschäftigt waren, fanden im Dritten Reich über 300 Bergleute dort Arbeit. Mit Beginn des zweiten Weltkrieg wurde die Erzgewinnung vorrübergehend zurückgefahren, weil die Männer zum Wehrdienst eingezogen wurden. Ein Ausgleich entstand erst, als Kriegsgefangene und später auch Zwangsarbeiter im Bergbau eingesetzt wurden. Im Jahr 1942 machten sie fast die Hälfte der Belegschaft aus. Sie waren in Elendsbaracken an der Brugga untergebracht. In der Kappler Ortschronik, in der dieses sensible Thema nicht ausgespart ist, heißt es: „Die Behandlung der Arbeitskräfte, insbesondere derjenigen aus dem slawischen Osten Europas, durch die Institutionen des Regimes war hart und rücksichtslos. ... auffällig gewordene Zwangsarbeiter (wurden) in Kirchzarten in Polizeigewahrsam genommen und menschenunwürdig behandelt." Doch gab es innerhalb der Bevölkerung auch einzelne, die versuchten den Kurs des Regimes zu unterlaufen und den Zwangsarbeitern Unterstützung zukommen ließen. Nach dem Krieg wollte die französische Militärregierung sehr schnell die Wiederaufnahme des Bergbaus, der aufgrund von Arbeitskräftemangel darniederlag. 1946 wurde der Betrieb mit 52 Bergmännern wieder aufgenommen, zwei Jahre später waren es 276. Doch mit dem Beginn der 50er Jahre kam es zu Absatzschwierigkeiten. Die neu aufkommenden Kunststoffe drängten die Metalle vom Markt. 1954 wurde die Zeche endgültig stillgelegt. Vom Bergbau selbst ist heute nur noch sehr wenig zu sehen. Doch auch heute noch beeinflusst er die Kommunalpolitik. So sind in Neuhäuser die Böden stark schwermetallbelastet. Schon jahrelang geht es darum, wie und wann die Böden der früheren Klärteiche saniert werden. Die Eigentümerin, die Stolberger Zink AG, möchte zwar sanieren, aber nur mit der Garantie, dass das sanierte Gelände dann auch bebaut werden kann – um die Sanierungskosten „refinanzieren" zu können. Die Stadt Freiburg jedoch will erst die Sanierung und dann die Freigabe der Fläche als Bauland. Die Katze beißt sich also in den Schwanz – und das schon seit Jahren. Umweltbelastung durch den Bergbau war übrigens auch vor 250 Jahren schon ein Thema: Pochwässer, die giftige Bestandteile enthielten und über Wiesen geleitet wurden „und dem Boden und dem Vieh schadeten", waren den Bauern schon damals ein Dorn im Auge, wie eine Beschwerde eines Kappler Bauern an ihren Oberrieder Amtmann um 1754 herum belegt. Daraufhin wurde das Wasser durch mehrere Sümpfe geleitet, die die schädlichen Bestandteile herausfiltern sollten. Außerdem wurde vereinbart, dass die Bauern an Sonn- und Feiertagen ihre Matten wässern, dann, wenn die Poche stillsteht. Außerdem verpflichtete sich das Bergwerk, während der Hauptwässerungszeit im Frühjahr, Sommer und Herbst jeweils zwei Wochen lang nicht zu pochen. In Kappel steht in nächster Zeit die Neugestaltung des Rathaus-Vorplatzes an. Dort soll an die Bergwerks-Vergangenheit erinnert werden mit zwei Loren, die jetzt schon dort stehen. Kappel spezial Kappel - ein besonderer Ortsteil: Kappel hat ein eigenständiges Standesamt. Dort finden nicht nur Trauungen statt, dort werden auch Geburten registriert. Aber wenn in Kappel Geburten registriert werden, dann müssen es schon Hausgeburten sein. In diesem Jahr sind es immerhin schon fünf. Das ist im Vergleich mit anderen Kommunen sehr viel. Ob das an der Kappler Luft liegt – was Ortsvorsteher Groß dazu spontan einfällt – oder ob in Kappel besondere Menschen wohnen – was Amtsleiter Engler vermutet? Quelle: Serie "Dorf
2000" von Dagmar Engesser, Der Dreisamtäler, 30.11.2000, S. 10
Bergwerk - über 850 Jahre alte Geschichte Außer einem Bergmannsbrunnen vor dem alten Rathaus erinnert in Kappel nicht
mehr viel an die 850 Jahre alte Geschichte des Bergwerks im Schauinsland, aus
dem schon im zwölften Jahrhundert Silber zutage gefördert wurde. Der Bergbau
hat im landschaftlich reizvollen, heutigen Stadtteil von Freiburg kaum Spuren
hinterlassen. Und dies obwohl die Zeiten, in denen die Hälfte der Kappler
Bürger ihren Lebensunterhalt im Bergwerk verdiente, noch gar nicht so lange
vorbei sind. Vor kurzem kehrte mit dem Treffen der letzten Bergleute des Kappler
Stollens ein Stück Vergangenheit in das ehemalige Bergmannsdorf am Fuße des
Schauinslandes zurück. 40 Jahre nach der Schließung des Bergwerks sind 60
ehemalige in ganz Deutschland verstreut lebende Bergarbeiter dem Aufruf des
Ortsvorstehers Rudolf Groß und der Forschergruppe Steiber gefolgt und haben
sich im Gasthaus Adler zu einem Wiedersehen eingefunden. Obwohl in den dreißiger Jahren und zu Zeiten des zweiten Weltkrieges über 400 Bergleute in die Schauinsland Grube einfuhren und kurz vor ihrer Schließung noch täglich 180 Tonnen Erz zutage förderten, sind noch 50 Prozent der Erze im Berg vorhanden. Ein weiterer Abbau sei heute allerdings nicht mehr rentabel, meinte Berthold Steiber, der sich mit seiner Forschungsgruppe seit Jahren intensiv mit dem Stollen beschäftigt. Nachdem in früheren Jahren zuerst Silber, dann Blei und Zink abgebaut wurden, könnte heute das Trinkwasser zum begehrten Rohstoff des Schauinslands werden. Dies wird derzeit im Rahmen eines vom Landratsamt Freiburg durchgeführten hydrogeologischen Gutachtens geprüft. Mit zwei Lichtbildvorträgen ließ Berthold Steiber bei den Bergleuten alte
Erinnerungen wach werden. Sie waren vor allem erstaunt darüber, wie gut die
Stollen heute noch erhalten sind. Viele von ihnen erkannten besonders markante
Stellen im Bergwerk wieder. überrascht zeigten sie sich über die von der
Forschergruppe Steiber eingesetzte Bergbautechnik. Moderne Lademaschinen
erledigen heute in kurzer Zeit das, wozu früher die Bergleute in mühevoller
Plackerei Stunden gebraucht haben. Die Bergleute Kappels waren ein aus ganz Deutschland kommendes bunt-
zusammengewürfeltes Völkchen. Sie bewohnten die in den dreißiger Jahren
errichtete Bergarbeitersiedlung Molzhof. Die Beziehungen zu den Kappler Bürgern
gestalteten sich nicht immer harmonisch. Spannungen zwischen den bedächtigen
Schwarzwaldbauern und den etwas leichtlebigeren Bergleuten ließen sich nicht
vermeiden. So erklärt sich auch, daß nur selten Ehen zwischen Söhnen und
Töchtern Alteingessener und Bergarbeitern geschlossen wurden. Obwohl in manchen
Zeiten mehr als die Hälfte der Einwohner Kappels Bergleute waren, stammte der
Bürgermeister stets aus bäuerlichen Verhältnissen. Der relativ hohe
Stimmenanteil der Kommunisten hingegen wurde den Bergarbeitern zugeordnet. Wenn Freiburg in diesem Jahr sein 875j"hriges Bestehen feiert, so meint Steiber, sollte nicht vergessen werden, daß der Bergbau entscheidend zum Wohlstand der Stadt beigetragen habe. Der Bau des Münsters wäre ohne die Silbererträge aus dem Schauinsland nicht möglich gewesen. Das dort gewonnene Silber wurde in Freiburg unter anderem zur Prägung von Münzen verwendet. Diese galten im Mittelalter wegen ihres hohen Silbergehaltes als begehrtes Zahlungsmittel. Während früher die Bergleute von Hofsgrund aus in den Berg einfuhren. Wurden im 1885 begonnenen modernen Bergbau die Eingänge nach Kappel, einem Ort mit direktem Anschluß an die Höllentalbahn, verlegt. Die Einstiege waren im oberen Kappler Tal am heute noch zugänglichen Leopoldsstollen und am 375 Meter niedriger gelegenen "Tiefen Stollen" beim Hercherhof. Auf einer fünf Kilometer langen Seilbahn, die das Kapplertal mehrfach querte, wurde das geförderte Material in die Erzwäscherei am nördlichen Ortsausgang transportiert. 40 Jahre sind nun also vergangen seit das Bergwerk seine Pforten schloß. Die letzten Bergleute sind heute stolz darauf, im größten Bergwerk des Schwarzwaldes gearbeitet zu haben. Es ist für sie nicht nur ein Arbeitsplatz sondern auch ein Stück ihres Lebens gewesen. Zum Andenken werden sie im kommenden Sommer das Angebot Steibers zu einer Besichtigung annehmen und nach vielen Jahren wieder einmal in den Stollen einfahren. Anita Hohler, Januar 1995
Bergwerkswagen beim Festumzug, Kappel Insgesamt 70 Gruppen teilweise mit Festwagen werden beim Festumzug am Sonntag Freiburgtypisches aus Vergangenheit und Gegenwart präsentieren. Darunter die einst selbstständige, vom Bergbau geprägte Gemeinde Kappel. Sie wird mit ihrem Festwagen an das ehemalige Silbergwerk im Schauinsland erinnern, dessen Geschichte im Jahre 1228 begann und 1954 endete. Besonders im Mittelalter hat das hier gewonnene Silber der Stadt Freiburg zu großem Wohlstand verholfen und ihr letztlich auch den Bau des Münsters ermöglicht. Später waren es vor allem Zink- und Bleierze, die von den Kappler Bergleuten zutage gefördert wurden. Mit dem Festwagen möchte der Ortsteil Kappel die Vergangenheit, die Gegenwart und eine mögliche Zukunft Bergwerks als Trinkwasserlieferant darstellen. Als Fahrzeug der Gegenwart wird der von der Forschergruppe Steiber im Bergwerk genutzte, 23 Tonnen schwere und neun Meter lange Muldenkipper an längst vergangene Zeiten erinnern. Auf einem insgesamt vier Meter hohen Aufbau ist ein, dem Original nachempfundener, Stollen des Schauinslandes zu sehen. Darin befinden sich ein 600 Liter fassender Förderwagen und ein druckluftbetriebener Wurfschaufellader, mit dem in früheren Zeiten das anfallende Gestein in die Förderwagen geladen wurde. Beide Arbeitsgeräte sind von von der Stolberger Zink AG von 1935 bis zur Schließung des Bergwerks eingesetzt worden. Das Gefährt wird von Kappler Bürgern, bekleidet mit der damaligen
Ausgehuniform der Bergleute, und von der Forschergruppe Steiber in ihrer
heutigen weiáen Arbeitskluft mit Helm und Grubenlampe eskortiert. Vor 20 Jahren
hat sich dieses passionierte Forscherteam auf ein großes Abenteuer, nämlich
auf die Freilegung des Stollens eingelassen. In unzähligen Arbeitsstunden
wurden inzwischen 20 von den geschätzten 100 Kilometern der unterirdischen
Gänge wieder zugänglich gemacht. Der Traum von der Errichtung eines
Museumsbergwerks ist in greifbare Nähe gerückt. Anita Hohler, 1996
Bergwerk - Russischer Zwangsarbeiter Suleikin kommt zurück Für ihn ging ein Wunschtraum in Erfüllung, und für Kappel kehrte mit
seinem Besuch ein Stück lebendige Geschichte zurück. 51 Jahre nach Kriegsende
besuchte der Russe Valentin Suleikin den Ort, in den er als 17 jähriger zur
Zwangsarbeit im Bergwerk deportiert worden war.
Die Arbeit bei unzureichender Ernährung war hart. Am schlimmsten jedoch, so
erzählt Suleikin, sei das Heimweh gewesen. Eine ebenfalls sehr schwere Zeit
verbrachte die Wirtin, des am Fuße des Bergwerks gelegenen Gasthauses
Lindenmatte. Ihr Mann war im Krieg. Ganz auf sich gestellt hatte die Mutter von
vier kleinen Kindern neben ihrer Gastwirtschaft auch noch einen kleinen
landwirtschaftlichen Betrieb zu versorgen. Nach einer Anfrage beim Lagerleiter
meldete sich der junge Valentin Suleikin bei ihr und bot seine Hilfe an. Ein
wahrer Glücksfall, wie Karoline Brunner später feststellte. Still und
bescheiden machte sich der fleißige Suleikin überall da nützlich, wo er
gebraucht wurde. Als Gegenleistung konnte er sich endlich einmal richtig satt
essen. In jeder freien Minute hielt er sich im Hause der Karoline Brunner auf,
die ihm in der Fremde ein Stück Heimat, mütterliche Zuwendung und Geborgenheit
vermittelte. Noch heute schwärmt Suleikin vom Weihnachtsfest, das er mit
Karoline Brunner, ihrem Vater und den Kindern verbringen durfte. Auch in Rußland waren die Leiden des Valentin Suleikin längst nicht zu Ende. In langen Verhören durch die sowjetische Spionagabwehr mußte er sich "einer ideologischen Prüfung" unterziehen und erst einmal beweisen, daß er kein Spion war, sondern lediglich als deportierter Zwangsarbeiter im Kappler Bergwerk gearbeitet hatte. Erst in den fünfziger Jahren, nachdem er seinen zweijährigen Militärdienst geleistet hatte, normalisierte sich auch das bewegte Leben des Valentin Suleikin. Er siedelte in einen kleinen Ort in der Nähe von Taschkent über, fand dort Arbeit in einer Kabelfarbik, baute sich ein Haus, heiratete und wurde Vater von drei Kindern. In all den Jahren, so Suleikin, habe er die Zeit in Deutschland nicht vergessen können und immer davon geträumt, eines Tages als freier Mensch nach Kappel zurckzukehren.1989 schließlich schrieb er einen Brief an das Rathaus von Kappel. Dieser kam nach sechsmonatigem Irrweg über sämtliche deutschen Orte mit dem Namen Kappel an der richtigen Adresse an. Suleikin bat in seinem Brief unter anderem um Unterlagen, die seinen Zwangsaufenthalt in Kappel bestätigten. Ortsvorsteher Groß wurde nach zweitätiger Suche im Keller des Rathauses
fündig und stieß auf die Akte Suleikin. So kam es, daß Suleikin, der schon
fast die Hoffnung aufgegeben hatte, doch noch eine Antwort aus Kappel erhielt.
Mit herzlichen Worten teilte ihm Ortsvorsteher Groß mit, daß viele der
Menschen, die ihm damals begegnet waren, unter ihnen auch Karoline Brunner, noch
am Leben sind. Sofort nahm Suleikin Kontakt zu seiner damaligen Wohltäterin
auf. In allen Briefen, so erzählt Karoline Brunner, habe Valentin seine große
Sehnsucht nach dem Schwarzwald und nach dem Dorf Kappel geschildert. Und
irgendwann stand für sie fest, daß sie dem Valentin, der so viel mitgemacht
habe, diese Reise in die Vergangenheit ermöglichen müsse. Anita Hohler, Juni 1996
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