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Zur Geschichte von Kappel im Tal - heute östlichster Vorort von Freiburg
 

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Kappel im Jahre 1925
 

 

 

Kappel - Ortsteil im Freiburger Osten 

Ebnet und Kappel, beide sind seit 1974 Ortsteile von Freiburg. Beide sind es nicht freiwillig geworden, es war eher „freiwilliger Zwang", erinnert sich der Kappler Ortsvorsteher Rudolf Groß. In Kappel fanden zwei Volksabstimmungen statt, die die Eingemeindung ablehnten. Um die Ortschaftsverfassung zu bekommen, stimmten sowohl der Kappler als auch der Ebneter Gemeinderat der Eingemeindung schlussendlich zu.

Heute ist die Eingemeindung kein Thema mehr, in Kappel wurde sie im vergangenen Jahr gefeiert. Und auch für Ebnet kann man im Rückblick sagen, - so Ortsvorsteher Hellmut Menner - dass der Ort mit der Eingemeindung nicht schlecht gefahren ist.

Erhaltung der dörflichen Strukturen
Mit der Ortschaftsverfassung blieben im Prinzip die Rathäuser der Orte erhalten und voll funktionsfähig. Die Bürger finden dort einen kommunalen Ansprechpartner vor Ort. Auch haben beide Ortsteile ihre eigenen Kindergärten, Grundschulen und Festhallen. Auf dieser Ebene werden dörfliche Strukturen also gewahrt. Doch droht von anderer Seite der dörfliche Charakter verloren zu gehen: das mittelständische Gewerbe geht mehr und mehr zurück. Zwar gibt es noch Geschäfte in beiden Orten, doch der tägliche Bedarf ist eben nicht immer vor Ort zu decken.

Das ist eine der schwierigsten Aufgaben beider Ortschaften: die Erhaltung der Infrastruktur. „Wir wollen nicht zum Schlafstadtteil von Freiburg verkommen", sagt Menner.

„Wünschenswert wäre für Ebnet ganz klar ein Lebensmittelmarkt. Doch der rechnet sich für große Ketten einfach nicht. Und das alte Mütterchen, das auf fußläufige Einkaufsmöglichkeiten angewiesen ist, hat keinen Platz in der Kalkulation großer Ketten", sinniert Menner.
Andererseits ist Groß davon überzeugt, dass die Bürger durch ihr Kaufverhalten darüber mit entscheiden, ob Geschäfte erhalten bleiben oder nicht.

Bevölkerungsentwicklung

Die Erhaltung der Infrastruktur hat auch mit der Bevölkerungsentwicklung zu tun. Die Einwohnerzahlen beider Ortsteile sinken.

Kappel ist ein besonderer Ortsteil Freiburgs. Die Gemarkung der früheren Gemeinde Kappel umfasste 1381 Hektar und erstreckte sich von den Kappler Talauen mit 338 m ü.d.M. bis hoch zum Schauinsland mit 1284 m ü.d.M.. Das sind rund 950 m Höhenunterschied. Diese landschaftlich reizvolle Lage und der dörfliche Charakter mit vielen wunderschönen Bauernhöfen und Mühlen tragen mit dazu bei, dass Kappel für Touristen attraktiv ist. Wo kann man schon in einer Stadt Ferien auf dem Bauernhof machen? In Kappel ist das möglich! Der Tourismus spielt für Kappel eine wichtige Rolle. Es gibt relativ viele Ferienwohnungen und Zimmer. Damit die Gäste sich auch wohlfühlen und problemlos wandern können, wurde erst in jüngster Zeit eine neue Wanderkarte entwickelt.

Etwas besonderes ist es auch, dass ein Ortsteil einer Stadt eigene Ortsteile hat. Kappel hat gleich drei: die Molzhofsiedlung, Neuhäuser und die Bahnhofssiedlung. Die Entwicklung dieser Ortsteile ist eng mit der Geschichte des Bergbaus in Kappel verbunden.

Kappel und der Bergbau

Der Bergbau prägte Kappel über Jahrhunderte hinweg. Die Anfänge des Bergbaus lassen sich nicht exakt bestimmen, gesichert ist aber, dass im Mittelalter Bergbau betrieben wurde. Die Geschichte des Bergbaus war keine kontinuierliche, sie war immer Schwankungen unterworfen.

Wurde der Bergbau beispielsweise im 18. Jahrhundert recht erfolgreich betrieben, musste er Anfang des 19. Jahrhunderts eingestellt werden.

Richtungsweisend war das Jahr 1876. Damals erwarb Freiherr von Roggenbach Schürfscheine für Kappler Halden und erweckte den Bergbau wieder zu neuem Leben. War bisher im Bergbau vor allem Blei und Silber interessant - Blei wurde für Verglasungen, Gewehr- und Kanonenkugeln gebraucht, Silber war Schmuck und Zahlungsmittel – setzte Freiherr von Roggenbach im beginnenden Industriezeitalter auf Zinkmetalle, die mehr und mehr gebraucht wurden. Der Bergbau florierte und brachte Arbeitsplätze ins Kappler Tal.

In jener Zeit wurde eine neue Erzwäsche in Neuhäuser eingerichtet. Die Erzwäsche lag quasi mit Gleisanschluss nahe an der Höllentalbahn. Damit die Erze nicht mehr mit Fuhrwerken vom Schauinsland gekarrt werden mussten, wurde ein Materialseilbahn erbaut. Sie war 5,3 km lang und überwand 650 Höhenmeter. Sie war lange Jahre Wahrzeichen von Kappel und prägend für das Ortsbild. Damals stieg übrigens die Stolberg Westfälische AG in den Kappler Bergbau mit ein.

Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert sanken die Erzpreise, der Bergbau geriet in eine Krise, erholte sich aber, als 1908 die Preise wieder stiegen. Nach dem ersten Weltkrieg jedoch sanken die Preise ins Bodenlose und der Bergbau war wieder ein Verlustgeschäft. Anfang der 20er Jahre boomte der Bergbau, aber 1928 wurde der gesamte Betrieb stillgelegt. Grund war der Weltmarkt. Der Konkurrenzkampf zwischen Amerika und Europa ließ die Preise wieder einmal sinken.

Ab Mitte der dreißiger Jahre lief der Abbau dann wieder auf vollen Touren. Gründe dafür waren der Rohstoffmangel im Dritten Reich und die hohe Arbeitslosigkeit, die Hitler beseitigen wollte. Mit Förderprämien wurde der Bergbau im ganzen Deutschen Reich angekurbelt. Zu dieser Zeit entstand oberhalb Kappels die Molzhofsiedlung als Bergmannssiedlung. Während Anfang des Jahrhunderts etwa 200 Arbeiter im Bergbau beschäftigt waren, fanden im Dritten Reich über 300 Bergleute dort Arbeit. Mit Beginn des zweiten Weltkrieg wurde die Erzgewinnung vorrübergehend zurückgefahren, weil die Männer zum Wehrdienst eingezogen wurden. Ein Ausgleich entstand erst, als Kriegsgefangene und später auch Zwangsarbeiter im Bergbau eingesetzt wurden. Im Jahr 1942 machten sie fast die Hälfte der Belegschaft aus. Sie waren in Elendsbaracken an der Brugga untergebracht. In der Kappler Ortschronik, in der dieses sensible Thema nicht ausgespart ist, heißt es: „Die Behandlung der Arbeitskräfte, insbesondere derjenigen aus dem slawischen Osten Europas, durch die Institutionen des Regimes war hart und rücksichtslos. ... auffällig gewordene Zwangsarbeiter (wurden) in Kirchzarten in Polizeigewahrsam genommen und menschenunwürdig behandelt." Doch gab es innerhalb der Bevölkerung auch einzelne, die versuchten den Kurs des Regimes zu unterlaufen und den Zwangsarbeitern Unterstützung zukommen ließen.

Nach dem Krieg wollte die französische Militärregierung sehr schnell die Wiederaufnahme des Bergbaus, der aufgrund von Arbeitskräftemangel darniederlag. 1946 wurde der Betrieb mit 52 Bergmännern wieder aufgenommen, zwei Jahre später waren es 276. Doch mit dem Beginn der 50er Jahre kam es zu Absatzschwierigkeiten. Die neu aufkommenden Kunststoffe drängten die Metalle vom Markt. 1954 wurde die Zeche endgültig stillgelegt.

Vom Bergbau selbst ist heute nur noch sehr wenig zu sehen. Doch auch heute noch beeinflusst er die Kommunalpolitik. So sind in Neuhäuser die Böden stark schwermetallbelastet. Schon jahrelang geht es darum, wie und wann die Böden der früheren Klärteiche saniert werden. Die Eigentümerin, die Stolberger Zink AG, möchte zwar sanieren, aber nur mit der Garantie, dass das sanierte Gelände dann auch bebaut werden kann – um die Sanierungskosten „refinanzieren" zu können. Die Stadt Freiburg jedoch will erst die Sanierung und dann die Freigabe der Fläche als Bauland. Die Katze beißt sich also in den Schwanz – und das schon seit Jahren.

Umweltbelastung durch den Bergbau war übrigens auch vor 250 Jahren schon ein Thema: Pochwässer, die giftige Bestandteile enthielten und über Wiesen geleitet wurden „und dem Boden und dem Vieh schadeten", waren den Bauern schon damals ein Dorn im Auge, wie eine Beschwerde eines Kappler Bauern an ihren Oberrieder Amtmann um 1754 herum belegt. Daraufhin wurde das Wasser durch mehrere Sümpfe geleitet, die die schädlichen Bestandteile herausfiltern sollten. Außerdem wurde vereinbart, dass die Bauern an Sonn- und Feiertagen ihre Matten wässern, dann, wenn die Poche stillsteht. Außerdem verpflichtete sich das Bergwerk, während der Hauptwässerungszeit im Frühjahr, Sommer und Herbst jeweils zwei Wochen lang nicht zu pochen.

In Kappel steht in nächster Zeit die Neugestaltung des Rathaus-Vorplatzes an. Dort soll an die Bergwerks-Vergangenheit erinnert werden mit zwei Loren, die jetzt schon dort stehen.

Kappel spezial

Kappel - ein besonderer Ortsteil: Kappel hat ein eigenständiges Standesamt. Dort finden nicht nur Trauungen statt, dort werden auch Geburten registriert. Aber wenn in Kappel Geburten registriert werden, dann müssen es schon Hausgeburten sein. In diesem Jahr sind es immerhin schon fünf. Das ist im Vergleich mit anderen Kommunen sehr viel. Ob das an der Kappler Luft liegt – was Ortsvorsteher Groß dazu spontan einfällt – oder ob in Kappel besondere Menschen wohnen – was Amtsleiter Engler vermutet?

Quelle: Serie "Dorf 2000" von Dagmar Engesser, Der Dreisamtäler, 30.11.2000, S. 10

   

 

 

 

 

Bergwerk - über 850 Jahre alte Geschichte

Außer einem Bergmannsbrunnen vor dem alten Rathaus erinnert in Kappel nicht mehr viel an die 850 Jahre alte Geschichte des Bergwerks im Schauinsland, aus dem schon im zwölften Jahrhundert Silber zutage gefördert wurde. Der Bergbau hat im landschaftlich reizvollen, heutigen Stadtteil von Freiburg kaum Spuren hinterlassen. Und dies obwohl die Zeiten, in denen die Hälfte der Kappler Bürger ihren Lebensunterhalt im Bergwerk verdiente, noch gar nicht so lange vorbei sind. Vor kurzem kehrte mit dem Treffen der letzten Bergleute des Kappler Stollens ein Stück Vergangenheit in das ehemalige Bergmannsdorf am Fuße des Schauinslandes zurück. 40 Jahre nach der Schließung des Bergwerks sind 60 ehemalige in ganz Deutschland verstreut lebende Bergarbeiter dem Aufruf des Ortsvorstehers Rudolf Groß und der Forschergruppe Steiber gefolgt und haben sich im Gasthaus Adler zu einem Wiedersehen eingefunden.
Die Jüngsten von ihnen sind heute 55 Jahre alt und hatten damals gerade ihre Bergmannslehre begonnen. Die Ältesten blicken inzwischen auf 85 Lebensjahre zurück. 250 Bergleute waren betroffen, als am 31.Oktober 1954 die Stolberger Zink AG die Förderung von Blei- und Zinkerz einstellte. Doch damals, in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, fanden die als gute Arbeitskräfte geschätzten Bergleute sehr schnell wieder Arbeit in anderen handwerklichen Berufen. Einzig die Steiger und das Management wurden anderswo in Bergwerken der Stolberger Zink AG weiterbeschäftigt.

Obwohl in den dreißiger Jahren und zu Zeiten des zweiten Weltkrieges über 400 Bergleute in die Schauinsland Grube einfuhren und kurz vor ihrer Schließung noch täglich 180 Tonnen Erz zutage förderten, sind noch 50 Prozent der Erze im Berg vorhanden. Ein weiterer Abbau sei heute allerdings nicht mehr rentabel, meinte Berthold Steiber, der sich mit seiner Forschungsgruppe seit Jahren intensiv mit dem Stollen beschäftigt. Nachdem in früheren Jahren zuerst Silber, dann Blei und Zink abgebaut wurden, könnte heute das Trinkwasser zum begehrten Rohstoff des Schauinslands werden. Dies wird derzeit im Rahmen eines vom Landratsamt Freiburg durchgeführten hydrogeologischen Gutachtens geprüft.

Mit zwei Lichtbildvorträgen ließ Berthold Steiber bei den Bergleuten alte Erinnerungen wach werden. Sie waren vor allem erstaunt darüber, wie gut die Stollen heute noch erhalten sind. Viele von ihnen erkannten besonders markante Stellen im Bergwerk wieder. überrascht zeigten sie sich über die von der Forschergruppe Steiber eingesetzte Bergbautechnik. Moderne Lademaschinen erledigen heute in kurzer Zeit das, wozu früher die Bergleute in mühevoller Plackerei Stunden gebraucht haben.

Die Bergleute Kappels waren ein aus ganz Deutschland kommendes bunt- zusammengewürfeltes Völkchen. Sie bewohnten die in den dreißiger Jahren errichtete Bergarbeitersiedlung Molzhof. Die Beziehungen zu den Kappler Bürgern gestalteten sich nicht immer harmonisch. Spannungen zwischen den bedächtigen Schwarzwaldbauern und den etwas leichtlebigeren Bergleuten ließen sich nicht vermeiden. So erklärt sich auch, daß nur selten Ehen zwischen Söhnen und Töchtern Alteingessener und Bergarbeitern geschlossen wurden. Obwohl in manchen Zeiten mehr als die Hälfte der Einwohner Kappels Bergleute waren, stammte der Bürgermeister stets aus bäuerlichen Verhältnissen. Der relativ hohe Stimmenanteil der Kommunisten hingegen wurde den Bergarbeitern zugeordnet.

Wenn Freiburg in diesem Jahr sein 875j"hriges Bestehen feiert, so meint Steiber, sollte nicht vergessen werden, daß der Bergbau entscheidend zum Wohlstand der Stadt beigetragen habe. Der Bau des Münsters wäre ohne die Silbererträge aus dem Schauinsland nicht möglich gewesen. Das dort gewonnene Silber wurde in Freiburg unter anderem zur Prägung von Münzen verwendet. Diese galten im Mittelalter wegen ihres hohen Silbergehaltes als begehrtes Zahlungsmittel.

Während früher die Bergleute von Hofsgrund aus in den Berg einfuhren. Wurden im 1885 begonnenen modernen Bergbau die Eingänge nach Kappel, einem Ort mit direktem Anschluß an die Höllentalbahn, verlegt. Die Einstiege waren im oberen Kappler Tal am heute noch zugänglichen Leopoldsstollen und am 375 Meter niedriger gelegenen "Tiefen Stollen" beim Hercherhof. Auf einer fünf Kilometer langen Seilbahn, die das Kapplertal mehrfach querte, wurde das geförderte Material in die Erzwäscherei am nördlichen Ortsausgang transportiert.

40 Jahre sind nun also vergangen seit das Bergwerk seine Pforten schloß. Die letzten Bergleute sind heute stolz darauf, im größten Bergwerk des Schwarzwaldes gearbeitet zu haben. Es ist für sie nicht nur ein Arbeitsplatz sondern auch ein Stück ihres Lebens gewesen. Zum Andenken werden sie im kommenden Sommer das Angebot Steibers zu einer Besichtigung annehmen und nach vielen Jahren wieder einmal in den Stollen einfahren.

Anita Hohler, Januar 1995

     

 

Bergwerkswagen beim Festumzug, Kappel

Insgesamt 70 Gruppen teilweise mit Festwagen werden beim Festumzug am Sonntag Freiburgtypisches aus Vergangenheit und Gegenwart präsentieren. Darunter die einst selbstständige, vom Bergbau geprägte Gemeinde Kappel. Sie wird mit ihrem Festwagen an das ehemalige Silbergwerk im Schauinsland erinnern, dessen Geschichte im Jahre 1228 begann und 1954 endete.

Besonders im Mittelalter hat das hier gewonnene Silber der Stadt Freiburg zu großem Wohlstand verholfen und ihr letztlich auch den Bau des Münsters ermöglicht. Später waren es vor allem Zink- und Bleierze, die von den Kappler Bergleuten zutage gefördert wurden. Mit dem Festwagen möchte der Ortsteil Kappel die Vergangenheit, die Gegenwart und eine mögliche Zukunft Bergwerks als Trinkwasserlieferant darstellen. Als Fahrzeug der Gegenwart wird der von der Forschergruppe Steiber im Bergwerk genutzte, 23 Tonnen schwere und neun Meter lange Muldenkipper an längst vergangene Zeiten erinnern. Auf einem insgesamt vier Meter hohen Aufbau ist ein, dem Original nachempfundener, Stollen des Schauinslandes zu sehen. Darin befinden sich ein 600 Liter fassender Förderwagen und ein druckluftbetriebener Wurfschaufellader, mit dem in früheren Zeiten das anfallende Gestein in die Förderwagen geladen wurde. Beide Arbeitsgeräte sind von von der Stolberger Zink AG von 1935 bis zur Schließung des Bergwerks eingesetzt worden.

Das Gefährt wird von Kappler Bürgern, bekleidet mit der damaligen Ausgehuniform der Bergleute, und von der Forschergruppe Steiber in ihrer heutigen weiáen Arbeitskluft mit Helm und Grubenlampe eskortiert. Vor 20 Jahren hat sich dieses passionierte Forscherteam auf ein großes Abenteuer, nämlich auf die Freilegung des Stollens eingelassen. In unzähligen Arbeitsstunden wurden inzwischen 20 von den geschätzten 100 Kilometern der unterirdischen Gänge wieder zugänglich gemacht. Der Traum von der Errichtung eines Museumsbergwerks ist in greifbare Nähe gerückt.

In Absprache mit der Ortsverwaltung oblag der Forschergruppe Steiber die Planung und Gestaltung des Festwagens. Bei der Ausführung wurde sie von der Narrenzunft, dem Gesangverein und dem Landfrauenverein Kappel unterstützt. Die künstlerische Gestaltung übernahm der einheimische Künstler Benedict Schaufelberger.

Anita Hohler, 1996

     

 

Bergwerk - Russischer Zwangsarbeiter Suleikin kommt zurück

Für ihn ging ein Wunschtraum in Erfüllung, und für Kappel kehrte mit seinem Besuch ein Stück lebendige Geschichte zurück. 51 Jahre nach Kriegsende besuchte der Russe Valentin Suleikin den Ort, in den er als 17 jähriger zur Zwangsarbeit im Bergwerk deportiert worden war.
"Meine Rückkehr nach Kappel ist gekennzeichnet von tiefer Dankbarkeit und von der Freude über das Wiedersehen mit Menschen, die mir in den schwersten Jahren meines Lebens geholfen haben" sagt Suleikin in seiner blumigen Sprache.
Auf den Spuren der Vergangenheit hat der Mann mit dem phänomenalen Namensgedächtnis all jene aufgesucht, die ihm damals das schwere Leben in Kappel etwas erleichtert haben. Auf langen Spaziergängen besuchte er die ihm bekannten Bauernhöfe und erfreute sich an der Landschaft, die ihn schon vor 50 Jahren fasziniert und sich tief in seine Erinnerung eingegraben hat.
Viele Stunden verbrachte Suleikin auf dem Friedhof. Er suchte das Grab seines Kameraden Iwan, der die schwere Zeit in Kappel nicht überlebt hat. Am Tag der Befreiung, die Franzosen sind bereits in Freiburg einmarschiert, so erzählt Suleikin mit bewegten Worten, ist Iwan im Stollen tödlich verunglückt. Die Suche nach seinem Grab blieb jedoch erfolglos. Niemand konnte ihm sagen, wo der junge Mann damals beerdigt wurde. In der Überzeugung, daß dies auf dem Kappler Friedhof geschehen ist, nahm Suleikin fünf Kieselsteine mit. Er wird sie der in der Ukraine lebenden Familie seines Kameraden übersenden. Valentin Suleikin war gerade 17 Jahre alt, als im Jahre 1941 die russische Miliz im Auftrag der deutschen Besatzungsmacht die jungen Männer seines Wohnortes Baschtana in der Ukraine aus den Häusern holte, um sie, wie es damals hieß, in Deutschland zu "Fachkräften" ausbilden zu lassen. Daß dies nichts Gutes bedeuten konnte, sei ihm sofort klar gewesen, erzählt Suleikin.


Eine Verweigerung wäre jedoch einem Todesurteil gleichgekommen. Nach sechswöchiger Reise mit vielen Zwischenstationen kam er mit seinen Kameraden in Kappel an. In zwei Lager aufgeteilt, mußten hier rund 300 Ukrainer für die hehren Ideen des tausendjährigen Reiches im Bergwerk Eisenerze zutage fördern. Die Arbeit im Stollen war für Suleikin aufgrund seiner schwächlichen Konstitution viel zu schwer, und so wurde er in der Erzaufbereitungsanlage über Tage beschäftigt. Das gewonnene Eisenerz wurde in Handarbeit in die Waggons geladen und in der Nacht vom Kappler Bahnhof aus zur Weiterverarbeitung nach Essen und Kassel transportiert.

Die Arbeit bei unzureichender Ernährung war hart. Am schlimmsten jedoch, so erzählt Suleikin, sei das Heimweh gewesen. Eine ebenfalls sehr schwere Zeit verbrachte die Wirtin, des am Fuße des Bergwerks gelegenen Gasthauses Lindenmatte. Ihr Mann war im Krieg. Ganz auf sich gestellt hatte die Mutter von vier kleinen Kindern neben ihrer Gastwirtschaft auch noch einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb zu versorgen. Nach einer Anfrage beim Lagerleiter meldete sich der junge Valentin Suleikin bei ihr und bot seine Hilfe an. Ein wahrer Glücksfall, wie Karoline Brunner später feststellte. Still und bescheiden machte sich der fleißige Suleikin überall da nützlich, wo er gebraucht wurde. Als Gegenleistung konnte er sich endlich einmal richtig satt essen. In jeder freien Minute hielt er sich im Hause der Karoline Brunner auf, die ihm in der Fremde ein Stück Heimat, mütterliche Zuwendung und Geborgenheit vermittelte. Noch heute schwärmt Suleikin vom Weihnachtsfest, das er mit Karoline Brunner, ihrem Vater und den Kindern verbringen durfte.
Suleikin erinnert sich noch gut an die Dramatik der Bombennacht in Freiburg und an die Menschen, die auf ihrer Flucht aus der brennenden Stadt mit Fuhrwerken und Handwagen durch Kappel zogen. Auch für Suleikin sollten noch schwerere Zeiten kommen. Im Januar 1945 wurde er in das Konzentrationslager nach Oberndorf gebracht. Dort erinnerte er sich in seinen dunkelsten Stunden daran, daß Karoline Brunner ihm einmal geraten hatte, sich in die Schweiz abzusetzen. Und schließlich gelang ihm die Flucht. Nach nach zweitägigem Fußmarsch erreichte er die Schweizer Grenze. Dort wurde ihm Asyl gewährt, bis er sechs Monate nach Kriegsende in die Heimat zurückkehren konnte.

Auch in Rußland waren die Leiden des Valentin Suleikin längst nicht zu Ende. In langen Verhören durch die sowjetische Spionagabwehr mußte er sich "einer ideologischen Prüfung" unterziehen und erst einmal beweisen, daß er kein Spion war, sondern lediglich als deportierter Zwangsarbeiter im Kappler Bergwerk gearbeitet hatte. Erst in den fünfziger Jahren, nachdem er seinen zweijährigen Militärdienst geleistet hatte, normalisierte sich auch das bewegte Leben des Valentin Suleikin. Er siedelte in einen kleinen Ort in der Nähe von Taschkent über, fand dort Arbeit in einer Kabelfarbik, baute sich ein Haus, heiratete und wurde Vater von drei Kindern. In all den Jahren, so Suleikin, habe er die Zeit in Deutschland nicht vergessen können und immer davon geträumt, eines Tages als freier Mensch nach Kappel zurckzukehren.1989 schließlich schrieb er einen Brief an das Rathaus von Kappel. Dieser kam nach sechsmonatigem Irrweg über sämtliche deutschen Orte mit dem Namen Kappel an der richtigen Adresse an. Suleikin bat in seinem Brief unter anderem um Unterlagen, die seinen Zwangsaufenthalt in Kappel bestätigten.

Ortsvorsteher Groß wurde nach zweitätiger Suche im Keller des Rathauses fündig und stieß auf die Akte Suleikin. So kam es, daß Suleikin, der schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, doch noch eine Antwort aus Kappel erhielt. Mit herzlichen Worten teilte ihm Ortsvorsteher Groß mit, daß viele der Menschen, die ihm damals begegnet waren, unter ihnen auch Karoline Brunner, noch am Leben sind. Sofort nahm Suleikin Kontakt zu seiner damaligen Wohltäterin auf. In allen Briefen, so erzählt Karoline Brunner, habe Valentin seine große Sehnsucht nach dem Schwarzwald und nach dem Dorf Kappel geschildert. Und irgendwann stand für sie fest, daß sie dem Valentin, der so viel mitgemacht habe, diese Reise in die Vergangenheit ermöglichen müsse.

Mit Hilfe ihrer Kinder ist ihr dies nun geglückt. Suleikin selbst war zunächst überwältigt von dem großzügigen Angebot. Doch dann kam plötzlich auch Angst auf, dieser Vergangenheit, die ihn auch heute noch mit Angstträumen aus dem Schlaf schreckt, wieder zu begegnen. Erst als ihn auch seine Familie dazu ermunterte und ihm seine Tochter das Flugticket für die erste Etappe bis Moskau schenkte, nahm er die Einladung an.

Vor 14 Tagen landeten Suleikin auf dem Flughafen in Frankfurt und wurde dort von Heinz-Udo Wegehaupt, dem Dolmetscher, der bislang alle seine Brief übersetzt hatte, abgeholt und während der ersten Tage begleitet. Der schönste Moment für ihn war jedoch die Ankunft in Kappel, als er Carolina Brunner in die Arme schließen konnte. Liebevoll umsorgt von ihrer Familie, lebt die betagte Karoline Brunner auch heute noch in den Räumlichkeiten des ehemaligen Gasthauses Lindenmatte. Suleikin erzählte, daß sich die Medien in Taschkent bereits im Vorfeld für seine Deutschlandreise interessiert hätten und er nach seiner Rückkehr im usbekischen Fernsehen über seine Erlebnisse in Deutschland berichten werde. 

Der gesamte Briefwechsel mit Ortsvorteher Groß und Karoline Brunner befindet sich im republikanischen Museum von Taschkent und soll dort im Rahmen einer zeitgeschichtlichen Ausstellung als Demonstrationsmaterial dienen. Als Mitarbeiter des Wohltätigkeitfonds für usbekische Kinder hofft Suleikin, einen Schüleraustausch zwischen Freiburg und Taschkent ins Leben zu Die Behörden von Taschkent werden sich mit diesem Anliegen noch persönlich an Ortsvorsteher Groß wenden. Inzwischen ist Suleikin nach einem bewegten Abschied wieder nach Rußland zurückgekehrt. Die Verbindung nach Kappel, dessen sind sich alle Beteiligten sicher, wird weiterhin bestehen bleiben und in Zukunft noch mehr intensiviert werden. Suleikin selbst glaubt, daß er mit dieser Reise seine Vergangenheit endgültig bewältigt hat und in Zukunft wieder besser schlafen kann.

Anita Hohler, Juni 1996

     

 

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