Schwarzwald für Ehrenamtliche, Geschäftige und Erholungssuchende - Volunteering, Business and Holidays in the Black Forest


Information zu Jerusalem
und Abraham's House in Beit Jala
 

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Latin Patriarchate Jerusalem - Christmas-Message 2004

Weihnachten 2004. Wieder hören und reden wir von Engeln, die Frieden verkünden.Für uns in Deutschland ist das leicht gesagt. In der Anlage befindet sich die Weihnachtspredigt, die in Betlehem gehalten wurde. Der lateinische Patriarch Michel Sabbah, selbst Palästinenser, spricht klar und eindringlich von einem Frieden, der ausgerechnet dort, wo er verkündet wurde, weiter entfernt schein als sonst irgendwo.
Mit diesem Gruß will ich frohe Weihnachten
Und Frieden auf Erden wünschen.
Herzliche Grüße Christof Heimpel aus Heidelberg, 23.12.2004
c.heimpel@bonifatius-hd.de 

„Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen.“ (Psalm 85, 9)
Gesegnete und Frohe Weihnachten allen, die Frieden und Gerechtigkeit in diesem Heiligen Land suchen. Mögen Friede und Freude von Weihnachten unsere Herzen und Gedanken erfüllen. „Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen.“ (Psalm 85, 9)
Wir feiern Weihnachten, und wir frohlocken, um dadurch unsere Energie zu erneuern, Geduld zu lernen und die Mächte des Bösen in unserem Land zu besiegen. Wenn wir Weihnachten feiern, beten wir, wir beten mehr denn je, wir fasten und reinigen unsere Herzen und unsere Absichten, damit wir erfüllt werden von der Heiligkeit, dem Leben, der Liebe und der Geistesstärke, die wir brauchen, um den Frieden aufzurichten, der so schwer, wenn nicht gar unmöglich zu erreichen ist.
Zu dieser Zeit scheint es ja Aussichten auf Frieden zu geben. Wir sind voll Hoffnung, das der Fride tatsächlich kommen wird, nach so vielen Gebeten, nach so vielen Opfern an Menschenleben, so vielen Tränen und so viel Leiden. Wir hoffen, dass die politischen Führer den nötigen Mut haben, einen fairen und endgültigen Frieden zu schließen und die schmerzlichen Opfer zu akzeptieren, die das für sie selbst oder ihre Völker mit sich bringen wird.
Jeder von uns hat sicherlich Lehren gezogen aus der Gewalt der Vergangenheit, die das Antlitz Gottes zerstört hat, sowohl in den Gewalttätern als auch in ihren Opfern, sowohl in den Unterdrückern als auch in den Unterdrückten. Obwohl es in den vergangenen Jahren viele Opfer gab, viel Angst, viele zerstörte Wohnhäuser, und viel verwüstetes Ackerland, stehen wir immer noch an dem selben Punkt. Die Israelis suchen immer noch nach Sicherheit, und die Palästinenser sehnen sich immer noch nach einem Ende der Besatzung, nach ihrer Freiheit und ihrer Unabhängigkeit. Doch beide Völker haben ihre Bestimmung darin, in Frieden miteinander zu leben. Das ist unsere Überzeugung, und wir glauben dass das weiterhin möglich ist.
Wie auch immer, die Menschen müssen befreit werden von Angst und man muss ihnen Gründe für Hoffnung geben. Es ist die Rolle der Verantwortlichen, diesen Prozess zu ermöglichen. Palästinensische Führer bereiten sich jetzt in großer Ruhe auf ihre Wahlen vor und haben Pläne für den Frieden angenommen. Die israelischen Verantwortlichen sind eingeladen, entsprechend zu handeln, indem sie ihren militärischen Interventionen ein Ende setzen, den Bau der Mauer stoppen sowie die Jagd auf gesuchte Personen beenden, die nur die Zahl der Gefangenen und der Toten erhöht. Der Friede darf keine Geisel derer bleiben, die immer noch Gewalt als Mittel betrachten, um Gerechtigkeit und Frieden zu erreichen.
Die „Trennungsmauer“ wird niemals wirklich trennen oder schützen. Ganz im Gegenteil, sie bringt nur immer mehr Hass, Unkenntnis der anderen und dadurch Feindseligkeit den anderen gegenüber, und dann, als eine weitere Folge, Gewalt und Unsicherheit. Was notwendig ist, das ist, in aller Bescheidenheit, eine Suche nach den Ursachen, die der Gewalt zu Grunde liegen. In aller Bescheidenheit und Ernsthaftigkeit gilt es, die Schreie der Armen und Unterdrückten zu hören. Ein Ende der Unterdrückung und der Erniedrigung der Palästinenser würde im gleichen Moment auch der Angst und Unsicherheit der Israelis ein Ende setzen. Und es würde auch denen eine Grenze setzen, die die Unterdrückung und die Armut ausnützen.
Die „Trennungsmauer“ wird keine sicheren Grenzen bringen. Das können nur freundliche Herzen erreichen. Mit freundlichen Herzen werden alle Grenzen reine Symbole, und sie werden verschwinden angesichts des Lebens und der Freude, die aufkommen, wenn man in Frieden und Geschwisterlichkeit zusammen leben kann.
Religiöse Führer haben eine doppelte Rolle in dieser Zeit: weiterhin auf Gerechtigkeit und der Würde der menschlichen Peron zu bestehen, auf Sicherheit und einem Ende der Unterdrückung. Aber zugleich müssen sie auch die Wege zum Frieden aufzeigen. Keines der beiden Völker ist dazu verdammt, weiterhin seine Jugend dem Tod auszuliefern. Beide Völker haben den Wunsch und das Recht, ihre jungen Leute leben zu sehen wie ihre Altersgenossen anderswo in der Welt. Die Israelis sind nicht dazu verdammt, ewig in Unsicherheit und Krieg zu leben. Und ebenso sind die Palästinenser nicht dazu verdammt, auf Ewigkeit damit zu leben, dass ein Ende der Besatzung erbitten und weiter auf der Straße in den Tod sind.
Wir haben das Leben gesehen und wir haben gehört, was der Herr sagt. „Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen.“ (Psalm 85, 9) Das ist die christliche Bedeutung von Weihnachten: Das Wort Gottes ist in die Welt eingetreten und hat uns Leben gebracht. Weihnachten ist ein Versprechen von Leben, Freude und Würde in der Gegenwart Gottes, der unser Land als seine Wohnstatt erwählt hat: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen“ (Joh 1, 18.16). Allein in dieser Perspektive und in der Gegenwart Gottes kann der Friede Jerusalems und des Heiligen Landes hergestellt werden.
Ich wünsche allen Gesegnete Weihnachten
Michel Sabbah, Patriarch, 20.12.2004

  

 

"I am listening. What is God's message? God's message is peace for his people, for his faithful, if only they renounce their folly" (Ps 85, 9).
A Blessed and Joyous Christmas to all who seek peace and justice in this Holy Land. May the peace and joy of Christmas fill your hearts and minds. With all of you, and with the psalmist, "I am listening. What is God's message? God's message is peace for his people, for his faithful, if only they renounce their folly" (Ps 85, 9).
We celebrate Christmas and we rejoice so as to renew our energies, learn patience, and conquer the forces of evil in our land. As we celebrate Christmas, we pray, we pray more than ever, we fast, and we purify our hearts and our intentions so that we might be filled with
the holiness, life, love, and strength of spirit that are needed to build the peace that seems so difficult, if not impossible, to attain.
At this time, there seem to be prospects of peace. We are hopeful that peace will indeed come about, after so many prayers, so many lives sacrificed, so many tears, and so much suffering. We hope that the political leaders will have the courage needed to sign a just and definitive peace and to accept the painful sacrifices this might entail either for themselves personally or for their people.
Each one of us has surely drawn lessons from the past violence that has destroyed the image of God in both the perpetrators and the victims, the oppressors and the oppressed. Though, in recent years, there have been many victims, much fear, many homes demolished, and much agricultural land devastated, we are still at the same point. Israelis are still looking for security, and Palestinians are still yearning for an end to the occupation, for their freedom and for their independence.
Yet, both peoples are destined to live together in peace. This is our conviction, and we believe that it remains possible.
However, the people must be freed from fear and given reasons to hope. It is the role of the leaders to facilitate this process. Palestinian leaders are now preparing for their elections with great calm and have adopted plans for peace. Israeli leaders are invited to do likewise by putting an end to their military interventions and by stopping the construction of the wall as well as the hunt for the wanted, which only increases the number of prisoners and dead. Peace cannot be held hostage to those who still see violence as a means of obtaining justice and peace.
For its part, the wall of separation will really never separate or protect. Quite to the contrary, it will only increase hate, ignorance of the other, and, therefore, hostility toward the other and, as a further consequence, violence and insecurity. What is needed is a search, in all humility, for the underlying causes of the violence. In all humility and sincerity, the cries of the poor and the oppressed must be heard. Ending the oppression and the humiliation of the Palestinians would at the same time put an end to the fear and insecurity of the Israelis. It would also put an end to those who are exploiting the attendant oppression and the poverty.
The wall of separation will not produce secure borders. Only friendly hearts can produce them. With friendly hearts, all borders will become pure symbols and disappear before the life and joy that will come from being able to live in peace and fraternity.
Religious leaders have a double role at this time: to continue insisting on justice, on the dignity of the human person, on security, and on the end to occupation. But at the same time, they must point out the paths to peace. Neither of the two peoples is condemned to continue offering up its youth to death. Each one has the desire and the right to see its young people live like their counterparts elsewhere in the world. The Israelis are not condemned to live eternally in insecurity and war. Likewise, the Palestinians are not condemned to live eternally asking for an end to the occupation and to remain on the road to death.
We have seen the life and we have heard what says the Lord. God says “peace for his people, for his faithful, if only they renounce their folly" (Ps 85, 9). The Christian significance of Christmas is this: the Word of God has made his entrance into the world and has brought us life. Christmas is a promise of life, joy, and dignity in the presence of God who has chosen our land to be his dwelling: “No one has ever seen God. It is the only Son, who is close to the Father’s heart, who has made him known. From his fullness we have all of us received” (Jn 1,18.16). Only in this perspective and in the presence of God can the peace of Jerusalem and of the Holy Land be built.
To all, a Blessed Christmas
filled with Peace, Justice and Joy.

+ Michel Sabbah, Patriarch Jerusalem, 20.12.2004

  

 

Israelische Band in Denzlingen - Die Mauer muß weg

DENZLINGEN. "Der Sicherheitszaun und die Mauer zwischen palästinensischen und israelischen Gebieten bringt keine Sicherheit." Vielmehr trenne der Zaun die Menschen nur noch mehr, die doch gerade das friedliche Miteinander einüben müssen. Für die sechs Mitglieder der israelischen Hardcorepunk-Band "Nikmat Olalim", die im Denzlinger Jugendzentrum an einer Diskussionsrunde teilnahmen, steht fest: "Die Mauer muss weg."

Rund 30 jugendliche Gäste folgten der Einladung in das autonome Jugendzentrum zu einer Diskussion über den Palästinakonflikt mit den direkt betroffenen Musikern. Zu Beginn zeigten sie einen Film über eine Aktion, bei der israelische Demonstranten von palästinensischer Seite aus ein verschlossenes Tor im Zaun mit Drahtschneidern und anderen Gegenständen zu öffnen versuchten. Ihnen gegenüber standen israelische Soldaten und die Situation eskalierte. Die Soldaten schossen auf die Demonstranten in Masha, was internationales Aufsehen erregte.
"Die Mauer und der Zaun halten keine Selbstmordattentäter ab von ihren Plänen", sind sich die Israelis sicher. Wer einen Weg finden wolle, finde ihn auch durch diese Barrieren. Vielmehr erzeugten sie Terror, der auf Hoffnungslosigkeit gedeihe, denn durch die Trennungen würde das Leben für die Palästinenser noch schwieriger. "Menschen werden von ihrer Arbeit getrennt, Bauern von ihren Felder", erklärt Eran Razgour. Die Menschen in diesen Städten und Gemeinden hätten keine Zukunftschancen. .....
Hindernis auf diesem Weg sei die tägliche Propaganda auf beiden Seiten. Mitverantwortung für die Verschärfung des Konflikts in den Köpfen sehen die Israelis auch bei den israelischen und arabischen Medien. Aber auch in der westlichen Welt werde nicht ausgewogen berichtet. "Wenn ich mein eigenes Land nicht kritisch hinterfragen darf, hat es keine Chance, sich weiterzuentwickeln", erklärt Eran Razgour auf den Vorwurf von "Anti-Deutschen", die Musiker würden antisemitische Gedanken verbreiten. Manche Konzertveranstalter hätten deswegen Bedenken gehabt. "Wir sind jedoch keineswegs antisemitisch, sondern verstehen uns als antizionistisch", so Eran Razgour.
Ihr Protest richte sich nicht gegen die Juden sondern die aktuelle Politik Israels, die sich dadurch selbst disqualifiziere. "Demokratie kann nicht auf den Körpern von Demonstranten gebaut werden", so ein Slogan der Gruppe. "Es wäre so wichtig, wenn es in der israelischen Politik einmal um Bildungs- oder Wirtschaftsfragen gehen würde und nicht alles von der Haltung gegenüber den Palästinensern dominiert wäre", wünscht sich Eran Razgour.

Alles vom 6.11.2004 auf www.bzol.de lesen

  

 

Über Jassir Arafat - von Wolf Biermann

Welttheater in der "Tagesschau". Der palästinensische Überlebenskünstler im Kampfanzug ist wirklich
todkrank? Der unsterbliche Gaukler liegt wahrhaftig im Sterben?

Na hoffentlich und in echt! Mich soll es freuen. Arafat hat den terroristischen Bösewicht lange genug gespielt. Aber wer hat eigentlich das miserable Stück geschrieben? Etwa Gott? Etwa ein Jude? Ein Moslem? Und welcher Teufel führt Regie? Jassir Arafat, der zittrige Operettenbuffo aus dem blutigen Märchen "Tausend-und-eine-Dummheit", nun tritt er ab. Also entwerfe ich schon mal einen mehr theatralisch gestylten Nachruf.  Arafat, er wurde seit seinem Debüt als Neffe des Hitler-Verbündeten und Großmuftis von Jerusalem (Hadsch Amin Al Husseini) und als nazibegeisterter Offiziersschüler in Ägypten ein Schmierenschauspieler im Rampenlicht der Weltpolitik. Arafat, ein gestandener Todfeind des palästinensischen Volkes, spielt nun seine letzte Rolle. Arafat, der chaotische Massenmörder, kippt im Kämpferkostüm eines Freiheitshelden hinter die Kulissen. Jassir, der totalitäre Hitler-Fan, stürzt durch die Falltür im Bühnenboden in die Hölle, wo Adolf und Josef auf ihn warten. Arafat, der possenreißerische Verwandlungskünstler, wird beim zahlenden Pack in Europa keinen Lacher
und keinen Euro mehr abstauben. Arafat wird in den Letzten Tagen der Menschheit im Rampenlicht keine abgeschmackte Pointe mehr loswerden. Ein verkitschter Kleindarsteller stirbt endlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Nein: die ja die Welt sind, denn er hat Rabin ins Messer laufen lassen
und Bill Clinton übertölpelt. Er hat nur Unglück über die Menschen im uralten Streit um Palästina gebracht.
Er liegt also im Sterben. Das muß allerdings im wirklichen Leben für die Araber und für die Juden, muß für die glotzende Welt im Parkett und in den Logen nicht unbedingt etwas Gutes bedeuten, geschweige denn eine Katharsis. Die Konstellation im Nahen Osten ist heillos irrational, die Kontrahenten
so verzweifelt fanatisch und so kalt berechnend, so stocknüchtern besoffen von inkommensurablen Illusionen. So schrecklich, wie es in Palästina unter Arafat war, so schlimm kann es nicht bleiben? Stimmt! Es kann allerdings schlimmer werden. Deswegen hatten die unterdrückten Völker schon immer
lebenskluge Angst davor, eien verhaßten König zu verlieren, denn der neue könnte noch verheerender sein. Ich kann mich also gar nicht freuen an den neuesten Nachrichten in der "Tagesschau".

Aber es gibt auch gelegentlich verschachtelt Theater im Theater im Theater. In Shakespeares Tragödie "Hamlet" wird ja im Stück selbst wiederum ein Stück vorgespielt. Es ist durchaus denkbar, daß die ernste Erkrankung dieses toten Mannes nur eines seiner vielen taktischen Manöver ist, um aus seinem Bunker in Ramallah so rauszukommen, daß die Israelis ihn aus politischem Kalkül wieder ins Westjordanland reinlassen müssen. Ja, müssen, denn in Europa gibt es zu viele Menschen, die Arafat für eine Lichtgestalt des Freiheitskampfes halten wie etwa den Nelson Mandela.

Wolf Biermann, 30.10.2004 in www.welt.de

  

 

 

Faten Mukarker in St.Blasien - mutige Frau

ST. BLASIEN. "Der Friede ist noch weit entfernt!" Faten Mukarker weiß wovon sie redet. Als christliche Palästinenserin lebt sie mit Mann und vier Kindern in Beit Jala, einem Nachbarort von Bethlehem und erlebt Gewalt und Terror jeden Tag hautnah mit. Auf Einladung der Realschulklasse 8c der St. Blasier Fürstabt-Gerbert-Schule war die mutige Frau im Rahmen des WVR-Projekts gestern in der Domstadt, um von ihrer Heimat und dem Alltag dort zu erzählen.

Und mit Faten Mukarker war der sonst so weit entfernte Nahost-Konflikt für die Jugendlichen ganz nah. Geboren in Bethlehem verließ Faten Mukarker als Kleinkind ihre Heimat und kam mit ihren Eltern nach Deutschland. Im Alter von 20 Jahren kehrte sie zurück - um zu heiraten und um Brücken zwischen Juden und Moslems zu bauen. In Büchern und Vorträgen schildert sie das Leben einer religiösen Minderheit zwischen den verhärteten Fronten zweier Weltreligionen. "Ich will die Jugend erreichen. Die Jugend ist unbelastet und sie ist die Zukunft", begrüßte der arabische Gast die rund 130 Schüler im Kursaal. Und sie zog den Nachwuchs in ihren Bann: Nur noch zwei Prozent der Palästinenser sind Christen, viele Familien über die Jahre ausgewandert. Blickt Faten Mukarker zu Hause aus dem Fenster sieht sie keine Bäume und Blumen, sondern Soldaten und Panzer. "Wo Tod und Zerstörung Alltag sind, wird es zum Kunststück nicht zu hassen", sagte sie. Aber sie will es schaffen, will nicht nach den Prinzip Auge um Auge, sondern zusammen mit ihren Nachbarn leben. "Halten Sie auch die zweite Wange hin, wenn Sie auf die erste geschlagen wurden, wie es in der Bibel steht", fragte einer der Schüler. Sie überlegte kurz: Ja, sie versuche es. Auch, wenn es schwer falle, dem fünfjährigen Neffen der Arm von einer Granate zerfetzt, die Tante von einer Gewehrkugel getroffen und der Nachbarjunge in tausend Stücke gerissen wurde. "Wenn ich es schaffe, aufgrund all dieser Dinge nicht zu hassen, halte ich auch meine zweite Wange hin", sagte Faten Mukarker gedankenvoll.

Nachdenklich machte sie durch ihre Schilderungen und die Erklärung, wie es überhaupt zu diesem Teufelskreis aus Tod und Gewalt kommen konnte, auch die Schüler. Die 13-jährige Jessica Maier war tief beeindruckt von dem, was Faten Mukarker erzählte. "So versteht man endlich die Bilder, die immer im Fernsehen kommen", meinte der Teenager.

Das genau ist Ziel des WVR-Projekts der Klasse 8c. Dazu gehört nicht nur das Referat von Faten Mutarker, sondern auch die Beschäftigung mit den Weltreligionen. Viele Frage hatten sich die Achtklässler aufgeschrieben, die sie dem Gast aus Palästina stellen wollten. Im Rahmen der Weihnachtsbuchausstellung an der Schule werden die Schüler ihre Erkenntnisse über die verschiedenen Religionen vorstellen. Auch werden sie beim Domstädter Weihnachtsmarkt Schnitzereien aus Olivenbaumholz, die Faten Mukarker aus ihrer Heimat mitgebracht hat, zugunsten der Friedensarbeit im Nahen Osten verkaufen

Tanja Bury am 20.10.2004 auf www.bzol.de

  

 

651 minderjährige Palästinenser getötet und 348 in Haft

The Segregation wall overlooks Beit Jala City,

Foto: The Segregation wall overlooks Beit Jala City,
Beit Jala Actuell 5.4.2004

Am vergangenen Palmsonntag fand wahrscheinlich zum letzten Mal die Palmprozession von Bet Fage am Ölberg statt - die Mauer macht auch dies unmöglich.

Der palästinensische Gesundheitsminister Dr. Jawad al Tibi gab anlässlich des ,,Tages des palästinensischen Kindes’’ gestern (5. April) eine Presseerklärung heraus, in der er bekannt gab, dass seit Beginn der Al-Aqsa-Intifada 651 minderjährige Palästinenser und Palästinenserinnen getötet worden seien. In der Mehrzahl kämen die Kinder auf dem Schulweg zu Tode oder würden beim Spielen in der Nähe des Elternhauses verletzt oder getötet. Allein im vergangenen März seien 21 Minderjährige getötet worden, 16 davon im Gazastreifen. Hinzu kämen, so Dr. Al Tibi weiter, vermehrt Totgeburten, weil Mütter durch die Kontrollen an den Checkpoints die Krankenhäuser nicht mehr rechtzeitig erreichen können. Hier werde die Vierte Genfer Konvention ebenso verletzt wie Beschlüsse der Vereinten Nationen oder Bestimmungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Der Minister für die Angelegenheiten der Gefangenen appellierte an die Weltöffentlichkeit, tätig zu werden, damit die minderjährigen Gefangenen freigelassen würden. 348 von ihnen sitzen derzeit in Gefängnissen der Besatzungsmacht.
Herzliche Grüsse P. Rainer Fielenbach

Quelle P. Rainer Fielenbach OCarm.    
Karmelitenkloster, Albrechtsgasse 20, 94315 Straubing, Tel. 09421-843713
EMail: rfielenbach@karmelitenorden.de  
Herzliche Einladung zum Besuch unserer Homepage: http://karmelitenorden.de/straubing/
Infos zur aktuellen Situation in Palästina, bes. Bethlehem:
- Caritas Babyhospital Bethlehem: http://www.khb.ch
- Evangel. Begegnungszentrum Bethlehem: http://www.annadwa.org/
- Statistik: http://www.betselem.org/English/Statistics/index.asp
- Heilig. Land aktuellst: http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/index.html

  

 

Israelische Besetzung ohne Ende?

Die Palästinenser haben das Recht auf einen eigenen Staat

Im herrschenden politischen Klima gerät die menschliche Seite des Konflikts im Nahen Osten nur zu leicht aus dem Blick. Im Fahrwasser von den Sorgen des Westens um seine Sicherheit führt Israel einen schonungslosen militärischen Zerstörungsfeldzug, dem palästinensische Institutionen - öffentliche wie private - bereits zu grossen Teilen zum Opfer gefallen sind. Mit dem illegalen Verlauf der Mauer und der stetigen Expansion seiner Siedlungen verfolgt Israel eine geostrategische Politik, die die Errichtung eines lebensfähigen palästinensischen Staates verunmöglichen wird. Mit seiner Sicherheitsrhetorik und ausgestattet mit einer mächtigen Militärmaschinerie, hat die israelische Rechte wesentlich dazu beigetragen, die Bedingungen für eine Verunmöglichung der Zweistaatenlösung zu schaffen.

Besetzung und Erniedrigung
Sharons Regierung verlangt etwa von der palästinensischen Behörde, Schritte gegen «militante Aktivisten» zu unternehmen, während sie gleichzeitig den gesamten palästinensischen Sicherheitsapparat zerstört und lahmgelegt hat. Auch zivile Einrichtungen, die mit finanzieller Hilfe von Geberländern, das heisst mit Steuergeldern, errichtet wurden, sind den Bombardierungen zum Opfer gefallen. Über vier Milliarden Dollar sind auf diese Weise vergeudet worden. Kollateralschäden?

Das Leben unter der Besetzung ist hart. Die Lebensbedingungen haben sich seit den Osloer Abkommen gemäss unabhängigen Uno-Berichten konstant verschlechtert. Seit der zweiten Intifada ist die Armut rasant gewachsen - rund 60 Prozent der Familien leben heute unter der Armutsgrenze. Die täglichen Erniedrigungen an den Checkpoints treiben den Frustrationsgrad in die Höhe. Ganze Generationen palästinensischer Jugendlicher wachsen praktisch in Gefängnissen heran, wie etwa im Gazastreifen, ohne Hoffnung auf Veränderung. Sie leben 50 Kilometer von Jerusalem in der Gewissheit, diese Stadt, Teil ihres kulturellen und religiösen Erbes, nie betreten zu dürfen.

Israels Existenzrecht anerkannt
Über das politische Ziel des Kampfes gegen die Besetzung herrscht über die meisten palästinensischen Fraktionen hinweg Einigkeit: eine Zweistaatenlösung auf der Basis der Grenze von 1967. In ihrem Wunsch nach einem gerechten Frieden bleiben die Palästinenser unnachgiebig. Es gibt keine Alternative zu Verhandlungen und Dialog. 1993 haben wir uns für eine friedliche Lösung des Konfliktes entschieden, obwohl die Angebote der Besetzungsmacht Israel dürftig ausfielen. Wir haben Israels Existenzrecht anerkannt, als wir uns mit 20 Prozent des historischen Palästina begnügten.
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Von der «Road Map» über den saudischen Friedensplan bis hin zur Genfer Initiative ist Ariel Sharon allen Verhandlungen ausgewichen. Seine Regierung behauptet, keinen Verhandlungspartner zu haben, nachdem während dreier Jahre palästinensische Institutionen beschossen, die palästinensischen Gebiete wiederbesetzt und die palästinensischen Führungskräfte systematisch ausgeschaltet worden sind. Jede Handlung dieser Regierung steht in krassem Widerspruch zur Beendigung der militärischen Besetzung innerhalb der 67er Grenzen. Auch mit seinem jüngsten Plan eines einseitigen Abzugs aus dem Gazastreifen, dessen Grenzen und Luftraum nach wie vor unter israelischer Kontrolle bleiben sollen, will Sharon zwei Fliegen auf einen Schlag treffen: sich des unbequemen Gazastreifens entledigen und gleichzeitig, unter Ausschaltung des palästinensischen Verhandlungspartners und Umgehung früherer Friedensverhandlungen, seine Siedlungspolitik in Cisjordanien konsolidieren. Ein nachhaltiger Frieden wird nur durch Verhandlungen mit Gegnern und nicht mit Verbündeten geschlossen! Ich bin von Präsident Arafats Willen, jederzeit an den Verhandlungstisch zurückzukehren, überzeugt, obwohl er seit Jahren praktisch gefangen gehalten und implizit von Exilierung und gar Ermordung bedroht wird.

Ein Staat in den Grenzen von 1967
Weit mehr als um Verhandlungen hat sich Sharon um den illegalen Verlauf der Mauer bemüht. Der sogenannte «Sicherheitszaun», der weit von der 67er Grenze abweicht und auf konfisziertem palästinensischem Land gebaut wird, lässt das tägliche Leben unerträglich werden. Der Weg zur Schule oder der Besuch bei einem Verwandten am anderen Ende des Dorfes kann in eine tagelange Reise voller Erniedrigungen und Schikanen münden. Wo sonst in der Welt darf so etwas noch geschehen? Täglich werden sich die Palästinenser dieses monströsen Bauwerkes bewusst, das ganze Gemeinschaften auseinander reisst. Dem machtlos gegenüberstehen zu müssen, lässt für manchen das Leben in Bedeutungslosigkeit versinken - die Depressionsraten und andere stressbedingte Leiden steigen gemäss jüngsten Studien alarmierend an. Unter solchen Vorzeichen wird die Besetzung zum Nährboden für Terrorismus und Selbstmordattentäter.

Wir beharren auf unserem Recht, innerhalb der Grenze von 1967 in Freiheit leben zu dürfen, ohne militärische Besetzung, ohne ökonomische Blockaden, Ausgangssperren und willkürliche Verhaftungen. Wir können nicht schweigend zusehen, wenn unser Existenzrecht auf allen Ebenen missachtet und unser Leben zu einem täglichen Wagnis wird. Die Israelis sollten nicht schweigend zusehen, wenn ihre demokratischen und moralischen Werte zur Konsolidierung einer aggressiven Besetzungspolitik missbraucht werden. Wir Palästinenser haben letztlich keine grosse Wahl - wir sind die Besetzten. Aber Israel kann sein Schicksal in die Hand nehmen, sich stets in Erinnerung rufend, dass es nicht drei Dinge auf einmal sein kann: demokratisch, jüdisch und expansionistisch. Frieden und Demokratie stehen mit Expansionspolitik auf schlechtem Fuss.

Von Anis Al-Qaq, Generaldelegierter Palästinas in der Schweiz, Neue Züricher Zeitung, Mittwoch, 7. April 2004

  

 

Das letzte Mal auf Jesu Weg - Israels Mauer

Während  Zusammenstöße wegen Landenteignungen von palästinensischem Land in der Westbank Schlagzeilen machen, geht eine andere schockierende Entwicklung im Zusammenhang mit Israels Mauer ganz unbemerkt voran.

In den letzten Wochen haben israelische Bulldozer ihre Arbeit im palästinensischen Ort Abu Dis, in nächster Umgebung von Jerusalem, vollendet und bewegen sich nun mitten ins Herz der heiligen Stadt: auf den Ölberg. Dort haben Zerstörungstruppen damit begonnen, die östlichen Abhänge des Berges „vorzubereiten“, indem sie Hunderte alter Olivenbäume zerstören. Seltsamerweise ist es ein kleiner Ort, der unter dem Namen Beth Fage bekannt ist, wo sich die israelische Aktivitäten konzentrieren. Zu dieser Zeit im Jahr gedenkt die Christenheit in aller Welt an dieses Ortes, wo - der Überlieferung nach - Jesus vor 2000 Jahren auf dem Weg nach Jerusalem angehalten hat, und nach Nahrung suchte. Alles, was er finden konnte, waren unreife Früchte an einem Baum. Davon hat Beit Fage seinen Namen: der Ort der unreifen Datteln. Bekannter ist, dass Jesus hier ein Esel gebracht wurde, mit dem er in die Heilige Stadt einritt. Palmenblätter wurden vor ihm auf den Weg gelegt.

Am Palmsonntag erinnern sich die Christen mit Prozessionen an dieses Ereignis. Die bedeutendste Prozession wird auf dem Ölberg stattfinden und Jesu Weg von Bethanien, dem heutigen modernen Ort Al-Azariye, aus nachvollziehen. In Beit Fage stehen zwei Kapellen, eine katholische und eine griechisch-orthodoxe, die beide beanspruchen, an der Stelle zu stehen, wo Jesus den Esel bestieg. Offiziell sagen die Kirchen im Augenblick nichts Besonderes über diese Prozession, die wie sonst verlaufen wird. Aber unter der Hand  spricht man davon, dass es die letzte Prozession gewesen ist – nächstes Jahr wird der Weg fast sicherlich unpassierbar sein. Schon in diesem Jahr wurden die Palmen- und Olivenzweige tragenden Pilger in Beit Fage von einem Abschnitt der 8 m hohen Mauer begrüßt, die ihnen den Weg zu den Kapellen versperrte. Aber sie werden noch einmal in der Lage sein, wenigstens drum herum zu gehen.

Die Hoffnung, dass der Bau der Mauer aufgehalten oder auf dem Ölberg verzögert wird, scheint sich nicht zu erfüllen. Obwohl die Legalität der Mauer in Den Haag angezweifelt wurde, ist die Verfügung, auch wenn sie sich gegen die Mauer ausspricht, für Israel nicht bindend. Auch das Katholische und Orthodoxe Patriarchat haben sich bis jetzt geweigert, dazu etwas zu sagen. Beide Kirchen sind im Augenblick mit den israelischen Behörden in schwierigen Gesprächen und wollen deshalb nicht noch ein öffentliches Spektakel. In Bet Fage waren nur durch die Intervention der griechisch-orthodoxen Kirche 40 Häuser vor der Zerstörung bewahrt worden. Sie hatte einen Teil ihres Landes zum Bau der Mauer zur Verfügung gestellt. Die Folge davon wird nun aber sein, dass die Familien auf der falschen Seite der Mauer festsitzen werden. Obwohl sie Steuern an die Jerusalemer Gemeinde zahlen, wird es für sie fast unmöglich sein, nach Jerusalem zu kommen oder in die Gunst städtischer Dienste. In diese nicht beneidenswerte Situation sind tausende anderer Familien auch gekommen. Als die Route der Mauer ihren Weg durch Jerusalem nahm, fanden sich immer mehr Familien in Ghettos eingesperrt.

Afghani Nasira, 49, leidet an Herzbeschwerden und ihr Mann Abid, 58, hat Diabetes. Beide sind voller Ängste, wie sie damit fertig werden, wenn die Mauer fertig gebaut ist. „Wir werden nicht in der Lage sein, in ein Krankenhaus nach Jerusalem zu kommen und für die Westbank haben wir keine Krankenversicherung. Wir befinden uns wie in einem schwarzen Loch. Niemand fühlt sich für uns verantwortlich.“ Ihr einziger Weg nach Jerusalem wird der sein, in die Westbank zu fahren und dann Straßen zu nehmen, die nur für Siedler bestimmt sind. Dort müssen sie versuchen, ihren Weg durch die militärischen Kontrollpunkte zu verhandeln. ...  Ein Weg, der sonst nur wenige Minuten zu Fuß gedauert hat, wird jetzt ein paar Stunden mit dem Wagen dauern, falls es überhaupt möglich ist.“ Fügte sie noch hinzu.

Husam Katishi, 30, lebt auch in einem der Häuser, das von der Zerstörung bedroht war. Die Gnadenfrist bedeutet, dass er, seine Frau und seine drei kleinen Kinder nur 2 m entfernt von der Mauer leben. Ihr Haus wird von einem mit Maschinengewehr bestückten Wachturm und Sicherheitslichtern überragt werden. Katishi hat sich den andern Familien angeschlossen, die ein Tor in der Mauer beantragt haben. Aber die Erfahrung anderer Jerusalemer Araber, die von den städtischen Diensten und andern Familienmitgliedern abgeschnitten wurden, lässt vermuten, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein Tor jemals genehmigt wird. „Wir haben wiederholt die Vertreter der Armee angerufen, aber sie weigern sich, eine Auskunft über das zu geben, was geplant ist.“ sagte er. Etwa 200 Kinder des Ortes gehen jeden Tag an dem kleinen Stück Mauer und den Kapellen von Bet Fage vorbei, um ihre Schule zu erreichen. Manchmal schickt ein Soldat sie wieder zurück, an andern Tagen ist er nicht dort. Bald wird es egal sein. Die Mauer versperrt ihnen auf jeden Fall den Schulweg. Wohin sollen wir dann unsere Kinder schicken? Ich weiß es nicht,“ sagt Katishi.

Fahdi Hamad, 28, hat seit vier Jahren den alten Weg von Jesus genommen, um von seinem Haus in El-Azariye nach Beit Fage zu kommen. Er ist der Torhüter der katholischen Kapelle in Beit Fage. Er sagt, dass seine Tage dort gezählt sind. „Die Mauer wird bald fertig sein und dann kann ich die Kirche nicht mehr erreichen. Es scheint sich niemand darum zu kümmern.“

Enham Shama, die sich um das benachbarte griechisch-orthodoxe Kloster kümmert, sagt, sie denkt mit Schrecken daran, dass diese Palmsonntagsprozession wahrscheinlich die letzte gewesen ist. „Ich frage mich, was würde Jesus getan haben, wenn er mit solch einer Mauer konfrontiert  worden wäre?

http://english.aljazeera.net/NR/exeres/0DFBB346-726C-44A4-8FBD-67DBB84138C6.htm (Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs)

Jonathan Cook in Beit Fage, 1.4.2004 

  

 

Frieden in Palästina wird schwieriger

BREISACH. Immer wieder sorgt die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern für Schlagzeilen. Ingeborg Ronecker lebte zehn Jahre in Jerusalem. Ihr Mann war an der Erlöserkirche direkt im Zentrum der multikulturellen Stadt als Propst beschäftigt. Vor zwei Jahren kehrte das Ehepaar nach Deutschland zurück. Nun folgte Ronecker der Einladung der evangelischen Martin-Bucer-Gemeinde und hielt im Gemeindehaus einen interessanten Vortrag über ihr Leben zwischen den Religionen. BZ-Mitarbeiterin Petra Littner sprach mit der Pädagogin.

BZ: Als Sie 1991 nach Israel reisten, war der Golfkrieg bereits in vollem Gange. Was hat Sie bewegt, in ein Krisengebiet zu gehen?
Ronecker: Wir hatten keine Angst. Ich hatte zunächst jedoch Bedenken, ob ich der Sache gewachsen sein würde. Im Laufe der Zeit habe ich sehr viele Menschen kennen gelernt, da wir ihnen sehr nahe waren. Zunächst sollte es jedoch nur für fünf Jahre sein.
BZ: Wie kam es, dass Sie trotzdem so lange Zeit dort geblieben sind?
Ronecker: Unsere Verbundenheit zu den Menschen ist stetig gewachsen. Schließlich standen das hundertjährige Bestehen der Erlöserkirche und die Jahrtausendwende an und man erwartete viele Besucher. Da mein Mann viele Kontakte aufgebaut hatte, war dadurch die Kooperation einfacher. Also blieben wir länger als ursprünglich geplant.
BZ: Die Bevölkerung in Israel setzt sich aus Angehörigen verschiedener Religionen, dem Islam, dem Juden- und dem Christentum zusammen. Wie viele Gemeindemitglieder gehörten zu Ihrem Wirkungskreis?
Ronecker: Die Erlöserkirche hatte damals 230 eingeschriebene Gemeindemitglieder, betreut haben wir aber weit mehr, da sich viele aufgrund ihrer kurzen Verweildauer in Jerusalem nicht eingeschrieben hatten. Dies waren Studenten oder ältere Menschen, die nur vorübergehend in der Stadt verweilten.

BZ: Wie muss man sich das Nebeneinander der Glaubensgruppen vorstellen?
Ronecker: In unserer Propstei gab es 38 verschiedene christliche Gruppierungen. Jede Gruppe hat ihre eigenen Rituale und Traditionen und man musste sich erst an die damit verbundenen Geräusche gewöhnen: An die Glocken der orthodoxen Kirche und den Muezzin in der Moschee zum Beispiel.
BZ: Gab es dabei auch interessante Begegnungen?
Ronecker: Ja, einmal im Jahr wurde ein ökumenischer Kirchentag gefeiert und es gab jedes Jahr eine Gebetswoche, in der wir uns gegenseitig in den Kirchen zu den Gottesdiensten besucht haben und uns dabei kennen lernten. Außerdem kamen die Vertreter der anderen Kirchen immer zu unseren Hochfesten wie Weihnachten und Ostern. Da haben wir die Wohnung ausgeräumt und es gab ein großes Fest.
BZ: Die Palästinenser werden in allen Lebensbereichen stark benachteiligt, sie erhalten in den besetzten Gebieten beispielsweise weniger Wasser und keine soziale Absicherung. Wie kommen sie trotzdem zurecht?
Ronecker: In der arabischen Welt funktioniert noch das Prinzip der Großfamilie. Das bedeutet, dass derjenige, der etwas verdient, die anderen Familienmitglieder mitversorgt.

BZ: Wie stark war Ihr Handlungsspielraum durch die Besatzung eingeschränkt?
Ronecker: Wir selbst konnten uns relativ frei bewegen, nur für Gaza brauchten wir eine Einreisegenehmigung. Ansonsten genossen wir einen privilegierten Status, was an unserem Nummernschild und natürlich am Dienstpass erkennbar war.
BZ: Was war Ihr schlimmstes, was Ihr schönstes Erlebnis.
Ronecker: Ich möchte nur eines der schönsten erzählen: Kurz nach dem Attentat auf das World Trade Center am 11. September 2001 fand in Jerusalem ein Schweigemarsch vom Damaskustor zum amerikanischen Konsulat statt. Menschen aus allen drei Religionen haben Gebete gesprochen. Als ich aufsah, bemerkte ich, dass ich zwischen einer Muslimin und einem Franziskanermönch gebetet hatte, das war sehr ergreifend.
BZ: Sind Sie der Auffassung, dass der gezielte Mord an Scheich Ahmed Yassin zu einer Verschärfung der Konflikte führen wird?
Ronecker: Das wird die Sache weiter eskalieren lassen. Die radikal-islamistische Hamas wird noch mehr Zulauf bekommen.
BZ: Was könnte zu einer Beruhigung beitragen?
Ronecker: Das ist eine Frage, die ich eigentlich nicht beantworten kann. Eine Aussöhnung und damit Frieden wird von Tag zu Tag schwieriger. Vielleicht müssen die radikalen Gruppen erst ganz unten ankommen, um einen Neuanfang zu finden.

Ingeborg Ronecker, 3.4.2004

  
 

 

 


Jerusalem Jahre von Intifada zu Intifada - Ingeborg Ronecker

600 Briefe aus der Heiligen Stadt 
JERUSALEM JAHRE (1): Begegnung mit Ingeborg Ronecker

Ingeborg Ronecker, Kirchzarten

Es muss merkwürdig sein, nach zehn Jahren in Jerusalem wieder in Freiburg, genauer: in Kirchzarten zu leben, in diesem so friedlichen und angenehmen Winkel der Welt. Denn in Jerusalem hat Ingeborg Ronecker, als Ehefrau des evangelischen Probstes der Erlöserkirche, mitten in der Altstadt gewohnt, man kann auch sagen: im Herzen des israelisch-palästinensischen Konflikts. Zwischen Klagemauer, Felsendom und Grabeskirche.

Als sie und ihr Mann dort ankamen im Oktober 1991 war die Intifada gerade am ausklingen, hatte der Oslo-Prozess gerade begonnen, und die Hoffnung auf Frieden war groß. Als sie im Dezember 2001 die Stadt mit einem Gefühl der Vergeblichkeit wieder verließen, lag die Ermordung von Ministerpräsident Rabin gut fünf Jahre zurück, waren Selbstmordattentate wieder an der Tagesordnung und die Situation verfahrener denn je. Ingeborg Ronecker erzählt von der Frage, die Kinder morgens ihren Müttern stellen: "Mama, hat's den Anschlag schon gegeben?" Denn auch sie haben das Gesetz der Wahrscheinlichkeit bereits verinnerlicht, nach dem es selten zwei Selbstmordattentate an einem Tag gibt.
"Als eine unserer wichtigsten Aufgaben haben wir es angesehen, in unserer Gemeinde einen Raum zu bieten, in dem Israelis und Palästinenser zusammenkommen können - bei Konzerten, kleinen Essen, zu Gesprächen", erzählt Frau Ronecker. Und so kann sie in ihren Briefen, die sie Monat für Monat an die Freunde in Europa schrieb, von beiden Seiten Mitteilung machen. In diesen Briefen, die jetzt als Buch erschienen, erzählt sie von ihrem Alltag, der von der Politik unter Kuratel genommen war. Von der Schönheit des Landes, von privaten Begegnungen, Freundschaften, vom Gemeindeleben. Das Buch "Jerusalem Jahre. Von Intifada zu Intifada" liest sich in der Verbindung von Persönlichem und Politischem leicht, es nimmt den Leser mühelos mit, denn die Briefe haben einen Klang, der einem ganz ohne Pathos nahe kommt.

Jetzt also wieder in Deutschland, aber Jerusalem lässt sie nicht los. "Ich hab immer den Traum, dass ich irgendetwas nicht geschafft, irgendetwas nicht zu Ende gebracht habe", sagt sie. "Dass irgendwelche Leute auf mich warten." Vom Verlag hat sie tausend Bücher bekommen, die vierzig Prozent Differenz zwischen dem Verlags- und dem Ladenpreis, die sonst an die Buchhandlungen gehen, kann sie behalten. Sie gehen an soziale Projekte in Palästina und Israel. 500 Exemplare sind schon verkauft.

Sieht sie Deutschland heute anders als vor der Zeit in Jerusalem?
"Das Merkwürdige hier ist, dass die Menschen trotz Frieden und Wohlstand kein Vertrauen in die Zukunft haben", sagt sie, "dass sie Angst vor materiellem Einschränkungen haben."
Zehn Jahre Jerusalem, das verändert den Blick auf die Welt gründlich.

 

Das Tanzen der Stämme und Zweige
JERUSALEM JAHRE (2): Ein Brief der palästinensischen Professorin Sumaya Farhat-Naser an Ingeborg Ronecker

Am Ende ihres Buchs "Jerusalem Jahre. Von Intifada zu Intifada" lässt Ingeborg Ronecker Bewohner von Jerusalem und Umgebung zu Wort kommen - eine Israelin aus dem Westen der Stadt, ein Gemeindemitglied der Erlöserkirche . . . Wir veröffentlichen einen Auszug aus dem Brief von Sumaya Farhat-Naser, Professorin an der palästinensischen Universität von Birzeit.

"Seit mehreren Wochen schon werden die Leute der benachbarten dreißig Dörfer daran gehindert, Birzeit auf der Straße zu erreichen. Sie benutzen Schleichpfade durch die steinigen und dornigen Täler. Sie haben Angst. Sie sprechen von den andauernden Bedrohungen, dem Abfackeln von Feldern und Ausgehverboten, die Augenzeugenberichte unmöglich machen sollen.
...

Für mich war dies eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Das Land um Birzeit ist meine Landschaft. Ich bin 53 Jahre alt. Ich bin mit den Bäumen aufgewachsen. Ich bin Botanikerin, und in 21 Jahren habe ich regelmäßig meine Studenten von der Birzeit-Universität in diese wunderbare Landschaft gebracht, die so reich ist an pflanzlichen Lebensgemeinschaften, an Geschichte und Kultur. Hier lehrte ich meine Studenten Liebe zur Natur, Verpflichtung ihr gegenüber und Identifikation mit dem Land ... Mit Tränen in den Augen denke ich an die wunderbare zerklüftete Landschaft, das Tanzen der Stämme und Zweige.
... Ich lächle den Bäumen zu, die noch stehen und spreche ihnen Mut zu, dass sie überleben mögen. Ich will zu ihnen zurückkehren mit meinen Studenten und Kindern."

Elisabeth Kiderlen, BZ vom 5.1.2004, ganzer Beitrag auf www.bzol.de

Ingeborg Ronecker: Jerusalem Jahre. Von Intifada zu Intifada.
Radius Verlag, Stuttgart 2003.
195 Seiten, 15 Euro.
ISBN 3-87173-278-8
http://radius.skileon.de/de/buecher/index.cfm
Das Buch ist auch über Ingeborg Ronecker direkt zu beziehen: Tel. 07661/905 838


  
 


Sumaya Farhat-Naser - Botschafterin der palästinensischen Sache

Geboren wurde Sumaya Farhat-Naser 1948 in Birzeit bei Jerusalem. Sie besuchte das deutsche Internat Thalita Kulmi in Beit Jala in der Nähe von Bethlehem. Als Botschafterin der palästinensischen Sache ist Sumaya Farhat-Naser mittlerweile bekannt geworden: Sie kommentiert in Funk und Fernsehen die aktuellen politischen Entwicklungen und tritt in Veranstaltungen als unpolemische Zeugin und engagierte Frauenvertreterin auf.
In ihrem Buch 'Thymian und Steine' erzählt sie ihre Lebensgeschichte, die 1948, im Jahr der israelischen Staatsgründung beginnt. Wie ein Schatten wird die Leidensgeschichte des palästinensischen Volkes ihr Leben begleiten - ein Leben, das in seiner emanzipatorischen Ausrichtung exemplarisch ist für den Weg einer jüngeren palästinensischen Frauengeneration. ...
1989 erhielt Sumaya Farhat-Naser für ihr "öffentliches Eintreten für die politische Aussöhnung von Palästinensern und Juden in Gerechtigkeit und Freiheit" die Ehrendoktorwürde der theologischen Fakultät in Münster/Westfalen. Sumaya Farhat-Naser lebt heute in ihrer Geburtsstadt Birzeit.


mehr:
http://www.swr.de/swr2/palaestina/tagebuch/farhat-naser/teil1.html

Farhat-Naser, Sumaya:
Thymian und Steine. Eine palästinensische Lebensgeschichte.
Lenos Verlag, Basel, 2. Aufl. 2001

  

 

Ostern in Bethlehem - zwischen Hoffnung und Dornen

Liebe Freunde in der Ferne! Ich bin in der Geburtskirche, Oh Jesus hier hat alles angefangen, hier hast Du das Licht der Welt erblickt, von hier wolltest Du die Menschen retten. Doch der Preis war hoch. Du bist fuer sie gestorben. Ich sehe Dich dort am Kreuz, die Dornenkrone auf Deinem Haupt, Blut stroemt ueber Dein Gesicht. Du hast Leid und Demuetigung erfahren,

Meine Gedanken gehen zurueck. Vor genau einem Jahr , Karfreitag 2002, war die schlimmste Invasion, die Bethlehem je erlebt hatte. An die 200 Panzer hatte man uns nach Bethlehem geschickt. Sofort wurde eine Ausgangssperre verhaengt. Die Panzer rissen die Strassen auf, zerstoerten Kanalisation, Stromleitungen und Telefonkabel. Autos wurden mit Panzern niedergewalzt. Haueser und Geschaefte wurden verwuestet. Auch vor Schulen und unserer Universitaet wurde nicht halt gemacht sie bekam allein drei Boden-Boden Raketen ab. Ein Gebauede, das erst einen Monat vorher eingeweiht worden war. Die Menschen in Bethlehem fragten sich was hatte das alles mit der sogenannten “Terrorbekaempfung” zu tun, wie Scharon diese Massnahmen nannte. NEIN, hier wurde nicht der ” Terror” bekaempft sondern die Infrastruktur der Palaestinernser zerstoert. Denn so wie in Bethlehem, so auch in Ramalah, Nablus, Jenin und ganz Palaestina. Die Lebensgrundlagen wurden den Menschen genommen.

Am schlimmsten war es in den Fluechtlingslagern. Die israelischen Soldaten, gingen nicht wie man im Deutschem sagt, von Haus zu Haus, sondern sie gingen durch die Waende durch. Sie zerstoerten eine Hauswand, um in das naechtste Haus zu gelangen. Mutwillig wurden Einrichtungen zerstoert. Sie suchten nach den Vorraeten, Mehl, Zucker und Oel vermischten sie, bevor sie weitergingen. Viele Menschen wurden bei dieser Invasion getoetet und verletzt. Doch die Toten durften nicht begraben und die Verletzten nicht geborgen werden. Ein Mann aus einem Fluchlingslager sagte, bevor sie kamen gab es hier 20 Widerstandskaempfer, nachdem sie gingen, liessen sie 200 zurueck. Mit anderen Worten: Gewalt hatte nur noch mehr Gewalt erzeugt.

Ein Jahr spaeter, Bethlehem ist immer noch abgeriegelt. Die Menschen sind am Ende ihrer Kraefte. Der Teufelkreis von Hass, Rache, Vergeltung und Vergeltung der Vergeltung liegt wie eine Dornenkrone ueber diesem Land. Doch Deine Auferstehung gibt uns die Hoffnung. Leid und Schmerz werden veruebergehen.

Das Leben wird Siegen. Es wird ein neuer Morgen kommen - ohne Dornen. Licht und Friede wird ueber dieses Land kommen. Jesus ist Auferstanden, er ist wahrhaft Auferstanden. Ein gesegnetes Osterfest.
Salam Faten Mukarker

Faten Mukarker April 2003
Beit-Jala/Bethlehem, Sararstr.21, Palaestina
Tel.+Fax 00972-2-2741341
Email:
faten_mukarker@hotmail.com

Rundbrief zu Ostern 2003, Kath. Gemeinde St.Bonifatius Heidelberg, Pfarrer Heimpel
c.heimpel@bonifatius-hd.de

  
 

Michael Krupp in Jerusalem – ein Pionier des christlich-jüdischen Dialogs

Der erste Deutsche in Israel
Für ihn gleicht es einem Wunder, dass Juden seine Freunde sind. 54 Jahre lebt er in Jerusalem; vor 25 Jahren begann er einen Austausch für Theologen.

Er ist Theologe, Hobby-Archäologe und Judaica-Sammler, ein Pazifist, dessen Kinder in der israelischen Armee dienten, und vor allem eine Art Vaterfigur für jene, die in den vergangenen 25 Jahren an seinem Austauschprogramm „Studium in Israel“ teilgenommen haben. Doch eigentlich ist Michael Krupp lange ein Außenseiter gewesen, in Nachkriegsdeutschland und auch in Israel, wobei ihm Letzteres aber angenehmer war: „Hier bin ich das mit Recht“, sagt er.
Bis heute leitet er das Austauschprogramm, das er 1978 gründete. In dessen Rahmen absolvierten rund 450 meist evangelische Theologiestudenten ein Studienjahr in Jerusalem auf Hebräisch und lernten dadurch das Judentum und die Israelis kennen. Vor allem dank dieser „Krupp-Gruppe“ hat sich innerhalb der evangelischen Kirche die Erkenntnis verbreitet, dass die Juden weiter das auserwählte Volk sind und nicht vom Christentum enterbt wurden. So lehnt die Gruppe Mission unter Juden ab.
....
Karl-Heinz Ronecker, der ehemalige Propst der deutsch-evangelischen Gemeinde in Jerusalem, würdigt vor allem Krupps „immense“ theologische Bildung, seine Arbeitsdisziplin und Vitalität. Für ihn ist er in der Gemeinde immer „das Gewissen Israels“ gewesen. Gleichzeitig konnte Krupp seine Zuhörer über den Haufen reden. Dass Krupp jahrelang in der Erlöserkirche nicht predigen durfte, lag an seinem „Problem“, so Ronecker, dass er eine Jüdin geheiratet und seine Kinder im jüdischen Glauben erzogen hatte. Hinzu kam, dass Krupp der Einzige in der deutsch-evangelischen Gemeinde war, der auf der israelischen Seite Jerusalems „verwurzelt war“, sagt Fiehland van der Vegt. Alle anderen Christen hätten Beziehungen zur arabisch-christlichen Gemeinschaft. „Sie haben uns ein bisschen beäugt, weil wir uns dezidiert auf das Judentum konzentriert hatten, auf die andere Seite.“  ...

Ganzen Beitrag aus dem Rheinischen Merkur vom 13.11.2003 lesen Sie auf:
http://www.merkur.de/aktuell/cw/ki_034601.html

  

Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Menschlichkeit
 
Ehepaar Ronecker sprach bei Vortragsreihe "Kampf der Kulturen" am Hebel-Gymnasium Körrach über Erfahrungen mit Israelis und Palästinensern in Jerusalem
Elf Jahre, von 1991 bis 2002, war Karlheinz Ronecker Propst der lutherischen Kirche in Jerusalem und damit der Bischof der in Israel, Palästina und Jordanien lebenden Christen evangelischen Bekenntnisses. Am Mittwochabend berichteten er und seine Frau in der Vortragsreihe des Hebel-Gymnasiums "Kampf der Kulturen?" von den Erfahrungen, die sie in dem Jahrzehnt vor Ort gemacht haben. Politik aus der Nahsicht, nicht medial gefiltert, wohl aber subjektiv erlebt.

Geschichte in ihrer Vorform als Erlebnisse, die erzählt, zu Geschichten werden, und deren subjektiver Interpretation dadurch begegnet werden kann, dass zu jeder Geschichte die ihr zugehörige Gegengeschichte mitgedacht, vielleicht sogar erzählt wird. An der Schnittstelle Jerusalem treffen Israelis und Palästinenser aufeinander, und das Ehepaar Ronecker fühlte sich beiden Völkern verbunden, und betonte mehrmals, dass es unerlässlich sei, in diesem Konfliktfeld "in zwei Richtungen zu schauen." Das gelang ihnen dadurch, weil ihre "Halbbetroffenheit", wie Ingeborg Ronecker ihre Position nannte, eine gewisse Distanz erlaubte und den Blick frei machte für die menschlichen Überraschungen unter den Verkrustungen der Vorurteile. Anhand zahlreicher Beispiele erzählten die Roneckers, wie in Einzelfällen unter den jeweiligen "Gewandungen" Menschen zum Vorschein kamen, die bereit waren zu verstehen und, falls gebeten, zu helfen.

Als Pfarrer Ronecker an einem Karfreitag seine Gläubigen (die Gemeinde hat 220 eingeschriebene Mitglieder und "viele Sympathisanten") bat, statt der Kollekte Blut für einen jungen Israeli zu spenden, waren dazu einige sofort bereit. Die Gemeinde spiegelte im Kleinen wieder, was Jerusalem im Großen ist: das Nebeneinander der unterschiedlichen Interessen, deren kleinster gemeinsamer Nenner "die Menschlichkeit" ist. Da reden deutsche Frauen, die mit Palästinensern verheiratet sind, mit denen, die einen Israeli zum Mann haben. Oder israelische Soldaten besuchen eine evangelische Andacht und sind höchst erstaunt, dass in ihr einer "ihrer" Psalmen Thema der Predigt ist.

Viele Konflikte, so die Roneckers, entstehen aus Unwissenheit, gepaart mit den Sprachbarrieren. Und es gibt immer noch Grenzen in den Köpfen: In einem Schadensfall bat ein Muslim Propst Ronecker um Hilfe, doch als dieser seinerseits den Bittenden bat, als Zeuge aufzutreten, verweigerte er sich, denn Muslime können nicht einen Glaubensbruder zugunsten eines Christen belasten. . . Die allgemeine Lage, so die Roneckers, habe sich in den letzten Jahren verschlechtert, worunter besonders die Palästinenser litten.

Fanden 1991 etwa 120 000 von ihnen in Israel Arbeit, sind es heute gerade noch 7000, was für viele den Absturz in die Armut bedeutet. Dazu kommen muslimische Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der westlichen Zivilisation in Verbindung mit einem moralischen Überlegenheitsgefühl, was eine brisante Mischung ergibt.

Dennoch: "Hoffnung ist ein Licht in der Hoffnungslosigkeit." Karlheinz Roneckers Credo klang zwar überzeugend, zugleich aber auch beinahe resigniert illusionslos.

Nikolaus Cybinski
, 17.5.2003,
http://www.hebel-gymnasium-loerrach.de/main.php?seite=146

  


Wilhelm Goller - Weihnachten 2002 in Talitha Kumi/Bethlehem


Liebe Freunde von Talitha Kumi!

Eigentlich wollte ich - wie in all den letzten Jahren - einen "echten" Weihnachtsbrief schicken,  von Bethlehem nach Deutschland. Ich habe lange gezögert und gehofft, dass sich die Situation noch zum Besseren wendet, aber diese Hoffnung zerbricht zumindest für dieses Weihnachten 2002 nun allmählich vollends.

Seit 22. November 2002 ist die Bethlehem-Region wiederum vom israelischen Militär besetzt; - mit einer fast kompletten Ausgangssperre ist das öffentliche und wirtschaftliche Leben abrupt gestoppt. Nur an vier Tagen wurde diese aufgehoben, von 13 bis 17 Uhr, von 8 Uhr bis 14 Uhr und von 8 Uhr bis 16 Uhr. An diesen Tagen haben wir dann auch die Schüler zur Schule gebracht, haben ein paar Stunden unterrichtet, haben vor allem aber unseren Schülern die Gelegenheit gegeben, aus ihrem häuslichen Gefängnis herauszukommen, sich mit Gleichaltrigen zu treffen.

Insgesamt, aber vor allem auch schulisch gesehen ist die Situation trostlos. Wir sind im dritten Schuljahr mit erheblichen Beeinträchtigungen, und jede/r kann sich leicht vorstellen, was das Ergebnis am Ende sein wird, - eine schlecht ausgebildete Generation. Diese ganzen "Massnahmen"  werden dann noch verbrämt mit dem Schlagwort "Kampf dem Terror", das so trefflich geeignet ist, überall in der Welt originäre Menschenrechte einzuschränken, so bei uns u.a. das Recht auf Bildung und Erziehung.

Ich gebe zu: Dies sind keine Worte zu Weihnachten, jedoch so ist Weihnachten 2002 in Bethlehem. Aber dabei will ich es nicht belassen: Am 28. November 2002 haben meine Frau und ich den Peter-Beier-Preis der Evangelischen Kirche im Rheinland aus der Hand von Praeses Kock entgegennehmen dürfen - zugegeben ein schöner Tag für uns und für Talitha Kumi insgesamt. Dort wurden wir vielfach gefragt, woraus wir, woraus unsere Lehrer und Schüler die Kraft zum Weitermachen beziehen. Zwei Antworten konnten wir gerade in Düsseldorf geben.

1. Von dort, genau genommen von Kaiserswerth sind 1851 die Gründer/innen unserer Schule gekommen. In den 151 Jahren des Bestehens hat Talitha Kumi schon stürmische Zeiten erlebt, Schliessung der Schule, Beendigung des Schulbetriebes, Internierung der Schwestern, Besatzung, Kriegszustand - und Talitha Kumi gibt es heute immer noch.
2. Wenn wir nach einer durchwachten Nacht - Schiessereien, Hubschrauber Lärm, F16 Kampfjets - Tiefflüge unsere Schüler am nächsten Tag gefragt haben, wie steht Ihr das durch, war die häufigste (8 von 10) und schlichte Antwort: Ich habe gebetet!

So will ich diesen Brief  beenden mit der Jahreslosung des zu Ende gehenden Jahres 2002, mit der wir auch in das Jahr 2003 eintreten wollen: "Ja, Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und niemals verzagen".

In diesem Sinne grüße ich Sie mit den besten Wünschen für ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für das Neue Jahr 2003
Für die Schulgemeinde Talitha Kumi
Ihr Wilhelm Goller

To: tks@p-ol.com
Subject: Weihnachten 2002, 19.12.2002

  

 

Wer Böses mit Bösem vertreibt, droht selbst böse zu werden

Von den Hindernissen für die Versöhnung in einer ganz anderen Dimension sprach Karl-Heinz Ronecker. Als Propst der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Jerusalem im Rang eines Bischofs hat er ein Jahrzehnt lang - von 1991 bis 2001 - die evangelischen Christen zwischen Tel Aviv und Amman betreut. Sein "Bischofssitz" war die Erlöserkirche. Ronecker, früher Seelsorger in Freiburg und jetzt Ruheständler in Kirchzarten, fragte angesichts der selbstmörderischen Bombenattentate der Palästinenser und der grausamen Reaktion der israelischen Staatsmacht nach dem Sinn des christlichen Anliegens der Friedfertigkeit: "Ist es richtig oder unrichtig die Hände demütig in den Schoß zu legen?" Mit Blick auf die Nazidiktatur meinte er, dass vielleicht wirklich die Reihenfolge erst Kanonen und dann Friede der richtige Weg sei. Doch: "Wer Böses mit Bösem vertreibt, droht selbst böse zu werden.". Auch deshalb wurden Roneckers Worte von der Überzeugung getragen, dass der christliche Auftrag, Böses mit Gutem zu vergelten, nicht so weltfremd ist, wie es scheint.

12.11.2003, Männervesper in Malterdingen

  

 

Palästinenserin Faten Mukarker berichtet aus Bet Jala bei Jerusalem

Die Pfarrgemeinde St. Bonifatius Heidelberg lädt zu einem Abend ein, an dem der Nahostkonflikt im Mittelpunkt stehen soll. Die Besucher des Abends erwartet allerdings nicht einfach ein sachliches Referat, sondern die Begegnung mit einer Zeitzeugin. Die Veranstaltung im Gemeindehaus wird Informationen über den Konflikt zwischen Israel und Palästina vermitteln. Besonders aber will die Begegnung dazu befähigen, die menschlichen Aspekte dieser politischen Geschehnisse wahrzunehmen.

Faten Mukarker wurde 1956 geboren in Bethlehem, der Geburtsstadt Jesu. Aufgewachsen ist sie in Deutschland, in der Nähe von Bonn, wohin ihre Eltern kurz nach ihrer Geburt emigriert sind. Seit Ihrer Heirat lebt sie in Bet Jala, einem Nachbarort Betlehems, der seit 2 Jahren durch die Schlagzeilen bekannt geworden ist. Sie selbst gehört der griechisch-orthodoxen Kirche an, neben der auch die römisch-katholische und die evangelisch-lutherische mit wesentlich geringeren Anteilen unter den Palästinensern vertreten sind.

Die Lage der christlichen Palästinenser, die allzu oft nicht wahrgenommen wird, liegt Faten Mukarker besonders am Herzen. Seit einigen Jahren lädt sie Pilger und Touristen in ihr Haus ein, um ihnen über das Schicksal der Christen im Land zu berichten. Dabei ist sie oft erstaunt über das Unwissen. Vielen ihrer Gäste, die meinen, alle Palästinenser müssten Muslime sein, erwidert sie dann: "Wir waren schon Christen, da haben die Europäer noch Götter angebetet!"

Genau dieses mangelnde Bewusstsein für die Christen im Land kann die ansonsten gelassen wirkende Frau in Wallung bringen. Vor Wochen noch hat sie sich mit dem ZDF-Korrespondenten in Tel Aviv angelegt, weil dieser in einem Bericht über die Bombardierung Beit Jalas rechtfertigend erklärte, dass dies eine Hochburg der islamischen Hamas-Bewegung sei. "Mehr als 80 Prozent der Bewohner Beit Jalas sind Christen", empört sich Mukarker über diese und andere Falschmeldungen, die dazu beitragen, ein verzerrtes Bild der Situation zu zeichnen.

Als in Deutschland aufgewachsene junge Frau kann Faten Mukarker sich in unsere westeuropäische Kultur genau so hinein versetzen wie in die Denkweise der Palästinenser. Deshalb ist sie als "Botschafterin" in Deutschland unterwegs und nutzt auf ihrer Reise die Gelegenheit, bei Vorträgen und Gesprächen über ihr Land und vor allem die Christen in Palästina zu informieren. Authentisch und ohne Hass lässt sie uns teilhaben am "Leben zwischen Grenzen", das sie als Frau unter Männern, als Christin unter Andersgläubigen, als Palästinenserin neben Israelis Tag für Tag erfährt.

Der Begegnungsabend mit dem Vortrag von Faten Mukarker wird stattfinden am

12. Dezember 2002 um 20.00 Uhr
im Gemeindehaus St. Bonifatius, Hildastr. 6, Heidelberg-Weststadt.
www.bonifatius-hd.de/faten.htm

Pfarrei St. Bonifatius
Pfarrer Christof Heimpel
Blumenstr. 23, D-69115 Heidelberg
Fon +49 6221 130216     Fax +49 6221 130226  
www.bonifatius-hd.de

  

 

AKIJA - Treffen in Freiburg anstelle in Jerusalem

Eigentlich wollten sie sich in Jerusalem treffen. Doch wegen der angespannten Lage in Israel verlegten 16 englische und palästinensische Jugendliche ihre internationale Begegnung nach Freiburg. Noch bis morgen sind sie zu Gast beim Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit (AKIJA) im Katholischen Jugendbüro.
In einem sind sich alle einig: Es sei sehr schade, dass ihre jüdischen Freunde aus Israel nicht dabei sind. Sie konnten aus demselben Grund nicht kommen, aus dem das Treffen in Freiburg stattfand: Weil es zu gefährlich ist zurzeit. Und die angespannte Lage ist auch schuld daran, dass die Jugendlichen nur ihre Vornamen öffentlich nennen. Bischof Paul Sayah aus Jerusalem möchte nicht, dass einer der Teilnehmer Probleme bekommt. Die Hälfte der Jugendlichen kommt aus England, die anderen sind aus "dem heiligen Land" - auf diesen Begriff haben sich alle geeinigt, weil er weniger problematisch ist als Israel oder Palästina. Bischof Sayah ist einer der neun Organisatoren, die die Jugendbegegnung begleiten. 16- bis 19-Jährige mit muslimischer, jüdischer und christlicher Religionszugehörigkeit lernen in zwei Sommern für jeweils zehn Tage einander und ihre Religionen kennen: Vergangenes Jahr in London, nun in Freiburg.

Freiburg sei sehr nett, der Fluss sauber, man könne gut einkaufen, äußern die Jugendlichen übereinstimmend. Aber die Stadt war nur die Kulisse. Wichtig war der Austausch untereinander. "Was wir hier voneinander erfahren, ist nichts so Dramatisches, wie das, was in den Zeitungen steht", sagt Lienna (17), jüdische Britin: "Aber wenn man die Leute kennt, die es erleben, hat es eine ganz andere Bedeutung." Zum Beispiel, wenn George (18), christlicher Palästinenser aus Israel, erzählt, dass er auf seinem Schulweg erstmal in die entgegengesetzte Richtung geht. Mit seinem Umweg, der ihn eine halbe Stunde Zeit kostet, gelingt es ihm, den "check points" (Kontrollposten) auszuweichen. Abends gehe er nie aus, und auch tagsüber werde er oft alle zehn Minuten kontrolliert. Zwar habe er einen israelischen Pass. Aber weil darin vermerkt sei, dass er Araber sei, gelte er als Mensch zweiter Klasse: "Das ist demütigend." Lienna berichtet von den Schändungen jüdischer Friedhöfe und Angriffen auf Synagogen, die in London seit dem 11. September zugenommen haben. Aber auch für alle, die arabisch oder muslimisch aussehen, sei es seitdem in London schwieriger geworden, ergänzt Siraj (19), muslimischer Brite.

Nicht nur im Denken der Jugendlichen gerate einiges in Bewegung, ist der Eindruck von Nadim Amman vom AKIJA, der die Gäste mit vier anderen AKIJA-Engagierten betreut. Das Treffen hinterlasse auch Spuren in Freiburg: "Als wir gestern zusammen in der Moschee waren, haben sich uns dort spontan zwei Muslime angeschlossen und uns in die Synagoge begleitet." Jetzt werde darüber nachgedacht, ähnliche Begegnungen zwischen Jugendlichen verschiedener Religionen auch von Freiburg aus zu organisieren.

anb, BZ vom 19.8.2002, ganzer Artikel
 

  

 

 

 

Caritas Baby Hospital - Kinderhilfe Betlehem feiert 50

Die Kinderhilfe Bethlehem feiert das Jubiläum des Caritas Baby Hospitals in Palästina / Freiburg als Ausgangsort des Projekts
Von einem Festtag zu sprechen fiel den Verantwortlichen angesichts der gespannten Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten schwer. Lieber wollten sie Dank sagen für die Mitarbeit und Unterstützung zugunsten des Caritas Baby Hospitals in den vergangenen fünfzig Jahren. So lange besteht dieses Kinderkrankenhaus in Bethlehem nun schon.

Den Festakt anlässlich dieses Jubiläums eröffnete am Mittwoch ein Dankgottesdienst im Freiburger Münster mit über 600 Teilnehmern. Im Anschluss daran würdigten die zahlreichen Gäste aus Deutschland und der Schweiz bei einem Empfang mit Musik und Ansprachen die geleistete Arbeit. "Ausgangsort dieses Werkes ist Freiburg", begründete Klaus Röllin, Geschäftsführer der Kinderhilfe Bethlehem (KHB), der Trägergesellschaft des Baby Hospitals, die Wahl des Veranstaltungsortes der Feierlichkeiten. Von Beginn an unterstützten die deutsche und die schweizerische Caritas das Projekt. Der deutsche Verband hat seinen Sitz in Freiburg. An der 1963 gegründeten KHB sind die Erzdiözese Freiburg und das Altenwerk Freiburg auch heute noch maßgeblich als Mitglieder beteiligt. "Zur Zentrierung der Unterstützung für die Kinderhilfe hier im Süden trägt auch das Engagement des Freiburger Erzbischofs Oskar Saier bei", fügte Burkhard Röttger, Pressesprecher der KHB, an. Darüber hinaus sind die Schweizer Bistümer, allen voran das Basler, bedeutende Unterstützer der Kinderhilfe. "Für mich ist das eine unserer schönsten Aufgaben", bekundete daher der Bischof von Basel, Kurt Koch.
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"Ohnmächtig" angesichts dieser Hindernisse fühlt sich Mechthild Eling, Ärztin im Baby Hospital. Sie berichtete von der erschwerten Arbeit für alle Mitarbeiter. "Sogar die Ambulanzen müssen bis zu fünf Stunden an den Grenzposten warten", sagte Eling.

BZ vom 29.6.2002, ganzer Artikel unter www.bzol.de

1952 - 2002: 50 Jahre Hilfe für Mütter und Kinder in Bethlehem
Wir sind ein Hilfswerk, das sich seit 50 Jahren für Mütter und Kinder im Nahen Osten engagiert. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie alles über unsere Arbeit im Caritas Baby Hospital, unsere Projekte und unseren Verein.
www.khb.ch

  

 

Liebe Siedler von Judea und Samaria - ein Brief

In Ha'aretz fand ich heute einen Brief von einem der Herausgeber von Ha'aretz an die jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten. Ich bin nicht zum Übersetzen gekommen, aber hoffe, dass die meisten Empfänger den englischen Text verstehen. Ich finde diesen Brief ein bemerkenswertes Zeugnis. Wenn alle so dächten . . . Herzliche Grüße, Christof Heimpel, 14.6.2002
Absender: Christof Heimpel, Blumenstr. 23, D-69115 Heidelberg, www.bonifatius-hd.de

Marmari, Ha’aretz-Editor
Dear Settlers of Judea and Samaria,
The time has come for us to turn to you with a most painful request: to give up the dream you have cultivated for years and come home. Come home of your own free will, not because you are forced to. Come home, recognizing and accepting that this is what must be done. You will be welcomed with open arms. In the 35 years since the occupation of the territories, you have known times of hope and prosperity, and times of trouble and affliction, but you have always set yourselves apart from the rest of the community. The act of settlement has been the source of bitter controversy since the day you pitched your first tent. You have never enjoyed the blessing of the general public. Convinced of your righteousness, you chose to shut your ears to any rumblings of discontent.

In your enthusiasm, your faith, your tenacious belief in the vision of Greater Israel, you never looked back. You ignored the skeptics. You sneered at those who would give in. You pitied supporters of compromise. As you inundated the political system with shrill demands, you chided the public for not sharing your aspirations. Even though the peace camp is bruised and beaten, and the peace process lies is ruins, you cannot celebrate your victory. With the conflict that was meant to be resolved by the Oslo Accords bursting into flame once more, buffeting us with new gales of hatred and bloodshed; with Palestinians and Israelis killed every day in paroxysms of blind cruelty, their deaths doing nothing for anyone; with your dream of rolling vistas turning into a life of bulletproof shields and flak jackets, it is hard to take any joy in the weakness of the left and the right-wing government's lack of inspiration. Your chief accomplishment is the contribution you have made to hog-tying our national leadership. It may be true that no one can force you into accepting anything against your will.

But the clock of history is ticking, and the State of Israel is wearing itself out in a senseless conflict. Now is the time for some soul-searching, the likes of which you have never known. The hackneyed debates over active versus passive resistance to evacuation, over accepting or rejecting the decision of the majority, are not enough any more. Now you are being asked for more: You must explain to yourselves where you are heading - and where you are taking the State of Israel in the process. You have been the locomotive pulling the political train since the days of Sebastiya. The time has come to set aside your purism, your solipsism, your absolute confidence in being right, and rouse yourselves into a broader examination of the complexities. The time has come to take a stark look at the implications of your actions.

The entire Middle East needs to put its house in order. Dark regimes need purifying light; fundamentalist movements need a good shaking; the Palestinians need to reassess their objectives and their glorification of the shaheed track. We are beginning to see a little of this, but there is no time to wait until the process is in full swing. Even the left, your sworn enemy, has had no choice but to embark on a period of self-examination, and many members of Peace Now have inserted a question mark next to the word "now." But even if full reconciliation is still a long way off, no one can take away from the leftists the logic of their approach: facing up to reality and being prepared to compromise from a position of inner strength. The bitter truth is that we have no leader strong enough to stand up to you. The whole Israeli right takes its cue from you, and you are the first to disrupt any plan for political compromise. The two prime ministers who tried to bypass the obstacles you placed in their path paid the price for it - one with his life and the other by being driven out of public office. Your power paralyzes governments; they cannot act, even to cut losses and save lives. Fear of angering you has filled every Israeli prime minister, rendering one after another incapable of evacuating so much as a single caravan - even when the largest fleet of bulldozers in the Middle East is at their command.

Therefore, if there is to be any kind of turnabout, it depends on you, as an idealistic community, as a cadre of educated people, as the guardians of Zionism, as people who differentiate between perpetuity and living for the moment, as people who disapprove of political cynicism, as non-materialists. Trying to be the Pillar of Fire, you set off a terrible conflagration. Why not be the Pillar of Cloud, leading the people in broad daylight? Why not be the silver platter upon which the State of Israel is served up to the next generation?  Come home. The Israeli author Amos Oz called out to you >from the podium at the huge peace rally at Rabin Square last month, but his emotional plea seems to have left you unmoved. We are home, you replied defiantly. We have no other place to return to.

Have another look at the definition of home. Maybe you will reach the conclusion that home is where consensus is - not in the rocky fields of controversy. Rest assured that when you do leave behind this home you cultivated and bid farewell to a great dream that will never come true, we will embrace you with warmth and esteem. Other vital missions and noble endeavors will be found for you in an instant. When you return, the bleeding wound that has sapped the State of Israel of strength all these years will quickly heal. An Israeli public reunited can make peace with its neighbors from a position of legitimacy, with a clear head and heart. Moral strength will follow: He who has freely given up his dream has the right to demand that the other side relinquish its unattainable dreams.
The key to peace for the State of Israel is in your hands. You are sitting on it. Get up and use it.

Marmari, Ha’aretz-Editor
Quelle: http://www.haaretzdaily.com  (14. 6. 2002)

  

Ingeborg Ronecker aus Kirchzarten 10 Jahre in Jerusalem

Zehn Jahre Jerusalem - Hilfe und Verständnis für zwei Völker
Ingeborg Ronnecker wirkte an der Seite des evangelischen Probstes für Israelis und Palästinenser / In Deutschland will sie über die Situation in Palästina aufklären.  Wenn Ingeborg Ronecker in Burg-Birkenhof in ihren Tagebuchnotizen und Briefen blättert, dann werden Erinnerungen an Israel und Palästina und die heutige politische Lage wach. Die Kirchzartenerin lebte von 1991 bis 2001 mit ihrem Ehemann Karl-Heinz Ronecker in Jerusalem nur wenige Schritte von der Grabeskirche entfernt. Ihr Ehemann wirkte dort als evangelischer Propst.

Die ehemalige Sonderschullehrerin sieht den zehnjährigen Aufenthalt in Jerusalem als einen Höhepunkt in ihrem Leben. Als sie vor wenigen Wochen wieder in Jerusalem mit ihrem Ehemann war, konnte sie viel Dankbarkeit erleben, aber auch wiederum erfahren, wie sich das Leben seit dem Herbst 2001 durch die politische Lage stark verändert hat. Auch aus Kirchzarten-Burg möchte sie weiterhin die vermittelnde Rolle, wie zuvor bei ihrem Auslandsaufenthalt, zwischen Israelis und Palästinensern ausüben. "Es sind zwei Völker, die ihre Daseinsberechtigung haben wollen", erklärte sie in einem Gespräch mit der Badischen Zeitung und wies gleichzeitig darauf hin, dass Gewalt keine Lösung für die Probleme sei.

Als sie 1991 als Ehefrau des neuen Propstes nach Jerusalem zog, wusste sie nicht, was auf sie zukam. Zwei Kisten mit Handarbeitsmaterial hatte die Pfarrersfrau mit auf die Reise genommen. Doch diese blieben zehn Jahre in Jerusalem verschlossen. Denn so vielfältig waren die Aufgaben, die dort auf sie warteten. Diese sah sie vor allem darin, menschlich-freundschaftliche Beziehungen aufzubauen, so wohl bei Israelis als auch bei Palästinensern. "Wir hatten ein offenes Haus, in dem Menschen eine Heimat und Hilfe fanden", berichtet sie und ergänzt: "Wir haben nicht nach Glaube oder Herkunft bei all den vielen Hilfen gefragt." Sie verstand sich als ehrenamtliche Sozialarbeiterin, die auch Frauen betreute, aber genauso Geld für schwer kranke Kinder für deren Operation sammelte. In Rundbriefen lies sie Freunde, Bekannte und Verwandte in der Heimat an ihrer segensreichen Arbeit teilhaben. Rückblickend freut sie sich besonders über die viele Anerkennung, die sie bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit erhalten hat. Hohe Sensibilität - immer die eigene deutsche Geschichte vor Augen - eigene Zurücknahme, achtsames Hören und Sehen, was wirklich geschieht, was gelitten und erduldet wird, war Ingeborgs Roneckers erstes Gebot. Im Verstehen beider Völker, die auf so tragische und nun grausame Weise das Land nicht zu teilen und gemeinsam zu bewohnen vermögen, half sie durch einen Spenderkreis auch mit Medikamenten und dem Lebensnotwendigsten, da sie sich neutral zwischen Israel und den autonomen Gebieten der Palästinenser trotz der Checkpoint-Sperre bewegen durfte
....
Heute, nachdem ihr Mann im Ruhestand lebt, halten beide fast jede Woche Vorträge über das Leben in Israel und Palästina. "Wir haben derzeit die Chance, den aktuellen Eindruck über das Leben in diesem Land weiterzuvermitteln, aber auch den Menschen wichtige Informationen über den Konflikt zu geben". Langeweile kommt bei Ingeborg Ronecker keinesfalls auf. Ihr großer Freundeskreis und ihre Kontaktfreudigkeit geben immer wieder eine breite Plattform, um über ihre Erkenntnisse und Erlebnisse zu berichten. Trotz der Schwierigkeiten, auch für die an exponierter Stelle tätigen Ausländer, will das Ehepaar Ronecker auch weiterhin in das Krisengebiet reisen, um den in zehn Jahren gewonnenen Freunden beider Völker zur Seite zu stehen.
ds, BZ vom 14.6.2002, mehr unter: www.bzol.de

  

 

Jerusalem - zu heilig für den Frieden? Auszug aus dem Friedensgutachten 2001

In Jerusalem verschlingt die Vergangenheit die Gegenwart
Von Margret Johannsen

Am 28. September 2000 besuchte der israelische Oppositionsführer Ariel Scharon unter dem Schutz von Hunderten israelischer Ordnungskräfte den Tempelberg. Auf die Provokation des Ex-Generals antworteten die Palästinenser nach dem Freitagsgebet am nächsten Tag mit Steinwürfen gegen das tausendköpfige Polizeiaufgebot, das in Erwartung von Unruhen in die Altstadt beordert worden war. Die Polizei schoss scharf. Bei dem nachfolgenden Aufstand starben bis Ende Mai 2001 über 500 Menschen, die meisten von ihnen Palästinenser. An dieser
zweiten Intifada, die nach ihrem Ausgangsort den Namen "al-Aqsa-Intifada" erhielt, zerbrachen die Verhandlungen, in denen es unter anderem gerade um den künftigen Status Jerusalems ging.

Der Konflikt um Palästina hat mit dem Ausbruch der zweiten Intifada seine vieldimensionale Natur erneut offenbart. Seinem Ursprung nach handelt es sich um einen Konflikt zwischen zwei Volksgruppen, der sich territorialisierte, weil die zionistische Landnahme seit dem späten 19. Jahrhundert mit dem Ziel vorgenommen wurde, einen jüdischen Nationalstaat zu errichten. Zu diesem Zweck gingen die jüdischen Kolonisatoren daran, die arabische Mehrheit in ihrem Land zur Minderheit zu machen. Die Ideologie der Landnahme und späteren Staatsgründung, die im Kontext des europäischen Nationalismus und Antisemitismus populär wurde, beruhte auf ethnisch-religiöser Exklusivität. Sie unterschied sich von den westlichen Nationalstaatsbildungen in diesem Punkt, weil letztendlich die religiöse Abstammung den gemeinsamen Nenner für die in aller Herren Länder verstreuten Juden bildete. Es gab keine andere einleuchtende Begründung dafür, Palästina als "nationale Heimstätte" für die Juden in aller Welt zu wählen.

Die Landnahme setzt sich seit 1967 in der jüdischen Besiedlung der besetzten Gebiete fort. In dieser zweiten Phase der Verdrängung der palästinensischen Bevölkerung ist das religiöse Element des Konflikts erst recht keine bloße Zutat. Im Gegenteil markiert 1967 in der Geschichte Israels den Beginn einer allmählichen Abkehr von dem vormals dominanten säkularen Ideal, das die Religion der Sphäre des Privaten zuweist. Nationalreligiös motivierte Siedler waren die Pioniere der Besiedlung unter dem Schutz der Besatzung, und sie scheinen gegenwärtig bereit, unter widrigsten Umständen auszuharren. Denn "Judäa" und "Samaria" sind für die Nationalreligiösen Teil von "Erez Israel" - dem Land Israel, das Gott dem auserwählten Volk einst durch den Bund mit Abraham versprach. Ihre Besiedlung durch Juden beschleunigt die Erlösung der Welt. Mit einem solchen Maß an Legitimation, wie es dieses messianische Motiv zu liefern imstande ist, können weltliche Motive der Kolonisierung nicht aufwarten. Zugespitzt ausgedrückt dient daher die Religion auch den Säkularen zur Legitimation ihrer Präsenz im Lande.

Auf arabischer Seite ist ein gleichlaufender Prozess festzustellen. Die Mobilisierung der antijüdischen Potenziale des Islam - stets latent vorhanden neben dem heilsgeschichtlich begründeten positiven Akzent in der islamischen Haltung gegenüber Juden - erfolgte oft im Zusammenhang mit dem Palästinakonflikt. In der gegenwärtigen Phase des Konfliktverlaufs wächst dem politischen Islam mit seiner Interpretation des Konflikts als unversöhnlicher Kontroverse zwischen Gläubigen und Ungläubigen ein wachsendes Maß an Überzeugungskraft zu. All dies macht Religion noch nicht zum Kern des Konflikts. Aber im Nahen Osten, wo Religiosität ungebrochener ist und im Alltag eine ungleich bedeutsamere Rolle spielt als in den weitgehend säkularisierten europäischen Gesellschaften, bietet sich die sakrale Emblematik zur Darstellung des Interessenkonflikts an.

Nicht von ungefähr hat sich somit der Versuch, den Konflikt um Palästina vertraglich beizulegen, im Streit über Jerusalem festgefahren. Hier verdichtet sich der Konflikt und wie durch ein Prisma werden alle seine Schichten und Dimensionen sichtbar. Und hier ist er wie sonst nirgendwo der religiösen Darstellung und Wahrnehmung zugänglich. Es nimmt daher nicht Wunder, dass sich der Streit um den künftigen Status der Stadt schließlich auf die Frage der Souveränität über die heiligen Stätten zuspitzte. Auf die Rechte an diesem Ort Brief und Siegel zu erhalten wurde für beide Seiten zu einer Frage von Identität - und damit des Alles oder Nichts. ...

Die moderne Stadt Jerusalem mit ihren rund 630.000 Einwohnern - in den Worten des Jerusalemgesetzes von 1980 "vereint die ewige Hauptstadt Israels" - ist de facto geteilt. In West-Jerusalem leben bereits seit dem israelisch-arabischen Krieg 1948/49 keine Araber mehr. In Ost-Jerusalem führten die Enteignungen arabischen Grundbesitzes, der staatlich geförderte Wohnungsbau für jüdische Siedler und administrative Schikanen gegen die palästinensischen Einwohner dazu, dass diese im traditionellen Zentrum der Westbank heute in der Minderzahl sind.

Jerusalem ist die international nicht anerkannte Hauptstadt Israels. West-Jerusalem ist fast ausschließlich von Juden bewohnt. In Ost-Jerusalem leben Juden und Araber, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, in ausschließlich jüdischen oder arabischen Stadtteilen. Hier entstand ein System vielfältiger Privilegierungen bzw. Diskriminierungen der beiden Bevölkerungsteile. Ob Straßenbau oder Kanalisation, ob Schulen, Krankenhäuser, Bibliotheken oder Sportanlagen - überall, wo staatliche Gelder hinfließen, besteht ein krasses soziales Gefälle zwischen jüdischen und arabischen Stadtvierteln.

Das Schlüsseldatum für die Hauptstadtfrage ist 1967. Mit der Abtrennung der Westbank, einschließlich Ost-Jerusalems, von Jordanien wurde die Basis für die Zweistaatenlösung - ein Staat Palästina neben dem Staat Israel - gelegt. Seit der palästinensischen Staatsproklamation 1988 erhebt die PLO und mit ihr seit 1994 die palästinensische Autonomiebehörde offiziell Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt. In ihrer Politik gegenüber dem besetzten Ost-Jerusalem verfolgten alle israelischen Regierungen letztlich das gleiche Ziel: Es galt zu verhindern, dass aus dem Zentrum der Westbank die Hauptstadt eines palästinensischen Staates würde. Um Ost-Jerusalem von der Westbank zu isolieren, müssen Palästinenser seit 1991 eine Genehmigung beantragen, wenn sie die Stadt betreten wollen. Mit zahlreichen Checkpoints an den Stadtgrenzen kontrolliert Israel die Einhaltung dieser Vorschrift. Dennoch ist es Israel nicht gelungen, die Verbindungen Ost-Jerusalems zur Westbank zu kappen und die Kontrolle über die arabischen Stadtviertel Ost-Jerusalems zu erlangen. Die Palästinensische Autorität hat hier parallel zum israelischen einen eigenen Polizeiapparat aufgebaut, der für die arabischen Bewohner das Gesetz repräsentiert. ...

Im Streit um die Hauptstadt kulminiert der Zusammenprall der beiden Nationalismen. Für die jüdischen Israelis ist "Yerushalayim" seit über 3000 Jahren, als König David die jüdischen Stämme einte, die Hauptstadt Israels. Für die muslimischen Palästinenser ist "al-Quds" das Symbol für den Sieg Saladins über die Kreuzritter, der den Islam hier 1187 als herrschende Religion wieder einsetzte. In Jerusalem verschlingt die Vergangenheit die Gegenwart. Diese Realitätsverschiebung verhindert eine nachhaltige Lösung der Jerusalemfrage. Denn eine solche ist nur möglich, wenn beide Seiten einander in ihrer gegenwärtigen Existenz anerkennen und lernen auf diesem kleinen Flecken Erde miteinander auszukommen. ...

Lösungsvorschläge

Seit Frankreich und Großbritannien 1916 den Nahen Osten in Interessensphären und Einflusszonen untereinander aufteilten, wurden Dutzende von Vorschlägen für die Lösung der Jerusalemfrage gemacht. Die geheime Übereinkunft aus dem 1. Weltkrieg sah für Jerusalem eine internationale Verwaltung vor, ebenso die Resolution 181 der Vereinten Nationen nach dem 2. Weltkrieg. Über die Internationalisierung Jerusalems wird heute dennoch nicht verhandelt, weil keine der Konfliktparteien eine solche Lösung will. Denn in den konkurrierenden Nationalismen beider spielt Jerusalem als Hauptstadt eine unverzichtbare Rolle. Dies ist nicht verwunderlich. Bekanntlich üben nationalistisches Gedankengut und seine Symbole in Zeiten tiefgreifender Identitätskrisen besondere Anziehungskraft aus. ... Da die Stadt de facto beiden gehört und beide Nationen dort und nirgendwo sonst ihre Hauptstadt sehen, muss man sie sich teilen - entweder als gemeinsamen oder als anteiligen Besitz.

In keinem der Pläne seit 1993 - als Jerusalem Gegenstand künftiger Verhandlungen wurde - findet man ein Plädoyer für die physische Teilung der Stadt durch Zäune oder Mauern. Hingegen gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, die Verwaltung, die Souveränität und sogar die heiligen Stätten zu teilen.

Mit der Formel "Jerusalem - eine Hauptstadt zweier Staaten" wirbt der "Friedensblock" des israelischen Publizisten Uri Avneri für seine Vorstellung einer offenen Stadt, in der jeder Bürger zu allen Orten freien Zutritt hat. Die arabischen und jüdischen Stadtviertel sollen ihre eigenen gewählten Stadträte haben und für ihre lokalen Angelegenheiten selbst Sorge tragen, mit einem föderativen Gesamtstadtrat für übergeordnete Aufgaben. Der Vorschlag spiegelt zwar die gegenwärtige Teilung wider, schafft aber auch Strukturen, um gemeinsame Anliegen kooperativ zu handhaben. Wo der Alltag organisiert wird, kann Gemeinsamkeit pragmatisch entstehen.

Die Teilung der Souveränität scheint schwieriger als die der Verwaltung. Diejenigen, die Jerusalem gerne als Geburtstätte einer völkerrechtlichen Innovation sähen und sich für die Idee einer gemeinsamen Souveränität beider Staaten in der Stadt erwärmen können, konzedieren, dass die Lösung der juristischen Probleme - welches Rechtssystem gilt wo und für wen? - ein beträchtliches Maß an Kooperationsbereitschaft voraussetzt. Nicht nur die fragile Identität beider Völker, auch der gescheiterte Versuch, mit dem Oslo-Prozess Vertrauen zwischen den Völkern aufzubauen, lassen vermutlich eine "reife" Lösung wie die gemeinsam ausgeübter Souveränität vorerst nicht zu.

Andere plädieren darum für israelische Souveränität in West-Jerusalem bzw. in den jüdisch bewohnten Stadtvierteln und palästinensische Souveränität in Ost-Jerusalem bzw. in den arabisch bewohnten Stadtvierteln. Für die Anhänger der Idee eines ganzen Jerusalems für alle seine Bürger wären derart komplizierte Grenzziehungen indes gleichbedeutend mit der politischen Zementierung der heutigen Ghettos.

In den Verhandlungen über Jerusalem schien aber weder die Verwaltungsstruktur noch die politische Teilung der Stadt entlang den ethnischen Grenzen die Klippe zu sein, an der die Verhandlungen aufliefen. Zwar gab es keine veröffentlichten schriftlichen Vorschläge (mitsamt Landkarten) noch hatte man sich am Ende auf Schlusskommuniqués geeinigt, denen die genauen Gründe für den Abbruch der Verhandlungen zu entnehmen wären. Indes scheint festzustehen, dass eine Lösung gemäß einer Empfehlung Avneris nicht in Betracht kam. Der Friedensaktivist schrieb 1996: "Der religiöse Aspekt ist wohl am einfachsten zu lösen. Gläubige aller Konfessionen müssten das Recht haben, ungehindert nach Jerusalem zu kommen, um zu beten, und die heiligen Stätten sollten selbstständig - und unter Umständen extraterritorial - verwaltet werden." Vorschläge für einen gesonderten Status der heiligen Stätten gibt es zuhauf. Die vielleicht radikalste Variante, dem verstorbenen jordanischen König Hussein zugeschrieben, ist die Idee, für die heiligen Stätten nur die Souveränität Gottes anzuerkennen. Da der Gott der monotheistischen Buchreligionen unsichtbar ist - und sich Judaismus wie Islam an das Bilderverbot halten - scheint dieses Modell so einfach wie genial.

Doch die Konfliktparteien wollten Fahnen wehen sehen. Während der sechs Monate zwischen dem Gipfeltreffen in Camp David und den Verhandlungen in Taba soll Israel den Palästinensern folgende Rechte über ihre heiligen Stätten angeboten haben: weitgehende Selbstverwaltung, begrenzte Souveränität, religiöse Souveränität, symbolische Souveränität, funktionale Souveränität, faktische Souveränität, Restsouveränität und schließlich horizontal geteilte Souveränität: Felsendom und al-Aqsa-Moschee auf dem Berg sollten palästinensisch werden; das Allerheiligste des jüdischen Tempels in der Tiefe hingegen - wie auch die Klagemauer - israelisch. Arafat lehnte alle Angebote ab. Für weniger als die volle Souveränität des Staates Palästina über den Haram al Sharif war mit ihm kein Abkommen zu haben.

Eine israelische Kontrolle über Teile davon hätte nicht nur gegen das religiöse Dogma verstoßen, wonach der ganze Bezirk (und nicht nur die Moscheen) heiliger Raum sei, sondern auch in der islamischen Welt Zweifel an der Fähigkeit des säkularen PLO-Vorsitzenden gesät, ein verlässlicher Hüter der heiligen Stätten des Islam in Jerusalem zu werden.

Die Teilungslösung wäre zudem wohl auch in Israel durchgefallen. Als Präsident Clinton sich um die Jahreswende den Vorschlag, zwischen ober- und unterirdischer Souveränität zu unterscheiden, zu eigen machte, besaß Barak längst keine Mehrheit mehr - weder in der Knesset noch in der Bevölkerung. Der Wahlkampf war in vollem Gange, Herausforderer Scharon führte um Längen vor dem amtierenden Regierungschef. Warum sollte der Palästinenserpräsident Konzessionen bei dem zugkräftigsten Symbol der nationalen Identität seines Volkes machen, wenn überhaupt nicht sicher war, dass er damit sein Ziel - einen Staat Palästina mit der Hauptstadt al-Quds - würde erreichen können?

Es scheint, als überfordere das Konzept gemeinsamer Souveränität über den Tempelberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt beide Seiten. Wenn aber Israel seine souveränen Rechte nicht vollständig aufgeben kann und die Palästinenser ihre souveränen Rechte nicht teilen können, so wäre es besser gewesen, das Thema auszuklammern. Bereits vor dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen gab es Warnungen, dass der Konflikt über die Jerusalemer Altstadt noch nicht lösungsreif sei. Jerusalems ehemaliger zweiter Bürgermeister Benvenisti schrieb nach dem Abbruch des Camp David-Gipfels, der Status quo für die heiligen Stätten sei stabil und pragmatisch, weil die Wirklichkeit temporär und widersprüchlich sei. Suche man in dieser Lage nach einer endgültigen Lösung, so werde auf einmal zu Streit, was bisher hingenommen wurde.

In den vielen kreativen Lösungsvorschlägen der Juristen sieht Benvenisti moderne Alchimisten am Werk. Die von ihnen angestoßene Debatte mag dazu beitragen, lang gehegte Tabus zu brechen und damit Hindernisse für zukunftsfähige Kompromisse zu beseitigen. Aber Alchimisten tragen - wie die legendäre Erfindung des Schießpulvers zeigt - auch ein professionelles Risiko. Nach über 500 Toten in der al-Aqsa-Intifada muss man inzwischen hinzufügen: Sie tragen es nicht allein.

Quelle: http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Israel/johannsen.html

Auszüge aus: Friedensgutachten 2001, Münster und Hamburg 2001; in der Frankfurter Rundschau vom 7. Juni 2001 war der Beitrag von Margret Johannsen (Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg) in einer längeren Fassung dokumentiert.
Das "Friedensgutachten 2001" wird vom Institut für Friedens- und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt und der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg in Kooperation mit dem Bonn International Center for Conversion (BICC) und dem Institut für Entwicklung und Frieden in Duisburg herausgegeben.

  

 

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