Windraeder Vogesen Auerhuhn

Über bedrohte Tierarten lässt sich trefflich streiten. Zum Beispiel über das Auerhuhn. Davon können Windkraftbefürworter in Südbaden ein Lied singen – und ihre Mitstreiter jenseits des Rheins ebenso. Roger Bleu, Bürgermeister von Le Bonhomme im Elsass, etwa schimpft, dass die Gegner seines Windkraftparks das Auerhuhn als Vorwand missbrauchten. „Sie behaupten, unser Windpark würde den Bestand der Auerhühner in den Vogesen gefährden.“ Elf Jahre lagen Pläne für fünf Windräder am Col du Bonhomme unter anderem deswegen auf Eis. Anfang Juni hatte der Präfekt in Colmar endlich grünes Licht für die Rodung von knapp drei Hektar Nadelwald gegeben. Doch sofort erhob der Verein Sauvegarde Faune Sauvage (Rettung der wilden Fauna) bei der EU-Kommission in Brüssel Einspruch – und war damit äußerst erfolgreich. Das französische Landwirtschaftsministerium wies jüngst die Präfektur in Colmar an, ihre Entscheidung zurückzuziehen und die Pläne für den Windpark erneut zu prüfen. Henri Stoll, Bürgermeister von Kaysersberg, der für die Grünen auch im Generalrat in Colmar sitzt und neben Bleu einer der Väter des Projekts ist, schnaubt vor Wut. „Endlich hatte sich der erste intelligente Präfekt auf diesem Posten unser Vorhaben einmal genau angeschaut und jetzt legen uns diese Idioten wieder Steine in den Weg.“ Noch am Nachmittag blockierte Stoll, der mit seinem Rauschebart aus jeder Menge hervorsticht, mit einem Dutzend Gemeinderäten bei Kaysersberg die Zufahrtsstraße zum Col du Bonhomme und provozierte damit die Wut vieler Pendler. Stoll und Bleu sind hartnäckige Verfechter ihrer Sache. Jahrelang haben sie sich am Widerstand der Vogel- und Naturschützer die Zähne ausgebissen. Nun haben sie erneut einen Rückschlag erlitten. Dabei sind alternative Energien in Frankreich seit dem Regierungswechsel im Mai 2012 mehr denn je gewollt. Beim Thema Windkraft sind aber selbst die Grünen gespalten. Die einen sehen im Strom, den die Windräder erzeugen, die Zukunft. Andere halten sie für eine Gefahr für Landschaftsbild und Artenschutz. Das Beispiel am Col de Bonhomme zeigt, dass die Konflikte zwischen ausgewiesenen und selbst ernannten Experten die Debatte nicht versachlichen.
Auf 950 Metern Höhe zwischen dem Col du Bonhomme und dem Col du Louschbach sollten sich – ginge es nach Bleu und Stoll – in wenigen Jahren fünf Windräder drehen und Strom produzieren. Ein erstes Antragsverfahren des Gemeindeverbandes Kaysersberg hatte Sauvegarde Faune Sauvage schon vor Jahren blockiert: Der Standort liegt in der Nähe geschützter Bereiche in den Vogesen. Zudem machten die Gegner geltend, die Windräder würden den Auerhuhnbestand in den Vogesen gefährden.
„Erstens“, entgegnet Roger Bleu, „fliegen Auerhühner nicht so hoch, dass ihnen die Windräder gefährlich werden könnten.“ Zweitens sei der Wald an der bewussten Stelle ohnehin erst nach dem Krieg aufgeforstet worden. „Zuvor haben sich dort Weiden befunden“, sagt Bleu. Durch die Rodung entstünden Freiflächen. Diese seien nur vorteilhaft für die Auerhühner. Seine Argumente untermauerte er mit einem neuen Gutachten. Den Präfekten hat es beeindruckt.
Jean-Paul Burget vom Verein Sauvegarde Faune Sauvage hingegen nicht. Er genießt die Genugtuung, dass Paris ihm recht gegeben hat. „Ich sorge dafür, dass europäische Gesetze respektiert werden, und ich werde das bis zuletzt durchboxen“, sagt Burget, nicht minder kampfeslustig als die beiden Bürgermeister. „Diese angeblich wissenschaftliche Studie ist nichts als Lobbyarbeit“, kritisiert Burget. Seine Ankündigung, nicht nachzugeben, klingt glaubwürdig. Schließlich hat er bereits mit einer Klage dafür gesorgt, dass Brüssel der französischen Regierung seit Jahren im Nacken sitzt, weil sie zu wenig für den Schutz des Feldhamsters getan hat. Bei der Offenlegung der Planungsunterlagen im Mai waren die Stellungnahmen der Windkraftgegner zahlenmäßig unterlegen. Roger Bleu gibt das ein klein wenig Rückhalt, um weiterzumachen. Die Anweisung des Ministeriums muss schließlich nicht das endgültige Aus bedeuten. Noch hat die kommunale Betreibergesellschaft Zeit, um Argumente nachzulegen und Zweifel auszuräumen.
Dass sich ein langer Atem auszahlt, beweist das Beispiel von Dehlingen im äußersten Nordwesten der Region. Auch dort kamen die Pläne der Gemeinde ebenfalls durch eine Klage ins Stocken. Doch seit bald zwei Monaten dreht sich am Rande des Ortes eine Handvoll Windräder. Es sind die ersten im Elsass.
6.8.2013, Bärbel Nückles

Verein „Sauvegarde Faune Sauvage“ (Rettung der wilden Fauna)
https://www.sauvegardefaunesauvage.fr/ 

 

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