Wettkampf um die Klugen

„Liefern Mathe-Asse plus Patentdichte plus Eigentumsrechte die optimale Formel für die Voraussage der Zukunft? Man mag das bezweifeln und doch Mühe haben, etwas Überzeugenderes an ihre Stelle zu setzen“ – so lautet die Kernaussage von Prof. Gunnar Heinsohn in seinem Buch „Wettkampf um die Klugen“. Demnach sind drei Faktoren für die Zukunft Deutschlands im internationalen Wettbewerb entscheidend: (1) Mathematik-Asse, (2) Patentanmeldungen und (3) Eigentumsbildung.
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(1) Mathe-Asse: Intelligenzquotient (IQ) wie Cognitive Ability (CA) korrelieren mit 0,9 sehr hoch mit der Leistungsfähigkeit im Schulfach Mathematik. Den Vorwurf, dass gerade „Mathe“ statt etwa „Lesen“, „Rhetorik“ oder „Kochen“ mit Rassismus zu tun habe, weist der Soziologe Heinsohn zurück: „Mathematik ist ein kulturneutrales Maß, um Leistung zu messen in Tests. Auf ‚kulturneutral‘ kommt es an. Deshalb gibt es kein aussagekräftigeres Maß für Intelligenztests als die Mathematik.“
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Nun zu den Tests der TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Studies). Diese international vergleichenden Schulleistungsuntersuchungen werden seit 1995 im vierjährigen Turnus von der „International Association for the Evaluation of Educational Achievement“ durchgeführt.
Die im Jahr 2005 geborenen Kinder aus 70 Nationen unterzogen sich den Tests der „TIMSS-Olympiade 2015“. Diese Schüler werden ab 2030 ins Berufsleben einsteigen, wobei sich gewöhnlich zwischen dem 25. und 29. Geburtstag zeigt, ob sie Winner oder Loser werden. In der folgenden Tabelle im Buch „Wettkampf um die Klugen“ auf S. 109 zeigt Heinsohn eine für Deutschland’s Bildung ernüchternde Rangfolge:
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Deutschland hat 190.000 (fett) mathematisch fortgeschrittene Schüler, wobei es nur 5,3 % (in Klammern) der Getesteten in diese „advanced“-Kategorie geschafft haben. Asien ist bei TIMSS 2015 top und Deutschland down. Dass 24.660.000 Mathe-Asse aus China 190.000 aus Deutschland gegenüberstehen ist klar.
Daß bei den Prozentanteilen in der gleichen Alterskohorte aber 30,0 % der jungen Chinesen nur 5,3 % der jungen Deutschen als „advanced“-Schüler gegenüberstehen, ist besorgniserregend. Hätten wir (5,3%) hinsichtlich der Begabtenförderung chinesische Verhältnisse (30%), dann würden in Deutschland stolze 1.075.472 Mathe-Asse zur Schule gehen anstelle unserer 190.000. Aber 1.075.472 Mathe-Asse wären den deutschen Bildungsministerinen und -minister dann doch etwas zuviel des Guten?
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In naher Zukunft wird die Wertschöpfung in Ländern generiert, in denen Mathe-Asse an den Schlüsseltechnologien Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik arbeiten – und da steht es „30 % CN zu 5,3 % D“, also „5,7 zu 1“.
Die Zukunft hat schon begonnen: So hatten D und F mit ihren 150 Mio Deutschen und Franzosen im Jahr 2018 gerade mal 215 KI-Startups, die 8 Mio Israelis hingegen stolze 383.
Ein schwacher Trost: Deutschland liegt bei den Gender-Lehrstühlen mit 185 gegenüber 0 (null) in China vorne – hierzulande also Gender vor Science.
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(2) Patentdichte:
Bei den von der Patent Corporation Treaty (PCT) kontrollierten Patentanmeldungen kamen 2018 von den 126 Mio Japanern 50.000 Erfindungen, von den 82 Mio Deutschen nur 20.000 (zum Gleichstand wären 33.000 notwendig gewesen).
Unter den 20 Universitäten mit den meisten PCT-Patentanmeldungen kommen 8 aus den USA, 4 aus Japan, 4 aus China und 3 aus Südkorea und 0 (null) aus D. Also „3 Asien zu 2 USA“, wobei Europa überhaupt keine Rolle spielt.
Die CEBIT-Hannover als weltweit größte Elektronikmesse wurde 2018 eingestellt – ein Zeichen dramatisch abnehmender Cognitive Ability (CA) im exportabhängigen Deutschland.
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(3) Eigentumsrechte:
Hinter dieser dritten Kategorie von Gunnar Heinsohn steht das altehrwürdige Sprichwort „Eigentum verpflichtet“. Der Eigentümer ist zu zeitgemäßen Innovationen und Investitionen gezwungen, um seinen Besitz zu erhalten. Er wird also intellektuell gefordert. Auch die chinesische Innenpolitik hat, nachdem sich die Aufbaugeneration (vergleichbar mit unserer Nachkriegsgeneration 1945-1960) aus dem Arbeitsleben verabschiedet, inzwischen den Wert der Bildung von Privateigentum (vorrangig für junge Leute) erkannt.
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Das Fazit aus (1) bis (3): Es sieht düster aus für die Zukunft Deutschlands im internationalen Vergleich. Was bleibt zu tun nach der Lektüre dieses spannenden und besorgniserregenden Buchs? Prof Heinsohn fordert ein sofortiges Umdenken der Bildungspolitik und Migrationspolitik: „Die Innovationen der Zukunft werden kaum mehr von Begabten, sondern fast nur noch von Hochbegabten kommen. Die aber lassen sich nicht durch rechtliche oder pädagogische Reformen gewinnen. Entweder man hat sie und hält sie auch, oder man gewinnt sie im globalen Wettkampf um die Klugen. Wer dabei scheitert, ist verloren.“
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29.12.2020
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Nachtrag zum Jahreswechsel 2020/2021:
Keine Staatsform hat realiter (also nicht in irgend einer fernen Utopie) so viel Wohlstand gebracht wie die Marktwirtschaft auf Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDG). In „Wettkampf um die Klugen“ legt Heinsohn die Bildung als Schwachpunkt unserer FDG offen. Insofern ist dieses kritische Buch ein optimistisches Buch: Wir müssen gegen die Bildungsmisere in Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften einschreiten und wir können es.
Wenn wir aber weiterhin „Lust auf Innovation“ (Ranga Yogeshwar zu China) verpönen und durch „Angst vor Klima“ ersetzen, dann ist dies contraproduktiv, denn es trägt allenfalls dazu bei, daß unsere SchülerInnen die mathematischen Prognosemodelle zu Klima, Wetter und Energie überhaupt nicht verstehen und bewerten können. Wenn an der Uni Heidelberg in Physik die Studenten und vor allem Studentinnen aus China die deutliche Mehrheit stellen, dann mag das gut sein für die RCEP („Regional Comprehensive Economic Partnership“) in Ostasien, nicht aber für uns und die EU.
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Zwei Beispiele zur Flucht aus dem maroden deutschen öffentlichen Schulsystem, die leider keine Einzelfälle sind:
a) Eine syrische Familie mit sechs Kindern, seit 5 Jahren im Raum Heidelberg, wandert nach Kanada aus, da sie dort für ihre hochbegabten Kinder großzügige Förderung und Wertschätzung erfahren.
b) Eine Familie aus dem Hotzenwald mit vier jeweils klassenbesten Kindern wandert nach Australien aus, da sie das ständige Mobbing und Hänseln als „Streber“ an den hiesigen Schulen leid sind.
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Heinsohn zur Zukunft: „Die Innovationen der Zukunft werden kaum mehr von Begabten, sondern fast nur noch von Hochbegabten kommen“ – deshalb lautet die Aufgabe für 2021: Schule, Bildung und Ausbildung fördern, um endlich den Begabten und Hochbegabten unter den Jugendlichen die Chance zu geben, sich hierzulande frei zu entfalten – anstatt auszuwandern.
30.12.2020
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Gunnar Heinsohn: Wettkampf um die Klugen
– Kompetenz, Bildung und Wohlfahrt der Nationen
232 S., ISBN 978-3-280-05707-0
orell füssli Verlag Zürich, 2019

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