Weihnachtsgeschenk – Sinn Tibi

Lesen bildet, ob es raschelt (Print) oder clickt (E-Book). Deshalb der Tip, gleich zwei gerade neu erschienene Bücher zu Weihnachten zu schenken. Das eine für den eher schnöde-finanziellen Wohlstand: „Hans-Werner Sinn – Der schwarze Juni“. Das andere fürs mehr religiös-geistige Wohlbefinden: „Bassam Tibi – Europa ohne Identität? Europäisierung oder Islamisierung„.   .
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Beide Autoren haben vieles gemeinsam: Sie wurden zum Ende des 2. Weltkriegs geboren – Hans-Werner Sinn 1948 in Brake/Niedersachsen als Sohn einer SPD nahestehenden Arbeiterfamilie und Bassam Tibi 1944 in Damaskus /Syrien als Sohn einer Damaszener Notablenfamilie. Sie wurden also in einer Nachkriegszeit sozialisiert, haben Armut und Mangel erlebt. Und sie sind „Schon länger hier Lebende“ – so die Merkel’sche und deshalb aktuell gültige Definition für „Deutsche„, Tibi kam 1962 nach Frankfurt..
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Beide haben als Professoren zahlreiche Bücher verfaßt: Der Ökonom Hans-Werner Sinn war 1999-2016 Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung München und gilt als einer der einflußreichsten Wirtschaftswissenschaftler Europas. Der Islamologe Bassam Tibi lehrte an der Universität Göttingen sowie in den USA (University Cornell, Yale und Harvard).
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Beide werden nach anfänglicher Euphorie von der Mainstream-Medien (Süddeutsche, taz, Spiegel, Zeit, Focus, Welt sowie TV von Ard und ZDF) heute als Querdenker ignoriert. Sinn schafft es derzeit in kaum eine TV-Polit-Talkshow mehr, allenfalls mal in ein Phoenix-Interview. Tibi prägte als sunnitischer Muslim 1990 bis 2001 die Diskussion um Leitkultur und Euro-Islam, heute veröffentlicht er nur noch im Ausland (NZZ, Basler Zeitung, BBC, US-Medien). Auf seiner HP beklagt er die „Tyrannei der herrschenden Meinung und Gesinnung“, mit der die deutschen Medien die Diskussionskultur hierzulande zerstört haben.
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Beide üben konstruktive Kritik, verbinden ihren durchaus heftigen Diskurs also mit Perspektiven für die Zukunft: Hans-Werner Sinn legt einen „15-Punkte-Plan zur Neugründung Europas“ vor. Bassam Tibi koppelt an seine Warnung, allzu naiv Flüchtlinge aus islamischen Ländern aufzunehmen konkrete Vorschläge zur Integration von Muslimen in Europa.
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Beide kommen angesichts unserer sich selbst überfordernden multiethnischen Gesellschaft sowie unserer zunehmenden Isolation in Europa (die EU will unser Geld und unsere Haftung, nicht aber Merkel’s Ideen) wieder mehr zu Wort:
Prof Hans-Werner Sinn galt vielen Politikern wie Wirtschaftswissenschaftlern lange Zeit als ausgesprochener Feind von EU, Euro-Gemeinschaftwährung, Fiskalunion wie Rettungsschirm. Aber in seinen Analysen sollte er recht behalten. Angesichts des heute desaströsen Zustandes der EU werden seine Ideen einer europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik wieder mehr geschätzt.
Dass gerade ein Sunnit wie Prof Bassam Tibi als Schüler seines jüdischen Lehrers Max Horkheimers den Deutschen anrät, sich doch mehr auf die eigene, durch Aufklärung, Immanuel Kant, Identität, Demokratie, Menschenrechte und Freiheit geprägte Kultur zu besinnen, mag erstaunen oder – angesichts unserer unseligen Vergangenheit – auch nicht.
18.12.2016
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Hans-Werner Sinn: Der schwarze Juni.
Brexit, Flüchtlingswelle und Euro-Desaster – Wie die Neugründung Europas gelingt.
Herder Verlag, Novemberr 2016, 382 Seiten, ISBN 978-3-451-37745-7,
www.hanswernersinn.de
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Bassam Tibi: Europa ohne Identität? Europäisierung oder Islamisierung
ibidem-Verlag, 522 Seiten, Oktober 2016, 19.90 Euro, ISBN 978-3-8382-1001-8
www.bassamtibi.de
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Sogar Sahra Wagenknecht unterstützt Bassam Tibi: Contra DITIB
„Der deutsche Staat lässt zu, dass der türkische Despot (Erdogan) über seine Religionsbehörde (DITIB) die hiesigen Imame und den Inhalt ihrer Predigten bestimmt.
So fördern wir Parallelwelten, die nichts mit unserer Demokratie, nichts mit einer aufgeklärten Gesellschaft zu tun haben“, so Sahra Wagenknecht (Linke) am 18.12.2016 in
https://www.welt.de/politik/deutschland/article160390853/Die-Agenten-Erdogans-muessen-wir-ausweisen.html

 

Warum spricht Hans-Werner Sinn in seinem Buch vom „Schwarzen Juni 2016“?
Aus zwei Gründen:
Am 21. Juni (also am längsten Tag des Jahres) hat sich das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVG) mit seinem sogenannten OMT-Urteil zur ausufernden Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterworfen, der diese Politik vollauf unterstützte. Mit dieser Unterwerfung gibt das BVG Souveränität an den EuGH ab, was für Deutschland gravierende Folgen haben wird.
Am 23. Juni 2016 erklären die Briten mit dem sog. Brexit den Austritt aus der EU.  Damit verschiebt sich die Balance der Macht innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zugunsten der mediterranen Länder, die aufgrund der Sperrminorität Deutschland jederzeit überstimmen können.
Ein „Schwarzer Juni“ für Deutschland in rechtlicher (EuGH dominiert) wie politischer Hinsicht (EU-Ministerrat dominiert). Deutschland schränkt seine nationale Souveränität freiwillig und unwidersprochen ein, und zwar ohne irgendeine gegenleistung.
18.12.2016

Ein informativer Beitrag vom 18.10.2016:
https://www.focus.de/finanzen/experten/brexit-und-ezb-urteil-viele-haben-es-nicht-gemerkt-der-juni-war-ein-schicksalsmonat-fuer-deutschland_id_6084946.html

 

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Was ist, wenn mit dem Scheitern von Bassam Tibi die Integration mißlingt?
Die Säkularisierung der christlichen Kirchen brauchte 500 Jahre und – niemand gibt Macht freiwillig ab – den Druck der Menschen. Auf einen säkularen Islam auch so lange Zeit warten?
1) Nein, meinte Prof Bassam Tibi und initiierte 1995 eine breite Diskussion mit konkreten Vorschlägen zu einer „europäischen Leitkultur“ und einem „Aufklärungs-Islam“: „Ich trete als aufgeklärter Muslim für einen europäischen Islam und für ein säkulares Europa ein; hier sind Kompromisse nicht möglich, weil es keine halbe Säkularität gibt oder geben kann“ (S. 13). Tibi scheiterte, was auch daran liegt, dass die GroKo unter Angela Merkel abweichend von Tibi den organisierten Kopftuch-Islam unter Ägide von Mazyek’s ZdM und der DITIB unterstützt.
Tibi beklagt dies vehement: „Die Abweichung, die ich sowohl in diesem Buch als auch in anderen Veröffentlichungen wage, ist brutal ‚geahndet‘ worden; ich bin aus den deutschen Medien von 2002 bis 2016 total verbannt worden.“ (S. 18). Nicht verwunderlich angesichts der gutmenschlichen Allianz von Mainstream-Medien und Politik.
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2) Merkel ließ seit Budapest 9/2015 über 1,6 Mio Migranten plus mindestens 4-facher Familienzusammenführung ins Land – und die Grenzen sind auch zum Jahreswechsel 2016/2017 unkontrolliert und offen. „Unter den Menschen, welche die deutschen Gutmenschen willkommen heißen, sind mehrheitlich Träger des Kopftuch-Islam, die zudem aus Ländern kommen, in denen der Antisemitismus die politische Kultur bestimmt“ (Seite 17). Deutschland jedoch lehnt nach wie vor ab und heißt alle Migranten wie UMA willkommen. Jeder der an der Grenze ohne Papiere ankommt, gelangt ins Land:
– Keine Schließung und Kontrolle der Grenzen.
– Keine Rückführung von illegalen Migranten ins Herkunftsland
– Keine Transitzonen für Asylbewerber.
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3) Was aber, wenn die Integration in Deutschland mißlingt? Diese Frage stellt sich in aller Deutlichkeit. „Nur wenn Muslime bereit sind, auf ihre Scharia-Weltanschauung zu verzichten und die hier beschriebene Bestimmung von Mensch, Staat und Gesellschaft akzeptieren, kann es eine genuine Integration im Rahmen eines europäischen Islam geben“ (S. 20).
Mit seinem Scheitern erklärt Bassam Tibi dies als Wunschdenken. Denn die in den Islam-Verbänden vertretenen Muslime verstehen Integration als Umerziehung, die sie ablehnen. Man kann nicht integriert werden (passiv), sondern man muß sich integrieren (aktiv) – so einfach ist das.
20.12.2016

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