Wasserkraftwerk Zweribach: tot

Fährt man von St. Peter über die Ortsteile Sägendobel, Neuwelt zur Platte auf 1000 m Höhe, ergibt sich ein beklemmendes Bild: Der Plattensee ist abgelassen, da das 1924 gebaute Wasserkraftwerk Zweribach in Obersimonswald stillsteht. Und das wird dauern, denn die Nutzung der so begehrten – da grundlastfähigenWasserkraft als Energiequelle wird in Baden-Württemberg mit bürokratischen Hürden erschwert.
.
Mit einer Ausnahme: 2011 ist in Rheinfelden Europas modernstes Wasserkraftwerk eingeweiht worden – vielleicht liegt es auch daran, daß hier ein deutsch-schweizerischer Betreiber agiert und in der Schweiz die Wasserkraft einen bedeutend höheren Stellenwert hat als in Deutschland. Doch das Potenzial für weitere, kleinere Anlagen in der Region Hochschwarzwald bleibt ungenutzt. Dabei wäre es genug, um ein Atomkraftwerk zu ersetzen, sagen Befürworter. Doch sie verzweifeln alle an den umständlichen Genehmigungsverfahren.

Wie z.B. Manfred Volk, der bereits trotz Rekordumsatz in 2010 frustriert feststellt, daß 98 Prozent seiner Wasser-Turbinen ins Ausland gehen. In die Region hat er zuletzt eine einzige geliefert, für die Brüder Kaiser aus Todtnau, deren Kraftwerke Strom für 2000 Haushalte liefern. Die Verfahren, sagt Herbert Kaiser, seien eine „niederschmetternde Erfahrung“. https://www.freiburg-schwarzwald.de/wasserkraft-volk.htm
Dabei begann alles so verheißungsvoll: Im Mai 2000 wurde die Zukunftsfabrik der Wasserkraft Volk AG in Gutach bezogen. Sie ist die erste Schwermaschinenfabrik Deutschlands, die vollständig energieautark und CO2-emissionsfrei arbeitet. Das „Herzstück“ der Fabrik ist die eigene Wasserkraftanlage, die mit 320 kW Leistung (erzeugt durch zwei WKV-Francisspiralturbinen) nahezu den gesamten internen Energiebedarf abdeckt. Strom, der nicht von der Fabrik benötigt wird, ca. 900 000 kWh jährlich, wird in das öffentliche Netz eingespeist. Zusätzlich werden weitere regenerative Energiequellen wie Solarenergie und Erdwärme genutzt.

Genehmigung kleinerer Anlagen: Schikane, Willkür, Verzögerung >Wasserkraft (20.9.2011)
https://www.freiburg-schwarzwald.de/wasserkraft.htm#Genehmigung%20kleinerer%20Anlagen:%20Schikane,%20Willk%C3%BCr,%20Verz%C3%B6gerung
.
Früher hatte fast jeder Bauernhof hoch oben im Schwarzwald seine eigene Mühle, betrieben mit Wasserkraft. Dazu kamen viele Turbinen zur Erzeugung von Strom – ganz modern dezentral vorort. Heute rufen alle nach Energiewende bzw. Erneuerbaren – und gleichzeitig tut die grüne Regierung viel, um dies zu verhindern bzw. erschweren. Dies gilt auch für Enegiespeicher bzw. Pumpspeicherkraftwerke. 

Am historischen Wasserkraftwerk Zweribach, 1924 von der Nähgarnfabrik Gütermann in Gutach gebaut, zeigt Bernward Janzing exemplarisch auf, wie zermürbend und teuer es heutzutage ist, Wasserkraftwerke zu betreiben.
13.8.2021
.
.
Keine Lobby für die Wassserkraft
Von Bernward Janzing
Gebaut war das Wasserkraftwerk Zweribach in Obersimonswald schnell. 1924 benötigte man dazu nur sieben Monate. Heute dagegen gestaltet sich die Erneuerung des Wasserrechts extrem zäh.
Der Bau des Kraftwerks vor 100 Jahren war eine Kleinigkeit, verglichen mit der Erneuerung des Wasserrechts heute. 1921 hatte ein Arbeitsausschuss der Simonswälder Talgemeinden einen Plan vorgelegt zur Nutzung des Zweribachs und der oberen Wilden Gutach. Weil den Gemeinden das Geld fehlte, stieg die Gutacher Firma Gütermann ein. Im Mai 1924 war Baubeginn, schon im Dezember ging das Kraftwerk in Betrieb.

Von einem solchen Tempo kann man heute nur träumen. Kraftwerksbetreiber Thomas Schweihofer berichtet, er habe schon 2008 erste Schritte eingeleitet, um das Wasserrecht, das Ende 2016 nach 30 Jahren auslief, zu erneuern. Das gelang nicht fristgerecht. Unter Auflagen erlaubten die Behörden einen Betrieb mit reduzierter Leistung, im Herbst 2020 musste die Anlage aber abgeschaltet werden.

Bisher ist es den Betreibern nicht gelungen, alle für die Genehmigung eingeforderten Akten beizubringen. Selbst beauftragte Fachfirmen hätten das Ausmaß der Anforderungen nicht absehen können, auch weil es an verbindlichen Absprachen und Vorgaben fehle, klagt Schweihofer. Immer wieder seien Untersuchungen nötig geworden, ökologische wie sicherheitstechnische. Mehrere 100.000 Euro habe er bereits für Gutachten ausgeben müssen, sagt Senior-Betreiber Stefan Schweihofer. Zum Beispiel habe er ein Jahr lang einen Biologen beschäftigt, der rund um den Stausee auf der Platte bei St. Peter die Fauna untersuchte.
Hintergrund: Baden hat die frühe Elektrifizierung Deutschlands um das Jahr 1900 und in den Jahrzehnten danach erheblich geprägt

Plausibel immerhin ist die nötige Prüfung der Druckrohrleitung, die vom Plattensee kommend mit einer Länge von 2255 Metern nach Obersimonswald führt. Die ersten 900 Meter führen am Hang entlang, dann folgt eine steile, durchweg unterirdisch verlegte Fallrohrleitung von 1355 Metern Länge. Bei einem Gefälle von fast 500 Metern herrscht am unteren Rohrende ein Druck von fast 50 bar. Diese Fallhöhe gilt als die größte, die deutschlandweit in einem Kraftwerk jener Zeit realisiert wurde. Inzwischen konnte der TÜV nach einer Druckprüfung die Sicherheit der Rohrleitung für weitere fünf Jahre bescheinigen.

Bis am Fuße des Kandelmassivs wieder Strom erzeugt wird, wird es trotzdem dauern. Das Regierungspräsidium Freiburg, das als Höhere Wasserbehörde für die Neuerteilung des Wasserrechts für diese Anlage zuständig ist, erklärte auf Anfrage lediglich: „Bislang liegt uns noch kein prüffähiger Antrag für die Neuerteilung des Wasserrechts vor.“

Kein Problem für Fischwanderungen
Der Region entgeht damit viel umweltschonend erzeugter Strom. Durchschnittlich 3,7 Millionen Kilowattstunden pro Jahr hat das Kraftwerk in den vergangenen Jahrzehnten produziert, in niederschlagsreichen Jahren waren es sogar bis zu 4,8 Millionen. In der Anfangszeit versorgte das Kraftwerk mit seinen zwei Pelton-Turbinen der Heidenheimer Firma Voith – Gesamtleistung 1120 Kilowatt – nicht nur das gesamte Simonswäldertal hinauf bis Gütenbach und Furtwangen-Neukirch, sondern auch das Elztal. Heute könnte das Zweribachwerk rund 20 Prozent des Strombedarfs der Gemeinde Simonswald decken, sagt Thomas Schweihofer. Ein Vorteil dieses Kraftwerks: Fischwanderungen behindert es nicht – weil solche auf dem Weg über die Zweribachfälle nicht stattfinden.

Seit dem vergangenen September ist nun der Stausee abgelassen, damit die Staumauer saniert werden kann. Der ausgebaggerte Schlamm müsse aufwendig entsorgt werden, sagt Senior Stefan Schweihofer – was wieder viel Geld koste. Er habe das Kraftwerk, das aufgrund seiner 1920er-Jahre-Architektur als eines der schönsten in Deutschland gilt, 1996 gekauft, weil ihn dieses so sehr fasziniert habe. Von „Liebe auf den ersten Blick“ spricht er gerne. Geld habe er damit nie verdient, noch immer lasteten Schulden auf dem Projekt. Offenbar können sich heute nur Liebhaber den Betrieb eines historischen Wasserkraftwerks leisten.
Die Anlage unterhalb des Gasthofs Sternen in Obersimonswald ist zweifellos besonders schön und geschichtsträchtig; entsprechend steht sie unter Denkmalschutz. Die Firma Gütermann hatte das Werk einst sogar als Pumpspeicher konzipiert. Eine 750-Kilowatt-Pumpe der Firma Escher Wyss aus Ravensburg konnte nachts, wenn der Strom billig war, Wasser aus der Wilden Gutach in den Plattensee zurück pumpen. Eingesetzt wurde sie allerdings kaum, zuletzt im Jahr 1965 – die Energieverluste waren unerwartet hoch.

In welchem Maß in Zukunft noch Strom erzeugt werden kann, ist heute fraglicher denn je. Welche Zuflüsse zum See mit einem neuen Wasserrecht noch genutzt werden können, ist bislang unklar. Wenn es schlecht läuft, könnte künftig ein Drittel des Wassers fehlen, fürchten die Betreiber.

Selbst wenn das Wasserrecht nächstes Jahr wieder erteilt wird, worauf die Schweihofers hoffen, könnte mittelfristig neues Ungemach drohen – dann nämlich, wenn eines Tages eine Sanierung der Rohrleitung ansteht. „Das könnte dann das Ende des Kraftwerks bedeuten“, fürchtet Thomas Schweihofer. Die Leitung verläuft nämlich durch einen Bannwald, der im ungünstigsten Fall eine Reparatur vereiteln würde. Das Regierungspräsidium erklärt zwar auf Nachfrage, es seien „forstrechtliche Ausnahmen hier grundsätzlich möglich“, doch was das in der Praxis bedeutet, muss offenbleiben.

Der Gedanke, eine Rohrsanierung könnte eines Tages am Bannwald scheitern, ist für Vater Stefan Schweihofer auch aus einem anderen Grund schwer zu verkraften. Just in diesem Sommer wird in seiner Heimatgemeinde Meitingen-Herbertshofen bei Augsburg entschieden, ob die Lech-Stahlwerke dort für einen Erweiterungsbau fast 18 Hektar Bannwald roden dürfen. Nach den ersten politischen Entscheidungen deutet alles darauf hin, als ziehe der Bannwald gegen die Lobby des Stahlwerks den Kürzeren. Ein Wasserkraftwerk, selbst wenn es zu den geschichtsträchtigsten und schönsten im Schwarzwald gehört, hat wohl keine derart große Lobby.
… Alles vom 9.8.2021 von Bernward Janzing bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/keine-lobby-fuer-die-wasserkraft–203958141.html
.
Kommentar:
Ein informativer Artikel. So muß guter Journalismus sein: aufwändige Recherche und Fakten, Fakten, Fakten. Bernward Janzing zeigt exemplarisch auf, daß man im Jahr 1924 mit gesundem Menschenverstand weiter war als heute mit nachgeplapperter Ideologie: Hier im Hochschwarzwald haben wir Wasser (kann man stauen) und Berge (Gefälle treibt an). Deshalb dezentrale Energiegewinnung. Stromerzeugung in Wasserkraftwerken, dazu Mühlen und Klopfsägen bei vielen Bauernhöfen.
Geradezu jämmerlich, wie die Energiepolitikerinnen und Enegiepolitiker heute die Nutzung der Wasserkraft behindern: Bürokratie, Vorschriften, gerne mit dem Hinweis „Da können wir leider nichts machen, das EU-Recht in Brüssel hat Vorrang“, Wichtigtuerei am PC, ständiges Update von Auflagen. Dabei gibt es so viele Ideen und Tüftler im Schwarzwald, die sich aber nicht kreativ entfalten dürfen. Nur zwei Beispiele: Die Wasserkraft Volk https://www.wkv-ag.com/ in Gutach, die ihre Stromturbinen exportieren muß, weil sie bei uns energiepolitisch (!) unerwünscht sind. Und das Hickhack um Pumpspeicher im Hotzenwald.
Verquere Logik: Weil es im Schwarzwald viel Wasser plätschert und relativ wenig Wind bläst, wird die Wasserkraft verhindert und die Windkraft gefördert.
15.8.2021, E.K.

Dieser Beitrag wurde unter Bildung, Bürgerinitiativen, Energie, Engagement, Hochschwarzwald, Strom, Verbraucher, Wasserkraft, Zukunft abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar