USA für Verhandlungen – und D?

Der ranghöchste US-Armeegeneral und Chef des Generalstabs, Mark Milley, plädiert in der New York Times, dem Sprachrohr der Biden-Administration, für eine diplomatische Lösung im Ukrainekrieg. Milley am 10.11.2022: «Wenn es eine Gelegenheit zu Verhandlungen gibt, bei denen Frieden erreicht werden kann, sollte man sie nutzen. … Ergreift den Moment.“ Und am 16.11.2022: „Die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Sieges der Ukraine, definiert als Rauswurf der Russen aus der gesamten Ukraine, einschließlich der von ihnen beanspruchten Krim (. . .), ist in absehbarer Zeit nicht hoch“ (1). Wird sich Präsident Biden dem Rat seines obersten militärischen Beraters entziehen können?

Sogar die russenfeindliche FAZ meldet sich unter der Überschrift „Die ukrainische Realität“ mit dem nachdenklichen Statement: „Mehr denn je hängt der Ausgang des Krieges nicht nur davon ab, ob die Ukrainer oder die Russen länger durchhalten, sondern auch, wie weit Amerikas Geduld reicht“ (2). Was passiert, wenn die Geduld der Amerikaner zu immer üppigeren finanziellen wie militärischen Unterstützungen der Ukraine reisst (3)? Werden diese dann, wie in Afghanistan geschehen, abrupt enden?

Die US-Geopolitik hält am amerikanischen Hegemonialanspruch – woran Demokraten wie Republikaner keinen Zweifel aufkommen lassen – weiter fest. Dabei wird sie von China als Hauptkonkurrent zunehmend bedrängt.  Aus diesem Grunde mehren sich in den USA Stimmen wie die von Mark Willey, den Ukrainekrieg über Verhandlungen rasch zu beenden. Dahinter mag die Einsicht von Washington stehen, daß China (derzeit bereits Wirtschaftsmacht Nr. 1 der Welt) zu stark ist, um sich mit Russland einen zweiten Gegner „leisten“ zu können.

Jeder Tag, an dem die Waffen schweigen, ist ein gewonnener Tag. Die deutsche Aussenpolitik muß sich endlich von ihrer kriegerischen Devise „Russland ruinieren“ verabschieden (4) und mit aller diplomatischen Kraft dafür einsetzen, zur Beendigung des Ukrainekriegs Verhandlungen herbeizuführen.
27.11.2022

Ende von Beitrag „USA für Verhandlungen – und D?“
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Beginn von Anlage (1) bis (4)
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(1) US-Militärchef plädiert für Verhandlungs-Lösung: Ein Sieg im Ukraine-Krieg kann «nicht mit militärischen Mitteln» erreicht werden
Milley sagte, es gebe womöglich eine Chance, ein Konflikts-Ende auszuhandeln, wenn sich die Frontlinien im Winter stabilisieren.
«Wenn es eine Gelegenheit zu Verhandlungen gibt, bei denen Frieden erreicht werden kann, sollte man sie nutzen», sagte so der höchste amerikanische Militär. Er fügt an: «Ergreift den Moment.»
Sollten die Verhandlungen nicht zustande kommen oder scheitern, würden die USA die Ukraine weiterhin mit Waffen versorgen, auch wenn ein klarer Sieg für beide Seiten immer unwahrscheinlicher werde.
Milley: «Es muss eine gegenseitige Anerkennung geben, dass ein militärischer Sieg wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mit militärischen Mitteln erreicht werden kann, und dass man sich deshalb anderen Mitteln zuwenden muss.»
… Alles vom 10.11.2022 bitte lesen auf
https://weltwoche.ch/daily/us-militaerchef-plaediert-fuer-verhandlungs-loesung-ein-sieg-im-ukraine-krieg-kann-nicht-mit-militaerischen-mitteln-erreicht-werden/

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(2) Die ukrainische Realität – nach der Befreiung Chersons
Ein Sieg der Ukraine erscheint in absehbarer Zeit unwahrscheinlich, zum ersten Mal gibt es in Washington einen offenen Dissens über die weitere Strategie. Das kann große Folgen für Kiew haben.
Russland führt den Krieg trotz jüngster Rückschläge an der Front mit unverminderter Härte weiter. Mit dem größten Luftangriff seit Beginn der Invasion demons­trierte Putin nicht nur der G-20-Runde auf Bali, dass er nicht vorhat, von der Ukraine abzulassen. Alles andere wäre auch überraschend, denn sein persönliches Schicksal ist aufs Engste verknüpft mit dem Fortgang des Krieges.
… Alles vom 22.11.2022 bitte lesen auf
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ukraine-krieg-das-ist-die-realitaet-nach-der-befreiung-chersons-18477675.html
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(3) Wieso ruft der Chef des US-Generalstabs Mark Milley jetzt zu Verhandlungen mit Russland auf?
Eine Stimme der Vernunft (Verhandlungen mit Russland anstreben) kommt jetzt ausgerechnet aus dem Pentagon, von Joe Bidens oberstem Militärberater, General Mark Milley. Letzterer machte der Administration den obigen Vorschlag und holte sich wohl eine Abfuhr – dann brach er das Schweigegebot und ging, über die New York Times, an die Öffentlichkeit.
Obwohl er damit seine Karriere riskiert, wollte er doch nicht den Dingen ihren Lauf lassen bis hin zu dem Punkt, an dem die NATO nur die Wahl hätte, eine Kröte zu schlucken oder nuklear zu eskalieren. Mehr als die Russen fürchtet er offenbar die Inkompetenz und Hybris der Bidens, Blinkens, Nulands, Selenskis und Baerbocks dieser Welt. Der ehemalige Pentagon-Berater Colonel Doug Macgregor versucht im Interview mit dem US-amerikanischen Journalisten Aaron Maté, unsere Sinne für die militärische Realität zu schärfen.
… Alles vom 26.,11.2022 bitte lesen auf
https://www.nachdenkseiten.de/?p=90830
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(4) Jetzt verhandeln? Pro – Auf diplomatische Lösung drängen
Wer immer noch meint, man solle der Ukraine alle möglichen Waffen liefern, wer des Weiteren meint, das Ziel müsse ein Sieg über Russland und der Sturz Putins sein, wer so denkt, der verdient Respekt. Er argumentiert aus seinem Gerechtigkeitsempfinden heraus, aus Mitgefühl und aus dem, was er aus der Geschichte gelernt hat. Respekt verdient aber auch derjenige, der wie unsereiner, die Dinge ganz anders sieht.
Man ist weder dumm noch herzlos, naiv oder geschichtsvergessen, wenn man die Waffenlieferungen an die Ukraine für einen Fehler hält und die wichtigste Aufgabe darin sieht, eine weitere Eskalation des Konfliktes zu verhindern. Man ist auch nicht auf Kreml-Propaganda hereingefallen, wenn man russische Sicherheitsinteressen ernst nimmt und die westliche Ukraine-Politik für den Konflikt mitverantwortlich macht. Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland dagegen sagte, Leute, die so denken, sollten sich „zum Teufel scheren“ – eine schlimme Entgleisung, aber auch ein Beispiel für die Radikalität, mit der abweichende Meinungen im letzten Dreivierteljahr behandelt worden sind, nicht nur von den verständlicherweise aufgebrachten Ukrainern, sondern auch von deutschen Medien und Politikern.

Allen Schmähungen zum Trotz: Die Waffenlieferungen an die Ukraine waren falsch und haben Länder wie Deutschland indirekt zur Kriegspartei gemacht. Was dadurch entstanden ist, ist eine Art Stellvertreterkrieg, in dem der Westen Geld, Munition und Waffen liefert, doch auskämpfen müssen diesen Krieg Ukrainer und Russen. Die amerikanische Schätzung von bislang 200.000 Toten, etwa zu gleichen Teilen Russen und Ukrainer, ist nicht abwegig. Soll dieser Krieg wirklich bis zum bitteren Ende durchgekämpft werden? Um jeden Preis? Bis „zum letzten Mann“, wie Selenskyj sagt? Bis Putin besiegt ist? Das sind wahnwitzige Forderungen; eine Nuklearmacht kann man nicht „besiegen“, ohne die Welt in einen Atomkrieg zu stürzen.
Nein, es muss in Verhandlungen eine Lösung gefunden werden. Das Argument, erst müsse Russland besiegt werden, ergibt keinen Sinn. Im Gegenteil, im relativen militärischen Patt dieses Augenblicks, im festgefahrenen Krieg, ist die Verhandlungsbereitschaft auf beiden Seiten am größten. Allerdings müssten die Amerikaner die Ukraine dazu bewegen, indem sie mit dem Ende der militärischen Hilfe (bislang 17 Milliarden US-Dollar) drohen. Der frühere Außenminister Henry Kissinger (wahrlich kein Pazifist), der ranghöchste US-General Mark Milley und der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat sind sich einig: Nur durch Verhandlungen kann dieser Konflikt gelöst werden. Inzwischen sieht das auch etwa ein Drittel der Amerikaner so. Die Skepsis gegen die Waffenlieferungen wächst.

Ein Argument gegen Verhandlungen heißt oft, man dürfe Putin keinerlei Zugeständnisse machen, schon gar nicht mit Blick auf das Territorium der Ukraine. Doch, man wird Zugeständnisse machen müssen. Das gehört zu Verhandlung und Kompromiss. Die Ukraine in ihren heutigen Grenzen ist ein Kunststaat der 1990er Jahre, zu dem auch Regionen gehören, die jahrhundertelang Teil Russlands waren und in denen die Bevölkerungsmehrheit russisch ist. Damit soll nicht gesagt werden, dass Russland einen Anspruch auf diese Regionen hat, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es hier doch zu einem Sonderstatus oder zu – von den Vereinten Nationen überwachten – Volksabstimmungen kommen müsste, um den ethnischen und territorialen Streit dauerhaft zu befrieden.
Und an einem zweiten Zugeständnis führt kein Weg vorbei: Man wird Russland garantieren müssen, dass in der Ukraine keine Nato-Truppen stationiert werden. Das ist im Grunde nur das, was man Russland schon seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versprochen hat. Nur haben die Amerikaner später wenig getan, um auf Russlands Sicherheitsinteressen einzugehen. Im Gegenteil, sie haben – auch ohne Eingliederung in die Nato – die Ukraine zu einem Verbündeten gemacht. Man stelle sich vor, wie die Vereinigten Staaten reagieren würden, wenn, sagen wir, die Chinesen ein globales Verteidigungsbündnis schmiedeten, dem auch südamerikanische Länder beitreten würden, bis schließlich auch in Mexiko der chinesische Einfluss immer größer würde. Keine amerikanische Regierung wird das zulassen. Der Status der Ukraine kann auch in Zukunft nur neutral sein. Allerdings könnte man eine Beistandsgarantie abgeben – das wäre der politische Preis, den Russland für das Ende des Krieges zahlen müsste.
Solche Überlegungen greifen weit voraus. Kurzfristig geht es erst einmal um Verhandlungsbereitschaft. Die wird sich auf Seiten der Ukraine nur einstellen, wenn der Westen darauf dringt.
Unbegrenzte finanzielle und militärische Unterstützung sind dagegen nichts anderes als Öl, das ins brennende Feuer gegossen wird.
Und auch gedanklich hat der Westen einen wichtigen Schritt noch vor sich: Man muss aufhören, Putin und Russland zu dämonisieren und die russische Aggression mit den frühen Angriffskriegen Hitlers gleichzusetzen. Damit wird jede Eskalation gerechtfertigt und jeder Kompromiss unmöglich. Hitler kommt, meine ich, hier auf eine ganz andere Art ins Spiel: Als Deutscher meiner Generation bin ich dem Frieden in besonderer Weise verpflichtet. Nach allem, was Deutsche Russen angetan haben, gilt eine besondere Verantwortung, eine besondere Zurückhaltung. Das heißt nicht Tatenlosigkeit.
Man sollte sich an der Haltung der Schweiz orientieren: Wirtschaftssanktionen gegen Russland ja, Waffenlieferungen an die Ukraine nein. Die Schweiz, die es geschafft hat, sich aus allen großen Kriegen der letzten Jahrhunderte herauszuhalten, beweist auch hier Maß und Verstand.
… Alles vom 24.11.2022 von Markus Günther bitte lesen auf
https://www.die-tagespost.de/politik/jetzt-verhandeln-art-233837

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