Unterhaus versus Bundestag

Die Überheblichkeit und Besserwisserei, mit der die deutschen Mainstream-Medien über den Brexit berichten, ist erschreckend. Die Häme, mit der ARD, ZDF und Phoenix über die Diskussionen im Unterhaus berichten, ist besorgniserregend. Zumal in London demokratischer Diskurs fair praktiziert wird, und dieser gestaltet sich eben oftmals umständlich und vermeintlich verwirrend. Demgegenüber erscheint die politische Auseinandersetzung im deutschen Bundestag aalglatt, unecht, verlogen und beherrscht vom Zwang, die größte Oppositionspartei zu ignorieren bzw. als Nazis abzutun – keine Spur von demokratischem Diskurs.
Man vergleiche nur die Herrscher der beiden Parlamente: John Bercow als Mr. Speaker im britischen Unterhaus in London und Claudia Roth als Bundestagsvizepräsidentin in Berlin. Da trifft Eloquenz und ehrliches Engagement der ältesten Demokratie der Welt auf Einfalt und satte Langeweile der Berliner demokratischen Maskerade.
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Demokratie ist mühsam, die demokratische Auseinandersetzung im Parlament geht nie den geraden, direkten Weg. Phoenix berichtet Live von den Diskussionen und Abstimmungen im Londoner Unterhaus, gut so. Wenn diese aber seit Mitte März 2019 als „wirres Gezetere“ und „Hickhack“ abgetan werden, dann ist dies ungeheuerlich arrogant wie belehrend, und bezeichnend fürs eigene Berliner Parlament. In eher undemokratischen Staaten findet anstelle von „Hickhack“ nur „Hack“ statt – die einen sind die Guten und die hacken auf die anderen als die Bösen. Dass in GBR die Konservativen wie auch Labour innerparteilich uneins sind, mag Fakt sein, aber der parlamentarisch-demokratische Diskurs funktioniert bestens. Wer in den deutschen Mainstream-Medien (Zeit, Süddeutsche, Faz, Welt, taz, Spiegel, Focus sowie GEZ) an den parlamentarischen Gepflogenheiten im britischen Unterhaus herummmäkelt, hat die Wahl: Entweder eben eine andere, bessere Demokratie „erfinden“ (= Utopie) oder aber zugeben, dass er selbst eine undemokratische Gesinnungsdiktatur befürwortet, wie sie sich im Bundestag zuweilen bereits zeigt.
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Nicht zu vergessen: Mitverantwortlich am EU-Debakel ist die Kanzlerschaft von Angela Merkel: Die deutsche Migrationspolitik seit der einseitigen Grenzöffnung Budapest 9/2015 hat EU-Recht mißachtet (Schengen), alle EU-Mitgliedsländer brüskiert und den Brexit forciert.
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Es ist zu wünschen, dass unsere Schüler die von Phönix live ausgestrahlten Diskussionen im Unterhaus um den Brexit im Unterricht anschauen, um zweierlei zu lernen:
1) So wie im Unterhaus zu London funktioniert demokratischer Diskurs.
2) So spiegelt sich im Parlament die Historie des eigenen Lands – in vielen Redebeiträgen der Unterhausabgeordneten finden sich Argumente der „Spended Isolation“, der Vorbehalte von England gegenüber Festlandeuropa bzw. EU. Und zu dieser eigenen Geschichte stehen die Abgeordneten.
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Britische Politik, Demokratie und Diplomatie war noch nie dumm – wer sie als dumm bis hin zum „Hickhack“ hinstellt, wird das Nachsehen haben. Vielleicht werden wir in ein paar Jahren die Briten ob ihrer vorausschauenden Klugheit beneiden, warten wir’s ab.
4.4.2019
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Diskussionskasteiung – Langweile im Deutschen Bundestag
Wie beneide ich unsere vor Generationen in die USA ausgewanderten Verwandten: Trotz der Spaltung des Landes in Trump-Fans und -Gegner können sie im Familienkreis frei, kontrovers, heftig und fair diskutieren – denn in Amerika droht keine Nazi-Keule – , um sich danach friedlich zusammen dem Abendessen oder Football-Schauen zuzuwenden. Man stelle sich vor, in den USA würden deutsche Zustände übernommen und alle Trump-Fans würden als Indianer-Ausrotter hingestellt.
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Wie beneide ich die Abgeordneten im britischen Unterhaus, wo ein erregter, aufgebrachter und wütender Diskurs möglich ist, dank einem Mr. Speaker, der streng darüber wacht, dass immer nur eine Person spricht und die anderen zuhören. Grummeln und gemeinsames Brüllen sind erlaubt, aber der Abgeordnete, dem Mr. Speaker das Wort erteilt hat, der muß angehört und respektiert werden – wie erbärmlich anders gehts da im deutschen Bundestag zu.
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Wie bemitleide ich die Bundestagsabgeordneten, die sich vor jedem Redebeitrag, jedem Gesetzesantrag und jedem Applaus vergewissern müssen, hiermit nur ja nichts zu befürworten, das auch von der größten Oppositionspartei befürwortet wird.
3.4.2019

Langweilig: Diskussion mit einem „Offiziellen“
Unsereinem kann nichts Langweiligeres widerfahren, als mit einem sogenannten „Offiziellen“, ob er nun aus Business, Politik, Kulturbranche, Kirche, Verein oder woher auch immer, in größerer Runde zusammenzusitzen, denn es gibt kein einziges Thema mehr, zu dem sich ein solcher Mensch öffentlich unbefangen äußern könnte.
Jeder Scherz, jede dezidierte Meinung bringt ihn in Teufels Küche. Das einstige Small-talk-Thema Nr. 1 ist heute komplett vermint, bereits die Erklärung, man finde eine Frau attraktiv oder begehrenswert, stellt den Sprecher als Sexisten und versetzten Belästiger bloß; politische Themen meidet der halbwegs Kultivierte bei Tische ohnedies.
Seit der Grenzöffnung in Budapest 9/2015 gilt obige Diskussionskasteiung nicht nur für den beruflichen, sondern auch für den privaten Bereich.
Sitzen Geschwister, Onkel und Tante, Großeltern bzw. Freunde und Bekannte am Tisch, dann wird schon die Diskussion um eine Abgrenzung der Begriffe Migrant, Flüchtling, Schutzbefohlener, Asylbewerber, Einwanderer, UMF, Kriegsverfolgter, Schutzbefohlener nach kurzer Zeit enden mit dem scheinbaren Konsens, dass die einen die Guten und die anderen die Nazis sind. Schenkt man den sich im „Kampf gegen Rechts“ aufopfernden Guten, dann werden die Nazis immer mehr.
Worüber zu diskutieren wäre – nein, besser „nur“ nachdenken: „Die Gedanken sind frei“.
… doch heute drängt ihn alles zu dem Bekenntnis, wen er gefälligst zu hassen hat; jede Urlaubserzählung kollidiert mit der Klimabilanz; jede kulinarische Schwelgerei entlarvt den Tierquäler und unsozialen Verschwender. Doch selbst durch eine unverfängliche Bemerkung wie etwa jene, dass man für seine Kinder die Universität A bevorzugt oder Katzen mag, steht der Sprecher schnell im Ruch, die Universitäten B – Z geringzuschätzen oder ein Hundehasser zu sein.
Michael Klonovky 26.2.2019. https://michael-klonovsky.de/acta-diurna

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