Umwelt-Jahresrueckblick 2015

Umweltpolitischer Jahresrückblick – Mensch, Natur und Umwelt am Oberrhein: Im Jahr 2015 wurden die Welt, Europa und Deutschland von einer Vielzahl schwerer Krisen aufgerüttelt und jede einzelne hat das Potential, die Welt und unsere Demokratie zu erschüttern. Viele dieser bedrohlichen Krisen haben ihre Wurzeln in nicht nachhaltigem Handeln, in vergangenen Kriegen für Öl, in einem Mangel an globaler Gerechtigkeit,in der unmoralischen Trennung von „guten, nützlichen“ Dikaturen und „bösen“ Diktaturen, in der weltweiten Raubbauwirtschaft und in nicht zukunftsfähiger Politik. Auf viele Krisenursachen haben wir jahrzehntelang vergeblich hingewiesen und vor ihnen gewarnt. Wir wissen, dass atomare Katastrophen, Klimawandel und das absehbare Ende vorhandener Ressourcen uns allen noch viel größere Probleme bereiten könnten. Erschreckend ist auch der mangelnde Mut zu selbstkritischer Analyse der Krisen-, Kriegs- und Fluchtursachen. Unsere Demokratie und Freiheit wird insbesondere durch Terror und Reaktionen auf Terror, aber auch durch die Selbstentmachtung der Politik durch das Freihandelsabkommen TTIP massiv gefährdet.

Hölderlin schrieb: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, doch Realität ist, dass in Gefahr und Krise nicht etwa das Rettende, sondern das Neurotische, Dummheit, Gewalt, Intoleranz, Verschwörungstheorien, Fundamentalismus und Nationalismen wachsen. Aus alter Gewalt wird neue und zukünftige Gewalt, Dummheit stärkt Dummheit, Intoleranz stärkt Intoleranz und religiöse Fanatiker und ihre barbarischen Anschläge stärken auf eine beängstigende Weise die Intoleranz der Politik und vieler Menschen in Europa und Deutschland.

 

 Globales…

  • Die Klimakonferenz in Paris brachte zumindest auf dem Papier einen erfreulichen Durchbruch und ist ein Fortschritt gegenüber früheren Konferenzen. Das Ziel von nicht mehr als 1,5 Grad Erderwärmung gegenüber 1870 liegt aber noch in weiter Ferne. Es wird mit den völkerrechtlich nicht verbindlichen Zusagen von Paris eher drei Grad wärmer, sagen Klimaforscher. Und solange „Schneller kaufen – Schneller wegwerfen“, unser westlicher Überkonsum, noch Vorbild für die Welt ist, haben der BUND und die globale Umweltbewegung noch viel zu tun. Die friedlichen Aktionen vieler junger „friends of the earth“ AktivistInnen in Paris haben auch den BUND bestärkt, der Teil dieses globalen Netzwerkes ist.
  • Auch 2015 wurde wieder einmal gesagt,
    die Griechen, Franzosen, Italiener und der Rest der Welt sollten so arbeiten und produzieren wie die Deutschen und die ökonomischen Probleme Europas und der Welt wären gelöst. Nicht einmal Deutschland ist in der Lage, „in guten Zeiten“ (in denen der private Reichtum wächst) den staatlichen Schuldenberg abzutragen. Wenn alle Länder nach deutschem Vorbild Exportländer werden, brauchen wir tatsächlich Kolonien auf dem Mars, denn irgendwo müssen die Rohstoffe herkommen und die Produkte schließlich hin.
  • Die Hintergründe vieler aktueller Probleme sind Staatsverschuldung,
    Banken- und Konzernmacht, Staatsgläubigkeit, Bürokratie, Deregulierung der Finanzmärkte und immer neue Finanzkonstrukte, Überkonsum, Wachstumswahn, soziales Unrecht (regional und global), Energie-, Rohstoff- und Arbeitszeitverschwendung. Wir leben in einem System, das nur funktioniert wenn es wächst und sich damit zwangsläufig selbst zerstört. Der weltweite Mythos vom „unbegrenzten Wachsen im sehr begrenzten System Erde“ stößt an seine Grenzen.
  • Wie die Schlafwandler
    taumelt die Welt in eine neue Aufrüstungsspirale und einen neuen kalten Krieg, wiederholt die alten Fehler und vergisst dabei, dass wir den letzten kalten Krieg nicht durch Vernunft, sondern nur durch glückliche Zufälle überlebt haben.
  • Atomare Aufrüstung in Deutschland!
    Auf dem Bundeswehr-Militärflugplatz Büchel in Rheinland-Pfalz begannen im Herbst 2015 die Vorbereitungen für die Stationierung neuer, lenkbarer amerikanischer Atombomben. Das belegen US-Haushaltspläne, die der ZDF-Sendung „Frontal21“ am 22.9.15 vorlagen. Wenn gegen den Willen des deutschen Bundestages, in einer Zeit massiver internationaler Spannungen, in Deutschland atomar aufgerüstet wird, dann stellt sich tatsächlich die Frage, ob Deutschland ein souveräner Staat ist. Info
  • Der VW-Abgasskandal war kein „Nur“-VW-Skandal
    7 Jahre lang hatten die Umweltbewegung und der BUND auf die Abgaslügen hingewiesen. 7 Jahre lang ist nichts geschehen.
    7 Jahre lang hat die Politik, die Kontrollbehörden und der TÜV gezielt weggeschaut. Der VW-Skandal zeigt die ungeheure Macht der Konzerne und Autolobby in Deutschland und ist auch ein Politikskandal. Er zeigt die Verfilzung von Konzernen, Politik und Kontrollbehörden. Im Jahr 2015 konnte auch der Eindruck entstehen, dass die positive Bewertung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat durch wirtschaftsnahe europäische und deutsche „Kontrollbehörden“ nach dem „VW-Prinzip“ erfolgte. Wegschauen, wegducken und die Interessen der Industrie bedienen. Durch TTIP wird die Macht der Konzerne noch wachsen. Bei der anstehenden Landtagswahl 2016 werden wir „Risiken und Nebenwirkungen“ des Freihandels zum Thema machen.

 

Regionales…

  • Im Jahr der Weltklimakonferenz in Paris wurde im „Ökoland“ Baden
    von der EnBW in Karlsruhe ein neues 912-Megawatt-Kohlekraftwerk in Betrieb genommen, der sechsspurige Autobahnausbau vorangetrieben, in wärmsten Winterwetter das Parkhaus am Feldberg eingeweiht und mit der Zalando-Ansiedlung in Lahr eine unglaubliche Anzahl von zukünftigen Transporten, zusätzlichem Verkehr und klima- und menschenschädlichen Abgasen vorprogrammiert. An die Menschen wurde appelliert, umwelt- und klimafreundlicher zu leben, während gleichzeitig von Politik und Wirtschaft in der „Ökoregion“ dauerhaft umwelt- und klimafeindliche Strukturen geschaffen wurden. Das Jahr 2015 war in Baden ein Jahr der schönen Umweltrhetorik und des ökologischen Rückschritts in der Realpolitik.
  • In Strasbourg war am 29.11.2015 der „Weltmarsch für das Klima“ geplant
    Wegen der Terrorgefahr wurde die Demo verboten. Der Abwägungsprozess zwischen dem Schutz des Rechtsguts -Demonstrationsfreiheit- und dem Rechtsgut -Glühwein & Weihnachtsmarkt- wurde von der Präfektur „zeitgemäß“ entschieden.
    Der BUND und das breite Bündnis, das die Klimaschutzaktionen mit über 1500 TeilnehmerInnen am Samstag 28.11. in Freiburg organisierte, hat sofort angeboten, dass ein Redner der abgesagten Strasbourger Kundgebung nach Freiburg eingeladen wird. Kurzentschlossen haben sich DemoteilnehmerInnen aus dem Elsass auf den Weg gemacht und der Präsident von Alsace Nature, Daniel Reininger, hat gesprochen. Diese kleine symbolische Geste zeigt die europäische Verbundenheit und Zusammenarbeit der Umweltbewegung am Oberrhein, auch in Zeiten der Barbarei und den Versuch, Europa zu leben. -Amitié Franco-Allemande!-
  • Nach siebenjähriger Abriss- und Bauzeit
    ist im Juli 2015 die neue Freiburger Universitätsbibliothek (UB) eröffnet worden. Die BUND-Fragen zum Abriss der alten UB nach nur 30 Jahren, die Fragen, ob wir es uns in der Vergangenheit leisten konnten eine Bibliothek zu erstellen, die nach nur 30 Jahren abgerissen werden musste, nach der Verschwendung von Rohstoffen, Energie und menschlicher Arbeitskraft, die Frage, ob es sich unser Gemeinwesen leisten kann, auch heute noch an vielen Stellen teure, kurzlebige Bauten zu erstellen, wird (nicht nur) in der „Green“ City Freiburg leider nicht öffentlich diskutiert. Lässt sich „Wachstum“ bei uns nur noch durch „schneller bauen – schneller abreißen“ erreichen?
  • In diesem Jahr fiel auch die Entscheidung, die neue Bahntrasse als Autobahnparallele zu bauen
    Seit vielen Jahren fordert der BUND, dass diese Baumaßnahmen so flächensparend und naturschonend als möglich und ohne weiteren Ausbau der Autobahn realisiert werden. Technische Maßnahmen zwischen Neubaustrecke und Autobahn sollten den Flächenverbrauch reduzieren und so die Sicherheit gewährleisten, die ansonsten mit den flächen- und naturfressenden Sicherheitsabständen erreicht werden soll. Schon im Jahr 2003 haben wir mit unseren BUND-Forderungen erste Fortschritte erzielt. Der Abstand zwischen Autobahn und Neubautrasse wurde bei Freiburg von 26,5 auf 16 Meter reduziert.
  • Jetzt gilt es, auch die geplante Netzverstärkung der Hochspannungsleitung am Oberrhein
    zu nutzen und mit der Energiewende die Landschaft zu schützen. Dort wo heute zwei bis drei Hochspannungstrassen die Landschaft durchschneiden, sollte eine Zusammenführung auf eine einzige Trasse ernsthaft geprüft werden.
  • Lobbyisten und Regionalpolitiker fordern jetzt auch den Ausbau der Autobahn A5 auf sechs Spuren
    Doch in Sachen Klimaschutz, Abgase und Feinstaub ist die Autobahn ein größeres Problem als der heftig diskutierte Bahnausbau. Sie bringt mehr Lärm, Abgase und weitere Zerstörung von Erholungsflächen. An einer zentralen europäischen Transitachse und am „Verkehrsdrehkreuz Oberrhein“ zu leben, bedeutet Verlust an Lebensqualität und keinen Gewinn. Was nützt ein sechsspuriger Autobahnausbau, wenn der Gotthard immer noch eine nur zweispurige Röhre hat? Hier wird mit dem Sachzwangsprinzip die Schweiz bearbeitet, die am meisten unter dem Transitverkehr leidet. Die Güter im Fernverkehr gehören auf die Bahn und das nicht erst ab der Grenze.
  • Die gefährlichen Atomkraftwerke in Beznau und Fessenheim abschalten!
    Das älteste Atomkraftwerk der Welt im grenznahen schweizerischen Beznau und das älteste AKW Frankreichs in Fessenheim sind die größten Bedrohungen unserer Heimat. In Fessenheim zeigt sich die undemokratische Macht der französischen Atomlobby und der EDF. Ob sich „die Macht“ oder die Regierung durchsetzt werden wir im Jahr 2016 sehen. Der BUND und die grenzüberschreitende Umweltbewegung werden auch 2016 den Abschaltdruck aufrecht erhalten.
  • Die reiche Schweiz erlaubt sich den riskanten Luxus,
    im grenznahen Beznau das älteste und damit eines der gefährlichsten AKW der Welt zu betreiben. In diesem Jahr wurden zudem massive Probleme im sicherheitstechnisch wichtigsten Kernbereich des AKW, im Reaktordruckgefäß, bekannt. Seit vielen Jahren ist der BUND-Regionalverband einer der konsequentesten Kritiker dieser beiden technischen Dinosaurier in Fessenheim und Beznau.
  • Im Mai 2015 wurde der weiter entwickelte Katastrophenschutz für das AKW Fessenheim vorgestellt.
    Doch der beste Katastrophenschutz ist die Abschaltung der AKW! Solange aber die gefährlichen alten Kisten in Fessenheim, Beznau, Leibstadt und anderswo noch laufen, braucht es zumindest den Versuch von Katastrophenschutz. Seit über vier Jahrzehnten drängen der BUND und die Umweltbewegung am südlichen Oberrhein, dass aus dem bisherigen Kataströphchenschutz endlich Katastrophenschutz wird. Viele tausend Postkarten zu diesem Thema haben wir in den letzten Jahre an Herrn Kretschmann geschickt.
    Wie ein BZ-Beitrag zeigt, gibt es zumindest kleine Fortschritte, aber der Fortschritt ist eine Schnecke…
    Die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima haben die möglichen Dimensionen von Atomunfällen gezeigt, Dimensionen, die 20 Kilometer-Radien bei weitem übersteigen.
  • Am 6. Mai 2015 reichten BUND und NABU eine Kaiserstuhl-Petition ein.
    Ein großes Weingut mit Gaststätte und Ferienwohnungen soll im FFH-Gebiet Kaiserstuhl und im Vogelschutzgebiet Kaiserstuhl gebaut werden. Wir wollen eine Erweiterung und Verlagerung des betroffenen Weingutes nicht verhindern. Wir halten aber den jetzt angestrebten Standort aus den in der Petition genannten Gründen für völlig ungeeignet. Es ist ein Skandal, dass die Großgemeinde Vogtsburg dem betroffenen Landwirt keine besser geeigneten Flächen für die Ansiedlung anbietet. Wenn Natur und Landschaft am Kaiserstuhl gefährdet werden, wenn eine Naturzerstörung der Präzedenzfall für das nächste Folgeprojekt wird, dann nehmen auch Weinbau und Tourismus Schaden. Der Flächen- und Naturverbrauch am Oberrhein ist enorm. Entlang der Vorbergzone entsteht ein zusammenwachsendes hässliches Siedlungsband und auch der schöne Kaiserstuhl wird mehr und mehr von Beton „umrahmt“. Da sollten doch zumindest die letzten FFH- und Vogelschutzgebiete für Mensch und Natur geschützt werden. Auch die unsäglichen Pläne zum überdimensionierten Straßenbau im Tennenbacher Tal sind noch nicht gestoppt und bei der Debatte um das Biosphärengebiet Südschwarzwald stehen die Zuschüsse im Vordergrund und nicht die Natur.
  • Un-Willkommenskultur für Wolf und Triel
    Einzelne Exemplare von Luchs und Wildkatze werden in Baden-Württemberg extrem selten wieder gesehen und nach 150 Jahren jetzt auch der Wolf. An der A5 bei Lahr ist im Juni 2015 ein toter, leider überfahrener Wolf entdeckt worden.
    Sofort nach dem bekannt geworden war, dass bei Lahr an der A5 ein Wolf überfahren worden sein könnte, meldete sich die Vorsitzende der Jungen Union (JU) in der Ortenau, Madline Gund, mit der Forderung zu Wort, dass man den Wolf zur Jagd freigeben könne, wenn er denn tatsächlich wieder ansässig werden wolle.
    Auch der Triel, der schöne Vogel mit den gelben Augen, kehrt nach 100 Jahren wieder zurück und wurde in Grißheim im Markgräflerland entdeckt. Doch die notwendige Erweiterung des Vogelschutzgebietes trifft auf massive Proteste und Widerstand der Landwirte. Mehr Infos in der Badischen Zeitung.
  • Wir sind die Grund- und Trinkwasserlobby!
    Die Themen „Grundwasser und Grundwasserschutz“ sind wichtige Aufgaben des BUND und wir verstehen uns auch als Lobby der „Wassertrinker“ und des Bodenschutzes am Oberrhein.
    Kleinkinder sollen aus Gesundheitsgründen das Wyhler Leitungswasser nicht trinken, denn der Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser von 50 Milligramm Nitrat pro Liter (mg/l) wurde im Jahr 2015 überschritten. Auch die massiven Grundwasser- und Trinkwasserprobleme in Breisach zeigen die Probleme exemplarisch. Tief unten das Salz aus den elsässischen Kaliminen, das die Rohre zerfrisst, und in den oberen Grundwasserstockwerken die hohen Nitratwerte. Dies führt dazu, dass Breisach jetzt für 3,5 Millionen Euro eine neue Verbundleitung ans Wasserwerk Hausen erhalten soll. Hier zeigt sich, dass es ernstzunehmende Sorgen gibt, dass die geplante Breisacher „Problemlösung“ – das Wasserschutzgebiet Hausen – wegen des Nitrats zum „Problemgebiet“ werden könnte. Seit vielen Jahrzehnten ist die Grundwasser- und Nitrat-Problematik am Oberrhein bekannt, aber die erzielten Fortschritte in unserer „Ökoregion“ sind leider klein. Der BUND drängt beim Nitrat auf einen stärkeren Schutz der Trinkwassertrinker und ein konsequenteres Vorgehen der Behörden. In Breisach sollte beim Salz aus dem Elsass endlich einmal das Verursacherprinzip durchgesetzt werden, aber Stadt und Badenova trauen sich nicht zu klagen. Der Salzberg in Buggingen muss auf Kosten der Kali und Salz-AG schnellstmöglich saniert werden.

16.12.2015, Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer
https://www.bund-rvso.de/2015-umweltpolitischer-jahresrueckblick.html

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