Umwelt-Jahresrueckblick 2013

Umweltpolitischer Jahresrückblick 3013 – Mensch, Natur und Umwelt (nicht nur) in Südbaden und am Oberrhein
Mit der Weihnachtsreklame flatterte uns ein Hochglanzprospekt für teure Edeljeans ins Haus. Für „nur“ 99 Euro wurde eine neue, abgewaschene, stark zerlöcherte Jeans angeboten. Solange solche Produkte Käufer und Käuferinnen finden, hat es eine vernunftorientierte Umwelt- und Naturschutzarbeit nicht einfach.

Im Frühjahr 2013 gabs im Osten der Bundesrepublik
ein heftiges Hochwasser. Die Rheinanlieger blieben verschont. Wir und alle Städte rheinabwärts hatten ein riesiges Glück, denn in der Zeit des Starkregens war es in den Alpen richtig kalt. Bei höheren Temperaturen wäre zum Starkregen noch die Schneeschmelze hinzugekommen und auch am Rhein wäre wieder einmal „Landunter“ gewesen. Der menschengemachte Klimawandel verstärkt diese Probleme, nicht nur auf den Philippinen, sondern auch bei uns. Darum engagieren wir uns schon lange für ein Miteinander von Hochwasserschutz und Naturschutz am Rhein, aber auch für die Renaturierung der naturfernen Rheinzuflüsse unserer Heimat, von Elz, Dreisam, Glotter, Kinzig. Gerade das schöne Naturschutzgebiet Taubergießen braucht regelmäßige Überflutungen.

Der 28.November 2013 war ein guter Tag für Baden Württemberg
Der Landtag von Baden-Württemberg beschloss endlich das Gesetz zur Errichtung eines Nationalparks im Schwarzwald mit 71 zu 63 Stimmen. Die FDP und fast die gesamte CDU stimmen gegen Natur und Nationalpark. GRÜNE und SPD stimmen dafür. Der „umstrittene“ Nationalpark Nordschwarzwald soll leider nur die Mindestfläche von ca. 10.000 Hektar (100 Quadratkilometer) umfassen. Der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland liegt bei ca. 100 Hektar am Tag. Der Park hat also diejenige Fläche, die in Deutschland in hundert Tagen bebaut, zersiedelt, entwertet und zerstört wird. Auch der BUND am Südlichen Oberrhein hat mit Veranstaltungen, Plakaten, Aufklebern und Aktionen für den Nationalpark gekämpft. Dennoch ärgert uns unsere eigene Argumentation. Wir mussten stets in der zerstörerischen „Mehr-Haben-Logik“ argumentieren, also beispielsweise mit den vielen zusätzlichen Arbeitsplätzen im Tourismus, die ein neuer Nationalpark schaffen wird. Der „Wert der Natur an sich“ spielt in Zeiten der Gier in der öffentlichen und veröffentlichten Debatte fast überhaupt keine Rolle. Da gibt es eigentlich keinen Unterschied zwischen Nationalparkdebatten im Schwarzwald, in Afrika oder Amazonien.

Die Macht der Konzerne
spürten wir durch einen massiven Konflikt mit dem Chemiegiganten Bayer. In einem Artikel zur umweltfreundlichen Bekämpfung des Buchsbaumzünslers hatten wir auf unserer Homepage ein Neonicotinoid, ein Produkt mit dem Bayer viel Geld verdient, als bienengefährlich bezeichnet. Doch wenn von 100 Bienen, die mit diesem Gift in Berührung kommen, am zweiten Tag noch 51 Bienen überlebt haben, dann darf dieses Gift nicht als bienengefährlich bezeichnet werden. Unter Androhung einer Vertragsstrafe von 10.000 Euro (!) mussten wir innerhalb von drei Tagen den Eintrag auf der Homepage ändern. Gleichzeitig wollten die Anwälte noch viele andere Änderungen im Sinne des Bayer-Konzerns, doch dort wo wir recht haben wird von uns nichts geändert. Unser kleiner BUND-Regionalverband muss mit jedem Cent rechnen, um seine Arbeit leisten zu können und dennoch müssen wir der Macht der großen Konzerne standhalten und dürfen uns nicht verbiegen lassen.

Mit Sorge sahen wir im Jahr 2013
auch die anderen, bundesweiten Medienkampagnen von Kohle- Atom und Chemiekonzernen und Klimawandelleugnern. Wie war es möglich, den Veggieday, ein ökologisches Fürzlein aus einer Nische des GRÜNEN Wahlprogrammes zu einem bedrohlich-gigantischen Tornado aufzublasen und die Medienkampagne gegen einen vegetarischen Tag in Kantinen, als „Kampf für Freiheit“ zu inszenieren? EnBW, RWE, Vattenfall und E.ON haben es 2013  geschafft die Energiewende schlecht zu reden und bei den Koalitionsverhandlungen der „GROKO“ saß die Atom- und Kohlelobby erfolgreich mit am Verhandlungstisch. Gut organisierte Netzwerke organisierten einen Shitstorm gegen das Umweltbundesamt und verglichen die Behörde mit dem Nazi-Propagandaministerium. Es gab industriegelenkte Kampagnen gegen genkritische WissenschaftlerInnen, die an Bösartigkeit und Vernichtungswillen nicht mehr zu übertreffen waren. Auch als der BUND-Bundesverband im Herbst 2013, mit einem durchaus harten Video, den Einsatz des Unkrautkillers Glyphosat scharf kritisierte, wurde von den Agro-Konzernen eine Medienkampagne organisiert. In der Umweltbewegungen fehlt es an kritischer Analyse solcher industriegelenkter Kampagnen und wer nicht analysiert, kann sich auch nicht wehren. Wenn sich die Umweltbewegung nicht wehrt, könnte uns im nächsten Jahr das Freihandelsabkommen mit den USA Genfood, Hormonfleisch, Chlorhähnchen und demokratie- und freiheitsbedrohende Konzernmacht bringen.

AKW-Fessenheim-Abschaltung 2016?
Selbstverständlich hat sich auch der BUND am Oberrhein an den Gesprächen mit Herrn „Fessenheim-Abschalten“, dem Vertreter von Staatspräsident Hollande beteiligt. Unsere Forderungen waren:
  a.. Eine schnelle Abschaltung des Pannenreaktors
  b.. Eine schnellstmögliche Entleerung der hochgefährlichen Brennelementebecken
  c.. Kein Neubau eines AKW in Fessenheim durch eine „Nachfolgeregierung“
Wir glauben, dass Herr Hollande das AKW Fessenheim tatsächlich abschalten will. Doch ob der immer mitregierende Atomkonzern EDF das zulässt und ob die Legislaturperiode für eine Abschaltung noch reicht, ist offen. Mit einer großen Postkartenaktion erinnern wir Ministerpräsident Kretschmann an den dringend notwendigen Katastrophenschutz für die Menschen in der Umgebung von Atomkraftwerken. Solange uns in Baden-Württemberg noch in- und ausländische Atomanlagen bedrohen, sollte aus dem alten, schwarz-gelben „Kataströphchenschutz“ endlich ein realistischer Katastrophenschutz werden. Wir müssen den Druck aufrecht erhalten und darum wird die Umweltbewegung zum Fukushima-Jahrestag, am Sonntag, den 9.3.2014 um 14 Uhr auf vielen Rheinbrücken am Oberrhein kleine und große Aktionen durchführen.
   
Traurige „Rechthabereien“
a.. Das Thema Grundwasserversalzung durch die elsässischen Kaliminen 
beschäftigt uns seit Jahrzehnten. Schon lange machen wir darauf aufmerksam, dass eine Million Tonnen Salz, die auf der Fessenheimer Rheininsel versickerten, im Grundwasser in Breisach schon angekommen sind. Bei einer Veranstaltung in Breisach wurde jetzt deutlich, dass unsere alten Befürchtungen von der Realität weit übertroffen wurden. Viele Hauseigentümer beklagen salzbedingte Wasserrohrbrüche und massive, teure Schäden an Heizungsanlagen. Seit Jahrzehnten ärgert es uns, dass die Verursacher der Schäden, die Mines de Potasse d‘ Alsace nicht zur Verantwortung gezogen werden. Viele Jahre hieß es dazu aus dem Breisacher Rathaus, dass so eine Klage „nichts bringen würde“. Heute wird gesagt: „Wir würden ja gerne klagen, aber dafür ist es jetzt leider zu spät“. Bei fast allen großen Umweltkonflikten kommen die großen Umweltsünder ungeschoren davon und die Kosten tragen die SteuerzahlerInnen.
   
b.. Auch bei der Giftmülldeponie Stocamine kommt es teuer, 
dass nicht auf die badisch-elsässischen Umweltverbände und den BUND gehört wurde. Jetzt endlich soll die Bergung der quecksilberhaltigen Abfälle aus dem Giftmülllager Stocamine bei Mulhouse beginnen. Als Stocamine 1999 in Betrieb ging, hielten die Behörden den Standort für absolut sicher und hörten nicht auf unsere berechtigte Kritik. Der „nicht brennbare Giftmüll“ brannte monatelang und früher oder später wird Salzsole in das einstige Kalibergwerk eindringen. Dann könnten die hochgiftigen Substanzen das Grundwasser kontaminieren. Stocamine liegt etwa 30 Kilometer vom Rhein entfernt. Auch hier setzt sich der BUND für „enkeltaugliche“ Lösungen der Probleme ein.

Das leidige Thema „Flächenverbrauch“ und die damit verbundene Verscheußlichung der Landschaft
beschäftigt uns Jahr für Jahr. Entlang der Bundesstraße 3 entsteht ein Siedlungsbrei. Zwischen Offenburg und Freiburg gibt es noch einen minimalen Freiraum von 17,7 km und Siedlungsstrukturen von 50,3 km. Im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplanes engagieren wir uns für Mensch, Natur und eine lebenswerte nachhaltige Zukunft. Die sinnvollen, ersten, viel zu vorsichtigen Versuche der grün-roten Landesregierung, den Flächenverbrauch zumindest ein wenig zu bremsen, führten zu einem Aufschrei der Bürgermeister am Oberrhein. Es ist gut, dass aus der üblichen Ankündigungspolitik endlich politisches Handeln erwächst.
Sehr gefreut haben wir uns über den SWR-Film zu 40 Jahren Wyhl-Protest,
der auch jetzt noch in der SWR- Mediathek zu finden ist. Umstrittene Umwelt- und Naturschutzthemen finden häufig „mit einer gewissen Zeitverzögerung“ öffentliches Gehör und Lob.
Ebenfalls gefreut haben wir uns über den Naturschutzpreis der Stadt Freiburg. Die Aktiven in unserem Arbeitskreis Naturschutz erhielten zusammen mit dem NABU den 1. Preis für den Amphibienschutz im Kappler Kleintal, wo wir seit Jahrzehnten eine der größten Amphibienpopulationen Südbadens betreuen.

Bei aller berechtigten Kritik an den Zuständen am Oberrhein und in Deutschland
ist es wichtig, an den aktuellen, globalen Krieg gegen die Armen zu erinnern, denn Nachhaltigkeit gibt es nicht ohne soziale Gerechtigkeit. Im Jahr 2013 wurden die Sklavenhalterbedingungen deutlich, unter denen unsere Hemden in Bangladesch genäht und die Olympiabauten in Katar erstellt werden. Wir leben in einer Zeit, in der alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen stirbt und in der 843 Millionen Menschen schwerst unterernährt sind. Global denken und lokal für Nachhaltigkeit kämpfen bleibt auch im Jahr 2014 unsere Devise.
16.12.2013, Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, Freiburg, bund.freiburg@bund.net, www.bund-freiburg.de

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