TTIP-Gerichte gegen Demokratie

Das TTIP-Abkommen zum Freihandel zwischen den USA und Europa bringt neben Genfood, Hormonfleisch, Fracking und Sozialdumping auch geheime Schiedsgerichtsverfahren – Investor-State Dispute Settlement (ISDS) -, die den Konzernen die Möglichkeit geben, Staaten zu verklagen, wenn etwa durch staatliche Eingriffe Gewinnerwartungen geschmälert werden. Solche Schiedsgerichte, die an die Stelle von nationalen Gerichten treten, sind ein massiver Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Unternehmen und Konzerne können so zukünftig das staatliche Verbot bzw. die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel oder der Gasförderung mittels Fracking verhindern. Die Anzahl solcher geheimer Verfahren, die mit dem Schlagwort Investitionsschutz begründet werden (siehe auch unten), hat in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen.
Das geplante Freihandelsabkommen TTIP und die jetzt schon gefährlich wuchernde Konzerngerichtsbarkeit sind nichts weniger als ein Anschlag auf die deutsche Verfassung. Aus einer Demokratie, in der zumindest noch theoretisch alle Macht vom Volke ausgeht, soll eine mehr oder weniger konzerngelenkte Demokratie werden. Einige Beispiele für die jetzt schon existierende Konzerngerichtsbarkeit (die durch TTIP & Freihandel massiv gestärkt wird):
1) 3,5 Milliarden Euro will der Energiekonzern Vattenfall dafür, dass er unser Leben nicht mehr mit Atomkraftwerken bedrohen darf und klagt vor einem geheimen Schiedsgericht.
2) Der Atom- und Kohlekonzern Vattenfall hatte zuvor schon gegen den deutschen Staat geklagt, weil das Unternehmen seine Profite in Gefahr sah. Schon im Jahr 2009 zog Vattenfall vor das ICSID-Schiedsgericht (International Centre for Settlement of Investment Disputes), weil aus Konzernsicht die Umweltauflagen für das umweltbelastende Kohlekraftwerk Moorburg „zu strikt“ waren. Politik und Vattenfall einigten sich außergerichtlich – und natürlich hinter verschlossenen Türen. Als Ergebnis wurden die Umweltauflagen gelockert. Ein Schiedsgerichtsurteil zu Gunsten der Profite und zu Lasten von Mensch, Natur und Umwelt.
3) „Das in Frankreich beheimatete Unternehmen Veolia klagte wegen lächerlicher 31 Euro gegen eine der wenigen Errungenschaften, die sich die ägyptischen Arbeitnehmer 2011 erstritten hatten: die Erhöhung des monatlichen Mindestlohns von 400 auf 700 ägyptische Pfund: von 41 auf 72 Euro. Der multinationale Konzern fand diese Anhebung unakzeptabel und erhob am 25. Juni 2012 vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ICSID Klage gegen Ägypten. Die Anrufung des Schiedsgerichts bei der Weltbank begründete Veolia mit dem Argument, das neue Arbeitsgesetz widerspreche den Vereinbarungen, die man im Rahmen eines Public-private-Partnerships zur Müllentsorgung mit der Stadt Alexandria geschlossen habe.“ Quelle: Le Monde diplomatique
4) Der mächtige und größte amerikanische Tabak-Konzern Philip Morris verklagt den Staat Uruguay auf zwei Milliarden Dollar Schadenersatz. Hintergrund dieser unglaublichen Klage ist eine erfolgreiche Nichtraucherkampagne des kleinen Staates, die vermutlich schon tausenden von Menschen das Leben gerettet hat. Doch die lebensrettende Nichtraucherkampagne verringert selbstverständlich die tödlichen Profite von Philip Morris. Und wo klagt der Konzern? Vor einem öffentlichen Gericht in Uruguay selbstverständlich nicht, sondern vor dem Weltbank-Tribunal Ciadi – einem Schiedsgericht für Wirtschaftsfragen in New York. Noch vor Jahrzehnten hätte der Konzern vermutlich nach chilenischem Vorbild die Regierung von Uruguay stürzen lassen und einen Putsch organisiert. Heute werden die Konzerninteressen von Konzerngerichten durchgesetzt.

Erschreckend einseitig und parteiisch Agenturen, die „Werbung & Stimmung & Meinung“ für Freihandel und Schiedsgerichte machen.
Sie lesen dies und wundern sich, dass Ihre Tageszeitung über diese unglaublichen Dinge noch nicht berichtet hat? Vielleicht sollten Sie bei Ihren Medien mal nach den Gründen für die Nichtberichterstattung fragen… Sie sollten sich vielleicht auch fragen, ob Sie den „falschen“ Strom- und Wasserlieferanten haben, warum Sie immer noch Philip Morris-Zigaretten rauchen und welche Interessen der von Ihnen gewählte Abgeordnete vertritt.

Aktuell noch wichtiger aber ist es, sich heute gegen das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA zu wehren.
TTIP bringt eben nicht „nur“ Genfood, Hormonfleisch, Fracking und Sozialdumping, sondern es stärkt auch die geheime Schiedsgerichtsbarkeit und gefährdet unseren Rechtsstaat und die Demokratie.
Ein persönlicher Meinungsbeitrag von Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer, Kreisrat, Vizepräsident TRAS
Anstecker, Postkarten und Materialien zum Thema TIPP gibt´s zum Selbstkostenpreis im BUND-Shop

Wichtige Beiträge und Links zum Thema Schiedsgerichte:

  • Profit als höchstes Rechtsgut Bislang geht der Investorenschutz auf Kosten des globalen Südens. Doch Tafta und TTIP könnten das ändern. Einer der besten Beiträge zu diesem Thema bei www.monde-diplomatique.de
  • Schattenjustiz Im Namen des Geldes Es tagt in Washington hinter verschlossenen Türen: Ein geheimnisvolles Gremium aus drei Richtern kann eine Regierung zu Strafen in Milliardenhöhe verurteilen, wenn ein Konzern seine Geschäfte bedroht sieht. Eine Paralleljustiz ist entstanden, die bald noch mächtiger werden könnte. Ein Beitrag in der Zeit vom 10. März 2014
  • 15 Juristen gegen die Demokratie Vattenfall klagt gegen den deutschen Atomausstieg. Das zeigt deutlich, wie internationale Schiedsverfahren die politische Souveränität unterwandern. Ein Beitrag in der Frankfurter Rundschau
  • Erschreckend einseitig und parteiisch ist leider immer noch der Beitrag zum Thema Schiedsgericht auf Wikipedia. Aber Wikipediamanipulation gehört heute zum Geschäft der Konzerne und der PR-Agenturen, die „Werbung & Stimmung & Meinung“ für Freihandel und Schiedsgerichte machen. Zum Beitrag auf Wikipedia.

16.7.2014, Axel Mayer, BUND Freiburg

 

Schiedsgerichte – Beispiele Peru und Australien
Eine peruanische Stadt (La Oroya) ist derart mit Schwermetallen so kontaminiert, dass die Gesundheit ihre Einwohner extrem gefährdet ist. Der Bleigehalt im Blut der Kinder ist dreimal höher als der von der WHO empfohlene Höchstwert. Schuld daran ist die US-Firma Renco, die dort seit Jahrzehnten eine Metallhütte betreibt. Trotz vertraglicher Zusicherung aus dem Jahr 1997 will sie weder technische Einrichtungen zur Minderung der Emissionen installieren noch betroffenen Kindern eine Entschädigung zahlen. Im Gegenteil: Aufgrund der Investitionsschutz-Paragrafen des Freihandelsabkommens FTA hat die Firma ihrerseits den Staat Peru wegen vermeintlich verminderten Gewinnerwartungen infolge staatlicher Umweltauflagen auf Schadenersatz in Höhe 800 Million Dollar verklagt! Mit gleicher Begründung hat Philip Morris Australien wegen Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln mit Schadenersatzforderung in Milliardenhöhe gedroht.  Wollen wir solche Verhältnisse auch in der EU haben, eine derart unverfrorene Verdrehung des Rechts und Verhöhnung der Gerechtigkeit? Wenn wir uns nicht wehren, kann es dazu kommen. Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) sollen den Weg ebnen.
26.7.2014, Prof. Dr. Joachim Hradetzky, Freiburg

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