TTIP – gegen unsere Demokratie

Die industrienahe Bertelsmannstiftung schätzt, dass durch TTIP (sprich: TiTip) das Bruttionlandsprodukt/Kopf in USA um über 13% steigt, in Deutschland um unter 5%, in Frankreich 2,6%. Dafür opfern wir unsere Ernährungsstandards zugunsten der amerikanischen und unsere Demokratie zugunsten der int. Investitionsschutzgerichte. 5000 Lobbyisten und verschlafene EU-Politiker verkaufen uns an die Konzerne und unsere müden deutschen Politiker schützen uns auch nicht. Wer Kinder hat, denke nach! Sinnvoll scheinen, wenn überhaupt, nur die länderübegreifenden die Aktionen der großen NGOs wie Attac , Slowfood und Campact zu sein. In der vergangenen Woche ging die fünfte Runde zur Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA zu Ende – geheim und hinter verschlossenen Türen. Lesen Sie hierzu den eindringlichen Kommentar „Das Ende der freien Entscheidungen“ von Carlo Petrini, dem internationalen Präsidenten von Slow Food, der ohne jegliche Polemik nichts als Fakten darstellt, aber überaus anschaulich.
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Das Ende der freien Entscheidungen
Stellen Sie sich vor: Sie geben dem Nachbarn die Vollmacht für die Wohnungseigentümerversammlung, und dann erfahren Sie, wenn es schon zu spät ist und der Bagger vor dem Haus steht, dass er und die anderen beschlossen haben, das Haus abreißen zu lassen. Diese Vorstellung ist nützlich für die Erfassung einer anderen Frage: Kann Demokratie jemanden berechtigen, Entscheidungen zu treffen, die alle anderen auch interessieren, jedoch ohne dass die Wähler ihre Meinung dazu äußern können?
Die Regierungen der modernen Länder sind unsere Delegierten bei der globalen Wohnungseigentümerversammlung. Wenn sie etwas beschließen, was der Mehrheit der Bürger nicht gefällt oder deren Recht beeinträchtigt, für sich und ihre Kinder freie Entscheidungen zu treffen, sollte es möglich sein, diese Entscheidungen zu diskutieren. Dafür müssten sie aber der Öffentlichkeit bekannt sein.
Deswegen bereitet mir Sorgen, wie sich unsere tägliche Ernährung verändern könnte. Heimlich und ohne öffentlichen Konsens soll dem Transatlantischen Freihandelsabkommen Europa-USA (TTIP) zugestimmt werden. Es wird als außerordentliche Chance für das Wirtschaftswachstum gepriesen, denn es soll zwischen Europa und den USA jene Handelsbegünstigungen schaffen, von denen, mythologisch gesehen, alle Beteiligten profitieren. Ich sage „mythologisch“, weil der Nobelpreisträger für Wirtschaft Joseph Stiglitz klar geschrieben hat, dass die Theorie, nach der es allen besser geht, wenn sich die wohlhabendsten Schichten der Gesellschaft bereichern, einfach eine Lüge ist.

Es wäre schön, wenn das TTIP gemeinsame Standards für die Lebensmittelsicherheit festlegen würde, wenn es landestypische Produkte und deren Herkunftsregionen schützen würde. Leider wissen wir, dass es nicht so sein wird. Profitieren davon werden wie üblich wenige Global Player, auf Kosten des Willens vieler Bürger, die weit weg von der Spitze der Pyramide leben und arbeiten. Die Delegationen der Europäischen Kommission und der Vereinigten Staaten tagen nicht zufällig unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
„TTIP ist die Geburt einer neuen Weltordnung, in der die Konzerne regieren.“: Die einzige Information, die durchgesickert ist, betrifft eine Art transatlantischen Handelsgerichtshofs, der entstehen soll. Dieser wird keiner politischen Behörde unterstellt sein und wie ein Schiedsgericht auf hohem Niveau funktionieren. Bei ihm könnten die großen Unternehmen Sanktionen gegen Staaten beantragen, die versuchen, die Tragweite des Abkommens durch im eigenen Land beschlossene Gesetze einzuschränken. Das muss uns allen klar werden: Wenn multinationale Unternehmen mit dem Einverständnis jenes Gerichtshofs gegen die einzelnen Staaten angehen können, selbst wenn diese gemäß ihrer Verfassungen und ihrer demokratischen Entscheidungsprozesse agieren, dann bedeutet dies die Geburt einer neuen Weltordnung!
Immer wieder muss ich bezweifeln, dass die politischen Institutionen, die über unsere grundlegenden Ernährungsbedürfnisse Entscheidungen fällen, dies wirklich in unserem Interesse tun. Sie scheinen diese Bedürfnisse als untergeordnet zu betrachten. Ich frage mich, warum Hersteller zum Beispiel nicht gezwungen werden können, Produkte entsprechend zu kennzeichnen, wenn diese mit Einsatz von Hormonen oder genetisch veränderten Organismen (GMO) erzeugt worden sind? Warum wird die Wissenschaft als Vorwand benutzt und dem Verbraucher nicht erlaubt, eine bewusste Entscheidung zu treffen? Wie schon in der Vergangenheit mit der Schokolade geschehen, die auch mit anderen Fetten als Kakaobutter hergestellt werden durfte, bringt man Lebensmittel auf den Markt, die anders sind, als die, die wir kennen. Das wäre ja noch zulässig, man zwingt aber die Hersteller nicht dazu, ihr Produktionsverfahren offenzulegen, so dass die Verbraucher frei entscheiden können. Warum habe ich einerseits die Möglichkeit glutenfrei zu essen, kann aber auf der anderen Seite keine Produkte vermeiden, die mit Einsatz von Hormonen und GMO-Pflanzen erzeugt worden sind? Ich fürchte sehr, dass die Antwort mit den selben Interessen zu tun hat, die zur Entscheidung geführt haben, die Verhandlungen zum TTIP hinter verschlossenen Türen zu halten, ohne öffentliche Beteiligung und unwiderruflich.
Carlo Petrini, 27. Mai 2014, Slow Food Magazin 3/2014 , www.slowfood.de

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