Spiel mir das Lied vom Tod

Twitter-Chef Jack Dorsey hat Trump auf Twitter gelöscht – eine Machtdemonstration, da nicht nur dem private Account von Trump, sondern auch der offizielle Zugang der noch im Amt befindlichen US-Administration gecancelt wurde. Die anderen Technologiekonzerne (wie Facebook, Google, Youtube, Instagram,..) folgten mit Kontosperrungen, allesamt mit der Begründung der Verhinderung von Amtsmißbrauch. So weit, so gut.
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Doch diese eine Begründung stellt nicht zufrieden, denn die Frage nach dem „Warum?“ beschäftigt die Medien weiterhin. Hier einige Stimmen:
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(1) Die Konzerne senden der neue Administration Biden-Harris ein Warnsignal aus, sich in der anstehenden Wahlperiode mit diesen zu arrangieren. Linke Medien helfen linker Politik.
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(2) Während seiner Präsidentschaft war Trump mit seinen tagtäglich neu überraschenden Posts für Twitter Gold (sprich Milliarden Dollars) wert. Nach seiner Wahlniederlage war’s aus damit. „Twitter ist rechts“ entpuppte sich als falsch.
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(3) Twitter als Plattform lebt nicht von der Wahrheit, sondern von Shitstorm, Disput, Empörung, Intrige, Verdächtigung – alles rasch und kurz gepostet. Da zerstört zu viel Harmonie nur das Geschäft. Die Konzerne sind besorgt, daß nun mit einer Harmonie zwischen Demokraten und Social Media die Visits abnehmen bzw. das Geschäft wegbricht. Harmonie langweilt. Deshalb bereits die heftigen Angriffe gegen Vizepräsidentin Harris für ihre Ankündigung, die Medien einzugrenzen?
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(4) Den Konzernen geht es um Macht. Sie haben gezeigt, daß sie über den Gewalten der Exekutive, Legislative und Judikative stehen, daß sie als Vierte Gewalt der Demokratie de fakto zur Ersten Gewalt vorgerückt sind. Dazu die beiden medial weltweit verbreiteten Knopfdrücke: Ist der Knopfdruck von Twitter-Chef Jack Dorsey auf seiner Ferieninsel auf den Französischen Antillen wirklich dem Knopfdruck des US-Präsidenten Donald Trump in Washington zuvorgekommen?
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(5) „Twitter ist rechts“ ist genauso falsch wie „Twitter ist links“. Den Konzernen geht es um Macht, Geld und Geschäft. Ob rechts oder links, spielt dabei keine Rolle. Bislang dominierte das Geschäft um Daten (persönliche Daten der Bürger als Kunden). Nun kündigt sich an, es den Konzernen nicht nur um Daten (passiv), sondern um Agenda (aktiv) geht. Helmut Kohl sprach oft von der Agenda als „das Notwendige, das getan werden muß“. Da bleibt zu fragen, wer von den Konzernen bestimmt, was „getan werden muß“.
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(6) Der Spieltheorie-Professor Christian Rieck vergleicht den klassischen Western-Film „Spiel mir das Lied vom Tod“ https://youtu.be/zIlT0wkW9Vg
mit Trumps Präsidentschaft:
Trump als der im Rollstuhl alternde Eisenbahnchef Morton und Twitter als der ihm ergebene brutale Revolverheld Frank, der für ihn alles niederschießt: https://youtu.be/6h-iBSE-Mu8. Somit bestimmt die Regierung die Richtlinien der Politik, nicht aber die Medien.
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Kanal vom Prof Dr. Christian Rieck:
https://www.youtube.com/channel/UCSExr_QUT6h-4sGW5hGjrCA
https://youtu.be/6h-iBSE-Mu8
http://www.spieltheorie.de/
https://www.frankfurt-university.de/de/hochschule/fachbereich-3-wirtschaft-und-recht/kontakt/professor-innen/christian-rieck/
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(6) Entgegen (5)  vertritt Roger Letsch in seinem Beitrag „Twitter und das Lied vom Tod“ (siehe unten) die gegenteilige Auffassung. Die Exekutive (im Rollstuhl) möge sich doch unter keinen Umständen mit den Medien (Frank mit Revolver) anlegen.
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Die Stimmen (1) bis (6) müssen diskutiert werden. In den USA geschieht dies intensiv, um der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft entgegenzuwirken.
Und in Deutschland? Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren, da es keine Spaltung und keine solchen Probleme gibt – sondern die eine richtige und deshalb alternativlose Meinung gefunden ist. Haben wir’s gut! Zu recht rief Außenminister Heiko Maas dazu auf, bei einer Art von „Marshall-Plan in Sachen Demokratie für die USA“ mitzuarbeiten. Für die USA?
16.1.2021
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Twitter und das Lied vom Tod
Professor Christian Rieck ist Wirtschaftswissenschaftler und erklärt den Zuschauern seines YouTube-Kanals jede Woche anhand eines praktischen Beispiels die Spieltheorie. Die Videos sind stets sehr interessant, Professor Rieck stets gut aufgelegt und voll im Stoff.
https://youtu.be/6h-iBSE-Mu8
Seine spieltheoretischen Lösungsansätze werfen oft ein überraschendes Licht auf politische oder wirtschaftliche Vorgänge. In seinem letzten Video befasste er sich mit der Frage, welche Motivation Twitter mit der Löschung der Benutzerkonten von Präsident Trump haben könnte.
Kurz zusammengefasst kommt Rieck zu dem Schluss, Twitter habe durch eine Machtdemonstration die Politik wissen lassen, wer am längeren Hebel sitzt und damit auch Joe Biden und Kamala Harris ein Warnsignal gesendet, weil letztere ja bereits mit der Regulierung der Big-Tech-Konzerne gedroht habe.
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Als Bild für das Machtgefälle zwischen Politik und Twitter wählt Rieck den Plot des Italo-Westerns „Spiel mir das Lied vom Tod“, besetzt die Rolle des schwer kranken Eisenbahnmoguls Morton mit „der Politik“, der den Revolverhelden „Frank“ (Twitter) dafür bezahlt, den renitenten McBain zum Verkauf seiner Farm zu drängen, aber bitte ohne Gewalt! Frank ballert natürlich alle über den Haufen und beweist so, dass er und nicht Morton die Macht in diesem Spiel hat, genau wie Twitter die Macht habe, willkürlich Löschungen vorzunehmen und somit virtuell Leute über den Haufen zu schießen. Rieck geht also davon aus, dass Twitter mit der Löschung Trumps ein Signal an die Politik senden wolle, sich nicht mit „Frank“ anzulegen.
Das könnte natürlich alles genau so sein, wie Rieck sagt. Aber ich würde nicht über dieses spieltheoretische Erklärvideo schreiben, wenn ich nicht der Ansicht wäre, dass da ein gänzlich anderes Spiel mit ganz anders verteilten Rollen gespielt wird. https://www.achgut.com/artikel/twitter_und_das_lied_vom_tod
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Einige Kommentare:
Abhängigkeit auf Gegenseitigkeit?
Herr Letsch geht nahezu ausschließlich auf die Machtverhältnisse zwischen Politik und Wirtschaft ein. Unter “Wirtschaft” ordnet er auch die Techkonzerne (Twitter) ein. Was dabei zu kurz kommt (auch in Prof. Rieck’s Video) dass die allergrößte Macht (hinsichtlich Einflußmöglichkeiten) doch von den Medien allgemein ausgeht.
Die derzeit nahezu unangreifbare Position der Kanzlerin bei uns und deren bis in Oppositionsparteien reichende Gefolgschaft beruht doch auf die breite Unterstützung der TV-Sender und der Mehrheit der Print/Online-Medien, Nicht umsonst heißt es, BILD könne einen Kanzler machen oder stürzen. Wurde nicht der Bundespräsident 2012 von Bild gestürzt? Beruht die Ohnmacht der Alternativpartei nicht auf deren Behandlung / Darstellung in den Medien?
Diese Macht wird im Artikel nur kurz so angedeutet “Twitter und Facebook sind für CNN, MSNBC, CBS & Co. längst zum entscheidenden Vertriebskanal ihrer Inhalte geworden”. Ich denke deshalb, die Medien (mit Twitter?) sind schon mächtiger als wie es im Artikel steht.
Es dürfte eine Abhängigkeit auf Gegenseitigkeit sein. Bei uns: Bleibst Du mir treu – dann bleibt der Gebührenstaatsvertrag.
16.1.2021, G.D.
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Ich denke auch, Sie haben eher Recht als Professor Christian Rieck.
Wobei ich glaube, dass es bei Facebook anders ist. Facebook ist deutlich wichtiger für die amerikanische Regierung als Twitter. Würden sie Facebook deutlich schwächen, könnte ein chinesischer Konzern dessen Rolle in weiten Teilen der Welt übernehmen. Eine Katastrophe in dem Großen Spiel für Amerika.
16.1.2021, A.M.
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Twitter also bereit, sich selbst ins eigene Fleisch zu schneiden
Eine brilliante Analyse von Roger Letsch. Es ist genauso, wie es der Autor beschreibt: Die Abschaltung von Trumps Account hatte einzig und allein das Ziel, sich bei der neuen Regierung anzudienen, da sie wissen, dass diese am längeren Hebel sitzt und in der Lage wäre, Twitter selbst abzuschalten. Um dieser Gefahr zu entgehen, ist Twitter also bereit, sich selbst ins eigene Fleisch zu schneiden und nimmt in Kauf, dass durch Nutzerabwanderungen massive wirtschaftliche Verluste eintreten. Ob diese Rechnung allerdings langfristig aufgeht, daran kann man berechtigte Zweifel haben.
16.1.2021, S.L.
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… warum nicht eine Art Facebook für Konservative gründen?
Sehr treffend analysiert, Herr Letsch. Nur leider haben Sie eine Ebene vergessen. In dem weltweiten Kampf gegen linke Spinnereien sind die Waffen noch viel ungleichmäßiger verteilt. Ich habe mich gefragt, warum nicht irgendein reicher Konservativer eine Art Facebook für eben Konservative gründet, wo dann genauso mit dem linken Unsinn verfahren wird, wie FB es mit konservativen Inhalten tut.
Klar, es gäbe massig Geheule, Geschrei und Gejammer in den links dominierten Medien, aber im Grunde wäre es nur kostenlose Werbung, schließlich ist die einseitig linke Ausrichtung der Medien ja ein offenes Geheimnis und kaum etwas reizt die Menschen mehr, als etwas “Verbotenes”. Aber leider nutzen die meisten Menschen eben auch Google, um etwas zu suchen und da liegt das Problem. Und Google, bzw, die Alphabet Holding gehören ebenso zur linken Tech-Blase, wie FB, Twitter und Co. Ergo würde eine neue konservative Plattform einfach von Google nicht gelistet, bzw. erst ganz weit hinten in den Ergebnissen angezeigt. Und schon ist man diesen lästigen Konkurrenten los. Das Einzige was da helfen könnte, wären Gesetze, die das ewige und ständige Löschen und Zensieren, sowie das einseitige Verbreiten von Meinungen in den klassischen Medien, wie TV und Rundfunk, verbieten würden. Leider gibt es weder Parteien, noch Politiker, die sich das trauen. Und ich sehe auch nirgendwo einen Streif am Horizont, schon gar nicht nachdem Politiker gesehen haben, was Twitter, FB und Youtube mit Trump gemacht haben.
16.1.2021, W.H.
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Die mächtigen amerikanischen „Soziale-Medien-Konzerne“
haben sich mit ihren (absoluten) Sperrungen von Teilnehmern, also Kunden mitsamt ihren Meinungen, ohne Not und äußeren Druck erst einmal selbst in eine unvorteilhafte Marktsituation manövriert. Ob Twitter, Facebook, YouTube und Konsorten aktuell ihre vermeintlich übergroße Macht demonstrieren wollten oder sich komplett den US-Demokraten angedient haben, beides wird für diese Konzerne zum Russischen Roulette werden. Die Konzerne könnten mit ihren dümmlichen Aktionen jedenfalls den Höhepunkt ihrer Macht erreicht haben.
16.1.2021, V.V.
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Das könnte für die Techkonzerne auch nach hinten losgehen
Die Dems wollen nämlich selbst die Macht haben, daher ist die Zerschlagung ein Damoklesschwert, das über ihnen schwebt. Und dann gibt es noch die Nutzer. Den Twitter-Konkurrenten Parler konnten sie abschalten, aber Whatsapp verschiebt gerade die Einführung der neuen Nutzungsbedingungen. Es haben sich wohl zu viele Leute andere Messenger heruntergeladen und die Messengerkonkurrenz können sie nicht so einfach abschalten, an Telegram hat sich sogar Putin die Zähne ausgebissen.
16.1.2021, L.SCH
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… die Politiker haben einen Machtvorsprung gegenüber den Medien
Eine etwas ungewöhnliche aber stringent dargestellte Analyse. Ich teile Ihre Ansicht, dass nach wie vor die Politiker einen entscheidenden Vorteil und damit Machtvorsprung gegenüber den Medien haben: Sie können veranlassen, dass die Medienmogule morgens um 4 Uhr aus dem Schlaf gerissen und mit einem schwarzen Lieferwagen weggebracht werden.
Übrigens: Wo ist Jack Ma? Nicht dass ich ihn vermisse und er ist auch kein Medienvertreter, aber ihm scheint auch nicht klar gewesen zu sein, wer der Hund und wer der Schwanz ist. Ach ja, Amerika ist nicht China? Wenn es Spitz auf Knopf steht, sind Sie da so sicher?
16.1.2021, F.A.
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Besser als die Filmmethapher: chinesisches System als Agenda
Vermutlich trifft diese Analyse den Sachverhalt besser als die Filmmetapher. Das Ziel der Veranstaltung/Agenda ist ein chinesisches System und dieses zeigt die klare Macht bei der Politik, genauer bei einem Autokraten. Letztlich ist es (fast) muessig, sich mit der Frage Koch oder Kellner zu befassen, weil es einen treffenden Begriff fuer das Treiben zwischen Politik, Grosskapital und “Kommunikationsmultis” gibt, genannt Kollusion, nicht zu verwechseln mit dem Gegenteil Kollision.
Das boeswillige, arglistig taeuschende (faktische) Zusammenwirken oder Zusammenspiel von mindestens 2 Parteien zur Erreichung des jeweiligen (Partei) Zieles (die naturgemaess nicht identisch sind oder sein muessen) und zu Lasten eines, natuerlich ausgeschlossenen, Dritten. Wer hier welche Rolle warum spielt, sollte klar sein. Allerdings wird bei der klassischen Schaedigungskollusion der Geschaedigte getaeuscht, da man sonst Widerstand befuerchten muesste.
Die sattsam bekannten (Psycho) mechanismen der Schaediger, und auch hier handeln Politik und Multis vorsaetzlich gleich) sorgten dafuer, dass die Geschaedigten in diesem Spiel nichts merken oder sogar noch dazu jubeln. Man spielt sich die Bälle zu, uebt das “do, ut des” oder agiert frei nach dem Hannibal Lecter – Motto. Am Anfang standen sicher nicht Twitter und Co, sondern eine Bewegung aus den US-Universitäten und den 68 igern, die inzwischen den Westen zerstoert, um totalitaer zu herrschen und das Individuum auf ein infantiles, frei zur totalen Machtausuebung und zum Konsumismus konditionierbares Instrument zu regredieren.
Ohne Twitter und Co. waere die schoene neue Welt nach Huxley aber nicht, zumindest nicht so schnell zu erreichen gewesen. Die Verantwortung ist und bleibt aber bei denen, die “gewählt” wurden und werden.
16.1.2021, R.N.

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