Sozialoekologischer Stadtumbau

Nötig ist sozialökologischer Stadtumbau statt „Bauen auf Teufel komm raus“. Zu den ernerneuten Beratungen des Gemeinderates zum Handlungsprogramm Wohnen samt Stadterweiterungen haben sich der Umweltschutzverein ECOtrinova, der Freiburger BUND und der Regionalverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) gemeinsam mit  Vorschlägen und einem offenen Brief an den Gemeinderat gewandt.

 

„Ein sozialökologischer Umbau der Stadt ist als erste Priorität erforderlich„, so die SprecherInnen der Vereine. Die Möglichkeiten des Gemeinderats und der Stadtverwaltung seien längst noch nicht ausgeschöpft. Eine aktive und zu aktivierende Bevölkerung, die mitdenke und mithilfe, könne zum Gelingen beitragen. Bauwut und „Bauen auf Teufel komm raus“ seien verfehlt. Gemeinderat und Stadt sollten statt dessen genaue Ziele festlegen, wie viel, warum und für wen bis 2020, 2030 usw. gebaut werden soll, und wie viel neuer Wohn-, Büro- und Gewerberaum für wen und warum nötig ist, und erarbeiten, wie das mit Innenentwicklung zu schaffen sei.“
Kernforderungen der Vereine sind, über den Flächennutzungsplan FNP-2006-2020 hinaus keine weitere flächenhafte Außenentwicklung mehr für Gewerbe und Wohnen und keine weitere Vernichtung von landwirtschaftlichem und gärtnerischem Boden zuzulassen, also keine neuen Stadtteile im Außenbereich. Als Alternativen benennen die Vereine den sozialökologischen und Flächen sparenden Umbau des Gebäudebestands im Rahmen von Innenentwicklung, die maßvolle Umsetzung des FNP-2006-2020 dort, wo bei den bis 2020 vorgesehenen 106 (!) Neubaugebieten keine schwerwiegenden Gründe überwiegen oder entgegenstehen, Auch sei es eilig, neue Chancen der Innenentwicklung anzupacken, die sich seit 2006 ergaben, etwa das ehemalige Areal Götz und Moritz/ Polizeiakademie. Begrüßt wird, auf dem ehemaligen Güterbahnhof Nord auch Wohnen zu etablieren. Die Mietspiegelstruktur müsse schnellstmöglich geändert werden, um die automatische Mietpreisspirale zu stoppen. Die von den Vereinen abgelehnten neuen Stadtteile wie Rieselfeld-Nord oder St. Georgen-West kämen, wenn überhaupt, viel zu spät. Sie würden sogar im Widerspruch zu Artikel 20 a des Grundgesetzes stehen. Dieser verpflichte den Staat und die ausführende Gewalt, also auch Städte und Gemeinderäte, zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen – so auch beim für die Ernährung bebaubaren fruchtbaren Boden. „Freiburg ist an den Grenzen des Flächenwachstums angekommen, der ökologische Fußabdruck ist mehrfach zu groß,“ betonten die SprecherInnen.
Die beiden Freiburger Probleme „Wohnraummangel“ und „zu hohe Mieten“ sind den Vereinen zufolge bei weitem nicht nur durch zu kleine Neubau- oder Umbautätigkeit als solche oder durch Nachfrage- zu Angebotsverhältnisse entstanden, sondern großenteils durch Verzögerungen und Versäumnisse etwa beim FNP 2006-2020 und Mietspiegel, bei der Innenentwicklung sowie bei Verkehrsflächen. Dazu die Vereine im Einzelnen:
Beim Wohnraum sind es teils große Verzögerungen bei der Umsetzung des FNP 2006, Zweckentfremdung von Wohnraum, so schon rund 500 Ferienwohnungen, fast so viel wie das verzögerte Neubaugebiet Gutleutmatten West und Ost in FR-Haslach, Leerstand und Nicht-Vermieten-Wollen in zahlreichen Gebäuden sowie die Hinnahme von Ein-Personen-Belegungen von Wohnungen aller Größen. Hinzu trat die starke Zunahme der Studierenden, u.a. durch Doppeljährgänge. Diese sehr große Zielgruppe brauche vor allem hochschulnahe Wohnheime und keinen neuen Stadtteil. Eine Ferienwohnungssteuer statt einer Hotelbettensteuer und Zweckentfremdungsverbote, jeweils sofern bzw. sobald gesetzliche Grundlagen bestehen, und Instrumente wie Leerstandskataster, die Belastung von längerem Leerstand, sowie Öffentlichkeitsarbeit seien nötig. Für Studierende, SeniorInnen und zu Pflegende seien mehr Heime und Wohngemeinschaften (WGs) erforderlich. Mehrgenerationenhäuser, Student-SeniorInnen-WGs, WG- und Alten-WG-Börsen sowie Wohnungstauschbörsen – z.B. altersgerecht gegen zu groß – sollten von der Stadt unterstützt werden.
„Die zu hohen Mieten und zu hohen Mietpreissteigerungen haben ihre Ursache insbesondere in der Struktur des Mietpreisspiegels, der stabile Mieten nicht berücksichtigt und dafür neue höhere Mieten aufnimmt, also eine automatische Mietpreisspirale ist“, so doe Vereine. Neubautätigkeit erhöhe die Mieten. Der Wegfall von Sozialbindungen bei Mieten müsse akut gestoppt werden; sie solle wenn möglich auf Dauer bestehen. Genossenschaftliches Wohnen und andere kooperative Formen sollten Vorrang haben. Die viel zu kurzen Umlegungszeiträume für Bau- und Energie-Sanierungskosten seien freiwillig oder gesetzlich auf typisch 20 Jahre oder mehr zu verlängern. Kostenfreie Angebote zur Energiesparberatung sollten alle einkommensschwachen Haushalte erreichen.
Ein ökologisches Verkehrskonzept auch mit stark verminderten Stellplätzen wie in FR-Vauban vermindere den Flächenverbrauch und die Baukosten erheblich und wirke auch mietpreis- bzw. Wohnkosten dämpfend. Dazu gehöre auch, Verkehrsflächen zu verringern zugunsten von Gebäuden und Freiräumen, flächenhafte PKW-Parkplätze zu überbauen oder unterirdisch zu verlegen zugunsten von Gewerbe, Wohnungen, Verwaltungsbauten und Freiräumen, die Umwidmung bzw. den Rückbau von Straßen- bzw. Verkehrsflächen zugunsten von Carsharing, ÖPNV und Rad- sowie fußläufigem Verkehr voranzutreiben. Neubaugebiete sollten nur als Innenentwicklung bevorzugt an Knotenpunkten des ÖPNV liegen. „Wohnen und Arbeiten“ nah bzw. im Haus sowie Nahversorgung seien zu stärken. Die Vereine benennen eine Fülle von Maßnahmen der Innenverdichtung für mehr Wohnungen und mehr Wohnraum samt Beispielen in Freiburg: ein Dachausbau- und Gebäudeaufstock-Kataster, Dächerausbau und Aufstocken, wo gut möglich (Vorbilder unter vielen: Scheffelstr. 35 und 4, Lorettostr. 30, Buggingerstr. 50, Wilmersdorferstr. 3 und 5; möglich z.B. beim Technologiezentrum Freiburg und vielen anderen Gebäuden), Dachausbau verbinden mit der Förderung von Dachdämmung und Solarenergienutzung, Abriss und Flächen sparender vergrößerter Neubau (wäre z.B. möglich bei der Flachbungalo-Siedlung der Stadt in der Wippertstr.), interner Umbau zu kleineren variablen Wohnungen (Buggingerstr. 50: von 90 auf 139 Wohnungen), Modernisierung mit Balkonintegration plus Aufstockung und externe Neu-Balkone (Wilmersdorferstr. 3 und 5, Buggingerstr. 50), Anbau für mehr Wohnungen (Beispiel Hochhaus Buggingerstr. 2), Hinterhäuser vermehrt bewohnbar machen oder dort Platz für emissionsarmes Gewerbe ausbauen.
Neue Chancen für die Innenentwicklung und den sozialökologischen Stadtumbau in Freiburg nach 2006 bestehen mit dem sehr großen ehemaligem Götz & Moritz-Areal samt Polizeiakademie und Umfeld, mit dem sehr großen Gebiet beim jetzigen Eisstadion und dessen Umfeld, mittelgroß durch Wohnungsbau beim ehemaligen Güterbahnhof Nord, und bei kleineren Gebieten, z.B. bei der Ganter-Brauerei, bei Maria Hilf und beim Haufe Verlag. Die vom Land beabsichtigte Ausnahme für Freiburg beim strengen Flächenschutz hinsichtlich Neubaugebieten im Außenbereich lehnen die Vereine ab. Auch die Kommunen in der Region hätten noch Innenentwicklungsreserven und müssen sich darauf beschränken. „
Auch für Freiburg bestehen Grenzen des Wachstums in vielerlei Hinsicht. Für sich genommen erscheinen die Stadt und auch der Breisgau derzeit in Notzeiten nur sehr wenig überlebensfähig, z.B. bei der Energie- und Rohstoff-Versorgung und Ernährung. Auch gelte es, die Stadt wie auch die Region „richtig nachhaltig“, d.h. zukunftsfähiger, zukunftssicherer und „enkeltauglich“ zu machen,“ betonten die SprecherInnen der Vereine.
14.10.2013, ecotrinova

 

 

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