Social Freezing in USA und in D

In den USA ist Social Freezing selbstverständlich: Die weiblichen Lebensläufe passen sich an die Arbeitswelt an. Frauen können auch dann noch eine Familie gründen, wenn sie beruflich etabliert sind und mehr Geld und ggf. auch mehr Zeit für eigene Kinder haben. Das Angebot von Apple und Facebook an ihre Mitarbeiterinnen, das Einfrieren von Eizellen zu finanzieren, wird angenommen. Amerikanerinnen sehen das Hinausschieben des Kinderkriegens als Freiheitsversprechen an.

Anders  in Deutschland: Mittels Sozial Freezing sollen die „Frauen in den energiereichen Jahrzehnten zwischen dem 20. und 40. Geburtstag ihre Energie vollständig der Firma zur Verfügung stellen“, schreibt der Tagesspiegel. Und in der Berliner Zeitung heißt es:  „Das, was nach 20 Jahren branchentypischer 60-Stunden-Woche von den Frauen noch übrig ist, darf die Kinder haben“.
Mit dem Sozial Freezing versuchen die Arbeitgeber, die produktivsten Jahre der Frauen für sich zu reservieren. So sieht es auch Elisabeth Niejahr, bekannte Zeit-Journalistin und alleinerziehende Mutter einer achtjährigen Tochter, welche nicht aus tiefgefrorenen Eizellen entstanden ist. „Heute finde ich es vor allem traurig, dass so etwas wie Social Freezing überhaupt nötig ist“, beklagt sie in „Meine Eierstöcke, mein Baby und ich. Warum ich meine gefrorenen Eizellen aufbewahren ließ – und mich dafür schäme“, DIE ZEIT Nr. 44 vom 23.10.2014, S. 20). Denn sie möchte in einer Gesellschaft leben, in der sich die Arbeitswelt an weibliche Lebenszyklen anpasst, und nicht umgekehrt
23.10.2014
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Job-Freezing statt Social-Freezing
(1) Das Einfrieren von Eizellen und Aufbewahren in flüssigem Stickstoff ist nicht die Lösung, um Frauen die Angst vor dem Karriereknick durch Kinder zu nehmen. Das gerechte Mittel für Chancengleichheit von Männlein und Weiblein lautet nicht Social-Freezing, sondern Job-Freezing: Vater und Mutter müssen die gleiche Zeit (z.B. 3 Monate) im Beruf aussetzen, wenn ein Kind ankommt. Beide müssen  die gleichen Karrierenachteile in Kauf nehmen.
(2) Für werdende Väter gelten die gleichen Garantien zu Kündigungsschutz und Rückkehr in den Job wie für werdende Mütter. Für den Arbeitgeber sind Mann und Frau mit den gleichen Risiken verbunden.
(3) Das Grundgesetz gibt Gleichberechtigung von Mann und Frau vor. Job-Freezing entspricht dem, denn die Zwangspause für die Frau wird nun auch durch eine Zwangspause für den Mann aufgewogen.
(4) Das Prinzip des „burden sharing“ zwischen den Geschlechtern wird beim Kinderkriegen eingehalten, wie auch schon bei Krankenversicherung und Unisex-Tarifen.
(5) Kosten: Der Staat oder der Arbeitgeber müssen ein halbes Jahr (3 Monate für die Frau und drei Monate für den Mann) für eine leere Arbeitsstelle finanzieren – entsprechend etwa wie beim Elterngeld oder der Väterauszeit. Bei den Kosten ist aber gegenzurechnen, wieviel ein Kind im Laufe seines Arbeitslebens an Steuern bezahlt.
(6) Dänemark macht es mit der fädrebarsel (übersetzt Vatermutterschaft) vor, mit der sie die Väter zu Pfllchtmonaten zur Kinderbetreuung zwangsweise verdonnert.
Die verpflichtende berufliche Auszeit der Väter mittels Job-Freezing sollte auch in Deutschland ehrlich diskutiert werden – falls man die Chancengleichheit von Mann und Frau bei der beruflichen Karriere überhaupt anstrebt.
3.11.2014
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Die Fortpflanzungsuhr tickt, und man kann die Natur nicht austricksen
Leider geht der Artikel am Wesentlichen vorbei. Während der letzten fünf Dekaden hat sich eine tiefgreifende evolutionäre Emanzipation der Frau den Weg gebahnt, gleichzeitig verlangsamt sich infolge verbesserter Lebensumstände und rasanten medizinischen Wissenszuwachses das biologische Altern des Menschen. Ein weibliches Neugeborenes unserer Tage kann auf eine 100-jährige Lebenszeit hoffen. Die Frau will nicht nur für sich selbst in ihre Bildung und berufliche Unabhängigkeit investieren, die Gesellschaft fordert es auch von ihr ein, wie der Armutsbericht am Beispiel alleinstehender Mütter drastisch anmahnt.

Daher steigt das Alter von Paaren, die sich für das erste Kind entscheiden, ständig an. Nun bleibt jedoch der Zeitplan der weiblichen Fortpflanzung einem mehrere Millionen Jahre alten, unabänderlichen Prinzip unterworfen, das dem Schutz der Mutter und ihrer Kinder gedient hat. Die spontane Fortpflanzungsphase der Frau begann mit ihrer Reife (ab zirka dem 15. Lebensjahr) und währte, solange die physische Kraft zur Geburt des letzten Kindes (zirka 45) reichte, um bis zum mütterlichen Alter von 55 bis 60 auch noch „Nachzügler“ versorgen und nach Ende ihrer Pubertät an den Aufbau der folgenden Generation abgeben zu können. Somit diktierte die Evolution, dass die Eierstöcke als Depotorgane angelegt sind, um bereits ab der Fetalzeit eines weiblichen Individuums dann kontinuierlich von ihrem Funktionspool abzugeben. Von den ursprünglich sieben Millionen Eizellen des Föten sind mit dem Ende der Wechseljahre (Menopause) alle von ihnen entweder zu Grunde gegangen oder mit dem Eisprung freigesetzt worden. Die Funktion der Eierstöcke ist dann so gut wie erloschen.

Die Fortpflanzungsuhr tickt
Der Verlust macht sich ab 30 bemerkbar, die quantitative Funktionsreserve der Eierstöcke nimmt stetig ab. Zugleich sind viele der „alternden“ Eizellen einem zunehmenden Qualitätsverlust unterworfen, indem ihre chromosomale Unversehrtheit zunehmend Schaden nehmen kann. Ab 35 steigen deshalb die Anzahl von Kindern mit Trisomie (etwa Downsyndrom) und die Fehlgeburtenrate an. Während im Rahmen der künstlichen Befruchtung bei Frauen unterhalb des 31. Lebensjahres die Geburtenrate/Embryotransfer bei 50 Prozent liegt, fällt sie ab 40 drastisch unter zehn Prozent ab. In einer Frau über 35 oder weit darüber – obwohl jung und gesund – tickt die Fortpflanzungsuhr unerbittlich wie eh und je, und simple präventive Mittel gibt es nicht, die Natur auszutricksen und den Zeitabschnitt spontaner Fortpflanzung allgemein oder individuell verlängern zu können. Seit die Medizin Methoden entwickelt hat, Eizellen nach schonender Tieffrierung (Vitrifikation) erfolgreich künstlich befruchten zu können, gibt es einen Ausweg: das „Social Freezing“. Aber auch diese Vorgehensweise kann dem Diktat der Physiologie und den reproduktionsmedizinischen Vorgaben nicht gänzlich entfliehen. Mit 38 ist die betreffende Frau unter fortpflanzungsmedizinischen Gesichtspunkten schon – wie dargestellt – in einer ungünstigen Lage.
Auf der anderen Seite 28-Jährige, die zwar über ein optimales quantitatives und qualitatives Fortpflanzungspotential verfügen, nun auf Geheiß des Arbeitgebers zum „Social Freezing“ zu treiben, irritiert doch sehr. Der sinnvolle Kompromiss mit optimaler Ausgangslage wäre, dass im Alter unter 35 Jahren rund 30 Eizellen gewonnen und aufbewahrt werden könnten, damit die betreffende Frau auf der Basis dieses Reservoirs eine reale Chance hätte, später – nach entsprechenden Maßnahmen der künstlichen Befruchtung – bis spätestens 45 ein Kind zur Welt bringen zu können.

Trotz optimaler Voraussetzungen können Erfolgsgarantie und ein „Kindsversprechen“ nicht gegeben werden. Man merkt: Die Aussichten sind relativ, und die Thematik wird jungen Frauen nicht gerecht, lässt man sich auf teils unseriösen, teils oberflächlichen Schnickschnack ein!
29.11.2014, Prof. Dr. med. Franz Geisthövel, Freiburg
.Mitte 20
Das mag sein, dass ein weibliches Neugeborenes heutzutage auf eine 100-jährige Lebenszeit hoffen darf. Trotzdem sind die Körper der Frauen blöderweise so gebaut, dass ein Alter von Mitte zwanzig sich am besten eignet, um das erste Baby zu bekommen. Diese einfache Realität wird sich nicht so bald ändern. Es ist außerdem nicht gleich (es nicht mal ähnlich!), ob eine Frau mit Mitte 20 oder erst mit Mitte 30 ihre Eizellen auf Eis legt: https://www.paleo-mama.de/ivf-icsi-eizellenqualitaet/eizellen-einfrieren-social-freezing/
29.11.2014, Darja Wagner

Social Freezing ist eine medizintechnische Einzelfall-Hilfe, aber keine gesellschaftliche Lösung

Social Freezing macht die Generation „Oma und Opa“ überflüssig

Eine medizintechnische Lösung wie Social Freezing ist keine Lösung.

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.“
„Es braucht eine ganze Gesellschaft, um ein Kind in die Welt zu setzen.“

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