Seyran Ates: Liberale Moschee

Angesichts des in Deutschland dominierenden konservativen (Moscheevereine, Islamverbände) und zunehmend radikalen (Salafismus) Islam setzt sich die deutsch-türkische Frauenrechtlerin Seyran Ates für einen friedlichen Islam ein: „Gründet mit mir eine liberale Moschee„. Um die Reformierbarkeit des Islam zu belegen. Um die Vertreter der Theokratie zurückzuweisen. Um die Rufe nach Einführung der Scharia zu übertönen. Um den vielen Imamen zu widersprechen, die sagen, das Haus des Islam sei erst gebaut, wenn es die ganze Welt umfasse. Um die Diskriminierung von muslimischen Frauen in und außeralb der Moschee endlich zu beenden. Die „demokratische Moschee“ soll in Berlin, im Herzen Europas, gebaut werden.
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Ates beklagt, dass in Deuschland der türkische Staats-Islam herrscht. „Liberale, moderne, demokratische oder gar säkulare Muslime sind in der europäischen Moscheenlandschaft heimatlos. Sie haben keinen religiösen Treffpunkt, keine Plattform, sie sind nicht organisiert und daher auch nicht Partner der Politik.“
Die meisten der über 2000 Moscheen in Deutschland werden vom türkischen Staat kontrolliert (Ditib, von Diynet ausgebildete Imame), die deutschen Islamverbände vertreten einen „volkstümlichen Islam, patriarchal und konservativ.“ Hier ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr: „Wann verteidigt der Westen seine Freiheit endlich gegen die Feinde der Freiheit?“ Was in den deutschen Moscheen insbesondere im Hinblick auf die Erziehung Kinder geschehe, muß gestoppt werden: „Zu viele Moscheen predigen einen Islam von vorgestern. … Die meisten aktiven Imame in Deutschland haben ein gestörtes Verhältnis zu demokratischen Standards wie Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und Respekt vor Homosexualität.“
Für Seran Ates als Juristin und Frauenrechtlerin zeigt sich der Modernisierungsberarf des Islam besonders drastisch am erniedrigenden Frauenbild: „An keinem anderen Ort fühle ich mich derart diskriminiert wie in Moscheen.“ Integration der muslimischen Flüchtlinge in Deutschland kann nur gelingen, wenn die muslimischen Frauen hier einen freiheitlichen Islam leben können: „Nur durch eine geschlechtergerechte Auslegung des Koran und der Hadithen könnten wir an eine Gleichberechtigung glauben, wie sie uns (den Frauen) in Deutschland vom Grundgesetz garantiert wird.“
Im Klartext bedeutet dies, dass für Seyran Ates der Slogan „Der Islam gehört zu Deutschland“  für den derzeit vorherrschenden konservativen, patriarchalischen, traditionellen Islam schon aus dem Grunde nicht gilt, da er Frauen unterdrückt und Frauenrechte als Teil der Menschenrechte mißachtet. Solange die Moscheen und Islamverbände in Deutschland zu 95% von Türkei (Erdogans Staatsislam), Iran (Schiiten) und Saudi-Arabien (Sunniten, Salafisten) finanziert werden, wird es der Reform-Islam schwer haben. Für Seyran Ates unverständlich, denn: „Zugleich wünschen sich immer mehr Musliminnen und Muslime einen friedlichen Islam, der den Dialog mit anderen Religionen pflegt. Doch dieser Islam hat in Europa noch keinen Ort. Es gibt nur die etablierten, konservativen Gemeinden, die Kritik und Zweifel kaum zulassen. Was fehlt ist eine liberale Moschee.“
19.5.2016
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Zitate aus:
Seyran Ates, „Gründet mir eine liberale Moschee!“. DIE ZEIT vom 19.5.2016, Seite 52

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