Seniokratie – die Alten regieren

Deutschland verwandelt sich gerade in eine Seniokratie, also in eine Gesellschaft, in der die Älteren das Sagen haben. Keine Partei macht mehr Politik gegen Rentner und Pensionäre. Projekte wie Abschaffung des Rentenalters, Förderung von Familie mit Kind statt Ehe sowie Einwanderungs-Punktesystem scheitern, seit die Babyboomer verrentet sind. „Die Reformen verlangen mehr Mut als heute erkennbar ist“, so Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut. Fachkräftemangel, Altersarmut, Vermögensschmelze (Sparbuch wie Immobilien) und Innovationsschwäche signalisieren, dass unsere Volkswirtschaft nicht prosperieren wird. Oder liegt im demografischen Wandel selbst schon die Lösung vieler Probleme: Die gewonnenen Lebensjahre als Chance nutzen, um zusätzliche ökonomische Kraft zu entfalten. Also was anderes tun als Mallorca –  besser: Was tun statt Mallorca.

Wir sind dabei, uns in eine Seniokratie zu verwandeln. Unsere Gesellschaft wird von den Alten dominiert, im Bezug auf Anzahl (Demografie), Kapital (Geld gibt Macht) wie Einfluß (Lobby). Im Bundestag sind nur 4,9% der Abgeordneten unter 35 Jahre jung (bei 35% Bevölkerungsanteil). Dagegen sind 66% der Abgeordneten zwischen 45 und 65 Jahre alt (bei nur 31% Bevölkerungsanteil). Die Über-45-Jährigen bestimmen die politische Agenda. Ist es da nicht an der Zeit, nach der Frauenquote nun auch eine Jugendquote einzuführen? Beginnend mit den Parteien: 20% auf den vorderen Listenplätzen für Kandidaten unter 35 Jahren?
Die Alleinherrschaft der Älteren hat in der EU nicht die großen Lösungen parat: Soziale und materielle Ungleichheit spaltet die Gesellschaften, der Zusammenhalt in der EU bröckelt, Nationalismus und Separatismus nehmen zu, Jugendarbeitslosigkeit ist unvorstellbar hoch.
Die Jungen haben eine offenere Sicht auf die Zukunft: Globalisierung als Herausforderung. Digitalisierung als Chance. Europa nicht als historisches Trauerspiel, sondern als geliebte und weite Heimat, vernetztes Arbeiten.

“Nichts schadet einem jungen Menschen mehr als das Gefühl, keinen Platz zu finden, nicht gebraucht zu werden und von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein.” Dieser Satz des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker gewinnt im Hinblick auf die Studie „Junge Deutsche 2015“ eine besondere Bedeutung: Nur noch 15% der unter 35-Jährigen betrachten ihren politischen Einfluß auf Landes- und Bundesebene als mittel bis hoch. Die anderen 85% der Jüngeren sehen für sich nur wenig Möglichkeiten zu Einflußnahme und Teilhabe. Diese Auswirkung unserer Seniokratie ist schlimm, denn nur durch Reibung entsteht Neues – wenn die junge Generation nicht mehr mitmacht und sich ausklinkt, dann ist nicht viel mit Reibung.

„Alt und Jung müssen ihr Wissen und ihre Ideen gleichermaßen einbringen können. Dies ist in Deutschland aber nicht der Fall Hier sind die Jungen im politischen Raum völlig unterrepräsentiert. Deshalb fordern wir eine Jugendquote.“, so Vincent-Immanuel Herr, Botschafter von der „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“ (www.srzg.de oder www.generationengerechtigkeit.de ) in „Jugend wagen“, DIE ZEIT vom 26.3.2015, Seite 11.

 

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