Kindergrundsicherung

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  • Welche gesellschaftspolitische Bedeutung hat die Kindergrundsicherung? (28.6.2024)

 

Welche gesellschaftspolitische Bedeutung hat die Kindergrundsicherung?
Verstaatlichte Kindheit
Alle Massenbewegungen, die von links genauso wie die von rechts, haben es auf die Jugend abgesehen. Die Kinder sollen die Vergangenheit hinter sich lassen, dem erwählten Führer folgen und fahnenschwingend der Sonne, dem Licht, dem kommenden Tag entgegenziehen. Eltern sind verdächtig, sind unerwünscht, sie stehen für das Gestrige, das Überholte und blockieren die Innovation. Dem Fortschritt und der Zukunft zugewandt, waren und sind diese Bewegungen durchweg kinderfreundlich, aber familienfeindlich.
In der neuen, der klassenlosen Gesellschaft werde es für die Familie keinen Platz geben, hatte Friedrich Engels vorausgesagt, und Adolf Hitler hatte ihm recht gegeben. Nur die Partei sei befugt, den Mann und die Frau zu führen, „die Lebensbedingungen der Geschlechter regeln wir, das Kind bilden wir!“ hatte er verkündet. Im nationalsozialistischen Führerstaat würden die Kinder ihren Müttern genauso gehören „wie im selben Augenblick auch mir“.
Den Führern von damals sind die Führer*innen von heute gefolgt. Lisa Paus, die sich lieber Gesellschafts- als Familienministerin nennen hört, macht etwa da weiter, wo ihre Vorgänger aufgehört hatten. Mit vollem Recht hat sie die Kindergrundsicherung als das größte sozialpolitische Bauvorhaben der Ampel-Regierung bezeichnet. Sie erhebt Anspruch auf den ganzen Menschen, will ihn schon in der Wiege packen, um ihn im Sarg erst wieder loszulassen. Kindergeld, Elterngeld, Bürgergeld, Krankengeld, Pflegegeld, Sterbegeld – die Reihe nimmt kein Ende.

Immerzu steht ein Amtsinhaber neben dem Bürger und sagt ihm, was er zu tun hat. Frau Paus träumt offenbar denselben Traum wie ihre Wegbereiter, die nationalen und die internationalen Sozialisten, nennt ihn nur anders. Sie will den Bürger an die Hand nehmen und ihm bei jedem Schritt ins Ohr singen: You’ll never walk alone. Wenn sie von Service, Bringschuld und Betreuung spricht, meint sie mehr Macht für sich und weniger für alle anderen. Sie will die Familie nicht fördern, sie möchte sie ersetzen.

Das Grundgesetz steht dem entgegen. Es sagt der Familie seinen besonderen Schutz zu, nennt Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen, den Eltern, obliegende Pflicht. Seitdem das Bundesverfassungsgericht diesen besonderen Schutz auf alle möglichen Gemeinschaften mit und ohne Kinder ausgeweitet hat, hat die Bestimmung an Gewicht verloren; was man mit aller Welt teilen muß, kann ja nichts Besonderes mehr sein. Väter und Mütter heißen nun nicht mehr Eltern, sondern Elternteile, durchnumeriert nach den Ordnungsziffern eins, zwei oder drei. Sie gelten als Dauerbezugspersonen, auch das aber nur auf Zeit, da sie durch andere Personen, zweite Mütter oder dritte Väter, jederzeit ersetzt werden können.

Sofern sie darauf bestehen, ihre Kinder selbst zu erziehen, sollten sie einen Erziehungsführerschein erwerben, ausgestellt von irgendeinem Service-Unternehmen im Auftrag des Staates. Auch damit sind die Vorkämpfer der Chancengleichheit aber längst noch nicht am Ziel. Elternhäuser neigen ja dazu, die Ungleichheit auf ihre Kinder zu vererben. Und das ist schlecht, weil es das Ideal der Egalitaristen, die gleichmäßig gemähte Rasenfläche, immer wieder in die Ferne rückt.

Der Amerikaner Christopher Jencks, eine der Leuchten der modernen Erziehungswissenschaft, hatte das Phänomen entdeckt. Solange die Gesellschaft nicht dazu bereit sei, das Band zwischen Eltern und Kindern völlig zu zerschneiden, werde sie sich mit einem gewissen Maß an Chancenungleichheit abfinden müssen, hatte er festgestellt. Das klang nach Vorsicht oder Fatalismus; doch davon sind die Grünen weit entfernt. Sie haben versprochen, mehr Fortschritt zu wagen, und sie wagen ihn auch: schon heute kann ein Drittel der Kinder am Ende der vierjährigen Grundschulzeit allenfalls unvollkommen lesen und schreiben. Beides sei letztlich überflüssig, meinen bekennende Grüne, da sich die ehemals so genannten Kulturtechniken durch den Gebrauch von Google und IT ersetzen ließen. Daß die Kinder damit abhängig werden, abhängig von irgendwelchen fremden Mächten, wird Lisa Paus so lange ganz recht sein, wie sie auf dem Bock sitzt und die Zügel führen kann.

Die progressiven Parolen, Chancengleichheit, kompensatorische Erziehung und so weiter, sind längst vergessen und verbraucht. Nachdem er seinen Unterricht zur leistungsfreien Zone ausgerufen hatte, gab ein Gesamtschullehrer auf die Frage, wo seine Schüler denn nun Lesen und Schreiben lernen sollten, die originelle Antwort: Zu Hause! So ist es dann ja auch gekommen. Die Bildungsreformer haben den Abstand zwischen oben und unten nicht etwa schrumpfen lassen, sie haben ihn vergrößert. Wer kann, gleicht das, was ihm die Schule schuldig geblieben ist, zu Hause aus. Wer das nicht kann, geht zur Nachhilfe, die sich im Zuge der Schulreform zu einem milliardenschweren Industriezweig entwickelt hat. Wem das eine fehlt und das andere zu teuer ist, ist arm dran.

Für Grüne ist das ein Grund mehr, der Familie das Wasser abzugraben. Sie wollen das Eigene – die eigenen Eltern, die eigenen Kinder, die eigene Sprache, die eigene Kultur – enteignen, gesamtgesellschaftlich verduften und verschwinden lassen. Der Staat soll an die Stelle der Familie treten und die Kinderarmut in ihrer doppelten Gestalt, die Armut an Kindern und unter Kindern, bekämpfen – ein Phänomen, das er doch aber selbst hervorgebracht, zumindest allerdings begünstigt hat, indem er die Rentenversicherung als eine Maschine konstruierte, die den Verzicht auf Kinder zum Geschäft macht.

Wozu in Kinder investieren, wenn die Sache nicht lohnt, weil man sich von fremder Leute Kindern genauso gut versorgen, füttern oder pampern lassen kann? Man spart dann selbst und läßt die anderen bezahlen. Der umverteilende Sozialstaat hat die Kinderarmen und die Kinderlosen, die Merkels und die Scholzens an die Macht gebracht. Leute wie sie lassen die Zukunft auf die eigene Lebenszeit zusammenschnurren und sagen sich wie die Marquise von Pompadour: Nach uns die Sintflut! Alte Leute, hat Bernard Shaw einmal bemerkt, sind gefährlich, weil ihnen die Zukunft vollkommen egal ist.
… Alles vom 28.6.2024 von Konrad Adam bitte lesen in der F 27/24, Seite 18
https://www.junge-freiheit.de
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Dr. Konrad Adam, Jahrgang 1942, war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent der Welt.