Sanktionen nein – Erdgas ja

Jedes Projekt muß man evaluieren (lat „valere“ für „wert sein“), um seinen Wert bzw. seine Wirksamkeit festzustellen. Dies gilt auch für die Wirtschaftssanktionen gegen Russland nach dessen völkerrechtswidrigem Einmarsch in die Ukraine am 24.2.2022. Olaf Scholz selbst hat im März 2022 erklärt: „Sanktionen dürfen die europäischen Staaten nicht stärker treffen als Russland.“
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Genau dies ist jedoch – glaubt man den europäischen Wirtschaftsexperten – eingetroffen, und zwar ganz besonders für die deutsche Wirtschaft, da diese mit über 50% beim Gas am stärksten von russischen Energieimporten abhängig ist. Deutsche Unternehmen melden zunehmend Insolvenz an, während die russische Gasprom Rekordgewinne macht. Deshalb werden die Forderungen immer lauter: Den Wirtschaftskrieg – nichts anderes sind die Sanktionen – beenden und sofortige Verhandlungen mit Russland aufnehmen, um die Lieferung von Gas und Erdöl wieder aufzunehmen.
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Auch Sahra Wagenknecht (Die Linken) unterstreicht diese Forderung in ihrem Video „Selbstgemachte Energiekrise“ vom 17.9.2022 (mehr dazu bei (1) unten): https://youtu.be/U3JInRxTJek.
Darin bekräftigt sie nochmals ihre in der letzten Bundestagsdebatte in Berlin vorgetragene und mit viel Zustimmung bedachte Argumentation: https://youtu.be/J7AWlKXV8_I

Unbezahlbare Energie treibt die deutsche Industrie in den Ruin oder ins Ausland. So sind die deutschen Direktinvestitionen in die Türkei, das sich trotz Nato-Mitgliedschaft nicht an Sanktionen beteiligt, sprunghaft gestiegen). Frankreich (NLG) und Ungarn (Pipeline) weiten ihre Gasimporte aus Russland aus. Die USA weiten ihre Erdöl-Importe aus Russland aus und beteiligen sich weiter an der Erschließung neuer Gasfelder auf russischem Territorium.

Die Ampel-Regierung kann die Preisexplosion bei der Energie beenden, wenn sie will. Sie muß endlich im deutschen Interesse handeln. Derzeit beträgt der Preis des innerhalb der USA bezahlten Gases ein Achtel des Preises in Deutschland.
Russland hat Deutschland über 50 Jahre hinweg zuverlässig beliefert – seit dem ersten Pipeline-Vertrag in 2/1970 in der Willy-Brandt-Ära, der gegen den Wíllen der USA zustande kam.
Russland exportiert nach wie vor Rohstoffe von Nickel bis Palladium nach Deutschland. Russland ist neben China alleiniger Lieferant von Aluminium. Die Aussage „Wer mit Russland Handel treibt, macht sich zum Komplizen im Ukrainekrieg“ ist unhaltbar. Würde sie zutreffen, dann müsste Deutschland als exportorientierte Industrienation mit vielen Staaten der Erde die Wirtschaftsbeziehungen abbrechen.
Es ist im deutschen Interesse, Industrie wie Verbraucher mit preiswerter Energie zu versorgen. Diesem Interesse ist jede Regierung verpflichtet – auch die Ampel.
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„Die Krise zeigt, wie teuer und mühsam der Verzicht ist. Deutschland hat sich schon darauf festgelegt, bis 2045 den Anteil der fossilen Energien auf Null zu senken. Es ist eine gefährliche Utopie, bei der man sich nur wundern kann, daß sie so viel Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Die Menschen wissen offenbar gar nicht, was ihre Politiker beschlossen haben. Und vermutlich wissen es die Politiker nicht einmal selbst. … Wenn wir auf Erdöl (und Erdgas) verzichten, geben wir es für andere Länder frei, die es zu fallenden Preisen gerne kaufen und an unserer Stelle verbrennen, allen voran China.“
Hans-Werner Sinn, ehemaliger Chef des ifo-Instituts, in der „Berliner Zeitung“ vom 19. August 2022

Solange kein grundlastfähiger Ersatz zum Erdgas verfügbar ist, ist Deutschland auf russische Gasimporte angewiesen.. Reale Knappheit (Gas) kann man nicht mit Geld (Entlastungspakete) bekämpfen, zumal diese Pakete schuldenfinanziert sind. An dieser Logik kommt keine Regierung vorbei.
Deutschland ist zwar ein energiearme, aber ein intellektreiches Land. Deshalb: Den eignen Grips aktivieren.
17.9.2022
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Gegendruck statt Resignation (17.9.2022)
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(1) Sahra Wagenknecht: Selbstgemachte Energiekrise
Könnte Nordstream II uns helfen?

Die hohen Energiepreise sind nicht nur für die meisten Menschen kaum zu stemmen, sie haben auch das Potential, beachtliche Teile unserer Industrie in den Ruin oder ins Ausland zu treiben. In vielen Branchen ist die Produktion in den letzten Monaten ziemlich eingebrochen, das Handwerk leidet und für das nächste Jahr wird mit einer Rezession und weiter steigenden Preisen gerechnet. Die Ampel will uns weis machen, dass Putins Krieg für diese Probleme verantwortlich ist. Aber so stimmt das nicht. Der russische Krieg gegen die Ukraine ist ein Verbrechen, aber es war Entscheidung der EU und auch der deutschen Regierung, auf diesen Krieg mit beispiellosen Sanktionen zu reagieren, die die Preise für viele Güter zum Explodieren brachten. Die Energiekrise wurde noch dramatischer, als Russland, in Revanche für die Sanktionen, die Gaslieferungen nach Deutschland kappte. Inzwischen ist klar: Der Wirtschaftskrieg schadet Deutschland ungleich mehr als Russland. “Niemandem ist damit gedient, wenn wir sehenden Auges unsere wirtschaftliche Substanz aufs Spiel setzen”, erklärte Kanzler Scholz noch im März. Ja – warum tun wir es dann? Bislang haben die Energiesanktionen Putin noch nicht mal unter Druck gesetzt, im Gegenteil: Gazprom macht Rekordgewinne und wird mit den Mehreinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft nun den Bau von Gaspipelines nach China finanzieren. Andere westliche Regierungen scheren längst aus dem Sanktionsregime aus, außerhalb der westlichen Welt beteiligt sich ohnehin kein Land. Wer mit Russland über die Wiederaufnahme von Gaslieferungen verhandelt, macht sich noch lange nicht zum Komplizen des Ukraine-Kriegs. Wenn das so wäre, wären wir Komplizen unglaublich vieler Kriege auf dieser Welt. Mein Video der Woche über die Folgen des Sanktionskriegs für unsere Wirtschaft, über verlogene Doppelmoral und warum ich es richtig fände, wenn Deutschland wieder preiswerte Energie aus Russland beziehen würde – andere Länder (darunter Frankreich, Japan, die Türkei oder Ungarn) tun es schließlich auch.
31 Quellennachweise in der Videobeschreibung.
https://youtu.be/U3JInRxTJek
15.9.2022, Sahra Wagenknecht

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