S-Bahn mit dem Rollstuhl – nein

Auch das zum 17.2.2020 geänderte Fahrplankonzept kann am 23.2.2020 noch nicht umgesetzt werden: „Fahrgäste haben von der Breisgau-S-Bahn die Nase voll“ (BZ vom 8.1.2020) gilt weiterhin. Dabei wünschen sich die Pendler und Schüler doch gar nicht viel – nur einen pünktlichen Fahrbetrieb der Höllental- und Kaiserstuhlbahn. Aber diesem Wunsch der Fahrgäste kann die Bahn nicht nachkommen, sie ist schlicht überfordert.
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Nur das nervende Piepsen der Türen und die endlosen Lautsprecherdurchsagen zu Verspätungen, Gleiswechseln, fehlenden“Kurswagen“ und Zugausfällen scheinen zu funktionieren. Die Ausreden, Schuldzuweisungen und Appelle der Bahn können ihre Unfähigkeit nicht mehr kaschieren. Besonders hart trifft dieses Versagen des ÖPNV die Menschen mit Handicap. Der erschütternde Bericht einer Rollstuhlfahrerin im Dreisamtäler zeigt, dass zur Unfähigkeit der Bahn noch eine Portion armseliger Arroganz hinzukommt, denn: Wozu an 5 Tagen der Woche im Rollstuhl per Bahn zur Arbeit fahren?
23.2.2020
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Neues Fahrplankonzept seit 17.02.2020
Kirchzarten (cw.) Das neue Fahrplankonzept läuft gerade an, die Breisgau-S-Bahn fährt jetzt in stündlichem Takt von Breisach nach Seebrugg und von Freiburg nach Villingen, das jeweils bezogen auf beide Richtungen. Das zeitaufwendige und unausgereifte Flügeln und Kuppeln entfällt. Mit dieser Lösung soll der halbstündige Takt zwischen Freiburg und Titisee sowie in Gegenrichtung weiterhin gesichert sein.
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„Schöne heile Welt der Inklusion…
In den letzten Wochen litten alle Fahrgäste unter mangelnder Pünktlichkeit, fehlenden Informationen und Zugausfällen. Ganz besonders traf es Fahrgäste mit Einschränkungen, wie ältere Menschen, die nicht mehr so schnell zu Fuß sind, oder Rollstuhlfahrer*innen.
Die Erfahrungen, die Frau Z. in den letzten Wochen mit der Breisgau-S-Bahn machte, gehen weit über das Zumutbare hinaus. Die Kirchzartenerin ist auf den Rollstuhl angewiesen und fährt an fünf Tagen unter der Woche morgens von Kirchzarten nach Freiburg zur Arbeit und mittags wieder zurück. Sechs Jahre hatte alles wunderbar geklappt, doch seit der Umstellung auf die Breisgau-S-Bahn musste Frau Z. feststellen, dass bei der Ausarbeitung des Fahrplankonzepts Menschen mit Rollstuhl oder Geheinschränkungen nicht berücksichtigt wurden. Auf Nachfrage erhielt sie von der DB-Regio die Antwort,
dass diese davon ausgehe,
dass niemand mit Rollstuhl
an fünf Tagen unter der Woche
mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fährt
und wieder zurück.
Ein dürftiges Argument, denn letzten Endes ist es doch egal, wie oft Fahrgäste mit Rollstuhl die Breisgau-S-Bahn nutzen. Fakt ist, dass es in unserer Gesellschaft Menschen mit Handicap gibt und dass jede Einrichtung im Rahmen der Inklusion dafür Sorge zu tragen hat, dass Menschen mit Einschränkungen genauso Teilhabe am normalen Leben haben sollen, wie alle anderen, folglich sollten auch alle Fahrgäste dieselben Voraussetzungen haben, um in ihren gewünschten Zug zu gelangen. Bei bestehenden Einrichtungen ist dies leider nicht immer möglich, doch wenn wie hier, ein vollkommen neues Konzept erarbeitet wird, wonach Bahnhöfe für viel Geld umgebaut werden und neue Züge angeschafft werden, sollte man doch davon ausgehen, dass das Thema Inklusion ein wichtiger Bestandteil bei der Planung ist. „Schöne heile Welt der Inklusion…“, fällt Frau Z. dazu nur ein.
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Fahrstuhl defekt, Rampe nicht vorhanden – gefangen auf Gleis 2
Vor der Umstellung konnte die auf den Rollstuhl angewiesene Kirchzartenerin verlässlich auf Höhe der Bushaltestelle in den Zug einsteigen. Mit dem neuen Fahrplankonzept ab Dezember 2019 änderte sich das schlagartig, da der behindertengerechte Eingang des Zuges variiert, womit es für Frau Z. immer eine Überraschung bleibt, wo sie barrierefrei in den Zug einsteigen kann. Zudem muss sie auf kurzfristige Gleisänderungen immer gefasst sein und sich in der Nähe der Info-Anzeigen und Lautsprecher aufhalten, die sich am anderen Ende des Gleises befinden; auf der anderen Seite am Bahnsteig sind diese weder hör- noch sichtbar.
Für Fahrgäste, die gut zu Fuß sind, mag das alles kein Problem sein, doch mit Rollstuhl in der Hauptverkehrszeit ist es ein Rennen gegen die Zeit. Leider gibt es auch kein Bahnpersonal, das Fahrgästen mit Einschränkungen behilflich sein könnte. Auch der Fahrstuhl auf dem Bahnhof in Kirchzarten funktionierte einige Zeit nicht, so dass Frau Z. im Falle eines Gleiswechsels keine Möglichkeit hatte, zu ihrem Zug zu gelangen, zumal es auch keine Rampen gibt. Züge, die von Freiburg kommen und auf Gleis 2 in Kirchzarten einfahren, können für Rollstuhlfahrer zu einer Falle werden, wenn der Fahrstuhl außer Betrieb ist. „Gefangen auf Gleis 2“, so die Worte der Kirchzartenerin. Die Notfallnummer am Fahrstuhl ist nur dafür vorgesehen, wenn jemand steckengeblieben ist. Der Schiebetritt am Zugeingang für Rollstuhlfahrer ist in Kirchzarten hilfreich, da er auf derselben Höhe wie die Bahnsteige ist, das wurde tatsächlich berücksichtigt. Auf dem Freiburger Hauptbahnhof ist das aber keineswegs so. Die Gleise dort haben unterschiedliche Höhen, so dass der Schiebetritt häufig niedriger als der Bahnsteig ist. Im Extremfall sind Rollstuhlfahrer*innen beim Verlassen des Zuges auf fremde Hilfe angewiesen. Auf Nachfrage bei der DB-Regio teilte man Frau Z. mit, dass sie sich für Hilfe einen Betreuungsservice organisieren kann, den sie vorher telefonisch bestellen muss. Rollstuhlfahrer*innen müssten folglich von zu Hause aus am Abend vorher ihre Hin- und Rückfahrt organisieren. Da Frau Z. täglich den Zug nutzt, wäre das jedes Mal ein erheblicher Aufwand, weshalb sie bisher davon keinen Gebrauch machte.
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Ohne Nahkampfausbildung kein Zug nach Freiburg
Richtig spannend wird es, wenn in der Hauptverkehrszeit, morgens zwischen sieben und acht Uhr, Züge kommen, die lediglich aus einem Triebwagen bestehen. Schon bei der Einfahrt ist für die auf dem Bahnsteig wartenden Fahrgäste klar, dass man jetzt nur mit einer gezielten Nahkampfausbildung die Möglichkeit hat, in den Zug zu gelangen oder man verzichtet von vornherein und erspart sich den Stress. Frau Z. hat diese Wahl nicht, denn für sie ist in dem Moment klar, dass sie mit diesem Zug definitiv nicht nach Freiburg fahren kann. Für die in Kirchzarten wohnende Rollstuhlfahrerin waren die letzten Wochen eine Tortur sondergleichen. Mehrmals schrieb sie an Verantwortliche, um auf diesen Zustand hinzuweisen, leider ohne nennenswerten Erfolg. Man verwies sie auf die Hotline oder vertröstete sie auf den neuen Fahrplan ab 17.02.2020. Bleibt nun zu hoffen, dass mit dem neuen Fahrplan tatsächlich mehr Verlässlichkeit für Pendler*innen eintreten wird.
Doch was Frau Z. betrifft und mit ihr viele andere, die ein Handicap haben, ist fraglich, ob ihre Probleme dadurch wirklich gelöst werden. Bewundernswert ist, dass die Kirchzartenerin in ihrer schweren Situation trotz aller Unannehmlichkeiten ihren Humor nicht verloren hat: „Es ist immer wieder ein Spaß, travelling with Deutsche Bahn“, so ihre Worte.
… Alles vom 19.2.2020 von Claudia Wandres bitte lesen auf https://www.dreisamtaeler.de

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