Freiburg1944

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Freiburg am Siegesdenkmal (heute Europaplatz) im Jahr 1950 - links die KaJo

Freiburg am Siegesdenkmal (heute Europaplatz) im Jahr 1950 – links die KaJo

                   
(1) Anfang Dezember 1944       (2) Dezember 1945. Bilder Stadtarchiv       (3) Unterlinden 1944 – Meer aus Steinen
freiburg1944-ruinen         freiburg1944kajo           freiburg1944-posaunenengel
(4) Abbrucharbeiten 1944-45                 (5) Blick nordwärts 1945 über KaJo       (6)  Posaunenengel Münster
freiburg1945ruinen          freiburg1994aufbau          freiburg1944-nussmannstrasse
(7) Freiburg April 1945                            (8) Freiburg April 1994                            (9) FR Nussmannstrasse 27.11.1944
freiburg1944-friedrichstrasse          freiburg1944-massengrab          freiburg1944-münster
(10) Freiburg 1944 – Münster alleine      (11) Massengrab nach dem 27.11.44      (12) Wunder: Das Münster steht noch

 

(1) Freiburg nach dem 27.11.1944 in Ruinen – die Häuser um das Münster wie offene Schachteln
(2) Blick vom Bertoldsbrunnen nach Nordosten über die geräumte KaJo
(3) Blick nach Norden zum Brunnen an Unterlinden nach dem Bombardement 1944
(5) Das historische Foto entstand Ende 1945: Kaiser-Joseph-Straße vom Bertoldsbrunnen in Richtung Siegesdenkmal
(6) Nach der Bombennacht des 27.11.1944 blickt der Posaunenengel vom Münsterturm auf eine zerstörte Stadt
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10) Blick von der Friedrichstrasse nach Südosten über Freiburg zum Kybfelsen nach dem 27.11.1944, nur das
Münster steht noch wie durch ein Wunder!

https://www.badische-zeitung.de/freiburger-bombennacht-fakten-und-zahlen-in-einer-interaktiven-grafik

 

Blick von der Friedrichstrasse über Freiburg zum Kybfelsen. Nur das Münster steht noch nach dem 27.11.1944 - ein Wunder

Blick von der Friedrichstrasse über Freiburg zum Kybfelsen. Nur das Münster steht noch nach dem 27.11.1944 – ein Wunder

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Zermürbt und traumatisiert nach der Bombennacht
Ein Aktenfund im Landratsamt gibt Einblicke in das Leben der Freiburger nach dem Angriff vom 27. November 1944.
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…. Nachdem die Verwundeten des Angriffs medizinisch erstversorgt waren, wurden sie in alle Arten von Aushilfskrankenhäusern untergebracht, oft weit außerhalb Freiburgs. Doch bereits bei der weiteren Versorgung der Verwundeten ergaben sich zusätzliche Probleme. Über eine Rettungsstelle im Stadtteil Stühlinger beispielsweise heißt es in einem der Berichte, „die dortige Anwesenheit eines Nervenarztes hat sich neben der Tätigkeit der Chirurgen als sehr segensreich erwiesen“. Tatsächlich waren es vor allem psychische Probleme, die auch viele äußerlich unverletzte Überlebende auffällig werden ließen. Man sah „planlos umherirrende und nur notdürftig bekleidete“ Menschen, es gab „vorübergehende Verwirrtheits- und Erregungszustände“, auch wenn die meisten „bald wieder ihr seelisches Gleichgewicht“ fanden. Ein weiterer berichterstattender Arzt, Dr. E. Eschbacher, betonte ausdrücklich die „fürchterlichen Folgen auf das Gemüt und die Gemütsverfassung des Einzelnen“. Auch Eschbacher „konnte Szenen beobachten, wo einzelne planlos in der Trümmerstadt umher irrten, keine Nahrung mehr aufnahmen und mit ihrer Umwelt keinerlei Kontakt mehr hatten“. Andere wiederum „flüchteten“, wie es heißt, „im ersten Schrecken in die umliegenden Wälder und Ortschaften, kehrten aber wegen Nahrungs- und Unterkunftsmangels bald zurück“.

Aus diesen ersten Fluchten entwickelte sich dann rasch eine gezielte Reisebewegung, so dass wochenlang am Wiehrebahnhof – der Hauptbahnhof war beim Angriff schwer getroffen worden –, „da Tausende nach dem Schwarzwald abreisten, ein gefährliches Gedränge“ herrschte. Andere traten die Reise zu Fuß an und zogen „nach dem Höllental mit ihren kl. Wägelchen mit dem letzten Hab und Gut“.
Diejenigen, die wegen Ihres Alters oder ihrer Gebrechlichkeit ihre Abreise nicht selbst organisieren konnten, wurden zum Teil aus der Stadt evakuiert, so etwa nach Breitnau „eine Anzahl alter Leute, vor allem aus dem total zerstörten evangelischen Stift“ in der Herrmanstraße. Ein Bericht hielt fest, „doch gab es andere, welche der sogenannten Bunkerkrankheit verfielen und nicht mehr aus den Stollen“ im Schlossberg, die als öffentliche Luftschutzräume genutzt wurden, „herauszubringen waren“. Dadurch sei es dort schließlich zu „völlig unhaltbaren Zuständen in hygienischer Hinsicht“ gekommen.
Pfunder äußerte in einem späteren Bericht nach Kriegsende von Ende Juni 1945 ein gewisses Verständnis für diesen Daueraufenthalt in öffentlichen Luftschutzräumen. Allerdings nur für „die zahlreichen Gebrechlichen und Alten (Freiburg war ausgesprochene Pensionärstadt)“. Diesen wollte man „nicht zumuten unter den dauernden Alarmen und häufig wiederholten Angriffen in einem oberen Stockwerk wohnen zu bleiben“. Man hatte daher geplant, eine größere Gruppe älterer Freiburger in Stühlingen im Schwarzwald unterzubringen.
Anderen Bunkerbewohnern trat man mit weniger Verständnis gegenüber. Über deren Verhalten hieß es in einem anderen Bericht zunächst, es „war neben einer gesteigerten Nervosität in der Bevölkerung aber auch eine grosse Apathie zu bemerken, die Dinge über sich ergehen liess ohne einen Antrieb für irgend ein Unternehmen bezüglich Unterkunft – nach dem Angriff – zu verspüren“. Es waren, so wurde fortgeführt, „die Leute, jung und alt, nicht mehr aus dem Bunker zu bringen“. Und weiter: „Auf die Dauer mussten durch die Behörden, Luftschutz und Gesundheitsamt, zusammen mit der Polizeibehörde Massnahmen getroffen werden, dass derartige ,Dauerbewohner’ der Bunker zwangsläufig daraus entfernt werden mussten.“
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Darüber hinaus waren es nach Beobachtungen des oben erwähnten Arztes Dr. Eschbacher mit Blick auf die Ereignisse bis Kriegsende vor allem die zahlreichen weiteren Angriffe auf die Region, die die dort verbliebene Bevölkerung auch weiterhin gesundheitlich beeinträchtigten. In einem Bericht für die alliierten Besatzungsbehörden bemerkte er Ende Juni 1945 hierzu rückblickend: „Ausserordentlich schwer belastend auf die körperliche und seelische Verfassung der Bewohner wirkten sich meiner Meinung nach die immer wieder sich wiederholenden kleineren Bomben- und Jaboangriffe auf die Stadt und Umgebung aus; wenn sie auch in ihrer eigentlichen Auswirkung, d.h. verlust- und zerstörungsmässig, relativ gering waren, so wirkten sie doch ausserordentlich zermürbend in seelischer Hinsicht.“
Entsprechend schloss auch
Obermedizinalrat Pfunder als Leiter des Gesundheitsamtes einen Nachkriegsbericht mit Blick auf das Kriegsende in Freiburg:
„Die am 21.4.1945 einmarschierenden französischen Truppen
fanden die früher so sehr bevorzugte Wohnstadt Freiburg
im Kern zerstört und in ihren Lebensäußerungen gelähmt.
Sie trafen auf eine unter der deprimierenden Wirkung
der schweren Erlebnisse stehende Bevölkerung.“
… Alles vom 30.11.2019 von Peter Steinkamp bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/zermuerbt-und-traumatisiert

Peter Steinkamp ist Leiter des Kreis- und Kunstarchivs des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald.

 

 

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Freiburg war auf den Angriff am 27.11.1944 nicht vorbereitet

In Freiburg war der 27. November vor 75 Jahren ein schöner Frühwintertag. Freiburg war früher einmal entmilitarisierte Zone, hier durften keine Truppen stationiert werden. Deswegen galt die Stadt auch nicht als „Luftschutzort erster Ordnung“ – und so fehlten richtige Bunker. Während des ganzen Krieges sind permanent alliierte Flugzeuge in großer Höhe über Freiburg geflogen, etwa nach München oder zu anderen Zielen. Da wurde immer Alarm ausgelöst, der sich immer als Fehlalarm herausstellte. „Deswegen ist das Luftschutzverhalten während des Krieges nachlässiger geworden“, sagt der Historiker Gerd R. Ueberschär, Autor des 1990 erschienenen Standardwerkes „Freiburg im Luftkrieg 1939 bis 1945“.
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1725 Tonnen Bomben hatten die britischen Bomber an Bord
Den Angriff auf Freiburg flog die 1st Bomber Group mit 292 schweren Lancaster-Maschinen und 59 leichteren Mosquito-Bombern der Pathfinder-Group. Zusammen hatten die Flugzeuge 1725 Tonnen Bomben an Bord – für Freiburg eine verheerende Ladung. Um 15.43 Uhr waren die ersten Squadrons von Fliegerhorsten in Lincolnshire gestartet. Später sammelten sich die Lancasters zur Flugformation. Um 19.40 Uhr befand sich der Bomberverband über Nancy und überflog wenig später die Frontlinie. Der Masterbomber war schon 19.37 Uhr in 4100 Metern Höhe über Freiburg angekommen, von wo er den Angriff dirigierte.
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10 Minuten Vorwarnzeit, dann fielen die Bomben
In Freiburg war es ein „normaler“ Kriegsabend. Die Menschen waren zu Hause, auf den Weg ins Kino, wo ein Marika-Rökk-Film lief. Oder sie wollten zum Abendgottesdienst ins Münster. Der deutsche Luftwarndienst erkannte den bevorstehenden Angriff viel zu spät. Um 19.48 Uhr wurde Voralarm ausgelöst, um 19.58 Uhr Fliegeralarm. Da fielen allerdings schon seit drei Minuten die sogenannten „Christbäume“ vom Himmel – die roten Markierungsbomben der Pfadfinder-Gruppe.
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Der Angriff verlief in Wellen
Der Zielpunkt des Angriffs lag an der heutigen Kreuzung Habsburger-/Bernhardstraße. Ab 19.58 Uhr wurden von Pfadfinder-Maschinen die ersten Sprengbomben abgeworfen. Ab 19.59 Uhr folgte der bis 20.18 Uhr dauernde Angriff der 292 Lancaster-Flieger, die Spreng- und Brandbomben abwarfen. Schon ab 20.05 Uhr sind Rauch und Feuer so stark, dass die englischen Verbände ihre Ladung nur noch ohne Sicht abwerfen können. Die schweren, hochexplosiven Sprengbomben hatten in der Regel einen Zerstörungsradius von 80 Metern, schreibt Historiker Ueberschär. Beim Rückflug sehen die Bomber-Verbände noch nach 35 Minuten und 80 Meilen weiter das brennende Freiburg. Die Bomber Group No 1 hatte nur ein einziges Flugzeug verloren, das vermutlich von eigenen Bomben getroffen worden war.
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Über der Stadt lagen Tod und Zerstörung
Die Menschen in der Stadt sterben in ihren Wohnungen, auf der Flucht auf der Straße, in einstürzenden Luftschutzkellern oder am Arbeitsplatz, wie 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fernmeldeamt. Die Feuerwehr kann nichts ausrichten. Die Infrastruktur ist zerstört, die Hauptfeuerwache an der unteren Bertoldstraße steht ebenfalls in Flammen. Einzelbrände wuchsen zu Straßenbränden – es war ein Inferno. Im Ueberschär-Buch wird ein Augenzeuge zitiert: „Das Krachen der Zeitzünderbomben, das Bersten der Häuser, das Jammern und Schreien der Frauen und Kinder und das Brummen der Flieger … ergaben eine schaurige Sinfonie vor höllenartiger Kulisse. Gespenstisch ragte der Turm des Münsters aus den Flammen hervor.“
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Im Freiburger Münster findet am Mittwoch, 27. November 2019, um 20 Uhr ein ökumenisches Nachtgebet mit Friedensfeier statt.
… Alles vom 27.11.2019 von Joachim Röderer bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/der-bombenangriff-vor-75-jahren-bleibt-die-traurigste-nacht-in-freiburgs-geschichte
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Regionalgeschichte: Die Bombardierung Freiburgs am 27. November 1944
Der 27. November ist Jahr für Jahr ein besonderer Gedenktag für Freiburg. Am 27. November 1944 wurde die Stadt Ziel eines Luftangriffs. Innerhalb von 25 Minuten starben fast 3000 Einwohner. Von 14 527 Gebäuden blieben nur 2148 unbeschädigt. Eine Sammlung von Artikeln, die sich über die Jahre mit dem verheerenden Angriff befasst haben.

Die dramatischen Minuten des Angriffs, die Nacht, als die Stadt brannte, die schwere Zeit danach – vielen Überlebenden von damals ist die Bombennacht auch nach 75 Jahren immer noch im Gedächtnis. Fast 70 Zeitzeugen haben der Badischen Zeitung ihre Erinnerungen an den 27. November 1944 aufgeschrieben.
… den Dossier vom 27.11.2019 zu bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/bombardierung
27.11.2018, Carola Schark
https://www.badische-zeitung.de/nach-dem-bombenangriff-auf-freiburg-wurden-viele-opfer-in-einem-gemeinschaftsgrab-beerdigt

 

 

Freiburger Straßenbahnnetz bald nach dem Bombenangriff von 1944 wieder in Betrieb
Die hoffnungsvollen Zeilen aus Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ („… und neues Leben blüht aus den Ruinen!“) können auch für die Freiburger Bürger gelten, die sich bald nach dem verheerenden Bombenschlag vom 27. November 1944 daran machten, ihre Stadt von den Trümmern zu befreien und unter anderem den öffentlichen Personennahverkehr wieder zum Laufen zu bringen…. Alles von Hans Sigmund vom 21.11.2016 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg-mitte/das-freiburger-strassenbahnnetz-wurde-bald-nach-dem-bombenangriff-von-1944-wieder-in-betrieb-genomme–130066702.html
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siegesdenkmal1950      Bild: Archiv Hans Sigmund
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Im Jahre 1950 fuhren die Straßenbahnen der Linie 1 und 2 sowie der Linie 5 durch die Trümmer rund um das Siegesdenkmal. Im Vordergrund sieht man die Linie 2, die gerade aus der Habsburgerstraße kommt,

 

Schüler des Friedrich-Gymnasium haben Filme über Freiburg nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht
Hannah Muggenthaler, 17-jährige Schülerin des Friedrich-Gymnasiums in Herdern, hat einen beeindruckenden Dokumentarfilm über den Bombenangriff gedreht, bei dem knapp 2800 Freiburger Bürger ihr Leben verloren. Rund 16 Minuten ist er lang und trägt den Titel „Kein Stein mehr auf dem anderen – die Nacht, die alles veränderte?“
Der Film orientiert sich stark an seinen Protagonisten und gibt ihnen Raum zum Erzählen: Insgesamt kommen vier Zeitzeugen zu Wort, die allesamt die verhängnisvolle Nacht als Kinder miterlebt haben und dennoch in ganz unterschiedlicher Weise über den Angriff und die Jahre davor zu berichten wissen. „Es war schon eine schlimme Zeit“, sagt etwa Hansjörg Gallinger (Jahrgang 1934) und bildet damit einen Gegenpol zu Gottfried Beck (Jahrgang 1932), der ganz offen über seine jugendliche Kriegsbegeisterung spricht: „Krieg war unser Leben, da war was los. Es waren schöne Zeiten.“ Der Horror des Krieges schien zu diesem Zeitpunkt meilenweit von ihm entfernt.
Das änderte sich sich schlagartig in der Nacht des 27. November. In 20 Minuten fielen rund 14000 britische Brand- und Sprengbomben auf die Stadt und verwandelten Freiburg in ein Trümmerfeld. Hannah Muggenthaler lässt die Erinnerungen ihrer Zeitzeugen an diesen Tag wieder aufleben – dramatisch, intim, ergreifend. Beck erinnert sich noch ganz genau an seine Gefühlslage, als die Bomben einschlugen: „Am 27. November war Krieg. Lebensbedrohend, tödlich, verheerend. Das hat Todesangst ausgelöst.“ Am berührendsten ist der Bericht von Gerda Hormes (Jahrgang 1932), deren ganze Familie bei dem Angriff ums Leben kam. Die Sequenzen, in denen sie erzählt, wie sie an ihrem leblosen Vater rüttelte, sind als Zuschauer schwer zu ertragen.
… Alles vom 5.10.2016 von Johannes Tran bitte lesen auf
https://fudder.de/schueler-des-friedrich-gymnasium-haben-filme-ueber-freiburg-nach-dem-zweiten-weltkrieg-gedreht–128229558.html
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Vor 70 Jahren war der Krieg zu Ende
Am 21. April 1945 rückten französische Truppen in die stark zerstörte Freiburger Innenstadt ein (7). … Schon in den ersten Nachkriegsjahren entschied sich die damalige Freiburger Stadtplanung gegen einen modernen und verkehrsgerechten, sondern stattdessen für einen den historischen Freiburger Traditionen folgenden Ausbau der Stadt. Dies war schon nach wenigen Jahrzehnten weitgehend gelungen, wie die neuere Luftaufnahme (8) aus gleicher Perspektive – aufgenommen 1994 – zeigt. An die Grundprinzipien, die Hochbauamtschef Joseph Schlippe und seine Mitarbeiter nach dem Krieg aufgestellt haben, hat sich die Freiburger Stadtplanung bis heute weitgehend gehalten. Heute wirkt Freiburg vielfach wie eine alte Stadt, die in manchen Straßen einfach modernisiert worden ist.  ….‘
Alles von Peter Kalchthaler vom 20.4.2015 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg-mitte/vor-70-jahren-war-der-krieg-zu-ende–103613971.html
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Royal Air Force zerbombt Freiburg
Im Herbst 1943 gab es leichtere Bombardements der US Air Force, im April 1944 galt Freiburg als Ausweichziel für Ludwigshafen. Statt dessen visierten die US-Luftstreitkräfte irrtümlich das schweizerische Schaffhausen an, warfen fast 400 Spreng- und Brandbomben ab und töteten 40 Menschen. Der damalige amerikanische Präsident, Franklin D. Roosevelt, mußte sich bei der neutralen Schweiz entschuldigen und leistete 40 Millionen Franken Entschädigung.Freiburg 1944.
Am 27. November flogen indes R.A.F.-Bomber ihrerseits Angriffe auf Freiburg. Die Stadt verfügte zwar über „keine nennenswerte Industrie“, so Jörg Friedrich in seinem Standardwerk zum Bombenkrieg, wurde aber aufgrund ihrer Lage an einer Eisenbahn-Transportroute sowie der Bauweise als geeignet für Flächenbombardements befunden. Man vermutete zudem Truppenverschiebungen im gesamten südwestdeutschen Raum über das Breisgau.
… Alles vom 27.11.2014 bitte lesen auf
https://sezession.de/47288/27-november-1944-die-r-a-f-zerbombt-freiburg-im-breisgau

 

Kriegs-Traumata sind über Generationen vererbbar
Die Traumata werden über die Generationen hinweg weitergegeben. Das ist auch über die Holocaustforschung bekannt. Ich hatte eine Frau in Behandlung, in deren Alpträumen die Kriegserlebnisse ihrer Mutter auftauchten. Die Eltern haben zwar geschwiegen. Aber Kinder nehmen gerade das Ausgesparte wahr. Eine sichere Bindung als Garant ihrer psychischen Gesundheit haben traumatisierte Eltern ihnen nicht geben können. Sie mussten ja auf ihre Minenfelder achten und konnten sich auf den emotionalen Lebensfluss gar nicht einlassen. Viele Kinder sind einsam geblieben. Es kommt vor, dass sie sich unbewusst mit ihren Eltern identifizieren oder Dinge leben, die die Eltern bei sich selbst nicht zulassen konnten. Viele haben ihren Kindern die Vornamen gefallener Geschwister gegeben und deren Leben an sie delegiert. Die epigenetische Forschung hat nachgewiesen, dass traumatische Stressmuster über die Generationen vererbbar werden. …..
Alles vom 28.4.2014 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/nachrichten/deutschland/es-hat-ihnen-die-sprache-verschlagen–83866518.html

Krieg – Trauma – Folgen
Noch bis Mitte Juni läuft die vom Freiburger Seniorenbüro koordinierte Veranstaltungsreihe „Kinder im Zweiten Weltkrieg – Spuren ins Heute“. Zu den Mitveranstaltern gehört das „Freiburger Bündnis gegen Depression“ mit einem Vortrag von Werner Geigges über „Kriegskindheit – Trauma – Spätfolgen“ am Mittwoch, 30. April 2014, um 19 Uhr im Hörsaal der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Freiburg, Hauptstraße/Ecke Karlstraße.

 

 

Zweiter Weltkrieg: Freiburger Opferliste – weitere Informationen?

BZ-Mitarbeiterin Carola Schark hat die Namen von 3000 Menschen zusammengestellt, die im Zweiten Weltkrieg bei Angriffen auf Freiburg starben. Wer dazu weitere Informationen hat, kann sich an die Autorin wenden. Basis der Liste von Carola Schark sind das städtische Gedenkbuch und die Bergungslisten. Wer Ergänzungen oder Korrekturen mitteilen will, kann diese der Autorin per Mail an folgende Adresse mitteilen: bergungsliste@web.de
Erinnerung an die Toten: Die Bergungsliste (Excel-Datei, Stand 22.11.2013)

Ales vom 27.11.2013 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/bombenangriff-auf-freiburg-im-november-1944-in-allen-ecken-hockt-das-grauen–77691739.html

https://www.badische-zeitung.de/opferliste

 

 

Schreckensnacht jährt sich zum 68. Mal am 27.11.2012
Am morgigen Dienstag jährt sich zum 68. Male die Schreckensnacht, die fast 2800 Menschen in Freiburg den jähen Tod brachte. Im Bombenhagel und im nachfolgenden Feuersturm wurden mehr als 20 Prozent des Freiburger Hausbestandes zerstört und unbewohnbar gemacht. Unser Autor hat den Bombenangriff als Kind selbst miterlebt. Bereits am 10. Mai 1940 hatte Freiburg einen Bombenangriff erlebt, der im Stadtteil Stühlinger – und dort vor allem auf dem Hildakinderspielplatz – 57 Menschen das Leben kostete. Während die Nazi-Propaganda diesen „feigen Angriff“ zunächst den Franzosen in die Schuhe schob, kam später heraus, dass wohl irrtümlich mehrere Flugzeuge eines deutschen Geschwaders („Edelweiß“) 69 Bomben abgeworfen hatten – in der irrigen Annahme, sich über französischem Territorium zu befinden. Trotz des Zwischenfalls hofften die Freiburger weiter, dass ihre so genannte „offene Stadt“, die keinerlei militärische Fertigungsanlagen besaß, von einem Bombenschlag verschont bleiben würde. So dachte auch am Tage des 27. November 1944 kaum jemand daran, dass Freiburg kurz vor seiner größten Weltkriegs-Katastrophe stand. Meine Mutter war an diesem Abend zusammen mit ihrer Schwester ins Casino-Kino an die Löwenstraße gegangen, nichts ahnend, dass sie dies beinahe das Leben kosten würde. So erlebten sie mitten in der Innenstadt das Bombardement. Als kurz vor 20 Uhr die Wochenschau unterbrochen und die Zuschauer gebeten wurden, sich in die Luftschutzräume im Keller des Schauspielhauses zu begeben, zogen die beiden es vor, den Weg nach Hause zu suchen. Über die Grünwälderstraße rannten sie Richtung Schlossberg, da sowohl die frühere Kaiserstraße, die damals offiziell Adolf-Hitler-Straße hieß, als auch der Münsterplatz schon lichterloh brannten. Über den jetzigen Schlossbergring erreichten sie den Stadtgarten, wo sie sich trennten. Meine Mutter eilte nach Herdern, wo wir Kinder mit der Großmutter im Keller saßen und weinten und beteten. Ihre Schwester, die in einem Haushalt in der Hebelstraße arbeitete, wollte nach ihren „Herrschaften“ suchen. Sie kam dort nicht mehr hin, denn das gesamte damalige Institutsviertel lag in Schutt und Asche. Gott sei Dank haben auch ihre Brötchengeber überlebt, sie hatten sich in den Colombipark retten können.
So fand für unsere Familie diese Horrornacht ein vergleichsweise glückliches Ende. Für fast 2800 Menschen aber brachte sie den Tod, über 9000 Menschen wurden zusätzlich leichter oder schwerer verletzt. Im Nachhinein wurde bekannt, dass die englischen Bomber, die unter dem Codewort „Tigerfisch“ den Angriff flogen, insgesamt 14 500 Brand- und Sprengbomben abgeworfen haben. Noch heute vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht noch bei Bauarbeiten Blindgänger gefunden werden, also Bomben, die damals nicht explodiert sind. Bereits wenige Tage nach der Zerstörung begann man in Freiburg mit den Aufräumarbeiten. Einsturzgefährdete Gebäude wurden abgerissen und vor allem die Straßen, durch die die Straßenbahn fuhr, geräumt. Die Schienen und Stromleitungen wurden instand gesetzt. Bereits im Oktober 1945 waren wieder fast alle Straßenbahnlinien in Betrieb. Zur Trümmerbeseitigung wurde eine Feldbahn eingerichtet. Die Schmalspurschienen verlegte man durch mehrere Straßen der Stadt, um den Bauschutt, der in Kipploren transportiert wurde, an den Karlsplatz zu befördern. Dort stand eine große Zertrümmerungsmaschine, die über verschiedene Rüttelsiebe Berge von unterschiedlich feinem Kies produzierte. Wir Kinder aber haben diese Trümmerwelt mit ihren Trampelpfaden, den zerstörten Hinterhöfen und geheimnisvollen Kellereingängen als Abenteuerspielplätze genutzt. Dass die Mütter dies streng verboten hatten, gab noch einen zusätzlichen Anreiz, sich dort aufzuhalten und auszutoben.
26.11.2012, Hans Sigmund, www.badische-zeitung.de

 

Versteck des Kindersoldaten Herbert Vorgrimler im Carolus-Haus

Die Geschichte des Herbert Vorgrimler, der vor den Nazis floh.
Das Carolus-Haus ist eine ausladende, betagte Jugenstilvilla im Osten von Freiburg, mit einem bald hundertjährigen Kindergarten, mit Blumenbeeten, Rutschbahn, Kiesflächen und Laubengang. Dort, unweit des uralten Gasthauses zum Schiff und des Sportclub-Stadions, öffnet sich die Stadt zum Schwarzwald.

Carolus-Haus mit Kindergarten am 9.10.2010: Blick nach Norden – neue Rutsche rechts

In Sankt Carolus habe ich meine Kindergartenzeit verbracht. Und: In Sankt Carolus hat sich, knapp zwei Jahrzehnte zuvor, in der Endzeit des Zweiten Weltkrieges, ein junger, christlicher Pazifist vor der Hitlerarmee versteckt. Darauf stand im Dritten Reich die Todesstrafe. Der Deserteur hatte Erfolg. Er lebt heute noch, weil ihn damals ein sozial engagierter Priester, der Caritas-Prälat Alfons Eckert, versteckt hat, in seiner Wohnung unter dem Dach der 1910 gebauten Villa Carolus. Herbert Vorgrimler heißt der damals versteckte junge Mann; heute ist er ein über achtzig Jahre alter Theologieprofessor in Münster.
Was Vorgrimler als Jugendlicher in Freiburg während des Krieges erlebte, kann einem den Atem rauben. Der Dichter Reinhold Schneider (1903-1958) lebt damals in Freiburg, ein baumlanger, halb verhungerter Mann. Schneider schreibt Sonette, streng geformte Gedichte gegen den Krieg. Und er verfasst Erzählungen und Betrachtungen über christliche Haltung und politischen Anstand; Texte, die insgeheim abgetippt und abgeschrieben werden. Sie wandern von Hand zu Hand bei denen, die nicht einverstanden sind mit der Barbarei des Dritten Reiches. Vielerorts in Deutschland und selbst dort, wo Hitlers Armeen in Europa Krieg führen, stöbert die Geheime Staatspolizei Gestapo die von Reinhold Schneider stammenden, subversive Texte auf. Der Priester Alois Eckert möchte dem Dichter, der keine Lebensmittelmarken erhält, helfen. Also bittet er seinen Messdiener Herbert Vorgrimler, der ihm täglich frühmorgens bei der Heiligen Messe assistiert, ab 1943 regelmäßig nach Pfaffenweiler zu fahren, mit dem Fahrrad. Dort betreibt ein unauffälliges altes Geschwisterpaar einen Bauernhof. Die Leute sind Eckert verbunden. Sie geben ihm Brot und Wein – und der 14 Jahre alte Herbert Vorgrimler bringt die kostbare Fracht als Fahrradkurier in die Mercystraße unterm Lorettoberg, wo der Dichter Reinhold Schneider in einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit riesigem Schreibtisch lebt, den er vom abgedankten, ehemaligen Kaiser Wilhelm II. geschenkt bekommen hatte.

„Er hat mit mir gesprochen, der riesengroße, schlaksige Mann“, so erinnert sich Vorgrimler an den Dichter. Schneider fragt den Jungen, was er denn vorhabe im Leben, wenn Hitlers Krieg erst mal vorüber sein werde. Mit der Zeit entwickelt sich fast so etwas wie eine ungleiche Freundschaft. Mit handschriftlicher Widmung schenkt Reinhold Schneider einige seiner Broschüren, die in dem von den Nazibehörden geduldeten Alsatia-Verlag in Colmar gedruckt werden, dem Jungen. Und der liest; liest und stellt Fragen. Der Dichter antwortet ihm, sofern es nicht zu riskant ist, zu antworten.Vorgrimlers Eltern sind eingeweiht. Sie finden den Kontakt ihres Buben zu dem vom Staat verfemten katholischen Poeten Reinhold Schneider gut. Der Vater, Martin Vorgrimler, arbeitet in der Auslands-Abteilung des Deutschen Caritas-Verbandes. „Er war durch ausländische Sender gut informiert über das, was die Deutschen in vielen Ländern anrichteten“, erzählt Herbert Vorgrimler. „Was ich an Reinhold Schneider weitergeben konnte von den Nachrichten aus der Schweiz, England oder von Radio Vatikan, das erzählte ich ihm weiter.“
Anfang Januar 1945 wird Herbert Vorgrimler 16 Jahre alt. Es ist das letzte Kriegsjahr und Hitlers besudelte Armee rekrutiert das letzte Aufgebot. Zigtausend halbe Kindersoldaten werden in Wehrmachtsuniformen gesteckt und an den zusammenbrechenden Fronten verheizt. Seit Ende 1944 hat auch Vorgrimler den Einberufungsbescheid. „Erstmal wurde ich ausgiebig krank, der Hausarzt spielte mit“, sagt Vorgrimler.

In dieser begrenzten, kostbaren Pause vom Krieg reift ein lebensgefährlicher Entschluss. „Prälat Eckert hatte die Idee, meine Eltern waren sofort einverstanden und mir selbst war aus den Gesprächen mit Reinhold Schneider klar, dass dies der richtige Weg ist“, sagt der alt gewordene Theologe: Herbert Vorgrimler desertiert. Er nutzt das anhaltende Chaos, das die damals kleine Universitätsstadt Freiburg beherrscht, seitdem sie – unerwartet – am 27. November 1944 fürchterlich bombardiert wurde. Vorgrimler erzählt: „Ich tauchte unter. Mein Versteck bis zur Befreiung vom Hitlerfaschismus durch die französische Armee war die Wohnung von Prälat Eckert im Obergeschoss des Carolus-Hauses.“

Es sind lange, schreckliche Wochen. Der örtliche Nazi-Blockwart Engler, ein Volksschullehrer, fragt wiederholt neugierig bei den Eltern in der Neumattenstraße, unweit vom Sandfang an der Dreisam nach, wo ihr Sohn Herbert denn stecke. Dem ist es in seinem zumeist ungeheizten Versteck im Carolus-Haus langweilig. Quälend langsam verstreicht die Zeit. „Ich erinnere mich vor allem an die Kondensstreifen der alliierten Bomberverbände, die in Formation an den eisigen Winterhimmeln nach Osten, in die württembergischen Industriegebiete oder nach Bayern flogen“, berichtet Vorgrimler.

Irgendwann in jenen schweren Tagen geht dem 16-Jährigen auf, was alles an katholischer Reformliteratur und Theologie in den Bücherschränken seines Versteckgebers Eckert steht. „Ich begann zu lesen, tagaus, tagein. Damals habe ich meine Leidenschaft für die Theologie entdeckt“, sagt Vorgrimler, der Jahrzehnte später Dogmatikprofessor wurde und Glaubensfragen gelehrt hat. Für das tägliche Brot des verborgenen Jugendlichen hat Prälat Eckert damals Tag für Tag gesorgt. Wie der Priester das bewerkstelligte, ist Herbert Vorgrimler heute noch ein Rätsel.

Der Autor, Thomas Seiterich, geboren 1955 in Freiburg, ist Redakteur für Theologie, Kirchen, Religionen und Nord-Süd-Fragen bei der Zeitschrift Publik-Forum.

5.4.2012, Thomas Seiterich

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27. November 1944: Das alte Freiburg ist untergegangen
In der Meckelhalle der Sparkasse tauschten Zeitzeugen Erschütterndes aus der Bombennacht aus.
Melancholie und Verzweiflung, Wehmut und Optimismus, Angst und Erleichterung – die Gefühle der Zeitzeugen lassen sich auf keinen gemeinsamen Nenner bringen. Zu vielfältig waren die Erfahrungen, denen die Zuhörer in der voll besetzten Meckelhalle der Sparkasse lauschten. Einfühlsam moderiert von Eggert Blum (SWR 2) schilderten die fünf Zeitzeugen nach der Begrüßung durch Sparkassenchef Horst Kary ihre Erlebnisse in der Bombennacht vom 27. November 1944 – und nicht nur diese.
Tief geprägt hat sie auch der versehentliche deutsche Angriff vom 10. Mai 1940, an dem etwa Gottfried Beck, Seniorchef des Bettenhauses Stiegeler, und sein Bruder nur knapp mit dem Leben davon gekommen sind.
Kunsthistoriker Peter Kalchthaler, der die Veranstaltung begleitete, brachte es auf den Punkt: „Das alte Freiburg ist untergegangen.“ Schon die einleitenden Stimmen aus dem Off, wo ein kleines Kind im Keller ängstlich fragte „Oma, sind wir jetzt tot?“ sorgten für Gänsehaut. Architekt Paul Bert: „Der Krieg war für uns ein Abenteuer – bis 1944. Wir sammelten Bombensplitter, das war aufregend, die hat man dann in der Schule getauscht.“ Gottfried Beck stimmt zu: „Wir waren naiv – bis zu jener Nacht.“Sonja Hamann, deren Vater in der Predigerstraße 2 eine Metzgerei betrieb, war nicht ganz so unbedarft. Denn sie hatte vom „Bund Deutscher Mädel“ den Auftrag bekommen, „die Ohren offen zu halten“. Folgsam war sie zur Beobachtung in den dritten Stock gerannt, als ihr die Fensterscheiben entgegen kamen. „Der Urgroßvater war 94 Jahre alt und wollte nicht in den Keller. Er hat gesagt, ich sterbe im Stehen.“ Nur mit viel Überredungskunst habe man ihn nach unten bewegen können. Ein fremder Mann war die Rettung, denn er hatte den Durchbruch zum Nachbarhaus geöffnet, durch das sie entkommen konnten. Hamann: „Mutter sagte: Schau nicht hin! Aber ich tat es doch. Es war nix mehr da, nur noch Himmel!“
Der Colombipark als rettende Insel
Als erster Zufluchtsort diente der nahe Colombipark. Auch für Herbert Bräutigam aus Unterlinden war der Park „eine rettende Insel“. Dass Mauerdurchbrüche Leben gerettet hatten, das wussten auch die anderen Zeitzeugen auf dem Podium. Beck: „Leute aus dem Ruhrgebiet kannten sich aus mit Feuerstürmen. Die haben gerufen raus, raus!“ Herbert Bräutigam kann das nur bestätigen. Denn Angst hatte seine Familie fast bis Mitternacht im Keller gehalten. „Wir wären verbraten“, bekennt er, wenn nicht der Ehemann einer Nachbarin ihnen das Leben gerettet hätte. Bernd Schillen, früherer Pilot, erinnert sich mit Grausen daran, wie auf dem Flugplatz junge Fahnenflüchtige erschossen wurden. In der Rosastraße ausgebombt, hatte er mit den Angehörigen noch Bettwäsche aus dem Fenster werfen können, bevor das Haus gegen 6 Uhr morgens schließlich doch ein Raub der Flammen wurde.
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Paul Bert, damals in der Schlageterstraße wohnhaft (heute Erasmusstraße), leidet noch heute unter Schreckhaftigkeit. „Es ging alles so schnell. Wir konnten nicht mal das bereitgestellte Handgepäck greifen.“ Das Baby einer Nachbarin wurde kurzerhand in den Schrank gelegt, um es zu schützen. Doch auch aus dem Publikum kamen erschütternde Beiträge.
Gerda Hormes prägte die zweieinhalbstündige Veranstaltung durch ihren packenden Bericht. Atemlos lauschten die Zuhörer, wie sie im Alter von zwölf Jahren binnen Minuten die ganze Familie verlor. Die Mutter war von einer einstürzenden Mauer erschlagen worden und dem Vater platzte bei einem erneuten Mineneinschlag die Lunge – gerade, als er sie aus den Trümmern ziehen wollte. Ihr Bruder, der hierüber den Verstand verloren hatte, ließ sie allein und wurde erst Monate später tot geborgen. Trotz dieses Traumas sagt sie: „Danke, lieber Gott, dass Du mir so ein Leben geschenkt hast.“
29.11.2011, Carola Schark
https://bz-ticket.de/das-alte-freiburg-ist-untergegangen–52536441.html

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Gerda Hormes: „Meine Kindheit war vorbei“
Die 70-jährige Gerda Hormes erinnert sich an den Angriff auf Freiburg am 27. November 1944.

freiburg1944-nussmannstrasse    Die Nussmannstrasse nach der Bombardierung 27.11.1944

Der Abend des 27. November 1944 begann. Es war eine Woche vor dem 1. Advent. Meine Eltern betrieben in der Nussmannstraße 6 das Blumengeschäft Hundt-Guteche. Vater war für zwei Tage zu Hause, um der Mutter beim Vorbereiten auf die Weihnachtszeit zu helfen. An jenem Abend sollte er wieder im Lazarett St. Agnes sein. Vater war seit dem 1. September 1939 eingezogen. Angestellte waren am Westwall schippen.
Wir hörten den Voralarm, Vater war schon bereit. Er kam nicht mehr fort. Flieger warfen Bomben über die Stadt. Mutter war schon voller Angst in den unteren, tiefen Keller gerannt. Wir, mein Bruder und ich, hinterher. Mutter rief laut nach Vater. Er war noch oben. Von den Schreien meiner Mutter aufgeschreckt, lief ich wieder die Treppe vom Keller hinauf, um ihn zu holen. Die Gefahr, in der ich mich befand, war mit nicht bewusst. Seltsamerweise hatte ich keine Angst. Vater zog mich schnell die Treppe wieder hinunter. Mein Bruder Karl, er ist dreieinhalb Jahre älter als ich, stand wie versteinert da. Mutter kauerte am Boden, hob die Hände gefaltet zum Gebet und schrie das „Vater Unser“ zum Himmel. Schnell gab sie mir ihre Pelzstola und rief „Binde sie dir über den Kopf“. Die Seitenwand stürzte ein und begrub meine Mutter. Sie ist unter den Steinmassen erstickt. Ihre Schreie beim Sterben waren furchtbar. In meinem ganzen Leben haben sie mich begleitet.

Das Licht brannte noch, oder war es schon der Feuerschein? Noch immer habe ich das Entsetzen im Gesicht meines Vaters vor Augen, als er mich von den Trümmern befreien wollte, die mir bis über die Schultern reichten. Er sprach kein Wort. Ein letzter Händedruck. Mit seinem Gesicht fiel er an meine Brust. Noch immer habe ich seine Hände gehalten, die er fest hielt, um mich aus den Trümmern zu ziehen.
Ich konnte nicht begreifen, dass er tot war. Wie nach außen hin still hat sich sein Tod vollzogen. Ich schrie und schrie. Mein Bruder irrte im Keller herum. Ich sagte zu ihm, dass Papa und Mama tot seien, er antwortete „Sie stehen neben mir und sprechen zu mir.“ Er muss wohl irre geworden sein. Er ist verbrannt, man fand seinen Körper bei Ausgrabungen im Haus 45. Ich war in den Trümmern eingeschlossen, konnte mich selbst nicht befreien. Das Wasser ergoss sich aus den zertrümmerten Rohren. Ich merkte, dass ich nass wurde. Auf meine Schreie hin kam ein Mann in den Keller.
„Mutters Schreie beim Sterben waren furchtbar. Mein Leben lang haben sie mich begleitet.“ Gerda Hormes
Es gelang ihm nicht, mich heraus zu ziehen Er ging wieder weg. Wieder war ich alleine. Bei den Toten. Ich merkte, dass ich mich erbrechen musste. Damit ich mich nicht beschmutzte, grub ich neben mir mit den Händen ein Loch und tat es hinein, deckte den Schutt darüber. Meinem Vater schüttelte ich in Verzweiflung den Kopf, ich betastete seine Haare, seinen Mund und die Augen. Alles war leblos, ohne Kraft. Dann habe ich ihm den Ehering ausgezogen. Ich wusste, dass man das bei Toten so macht.
Wieder kam jemand auf meine Schreie hin. Ein Begriff von Zeit hatte ich nicht mehr. Der Schein einer Taschenlampe leuchtete mir ins Gesicht. Ein junger Soldat zog mich mit letzter Kraft aus den Trümmern. Nun konnte ich nicht mehr laufen. Die Trümmer haben zu sehr auf meinen Beinen gelastet. Ich fiel über die anderen Tote, die da noch waren, und nur langsam kam das Gefühl wieder. Ich sagte ihm, dass da noch die toten Eltern wären, aber er meinte: „Hauptsache wir retten ein junges Menschenleben.“ Er schob mich vor sich eine brüchige Leiter in den oberen Keller hinauf und dann weiter in den Garten vom Hotel Kopf. Das Feuer kam schon ebenerdig aus dem Haus heraus. Dort oben im Kopf-Garten ließ er mich stehen und ging weg. Ich weiß nicht, wer er war. Überall lagen Trümmer herum, und es regnete Feuer vom Himmel.
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Ich war grenzenlos allein.
Eine Frau warf mir ein nasses Stück Tuch zu und rief voll Entsetzen: „Du fängst ja Feuer!“ An diesen Wunden musste ich hinterher noch ein Jahr lang tragen. Der Phosphor hatte mir Brandwunden dritten Grades in die Haut gebrannt. Nun lief ich anderen, fremden Leuten hinterher. Den Ehering meines Vaters verwahrte ich an meinem Daumen. Später hab ich ihn am Kornhaus, als ich über die Trümmer hinunter gefallen bin, verloren. Jemand gab Sprudel aus, er war süß. Damit habe ich mein Gesicht nass gemacht, da war alles noch schlimmer, der Dreck an mir, die verklebten Haare. Die Flasche war nun außer dem nassen Tuch mein kostbarster Besitz. Weiter ging es über die Trümmer an brennenden Häusern vorbei zum Kornhaus auf dem Münsterplatz.
Auf dem Münsterplatz waren kaum Leute. Ich schaute zu, wie das Bettenhaus Herzog und die Volksbücherei brannten. Da sah ich jemand am Münster, der die Türe abschloss. Eine Frau, sie schickte mich in den Bunker.
Weiter ging ich in die Herrenstraße, zur Burgstraße, heutige Schoferstraße. Die Schlossbergstraße hinunter in den Bunker. Dort suchte ich meine Oma, die war im Evangelischen Stift. Ich fand sie nur mit einem Nachthemd bekleidet, keine Schuhe, keine Strümpfe an, keine Unterwäsche. Sie weinte und lachte. Sie begriff nicht mehr, dass sie tot seien. Sie sagte nur, sie möchte etwas zum Essen. Ich ging zum Roten Kreuz im Bunker und bettelte für meine Oma um Brot und Tee. Oma aß und trank. Ich selbst konnte nichts essen. Oma verlor ich aus den Augen. Ein Jahr später erfuhr ich, dass sie am 13. Dezember 1944 gestorben ist, an den Folgen des Angriffs.
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Die Kleider hingen als Fetzen an mir herunter. Jemand gab mir einen langen schwarzen Mantel. Ich musste ihn immer hoch heben, sonst wäre ich hingefallen. Aber ich habe nicht mehr so sehr in meinen nassen Kleidern gefroren.
Die Kinder vom Waisenhaus waren auch da. Eine Aufseherin wollte mich festhalten. In einem unbeobachteten Moment schlich ich mich weg. Ich wusste, dass die Kinder im Waisenhaus immer dieselben Kleider trugen, das wollte ich keinesfalls. Der Gedanke, dass ich noch viel ärmer aussah, kam mir nicht.
Menschen im Bunker gaben mir den Trost auf den Weg, dass die Eltern und der Bruder jetzt im Himmel seien und sie es dort gut hätten. Ich war ein Kind, ich habe es wirklich geglaubt!
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Die Nacht wollte nicht enden. Am anderen Morgen bin ich ins Lazarett St. Agnes gelaufen, wo mein Vater Soldat war. Unterwegs traf ich Dr. Bader, Stabsarzt. Er war der Chef vom Gefangenen-Lazarett. Er war erschüttert über meinen Bericht, wusste er doch nun, warum mein Vater nicht in den Dienst gekommen war.
Nach zwei Tagen holte mich dort ein Dienstmädchen meiner Eltern ab. Bei ihr verbrachte ich die nächsten zehn Tage zwischen Bunker, Keller und Straße und verwahrlost, total verwahrlost.
Am 10. Dezember 1944 machte ich mich auf den Weg zu einem Bauern im Attental bei Ebnet, um Brot und Milch zu betteln. Er behielt mich gleich da mit dem Vermerk, dass er einen Sauhirt brauche. Von da an wurde wieder einigermaßen für mich gesorgt. Dafür musste ich nach Kräften sehr hart arbeiten. Meine Kindheit war vorbei.
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27. November 2002, Gerda Hormes, geb. 1932, Freiburg-Littenweiler
https://bz-ticket.de/freiburg/meine-kindheit-war-vorbei–38065858.html

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