Rheinseitenkanal

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Blick vom Schauinsland über Stohren und Münstertal ins neblige Rheintal 11/2021

 

Burkheim: D und F verbindet ein neuer Radweg über den Rhein
Am Sonntag wird am Stauwehr Burkheim ein grenzüberschreitender Radweg eingeweiht. Damit öffnet sich der letzte noch geschlossene Übergang am Oberrhein zwischen Frankreich und Deutschland.
Das frische Stück Radpiste über den Rhein ist nur 120 Meter lang, doch seine Bedeutung geht weit darüber hinaus. 60 Jahre Elysée-Vertrag – und mit ihr die französisch-deutsche Aussöhnung – werden in diesem Jahr gefeiert. Passend dazu öffnet sich am Oberrhein der bislang geschlossene Rheinübergang zwischen dem badischen Burkheim und der benachbarten französischen Rheininsel.

Als Errungenschaft der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wird die Öffnung des Stauwehrs am Sonntag mit einem deutsch-französischen Volksfest – „La BiCyclette“ – ins rechte Licht gesetzt. An den fünf Rheinbrücken zwischen Neuenburg/Chalampé im Süden und Sasbach/Marckolsheim im Norden erwarten jeweils ein Unterhaltungsprogramm und Bewirtung die Ausflügler, die idealerweise mit dem Rad unterwegs sind.

Die imaginäre Grenzlinie in der Flussmitte
Am zentralen Punkt, dem Stauwehr in Höhe von Vogtsburg-Burkheim im Kaiserstuhl, steht indes kein spektakuläres Brückenbauwerk. Seit den 1960er-Jahren nutzte Electricité de France (EdF) als Konzessionär hier die Wasserkraft. Ein Absperrgitter trennte beiderseits die Industrieanlage vom Umland ab: zur einen Seite die Insel mit der Schleuse und dem Rheinübergang bei Marckolsheim im Norden, zur anderen der Rhein mit der imaginären Grenzlinie in der Flussmitte.

Mit Blick auf die Öffnung wurde der Abschnitt über das Stauwehr nun für Radfahrer ertüchtigt. Für die Bevölkerung beiderseits des Rheins erschließen sich damit neue Möglichkeiten für Radtouren über die Grenze hinweg. Burkheim selbst ist mit seiner den Ort überragenden Burgruine und hübschen Gässchen schon einen Abstecher wert. Durch den Auwald führt von hier aus der Weg zum Stauwehr, das sich ebenfalls am Rheindamm entlang von Norden und Süden her erreichen lässt.

Die Strecke durch die Rheinauen mit ihren grünblau schimmernden Wasserarmen ist ein Vorgeschmack auf die Insel: ein Naturparadies von wilder, dschungelartiger Schönheit, bewohnt von Kormoranen, Graureihern, Finken. Dank der Öffnung des Stauwehrs erreicht man nun ungehindert einen fünf Kilometer langen Weg an der westlichen Seite der Insel bis zur Schleuse Marckolsheim. Erkunden lässt sich der nördliche Teil auch entlang einer zweisprachig ausgeschilderten Tour von insgesamt 2,5 Kilometern Länge, die nahe der Schleuse bei Marckolsheim, beim ehemaligen Zollposten, startet. Die Rheininsel kann so vorrangiges Ziel wie Station auf einem ausgedehnteren Ausflug zwischen dem Kaiserstuhl und dem Zentralelsass sein.
Ein Erlebnis fürs Auge ist die Strecke über das Burkheimer Stauwehr noch aus einem anderen Grund. Im Auftrag der EDF hat der britische Street-Art-Künstler Inkie (Tom Bingle) auf der 200 Meter langen, in knalligem Türkis gestrichenen Stahlfront die deutsch-französische Freundschaft verewigt, mit expressiven Schriftzügen, stilisierten Symbolelementen für die beiden Nachbarländer wie Hirschgeweih und Käse sowie geheimnisvollen Wasserwesen.
Ortstermin am Rheindamm wenige Tage vor der offiziellen Öffnung des Stauwehrs. Peter Kuhn, beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zuständig, trifft sich zur Abnahme mit Vertreterinnen und Vertretern aller elsässischen Projekt-Partner. Kuhn hat ein deutschsprachiges Hinweisschild dabei („Betriebsgelände. Betreten auf eigene Gefahr!“). Es soll künftig am Gitter angebracht werden. „Von der ersten Idee bis zur Umsetzung hat es letztlich 20 Jahre gedauert“, sagt Kuhn, der auf deutscher Seite das Projekt begleitet hat – das Landratsamt hat auf deutscher Seite die Stauwehröffnung verantwortet. Mit im Boot waren das Regierungspräsidium Freiburg sowie die Kommunen Vogtsburg und Breisach. Es ist wie so oft in der deutsch-französischen Kooperation: Nicht nur Geld wird benötigt, sondern es erfordert auch Überzeugungskraft und einen langen Atem
Insgesamt rund 500.000 Euro hat das Projekt gekostet. Ausschlaggebend sei letztlich gewesen, sagt Kuhn, dass die Europäische Gebietskörperschaft Elsass (CeA) ab ihrer Gründung 2021 mit dem nötigen politischen Willen die Federführung auf französischer Seite übernommen habe. Aus dem europäischen Fördertopf für Grenzregionen seien noch Mittel für die Hälfte der Rechnung verfügbar gewesen. Mit gutem Grund sieht deshalb so mancher die Öffnung des Stauwehrs und das Volksfest als Summe der grenzüberschreitenden Kooperation der vergangenen Jahre.
… Alles vom 7.7.2023 von Bärbel Nückles bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/ein-neues-symbol-der-freundschaft–272703390.html
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Alles rund um das Fest und eine interaktive Karte der grenzüberschreitenden Radwege: https://www.labicyclette-franco-allemande.eu

 

Warum Deutschland die Wasserkraft des Rheins nicht nutzt
Zwischen Vogelgrun und Breisach gewinnt die Firma Électricité de France (EDF) enorme Strommengen mit Wasserkraft. Deutschland hat auf die Beteiligung verzichtet – aus historischen Gründen.
Viel wird über den Bau von Solardächern und Windkrafträdern gesprochen, wenn es um umweltfreundliche Energiegewinnung geht. Über die naheliegendste regenerative Energie wird rechts des Rheins aber selten gesprochen: Wasserkraft. Die Gründe liegen in einem deutsch-französischen Abkommen.
Das Rheinwasserkraftwerk des französischen Energieversorgers Électricité de France (EDF) zwischen Breisach und Vogelgrun im Elsass liefert jährlich fast 800 Millionen Kilowattstunden Strom. Es nutzt das Gefälle des Rheinseitenkanals und produziert rund um die Uhr klimafreundlichen Strom. Wasserkraftbetreiber sagen, dass Flüsse die zuverlässigste regenerative Energiequelle darstellen, weil sie unabhängig von Sonnenschein und Wind arbeiten.
Das Rheinwasserkraftwerk der EDF ist eine rein französische Angelegenheit, obwohl sich beide Länder den Rhein teilen, dessen Wasser im Rheinseitenkanal fließt. BZ-Leser Werner Adrion erinnert nach dem BZ-Bericht „Als der Grand Canal nach Breisach kam“ vom 12. April an die Tatsache, dass die Hälfte des Stromertrags ursprünglich Deutschland versprochen worden war. Es sei nicht nur die Bahnverbindung Breisach-Colmar, die durch den Bau des Rheinseitenkanals in den 50er-Jahren „unter die Räder kam“ – auch die Möglichkeit der Energiegewinnung „ist uns durch den Versailler Vertrag zwar hälftig zugestanden worden, aber durch die spätere Schlingenlösung wieder abhanden gekommen“, so Adrion. Der Ruheständler hat früher für die Firma Energiedienst (davor Kraftwerk Laufenburg) gearbeitet und kennt sich von Berufs wegen mit Wasserkraft aus.
Die Berichte im Stadtarchiv Breisach geben ihm Recht: Im Jahr 1919 hatte sich Frankreich nach dem Sieg über das Deutsche Reich im Versailler Vertrag das Recht gesichert, entlang des Rheins einen Kanal zu bauen und Wasser entnehmen zu dürfen. Dafür wurde Deutschland die Hälfte dessen zugestanden, was an Strom aus der Wasserkraft gewonnen wird.

Doch als die Pläne für den Rheinseitenkanal zwischen Weil am Rhein und Straßburg nach rund 30 Jahren aus der Schublade geholte wurden, gab es Proteste auf deutscher Seite, unter anderem aus Breisach. Die Befürchtung war, dass Südbaden durch den Kanal in Frankreich vom Rhein abgeschnitten wird. Die französische Regierung kam den deutschen Sorgen entgegen: Beide Seiten einigten sich in den 50-er Jahren auf den Bau kurzer Seitenkanäle (sogenannte Schlingenlösung). Dieses Extra wollte sich Frankreich allerdings bezahlen lassen: Die deutsche Seite musste Ende der 50-er Jahre ihren Anspruch an die Wasserkraft am Rhein aufgeben und ging einen neuen Vertrag ein.

Breisachs Altbürgermeister und Zeitzeuge Fritz Schanno (1918 bis 2017) schrieb dazu in seinen Memoiren: „Frankreich trägt nach dem Luxemburger Abkommen die Gesamtkosten des Rheinausbaus bis Straßburg einschließlich der durch die Schlingenlösung verursachten Mehrkosten. Dafür verzichtete die Bundesrepublik auf die ihr nach dem Versailler Vertrag in Aussicht gestellte Hälfte des Wertes, der in den Anlagen erzeugten Energie.“
Und so ist es auch gekommen: Der französische Staatskonzern EDF baute an den Staustufen des Rheinseitenkanals wie geplant mehrere Wasserkraftwerke wie an der Staustufe Vogelgrun/Breisach. Jährlich werden hier rund 775 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom ins französische Netz eingespeist. Würde man diese Menge mit zehn Cent Vergütung pro kWh multiplizieren (durchschnittlicher Verkaufspreis 2021 an der Strombörse Leipzig), würde sich ein Jahreswert von 77,5 Millionen Euro ergeben. Die deutsche Regierung erhielte nach dieser Rechnung laut Versailler Vertrag die Hälfte, also 38,75 Millionen Euro. Das wäre seit 1960 eine Summe von rund 2,4 Milliarden Euro.

Doch nach dem Kompromiss mit der Schlingenlösung bleibt dies ein Gedankenspiel. „Das war damals kein guter Deal“, findet Werner Adrion. Auch weil das Wasser des Rheins nicht nur Strom liefert, wenn die Sonne scheint oder Wind weht – „es geht mir letztlich nicht um das Geld, sondern wie wir als Region dargestellt sind“, schreibt er. Die Abkehr von Atom- und Kohlestrom in Deutschland und – jetzt mit dem Ukrainekrieg womöglich auch von Erdgas – hat die Wasserkraft noch interessanter gemacht.
… Alles vom 12.7.2022 von Dirk Sattelberger bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/warum-deutschland-die-wasserkraft-des-rheins-nicht-nutzt–214990155.html

Wasserkraft im Vergleich – Durchschnittlicher Stromertrag /Jahr:
EDF-Wasserkraftwerk Vogelgrun: 775 Millionen Kilowattstunden (kWh)
Windrad: bis 14 Millionen kWh (auf dem Land; Offshore bis 67 kWh)
geplante Solaranlage im Rimsinger Baggersee: 2 Millionen kWh
Solarpark Vogtsburg: 8 Millionen kWh